Titel: | Drahtseilbahn mit automatischen Kurven und Umkehrscheiben. |
Autor: | W. Heinzelmann |
Fundstelle: | Band 319, Jahrgang 1904, S. 569 |
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Drahtseilbahn mit automatischen Kurven und
Umkehrscheiben.
Von Diplom-Ingenieur W. Heinzelmann,
Ober-Ingenieur bei der Firma Wilhelm Fredenhagen, Maschinenfabrik in
Offenbach am Main.
Drahtseilbahn mit automatischen Kurven und
Umkehrscheiben.
Im Anschluss an den Aufsatz „Die Drahtseilbahnen“ von
Regierungs-Baumeister Stephan wird es für weite Kreise von
Interesse sein, die Ausführung einer besonderen derartigen Anlage (D. R. Pa.) kennen
zu lernen, zumal bei derselben ein Fortschritt zu verzeichnen ist, der die gesamte
Drahtseilbahnentechnik in neue Bahnen lenken wird.
Diese Seilbahn wurde anfangs des Jahres von obiger Firma für den Transport von
Glasgefässen gebaut. Bislang wurden die Gläser aus einem hochgelegenen Speicher in
parallel zu diesem stehende Eisenbahnwagen vonHand getragen. Durch die Grösse
(500 400 600 mm) und das Gewicht (13 kg) der Gefässe, entstanden viele
Materialschäden und Unglücksfälle, so dass die Firma sich gezwungen sah, hierfür
eine betriebssichere mechanische Transporteinrichtung anzuschaffen. Als einfachstes
und dabei billigstes Mittel wurde die in folgenden beschriebene Drahtseilbahnanlage
gewählt.
Sie zieht sich in der Mitte des sehr langen und schmalen Speichers hin und biegt am
Ende desselben in scharfer Kurve und starkem Gefälle (ca. 45°) zu den Eisenbahnwagen
ab. Diese schwierigen örtlichen Verhältnisse schienen zuerst die Ausführung mittels Seilbahn
unmöglich zu machen, wurden aber doch durch sinnreich angeordnete sogen.
Kurvenscheiben (D. R. P. a.) gelöst, mittels deren Kurven bis zu den kleinsten
Radien sicher befahren werden können, (s. Fig. 1 u.
2.)
Die Anwendung und Wirkungsweise dieser Scheibe ist in Kürze folgende: Der auf
Hängebahnschienen laufende Seilbahnwagen wird vom Zugseil, das die Scheibe dem
Kurvenwinkel entsprechend umschliesst, fortgezogen. Diese Schienen endigen in einer
Spitze tangential auf einer Erhöhung der Scheibe, so dass also der Wagen, wenn er
die Schienen verlassen hat, auf der Scheibe steht und nun durch diese mittels der
vom Seil bewirkten Drehung weiter bewegt wird, bis er auf die andere tangential
anschliessende Schiene aufläuft. Während dieser Drehung bleibt der Wagen immer mit
dem Seil gekuppelt.
Textabbildung Bd. 319, S. 569
Fig. 1.
Mittels dieser einfachen Kurvenscheibe findet auf der ganzen Bahn ein vollkommen
selbstätiger ununterbrochener Betrieb statt, da die Wagen nicht nur um die
Kurvenscheiben, sondern auch in gleicher Weise, um die Antrieb- und Spannscheibe
gezogenwerden, während bei anderen, zum Teil veralteten, Konstruktionen, die
Wagen entweder von Hand oder sonst mit Scheiben von sehr grossem Durchmesser gedreht
werden. Durch diese Erfindung wird sich das Anwendungsgebiet der Drahtseilbahnen
bedeutend erweitern, da man jetzt nicht mehr an die geraden Linien gebunden ist,
sondern jede Art Terrainschwierigkeiten leicht überwinden kann.
Textabbildung Bd. 319, S. 569
Fig. 2.
Es bleibt mir noch übrig, einige Einzelheiten der ganzen Anlage anzugeben: die
Geschwindigkeit beträgt 0,2 m in der Sekunde, so dass bei einem Abstand der Wagen
von 3,5 metwa 400 Glasgefässe in der Stunde befördert werden können. Die
Geschwindigkeit ist deshalb so gering, damit die Wagen während der Fahrt be- und
entladen werden können. Der Durchmesser der Antriebsscheibe ist 1,5 m, die der
Kurvenscheibe 1 m, die der Spannscheibe 2 m. Der Antrieb geschieht mittels
Elektromotor, Riemen und Kegelübersetzung. Der Kraftbedarf beträgt etwa 1 PS. Alles
übrige ist aus den Abbildungen zu ersehen.