Titel: | Die Kettenschaltgetriebe am mechanischen Webstuhle. |
Autor: | Siegm. Edelstein |
Fundstelle: | Band 319, Jahrgang 1904, S. 586 |
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Die Kettenschaltgetriebe am mechanischen
Webstuhle.
Von Prof. Siegm. Edelstein.
(Fortsetzung von S. 568 d. Bd.)
Die Kettenschaltgetriebe am mechanischen Webstuhle.
Technologische Würdigung und praktische Ausführung des
zwangläufigen, stetig wirkenden Warenbaumregulators.
Der zwangläufige Warenbaumregulator kennzeichnet sich technologisch durch die
Tatsache, dass er ohne Rücksicht auf die Kettenspannung oder Schussfadenstärke für
jede volle Arbeitsphase des Webstuhles das gleiche Ausmass an Gewebe zur Aufwicklung
bringt und sonach jedem Schussfaden den gleichen Raum zuweist, mithin die gleichstufige Schussanlage ergibt. In besonderen
Fällen, wenn es sich z.B. um die Herstellung von schusslanzierten Geweben handelt,
kann seine Schaltung auch in regelmässiger Folge unterbrochen werden, doch wird
diese Unterbrechung durch eine besondere Anordnung des Stuhlgetriebes, etwa durch
eine Platine der Jacquardmaschine, bewerkstelligt und von vornherein angeordnet,
ohne dass etwa die Schussfadenstärke oder die Kettenspannung auf diesen Umstand
Einfluss nehmen würden. Es geschieht dies bekanntlich zu dem Zwecke, um die
Lanzierfäden über die Grundfäden zu bringen und auch in diesem Falle schreitet die
Schaltung regelmässig in einem vorher bestimmten Ausmasse fort.
Das Ergebnis seiner Schaltung ist die gleichmässige Verteilung einer bestimmten
Schussfadenanzahl auf die Längeneinheit des Gewebes, vorausgesetzt, dass die Kettenfadenspannung genügend gross gewählt ist, um ein
Vorarbeiten der Ware nicht aufkommen zu lassen und
die Schussfadenstärke mit der gewünschten Schussdichte im Einklänge steht. Ist
diesen Bedingungen Genüge geleistet, dann ist es einleuchtend, dass die Schussdichte
aus dem entsprechenden Triebwerke bestimmt bezw. ebenso die Einstellung des
letzteren nach der verlangten Schussdichte vorgenommen werden kann. Handelt es sich
um einen nach der Type Fig. 64 (S. 565)
angeordneten Regulator, so wird zur Erzielung einer bestimmten Schussdichte ein
entsprechendes Wechselrad w eingesetzt.
Die Berechnung der Zähnezahl dieses Wechselrades aus dem gegebenen
Uebersetzungsverhältnisse des Triebwerkes, möge nachstehend angedeutet werden. Seien
unter Zugrundelegung der angeführten Anordnung Fig. 64
B, T, t, w, S die Zähnezahlen der bezüglichen Räder,
wäre ferner U der Umfang des Sandbaumes und s die f. d. Klinkenhub geschaltete Zähnezahl des
Schaltrades, so ist für eine Umdrehung des Sandbaumes die Anzahl der Umdrehungen des
Schaltrades gleich
\frac{B}{t}\,\cdot\,\frac{T}{w}
und die entsprechende Anzahl der Schaltungen
\frac{B}{t}\,\cdot\,\frac{T}{w}\,\cdot\,\frac{S}{s}
hierbei werden U Längeneinheiten
aufgewickelt, daher entfallen auf eine Längeneinheit n
Schaltungen, wobei
n=\frac{\frac{B}{t}\,\cdot\,\frac{T}{w}\,\cdot\,\frac{S}{s}}{U} . . . . . . 40)
wird.
Wird U in Zentimetern ausgedrückt, so ist n die auf Zentimeter bezogene Schussdichte, es
entspricht n dem jeweilig gewählten Einheitsmasse für
U.
Aus Gleichung 40 folgt ferner
w=\frac{B\,T\,S}{t\,U\,s\,n} . . . . . . 41)
In diesem Ausdrucke sind die Grössen B, T, t, U
Konstante und es kann daher der Wert
\frac{B\,T}{t\,U}=A
gesetzt werden, einer Konstanten, welche man als Grundzahl des Regulators zu bezeichnen pflegt.
