Titel: | Die Neuanlage des Königlichen Materialprüfungsamtes in Gross-Lichterfelde, West. |
Autor: | K. Memmler |
Fundstelle: | Band 319, Jahrgang 1904, S. 588 |
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Die Neuanlage des Königlichen
Materialprüfungsamtes in Gross-Lichterfelde, West.
Von K. Memmler, ständiger Mitarbeiter des
Kgl. Materialprüfungsamtes.
(Fortsetzung von S. 564 d. Bd.)
Die Neuanlage des Königlichen Materialprüfungsamtes in
Gross-Lichterfelde, West.
Ueber die einzelnen Abteilungsbetriebe mit ihren Sondereinrichtungen sei
folgendes berichtet.
Textabbildung Bd. 319, S. 588
Fig. 15. Abteilung für Metallprüfung.
Ml 51 Vorsteher; 53 Mitarbeiter; 41
Assistenten; 43 Technisches Bureau; 47 Feinmessungen; 59 Oelprobiermaschinen;
72, 74 Feinmechaniker; 71 Abort; 56, 58 Probeneingang; Mv 125 Versuchshalle; 13
Kontrollstabprüfer, 15 Manometerprüfung; 18 Flaschenprüfer, 12
Torpedokesselprüfer; 2500 ton-Maschine, 126 Laufkran; 11 grosse
Drehfestigkeitsmaschine; 134 Versuchshalle; 3 Werdermaschine, 4 und 5
Pohlmeyermaschinen, 6 und 8 Martensmaschinen, 9 und 10 Probiermaschinen; 16600
ton-Maschine, 39, 40 Biegepressen, 127 Laufkran; 138 Vorraum; 41 und 42
Trockenschränke
Die Räume der Abteilung 1 für Metallprüfung sind, soweit sie im Hauptgebäude Hegen,
aus dem Plan Fig. 15 zu ersehen. Ferner gehören zu
der Abteilung 1 der Fallwerksschuppen E (Fig. 1, S. 506) und der Raum für Dauerversuche,
welcher die Hälfte des Gebäudes W einnimmt.
Im Gebäude Ml (Fig. 15)
liegen die Verwaltungsräume der Abteilung, Vorsteher-, Mitarbeiter- und
Assistentenzimmer, sowie Technisches Bureau, Probeneingang und Belagprobenraum, Raum
für Reibungsversuche mit Schmierölen und ein grosses Laboratorium für feine
Messungen. In letzterem sollen noch zu beschaffende Präzisions-Prüfungsmaschinen
Aufstellung finden; untergebracht sind daselbst bereits die feineren physikalischen,
elektrischen und hydraulischen Messvorrichtungen, wie der Ritzhärteprüfer nach MartensMartens.
Materialienkunde Abs. 357 u. 358., ein grosser Zeiss scher Komperator, Zeisssche Mikroskopeund Dickenmesser, analytische und
chemisch-technische Wagen, ein neuer Härteprüfer, der nach dem bekannten Brinellschen Grundsatze von Martens entworfen wurde (Fig. 16), ferner
Glühöfen, Kältebäder, Pyrometer und das bereits erwähnte Stückrathsche Wagemanometer (bis 600 atm); in Aussicht genommen ist ferner
für diesen Raum die Aufstellung eines Satzmanometers bis 1000 atm, falls die
erwähnten Vorversuche mit dem Versuchsquecksilbermanometer befriedigen.
Textabbildung Bd. 319, S. 588
Fig. 16. Brinellscher Härteprüfer von Martens.
Zu dem Härteprüfer (Fig. 16) sei noch bemerkt, dass
mit ihm die Eindrucktiefe von Stahlkugeln in die zu prüfenden Materialien als
Vergleichs-Maasstab für die Härte festgestellt werden soll; das Versuchsstück wird
durch die kleine hydraulische Presse a gegen die im
oberen Widerlager b liegende Stahlkugel c gepresst. Entsprechend der Eindrucktiefe der Kugel in
die Probe wird das Zeigerwerk e durch das auf der Probe
ruhende Stück f betätigt. Die Belastung (Pressdruck mal
Kolbenfläche) ist am Manometer d abzulesen.
Im Raum für Reibungsversuche mit Schmierölen sind drei Schmierölprobiermaschinen von
Martens in der bekannten AusführungMitteilungen 1890 S. 1. Martens
„Materialienkunde“ Abs. 556. der deutschen Waffen- und Munitionsfabriken in Karlsruhe
aufgestellt, die durch besonderen Elektromotor betrieben werden. Die Transmissionen
und das Motorfundament sind zur Schalldämpfung auf Korkunterlagen gestellt.
