Titel: | Sonderbauarten der Hebezeuge für den Eisenbahnbetrieb. |
Autor: | Hans A. Martens |
Fundstelle: | Band 319, Jahrgang 1904, S. 578 |
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Sonderbauarten der Hebezeuge für den
Eisenbahnbetrieb.
Von Regierungsbaumeister Hans A.
Martens.
(Fortsetzung und Schluss von S. 556 d.
Bd.)
Sonderbauarten der Hebezeuge für den Eisenbahnbetrieb.
Auf vielen Stationen tritt das Bedürfnis, grössere Lasten zu verladen,
verhältnismässig so selten ein, dass es sich nicht verlohnt dort dauernd einen
ortsfesten Kran aufzustellen. Hieraus hat sich die Bauart der fahrbaren
Eisenbahnkrane entwickelt, die zum Einstellen in Züge
geeignet sind. Mit einem solchen wird dann ein bestimmter Bezirk versorgt. Der Kran
selbst, als Drehkran ausgebildet, ist auf einem der Regelbauart entsprechenden
bordlosen Wagen aufgebaut.
Textabbildung Bd. 319, S. 577
Fig. 24. Eisenbahnkran von Butz u. Leitz.
Der Ausleger ist niederlegbar, der Antrieb stets von Hand. Die Tragkraft ist
gewöhnlich gering, 1000 bis 5000 kg. Der Wagen wird zwei- und dreiachsig gebaut und
mit Vorrichtungen versehen, um ihn an das Gleis anklammern zu können. Derartige
Krane leisten auch bei Aufräumungsarbeiten von Eisenbahn – Unfallstätten gute
Dienste, so dass einige Wagen von Hilfszügen mit ihnen ausgerüstet sind. Die Bauart
der Krane bietet nichts bemerkenswertes. Fig. 24
stellt einen von Butz & Leitz, Mannheim gebauten
fahrbaren Eisenbahnkran dar, der 5000 kg Tragkraft bei 4,5 m Ausladung und 6 m Höhe
besitzt. Für die Beförderung ist unter den niedergelegten Ausleger stets ein leerer
offener Wagen einzustellen.
Eine eigentümliche Bauart der fahrbaren Drehkrane ist in der von einigen Werken
entworfenen Kranlokomotive entstanden, die, streng genommen, dem Eisenbahnbetriebe
nicht angehört, da sie die „Umgrenzungslinie der Betriebsmittel“ nicht inne
hält und daher im öffentlichen Eisenbahnverkehr nicht verwendet werden darf. Sie
wird sich auf industriellen Werken, wenn nur ihre Anwendungdurch die
Bedürfnisse gerechtfertigt ist, recht nützlich erweisen können als vereinigtes
Beförderungsmittel und Hebezeug. Fig. 25 und 26 stellen die einander ähnlichen Bauarten der Guilleaume-Werke Neustadt-Haardt und der Maschinenfabrik Esslingen dar. Die Tragkraft beträgt
3000 kg, die Ausladung 4,25 bis 4,5 m, die Geschwindigkeit der Lokomotive 10 km i.
d. Stunde mit einer Zugkraft von 2600 kg. Die Kransäule ist in einem, möglichst im
Schwerpunkt der Lokomotive errichteten, über dem Kessel) gelagerten Gerüst
angeordnet. Der Antrieb des Hubwerks erfolgt durch eine Zwillingsdampfmaschine mit
mehrfachem Rädervorgelege, die Drehbewegung durch eine kleine Dampfmaschine mittels
Schneckenradtriebs, Die Dampfzuführung liegt in der Kranachse. Der Kran ist mit
einem über den Führerstand schwingenden Gegengewicht versehen. Das Gesamtgewicht der
betriebsfähigen Lokomotive beträgt etwa 27000 kg.
Die Bedeutung der mechanisch angetriebenen Verladevorrichtungen wurde von den
Eisenbahnverwaltungen früh genug erkannt, so dass zurzeit schon eine Anzahl neuer
oder umgebauter Bahnhofsanlagen mit ihnen, den eigenen Betriebsverhältnissen
angepasst, ausgerüstet ist. Hauptsächlich kommt die Versorgung der Lokomotiven mit
Kohle in Betracht. In der einfachsten Form geschieht dies mittels Körben, die von
Hand gefüllt, in den Kohlenraum der Lokomotive entleert werden. Die Körbe fassen ein
bestimmtes Gewicht, so dass ihre Anzahl die geladene Kohlenmenge bestimmt. Mit der
Ausdehnung des Betriebes wuchs das Bestreben, nach kürzerer Bekohlungszeit, welches durch einen
von Hand betriebenen, auf der Kohlenrampe aufgestellten Drehkran befriedigt wurde.