\frac{S}{s} ist die reduzierte Zähnezahl des Schaltrades, die aus der bei einem
Klinkenhube geschalteten Zähnezahl erhalten wird, und wie oben schon bemerkt, sich
meist nur auf zwei bis drei Variationen beschränkt, indem s = 1,2 evtl. = 3 angenommen wird. Es entspricht daher der Ausdruck
\frac{S}{s} der für eine volle Umdrehung des Schaltrades tatsächlich durchzuführenden
Schaltungen bezw. kompletten Ladenbewegungen, da der Schalthebel von der Ladenstelze
aus betätigt wird und sonach auch der Anzahl der für einen vollen Umgang des
Schaltrades erfolgenden Schusseintragungen. Wie erwähnt, pflegt man diese Grösse
wenig oder auch gar nicht zu ändern und man kann dann auch für die Grösse
\frac{B\,T\,S}{t\,U\,s}=A\,\frac{S}{s}
den Wert H setzen, so dass
H=\frac{B\,T\,S}{t\,U\,s} . . . . 42)
Diese Grösse H ist für eine
bestimmte Schartklinkeneinstellung konstant und wird als Hauptzahl des Regulators bezeichnet. Es ergeben sich dann die einfachen
Beziehungen
w=\frac{H}{n}
n=\frac{H}{w}
H=n\,w
43)
In der Praxis wird das derart ausgesprochen, dass man zur
Bestimmung der Schussdichte oder des Wechselrades zunächst die Hauptzahl des
Regulators berechnet und dann diese durch die gegebene Schussdichte dividiert, wenn
der Wechsel zu bestimmen ist und durch den Wechsel dividiert, wenn es sich um
Aufsuchung der Schussdichte handelt. Die Hauptzahl selbst, technisch ausgedrückt,
die Räderkonstante des Regulators ergibt sich aus den
Zähnezahlen der angewendeten Triebwerksräder, ersichtlicherweise kann man sie aber
auch bei einem in Tätigkeit befindlichen Webstuhle durch direktes Abzählen der Schussdichte bestimmen, indem man diese mit der Zähnezahl des angewendeten Wechselrades multipliziert.
Wird hierbei das Gewebe entspannt, so erscheint eine etwas grössere Schussdichte,
infolge des Zusammengehens des Gewebes, und nimmt man diese zur Unterlage für die
Berechnung der Hauptzahl, so fällt der Wert für diese letztere natürlicherweise
etwas grösser aus, als der durch die Zähnezahlen direkt
bestimmte.
Es ist selbstverständlich, dass nachdem die Schussdichte des entspannten Gewebes massgebend ist, die Feststellung der Hauptzahl in der
zweitangedeuteten Weise den praktisch anwendbaren Wert derselben vorstellt; man
bezeichnet ihn als die praktische Hauptzahl Hp. Lässt sich der Wert Hp nicht direkt bestimmen, so wird H um einen perzentuellen Zuschlag vergrössert, der
erfahrungsgemäss angenommen wird. Es ist dann
H
p
= kH
wobei k > 1 etwa 1.01–1.05 ist,
und mit diesem Werte Hp
rechnet man das entsprechende Wechselrad.
Findet bei einer ähnlichen Type des Regulators die Auswechslung an einem der anderen
Räder statt, so wird natürlicherweise der Gang der Berechnung im Prinzipe der
gleiche bleiben, nur die Feststellung der bezüglichen Hauptzahl und ihre Beziehung
zu Schussdichte und Wechsel wird eine entsprechende Aenderung aufweisen.
Bei Regulatoren nach Fig. 66 (S. 565) wird die Grösse
der Schaltung durch die Verschiebung des Stangenbolzens z in dem Schlitzhebel T behufs Einstellung
der Schussdichte vorgenommen. Es wird somit die Anzahl der Schaltungen geändert,
welche zu einem vollen Umlaufe der Schaltwelle z1 benötigt werden oder entsprechend der oben
angeführten Bezeichnung die reduzierte Zähnezahl des
Schaltrades nach Bedarf gewählt. Sei diese
\frac{S}{s_0}, wobei S die effektive Zähnezahl des
Schaltrades und s0 die
für eine Schusseintragung geschaltete Anzahl der Zähne bedeuten, so lässt sich die
Schussdichte aus den gegebenen Uebersetzungen einfach bestimmen.