Die eigentlichen Versuchsstätten der Abteilung liegen in den Hallen Mv. Im Raum 125, der von einem elektrisch betriebenen
Laufkran mit 7,5 t Tragfähigkeit bestrichen wird, ist zunächst die von
Charlottenburg überführte liegende hydraulische 500 Tonnen Prüfungsmaschine mit
einigen unerheblichen Abänderungen wieder aufgebaut. Sie gestattet die Ausführung
von Zugversuchen mit Probenlängen bis zu etwa 17 m und von Druckversuchen bis zu
etwa 15 m.
Textabbildung Bd. 319, S. 589
Fig. 17. Drehfestigkeitsmaschine für 10000 m/kg; Kraftmesser van
Martens.
Textabbildung Bd. 319, S. 589
Fig. 18. Prüfung von Gasflaschen auf inneren Druck von Martens.
Textabbildung Bd. 319, S. 589
Fig. 19. Rohrprüfungsmaschine von Borsig.
Ebenfalls aus dem alten Betriebe überführt und im Raum No. 125 aufgestellt ist die
von Becker, Reinickendorf, erbaute grosse
Drehfestigkeitsmaschine (Fig. 17) für Drehmomente
bis zu 10000 m/kg.
Die Kraftmessvorrichtung, bestehend aus Hebel, Messdose und Manometer kann je nach
der Länge des zu prüfenden Stückes auf den im Fussboden des Raumes verankerten
U-Eisen angebrachtwerden. Um auch sehr lange Stücke bis zu 10 m Länge prüfen zu
können, sind auch im Freien weitere Verankerungen angeordnet.
Am Nordende der Halle sind der bereits erwähnte Kontrolstabprüfer (s. Fig. 15), die Manometerkontrolstelle 15 sowie das Versuchsquecksilbermanometer
untergebracht; ferner die aus Charlottenburg überführte Vorrichtung zur Prüfung von
Torpedokesseln und eine neue Einrichtung zur Prüfung von stählernen Gasflaschen auf
inneren Druck. Die Gasflaschen werden an die Druckleitung angeschlossen, in einen
gusseisernen Behälter, der durch den Fussboden in den Kellerraum hineinragt,
eingebaut und das Aussengefäss nach dem Füllen mit Wasser luftdicht verschlossen
(Fig. 18). Der Innendruck in der Gasflasche wird
durch Manometer gemessen, die Formänderungen der Flasche durch Bestimmung der Mengen
des aus dem Aussengefäss verdrängten Wassers. Bei kleinen elastischen Formänderungen
der Flasche treibt das verdrängte Wasser einen Quecksilbertropfen in einem
Glaskapillarrohr vor sich her, dessen Bewegung auf einer darunterliegenden Skala
abgelesen werden kann. Bei grösseren Formänderungen nach Ueberschreiten der
Flussgrenze erfolgt die Messung mittels Pipetten.
Textabbildung Bd. 319, S. 589
Fig. 20. Einspannung für Ketten.
In dem nebenanliegenden Raum No. 134, der gleichfalls von einem elektrisch
betriebenen Laufkran mit 3 t Tragfähigkeit bestrichen wird, ist bei 16 die neu beschaffte, von A.
Borsig in Tegel gelieferte, hydraulische Rohrprüfungsmaschine
aufgestellt, mit der Rohre bis zu 4 m Baulänge und bis zu 1,3 m Durchmesser auf
inneren und äusseren Druck, sowie Brückenpfeiler, Konstruktionsteile,
Schornsteinmauerwerkskörper auf Druck- und Knickfestigkeit mit Belastungen bis
600000 kg geprüft werden können. Die Maschine (s. Fig.
19) ist stehend angeordnet und in einer Grube von etwa 5 m Tiefe
aufgestellt. Die obere Traverse, die als Abdichtplatte oder Druckplatte dienen kann,
ist in Kugellagern drehbar an der linken Stützsäule so befestigt, dass sie beim
Einbau der Probekörper, der mittelst des Kranes von oben her erfolgt, zur Seite
gedreht werden kann. Als unteres Widerlager dient der hydraulische Zylinder, der
durch geteilte Ringe in beliebiger Höhe an den beiden seitlichen Säulen festgelegt
werden kann. Bei Prüfung von Rohren auf äusseren Druck werden die in der Zeichnung
angedeuteten Stahlgussrohre um das Versuchsstück herum zwischen den beiden
Widerlagern eingebaut. Alle Abdichtungen geschehen durch Gummimanschetten.