Ihm werden die auf Schienen laufenden Kohlenhunde von bestimmtem Fassungsvermögen
zugeführt, nachdem sie an beliebiger Stelle in den Bansen gefüllt worden sind. Der
Kran hebt sie entweder auf die Bühne, wo sie bereit gestellt werden, oder schwenkt
sie sofort zum Entleeren über den Tender, was durch Umkippen um die wagerechte Achse
geschieht. Es ist klar, dass sich bei gleicher Tragkraft, Hubhöhe und Ausladung eine
Regelbauart herausbilden musste. Das Streben nach Beschleunigung des Bekohlens war
damit aber nicht befriedigt, da neben der Erhöhung der Wirtschaftlichkeit desselben
auch die möglichste Abkürzung der nicht im Zugdienst verbrauchten Dienstzeit der
Lokomotivbeamten, der Zeit vor und nach der eigentlichen Fahrt, in Frage kam. Es lag
nichts näher als, wie das so häufig geschehen, den elektrischen Antrieb in den
Handkran hineinzubauen, wofür Fig. 27 ein gutes
Beispiel darstellt. Bei dem von Beck & Henkel, Cassel, gebauten Kran wirkt der Motor auf ein
Schneckengetriebe in nur einer Drehrichtung. Das Ablassen der Last erfolgt durch
Handbremse, wobei die Antriebswelle still steht. Die Bremse vereinigt in sich
Sicherheitskurbel, Lastbremse und Fliehkraftbremse. Die Tragkraft beträgt 1000
kg.
Neuere Anlagen haben auch rein elektrisch angetriebene Drehkrane mit Führerstandshaus
erhalten und zeigen in ihrer Bauart nichts besonderes.
Für die modernen Lokomotiv-Bekohlungsanlagen sind die Verladevorrichtungen im
Kohlen-Grossverkehr vorbildlich gewesen.
Der erste grössere Versuch mechanischer Lokomotivbekohlung bestand in der Verwendung
einer Becherkette, die die in eine unter S . O liegende Grube aus den Zuführungswagen
ausgeschütteten Kohlen in hochliegende Bunker förderte, von wo sie nach Durchgang
durch eine selbsttätige Wage auf schiefen Ebenen mittels Füllrümpfen den Tendern
zugeführt wurden. Diese nach Hunts Patent ausgeführten
Anlagen bewähren sich für die Versorgung ortsfester ausgedehnter Kesselanlagen
bestens. Von diesen für die Lokomotivbekohlung übernommen, scheinen sie jedoch durch
die nachstehend beschriebenen, modernen, wirtschaftlicher arbeitenden Anlagen
überholt zu sein.
Während Fig. 28 eine Ausführung von Beck & Henkel, Cassel, noch die Verwendung von mit
Hand zu füllenden Kohlenhunden zeigt, welche von einer auf einem feststehenden
Bockkran laufenden Katze gehoben und seitwärts über die Tender bewegt werden, zeigen
die neueren Einrichtungen als wesentliches Kennzeichen das Fördergefäss als
Selbstgreifer.Die stündliche Leistung dieser elektrisch betriebenen, in
bestehende Verhältnisse hineingebauten Anlage beträgt 25000 kg. Wird für jede
Maschine ein Bedarf von 2000 kg gerechnet, so können mit Rücksicht auf An- und
Abfahren der Maschinen etwa 10 in der Stunde Kohle nehmen: Das ist mehr als das
Dreifache gegenüber der Bekohlung mittels Handdrehkranen.
Textabbildung Bd. 319, S. 578
Fig. 25. Kranlokomotive der Guilleaume-Werke.
Fig. 29 stellt eine von Butz & Leitz, Mannheim-Neckarau gebaute Anlage mit
elektrischem Antrieb dar. Ueber dem Kohlenlager von beliebiger Länge läuft der
fahrbare Bockkran, auf dem quer zum Gleis die Laufkatze bewegt wird. Zu beiden
Seiten des Kohlenlagers liegen Gleise, das eine zum Anfahren der Kohlen, das andere
zum Aufstellen für zu bekohlende Lokomotiven. Ueber beide kann die Laufkatze auf
Auslegern des Krangerüstes gefahren werden. Der Antrieb erfolgt durch drei Motoren.