Bezeichnen analog die Buchstaben B, s, z2, z1 die Zähnezahlen der entsprechenden Räder und ist
U der in cm
ausgedrückte Umfang des Sandbaumes, so wird für einen vollen Umgang desselben, also
für U cm Ware die Schnecke x und mithin das auf ihrer Achse sitzende Kegelrad \frac{B}{s} Umdrehungen
machen, daher das Kegelrad z1
\frac{B}{s}\,\cdot\,\frac{z_2}{z_1}
Umgänge vollführt. Das Schaltrad S empfängt zu diesem Zwecke
\frac{B}{s}\,\cdot\,\frac{z_2}{z_1}\,\cdot\,\frac{S}{s_0}
Schaltungen, entsprechend einer Aufwicklung von U cm Ware.
Für 1 cm Ware erhält man daher
n=\frac{\frac{B}{s}\,\frac{z_2}{z_1}\,\frac{S}{s_0}}{U} . . . . . 44)
Hier sind die Grössen B, s,
z2
z1 und U konstante und es ergibt sich
n=H\,\frac{S}{s_0} . . . . . 45)
wenn
H=\frac{B}{s}\,\frac{z_2}{z_1}\,\frac{1}{U} . . . . . 46)
gesetzt wird.
Auch hier gelten bezüglich der praktischen Hauptzahl die gleichen Feststellungen, wie
sie oben bei der Besprechung des Stirnradregulators erschlossen wurden und es ist
wieder Hp = k . H zu setzen, wobei k > 1 wird.
Es wurde schon oben bemerkt, dass man bei dieser Type von Regulatoren für die
Einstellung einer anderen Schaltung mitunter ein entsprechendes Schaltrad S einsetzt und dieses um die einfache Teilung schalten
lässt. Das würde für die Gleichung bedeuten, dass s0 = 1 und 5 veränderlich ist. Wird nun das Triebwerk
des weiteren so ausgeführt, dass auch Hp = 1 wird, so erhält man die praktisch sehr
brauchbare Beziehung, dass die Schussdichte gleich der Zähnezahl des angewendeten
Schaltrades wird. Selbstverständlich muss auch in diesem Falle der Hebelbolzen in
der Kulisse T entsprechend eingestellt werden, um stets
die Schaltung gerade um eine volle Zahnteilung zu
erhalten. Die Beziehung zwischen Schaltgrösse bezw. Klinkenhub und Armlänge des
Schalthebels T (Entfernung des Bolzens vom Drehpunkte
des Hebels) ist hier eine einfache, direkt proportionale.
In technologischer Beziehung hat der behandelte
Regulator keinen weiteren Einfluss; auf die Grösse der Kettenspannung, die er zwar durch den Warenabzug hervorruft, bleibt er im
normalen Betriebsgange des Webstuhles ohne direkte
Einwirkung.
Was die praktische Ausführung anbelangt, so sind nur verhältnismässig geringfügige
Abänderungen der beiden Grundtypen zu finden; einzelne Konstruktionen sollen
nachstehend angeführt werden.
In den Fig.
64 und 65 ist bereits ein Wechselradregulator von Platt
Brothers dargestellt; eine andere Type aus der gleichen Fabrik zeigen die
Fig. 72 und 73,
die nach dem oben Gesagten ohne weiteres verständlich sind.
Textabbildung Bd. 319, S. 586
Fig. 72.
Textabbildung Bd. 319, S. 586
Fig. 73.
Ein gleichartiger Warenbaumregulator, ausgeführt von der sächs. Maschinenfabrik Richard Hartmann, ist nach dem Preisbuche der genannten
Firma vereinfacht in Skizze (Fig. 74) und ein
ebensolcher mit Wechselradanordnung und besonders angetriebenem Wickelbaume für die
Ware in Skizze (Fig. 75) veranschaulicht.
Es wurde schon früher hervorgehoben, dass die Bewegung des Warenbaumes bei
indirektem Getriebe entweder durch ein separates Triebwerk oder durch die Mitnahme
des Warenbaumes durch den Sandbaum stattfindet.
Die Fig. 75 zeigt eine Anordnung der ersteren Art,
während die Fig.