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Fig. 21. Dehnungsmesser nach Kennedy-Martens.
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Fig. 22. Pendelhammer nach Rudeloff.
Textabbildung Bd. 319, S. 590
Fig. 23. Messdose Seller'scher Bauart (Borsig)
Im Raum 134 haben ferner Aufstellung gefunden: eine neue von der Maschinenbaugesellschaft Nürnberg gelieferte
Werdermaschine No. 3 für 100000 kg Kraftleistung und zwei 50000 kg-Maschinen Bauart
Martens, No. 6 a u. 6 b, von der gleichen Firma
geliefert. Ferner drei von H. Ehrhardt-Düsseldorf
gelieferte Pohlmeyermaschinen, zwei für 50000 kg No. 5
a u. 5 b, eine für 100000 kg Kraftleistung No. 4, eine 5 t Martens-Maschine,eine 1 t Rudeloff-Maschine, sowie Pressen für technologische Biegeproben. Die grösseren
Maschinen haben gegenüber ihrer früheren Ausführung Aenderungen erfahren, deren
Erwähnung im einzelnen an dieser Stelle indessen zu weit führen würde.
Bei der Umkonstruktion der Einspannvorrichtungen ist in erster Linie Einheitlichkeit
und die Möglichkeit, die gleichen Teile in allen Maschinen verwenden zu können,
angestrebt worden. Neubeschafft ist die von Rudeloff
angegebene Vorrichtung zum Einspannen von Ketten zwischen zwei drehbaren Stützen
(Fig. 20), ähnlich den feststehenden Widerlagern
bei Kettenprobiermaschinen,
Zum Messen der Formänderungen dienen Zeiger- und Rollenapparate, sowie
Spiegelapparate von Bauschinger und Martens, die Längenänderung von 0,0001 mm zu beobachten
gestatten.
Textabbildung Bd. 319, S. 590
Fig. 24. Dauerversuche mit erhitzten Kupferrohren von Rudeloff.
Der Martens-Kennedy-Apparat (Fig. 21) hat sich bei der Uebersetzung von 1 : 100 besonders geeignet
erwiesen zur Bestimmung der Streckgrenze nach der Grösse der bleibenden Dehnung bei
Material ohne ausgeprägtes Fliessen. Eingerichtet ist er für Stäbe von 10 mm
Durchmesser.
Im Vorraum No. 138 sind zwei grosse Dampftrockenschränke zum Trocknen von Holzproben
usw. sowie Glühöfen aufgestellt.
Die Einrichtungen des Fallwerksschuppen E sind von der
Firma E. Becker, Reinickendorf, zum Teil von
Charlottenburg überführt, zum Teil neu geliefert worden. Sie umfassen ein grosses
Fallwerk zur Prüfung von Eisenbahn- und KonstruktionsmaterialienErbaut von Maschinenfabrik „Cyklop“
Berlin nach Entwurf von R. Cramer unter
Berücksichtigung der Vorschriften des Vereins Deutscher
Eisenbahnverwaltungen und des Internationalen Verbandes zur
Vereinheitlichung des Prüfungsverfahrens. für Fallhöhen bis zu 10
m und Fallbären bis zu 1000 kg; ein Martens sches
Fallwerk für Fallhöhen bis 5 m mit allen Hilfseinrichtungen zur Ausführung von
Schlagzug-, Scher-, Loch-Beulungsversuchen versehen, und zwei
Schlagdauerversuchsmaschinen zur Ausführung von Dauerversuchen mit Seilen und zur
Prüfung von Eisenbahnschottermaterialien nach dem Verfahren von RudeloffMitteilungen
aus den Königl. Techn. Versuchsanstalten. 1897. Heft 6, S.
279..
Die beiden erstgenannten Fallwerke haben neue von Becker
konstruierte Windewerke mit elektrischem Antrieb erhalten.
Neu aufgestellt ist ferner ein nach Entwurf von Rudeloff
gebauter Pendelhammer, Fig. 22. Er soll
hauptsächlich zur Ausführung von Schlagbiegeversuchen mit eingekerbten Proben und
mit Gusseisen benutzt werden. Die Proben werden hierzu in dem schweren, im Fussboden
verankerten Schraubstock eingespannt und mit dem an einem leichten Holzgestänge
befestigten Hammer geschlagen. Die Fallhöhe wird so gewählt, dass die Probe mit
einem Schlage sicher zum Bruch kommt. Um hierbei die überschüssige, zum Bruch der
Probe nicht aufgebrauchte Arbeit zu ermitteln, wird festgestellt, wie weit der
Pendelhammer nach dem Bruch der Probe über die senkrechte Lage hinausgeht. Hierzu
ist auf der Schwingungsachse des Hammers links ein Zeiger mit Reibung aufgeklemmt.