Das Gewicht der angehobenen Last wird jedesmal sofort bestimmt und durch einen
grossen Zeiger nachaussen auf einer Teilung sichtbar gemacht. Es kann entweder
unmittelbar vom zuführenden Wagen oder vom Bansen Kohle entnommen werden. Die Anlage
zeichnet sich durch grosse Einfachheit, daher Betriebsicherheit und geringsten
Raumbedarf, schnelles Arbeiten und einfachste Bedienung vom Führerstand aus.
Textabbildung Bd. 319, S. 579
Fig. 26. Kranlokomotive der Maschinenfabrik Esslingen.
Die Anlage der Guilleaume-Werke, Neustadt-Haardt, Fig. 30, gleicht der vorhergehenden. Sie hat eine
stündliche Leistung von 40000 kg, was einer Bekohlung von 16 bis 18 Lokomotiven
entsprechen dürfte. Neben dem
Textabbildung Bd. 319, S. 580
Fig. 27. Verladekran von Beck & Henkel.
Textabbildung Bd. 319, S. 580
Fig. 28. Lokomotivbekohlungskran von Beck & Henkel.
14 m breiten Bansen laufen auf jeder Seite zwei
Zufuhrgleise, hinter denen je ein Ladegleis für Lokomotiven liegt.
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Fig. 29. Lokomotivbekohlung von Butz u. Leitz.
Textabbildung Bd. 319, S. 581
Fig. 30. Lokomotivbekohlung der Guilleanme-Werke.
Die fahrbare Kranbrücke überspannt den Bansen mit den beiden
Zufuhrgleisen, während die Maschinengleisedurch je einen Kranträger bestrichen
werden. Auf der Kranbrücke befinden sich zwei Wagen, die die Laufkatze befahren
muss, um die Kohle dem Tender zuzuführen, so dass sie sofort abgewogen wird. Vom
Führerstand
Textabbildung Bd. 319, S. 582
Fig. 31. Lokomotivbekohlung der Guilleaume-Werke.
aus ist der Greifer bequem zu übersehen. Alle
Einzelheiten gehen aus der Figur hervor.
In vielfacher Gestalt macht sich das Hebezeug dem Eisenbahnbetrieb dienstbar. Als
Antriebskraft finden menschliche Kraft, Dampf, Presswasser und Pressluft und
elektrische Energie Verwendung unter mannigfachen Bedingungen, wie sie die
Wirtschaftlichkeit, die Betriebsverhältnisse und die Kraftäusserungen fordern. Von
Einfluss ist die Frage nach der zur Verfügung stehenden Kraftquelle oder nach der
Beschaffung der Energie. So kommt es, dass wir fast alle Energieträger in Anwendung
finden. Bemerkenswert aber bleibt die Entwicklung fast aller mechanisch betriebenen
Hebezeuge grösserer Kraftäusserung über den hydraulischen Antrieb zum
elektrischen.
Sind die Hebezeuge ein unentbehrliches Hilfsmittel im Eisenbahnbetrieb geworden, so
wächst ihre Bedeutung im: Kriegsfalle, worauf hier kurz hingewiesen werden soll.
Verladevorrichtungen für mittlere Lasten und kleinere Hebezeuge zum Aufgleisen von
entgleisten Fahrzeuge drängen sich da in den Vordergrund. Der Industrie bietet sich
ein reiches Feld der Bebauung. Es gilt, leistungsfähige zerlegbare Hebezeuge von
geringem Gewicht und Raumbedarf wegen der Beförderung auf Zügen zu bauen, die an der
beliebigen Stelle schnell und sicher aufgestellt werden können und sei es beim
Verladegeschäft, sei es bei kleineren Ausbesserungen an Betriebsmitteln schätzbare
Dienste leisten werden. Die Erfahrungen des Krieges 1870/71 haben Mangel an
geeigneten Hebezeugen nur zu gut gelehrt. Sie sollten nicht unbeachtet bleiben.
Den Werken, die uns so reichlich mit Zeichnungen: unterstützt haben, sei an dieser
Stelle unser Dank ausgesprochen.