64 und 65 die letztgenannte Einrichtung veranschaulichen.
Textabbildung Bd. 319, S. 587
Fig. 74.
Textabbildung Bd. 319, S. 587
Fig. 75.
Es ist selbstverständlich, dass bei der direkten Mitnahme des Warenbaumes durch den
Sandbaum die Lagerung des Warenbaumes nachgiebig bezw. derart getroffen sein muss,
dass der Warenbaum unter steter Anpressung an den Sandbaum sich von diesem in dem
Maasse entfernen kann, in welchem er sich bewickelt. Es mögen hier zwei
Ausführungsformen einer solchen Einrichtung angeführt werden.
Textabbildung Bd. 319, S. 587
Fig. 76.
Textabbildung Bd. 319, S. 587
Fig. 77.
In Fig. 76 ist die Anordnung gezeichnet, wie sie bei
Hattersley-Stühlen anzutreffen ist.
An den Sandbaum Sb wird
der Warenbaum Wb
dadurch angepresst, dass der letztere zu jeder Seite auf eine lotrechte Zahnstange
Z gelagert wird, die durch das Belastungsgewicht
Q unter Vermittlung der Scheibe B und Zahnrädchen z in dem
Bestreben, nach aufwärts zu steigen, erhalten wird. Zu diesem Behufe hängt das
Gewicht an einem Riemen, der an der Scheibe B befestigt
und über die an der Gestellwand gelagerte Rolle b
geführt wird. In dem Maasse, in welchem sich der Warenbaum füllt,senkt er sich
auch unter entsprechender Anhebung des Belastungsgewichtes.
Textabbildung Bd. 319, S. 587
Fig. 78.
Zu gleichem Zwecke wird bei Hodgson-Stühlen der
Warenbaum beiderseits in einem Hebel H (Fig. 77) gelagert, der durch eine entsprechende Feder
F so belastet wird, dass er den Warenbaum stets
gegen den Sandbaum andrückt und der erstere beim Weiterschreiten der Wicklung die
nötige Senkung vornehmen kann. Zum Zwecke der Freigebung des Gewebes bezw. des
Warenbaumes kann Hebel H mittels des Handgriffes O in der Pfeilrichtung I hinuntergedrückt werden, wobei
die Falle M die Festhaltung dieser Stellung durch
Einschnapppen bei n besorgt. Durch Abziehen der Falle
wird die Normalstellung des Warenbaumes wieder herbeigeführt.
Ausser den genannten Einrichtungen findet man noch mannigfache andere Konstruktionen
zu gleichem Zwecke angewendet so die schon früher erwähnten Gleitflächen für die
Zapfen des durch sein eigenes Gewicht an den Sandbaum sich anlegenden und solcherart
direkt mitgenommenen Warenbaumes u.a.
Auch die eingangs erwähnten Getriebe für eine selbstständige Betätigung des
Warenbaumes zeigen mannigfache Konstruktionen, die aber natürlicherweise immer
derart durchgeführt sein müssen, dass die Gewebeaufwickelung nur nach Massgabe der
vom Sandbaume dirigierten Ablieferung stattfindet.
Eine derartige Einrichtung, die zu einem indirekt wirkenden Regulator von Platt Brothers gehört, sei noch in Fig. 78 angeführt. Von dem durch den Regulator
angetriebenen Sandbaume gelangt das Gewebe zu dem Warenbaume W, auf dessen Achse ein Schneckenrad aufsitzt. Die zugehörige Schnecke
empfängt die Bewegung von dem auf ihrer Achse aufgekeilten Schaltrade S, und dieses wird durch die Klinke k betätigt. Diese Klinke ist an einem auf der
Schneckenradachse lose sitzenden Hebel befestigt und wird durch einen Gewichtszug
Q stets im Sinne der Warenaufwickelung zu senken
gesucht. In dem Masse, in welchem Ware nachgeliefert wird, findet auch dieses Senken
und dadurch ein Aufwickeln derselben statt; bei Erreichen ihrer Tiefstlage wird
durch den am Ladenprügel P befestigten Hebel H ein neuerliches Hochstellen der Zugklinke erzielt und
dadurch die stete Wirkungsfähigkeit des Schaltwerkes hervorgebracht.
(Fortsetzung folgt.)