Bei ruhig hängenden Hammer wird er gegen einen festen Anschlag gestellt; er steht
dann über dem Nullpunkt der Kreisbogenteilung, zeigt also beim Anheben des Hammers
dessen Ausschlag oder Hubhöhe an. Schwingt der Hammer über die Nullage hinaus, so
wird der Zeiger durch den Anschlag um den Durchschlagswinkel auf der
Schwingungsachse gedreht, so dass der Stellung des Zeigers nach dem Versuch der
Durchschlagswinkel oder die überschüssige Arbeit abgelesen werden kann.
In dem Dauerversuchsraum werden eine Anzahl der alten Wöhlerschen Dauerversuchsmaschinen wieder aufgestellt werden. Daneben wird
jedoch eine grosse aus Reichsmitteln beschaffte Anlage von zwanzig
Dauerversuchsmaschinen Aufstellung finden, mit denen zunächst Dauerzug- und
Druckversuche mit Material für Dampfrohre im erhitzten Zustande ausgeführt werden
sollen.
Für den hydraulischen Betrieb dieser Maschinen dient ein besonderes, durch
Elektromotor betriebenes Pumpwerk mit Gewichtsakkumulator für 200 atm Betriebsdruck.
Die Messung der Zug- und Druckkräfte geschieht durch Messdosenach Seller scher Bauart, Fig.
23. Die Messdosenmanometer sind als Zeigermanometer ausgebildet; ihr
Zeiger schliesst in der Null- und Höchstellung, die je nach der beabsichtigten
Belastung eingestellt werden kann, einen elektrischen Strom, durch den die
selbstätige Vor- und Umsteuerungen betätigt werden.
Die Maschinen sind ausserdem mit Zählwerken zur Hubzählung, mit Schreibmanometern zum
Aufschreiben des Höchstdruckes sowie mit Stundendruckwerken, die selbsttätig Tag und
Stunde des Betriebes aufdrucken, versehen.
Für die Erwärmung der Probestäbe sind elektrische Heizvorrichtungen vorgesehen. Die
Oefen bestehen in drei von einander getrennten Abschnitten aus Porzellanröhren, die
mit Platinbandspirale umwickelt und mit dickwandiger Chamotteisolierung umgeben
sind. Die Wärme ist in jedem der drei Ofenabschnitte für sich regulierbar. Die
Wärmemessung geschieht durch Le Chateliersche
Pyrometer, die nacheinander auf die einzelnen Ofenabschnitte geschaltet werden
können und die im mittleren Ofenabschnitte herrschende Wärme selbsttätig
aufschreiben. Für später ist noch die Aufstellung von Dauerversuchseinrichtungen für
Versuche mit fortwährendem Wechsel von Be- und Entlastung auf inneren Druck bei
verschiedenen Wärmegraden mit Rohrabschnitten solcher Materialien, die für
Dampfrohrleitungen Verwendung finden, geplant. Die Versuche sollen ebenfalls im
Auftrage der Reichsverwaltung ausgeführt werden. Die nach Plänen von Rudeloff schon in Charlottenburg begonnenen
Dauerversuche mit stark erwärmtem, von heissem Oel durchflossenen Kupferröhren unter
Biegungsbeanspruchung sollen hier ebenfalls fortgesetzt werden. Die Rudeloffsche Einrichtung veranschaulicht Fig. 24. Die Proberohre a sind in beweglichen Lagern gelagert und an den Enden b durch Federn e auf
Biegung beansprucht. Durch Schnurscheiben f werden sie
ständig gedreht, so dass die Zug- und Druckspannungen wechseln. Das Durchfliessen
des heissen Oeles nach c a d wird durch eine
Heizvorlage nach Art der Warmwasserheizungen bewirkt.
Um der Abteilung für Metallprüfung auch die Möglichkeit zu bieten, wie bisher
Festigkeitsversuche mit Konstruktionen (Treppen u. dergl.) im Freien auszuführen,
sind die sämtlichen Betriebsmittel, wie Wasserleitung, Hochdruckleitung, Gas,
Elektrizität in besonderem Stichkanal bis in die Mitte des Hofes zwischen
Werkstattgebäude und Versuchshalle geführt.
(Forts. folgt).