Titel: | Mühle und Elevator „Rio de Ja Plata“ in Buenos Aires. |
Autor: | E. Lufft |
Fundstelle: | Band 319, Jahrgang 1904, S. 641 |
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Mühle und Elevator „Rio de Ja Plata“ in
Buenos Aires.
Von E. Lufft,
Esslingen.
(Schluss von S. 628 d. Bd.)
Mühle und Elevator „Rio de Ja Plata“ in Buenos
Aires.
Die Bauart der Mühle (Fig. 6a–c) ist Eisenkonstruktion mit Holzböden; die Wände
sind in Backsteinmauerung aufgeführt und das Dach wird von hölzernen Dachbindern
getragen. Besondere Erwähnung verdient die Art der Fundamentierung mittelst einer
eisenarmierten Betonplatte, von welcher weiter unten gelegentlich des Silobaues die
Rede sein wird.
Textabbildung Bd. 319, S. 641
Fig. 5. Frontansicht des Elevators Rio de la Plata.
Der Silospeicher, dessen gesamte Frontentwicklung Fig.
5 zeigt, besteht aus zwei 75 m langen Flügeln und einem 50 m in der Front
messenden Mittelbau zur Aufnahme der mechanischen Installation und zur Lagerung
grösserer Mengen abgesackten Getreides. Als Baumaterialien gelangten ausschliesslich
Eisen, Beton und Backsteine zur Verwendung. Die Bauleitung lag hier wie auch bei der
Mühle und den Vorspeichern in der Hand deutscher Ingenieure. Von Europa wurden
lediglich die Rohmaterialien bezogen und in einer an Ort und Stelle errichteten
Werkstätte erst wurde die Konstruktion des Eisengerippes fertiggestellt. Nach
reiflicher Ueberlegungwurde als Grundrissform der Silozellen die Kreisform
gewählt und der damit verbundene Verlust an der Peripherie der silobedeckten Fläche
als durch die grössere Billigkeit und Raschheit der Herstellung ausgeglichen
betrachtet. Den vertikalen Aufbau der Silos zeigt Fig.
8. Auf der durch Quer- und Längsrippen verstärkten Eisenbetonplatte
erheben sich 2,5 m hohe Betonpfeiler von quadratischem Querschnitt, welche eine
zweite Eisenbetonplatte von 200 mm Stärke stützen, auf welcher sich die Siloröhren
aufbauen. Diese Röhren sind sämtlich 16,66 m hoch und von zweierlei Durchmesser. Die
an der Peripherie stehenden Zellen (Fig. 5) besitzen
3,84 m äusseren Durchmesser, die inneren dagegen sind von doppeltem Durchmesser,
nämlich 7,68 m. Auf die Oberfläche der Silozellen, welche übrigens unbedeckt sind,
sich abstützend, erhebt sich ein Aufbau von 2,5 m Höhe, welcher die eisernen
Dachbinder und das Wellblechdach trägt. In der Photographie (Fig. 5) sind die unteren Betonpfeiler und die zweite
Eisen-Betonplatte, von der hier die Rede ist, deutlich erkennbar. Dagegen liegt die
eigentliche Fundamentplatte etwa 900 mm unterhalb des Niveaus des umgebenden
Terrains. Diese Platte besitzt eine gleichbleibende Stärke von 300 mm über die ganze
vom Silogebäude bedeckte Fläche hinweg. Die sie verstärkenden Rippen sind 400 (resp.
450) mm hoch und 450 mm breit. Die Verteilung des Eisens im Betonquerschnitt
erfolgte gemäss dem System Hennebique. Zu einer solchen
Art der Fundamentierung führten die Verhältnisse des Baugrundes an der Stelle, an
welcher der Silo sich erhebt. Dieser Baugrund ist gelegentlich der Erbauung des
Hafens von Buenos Aires vor etwa 10 Jahren dort künstlich aufgeschwemmt worden, wo
früher die gelben Wasser des Rio de la Plata hinflössen. Erst in 8 bis 10 m Tiefe
etwa stösst man auf gewachsenen Boden. Nach Abheben einer Humusschicht von etwa 1.00
m kommt man auf den feinen graugrünen Flusssand, der so wasserdurchsetzt ist, dass
schon durch den Druck des Fusses das Wasser an der betreffenden Stelle hervorquillt.
Daher auch musste die eingeebnete Bodenfläche erst einige Tage der Einwirkung der
Sonnenstrahlen ausgesetzt werden, bevor der Beton aufgebracht werden konnte. Wenn in
diesem Sinne die Bodenart wenig vertrauenerweckend war für die Belastung durch ein
so schweres Gebäude, wie dies ein Getreidespeicher ist, so besass er doch die
schätzenswerte Eigenschaft grösster Gleichförmigkeit über die ganze durch die Platte
bedeckte Fläche. Durch genaue Nivellierungen wurde später festgestellt, dass zwar
ein beträchtliches, aber an allen Stellen gleich tiefes Einsenken stattgefunden
hatte. Die Belastung des Bodens, sofern sie als über die ganze Fläche gleichmässig
verteilt angenommen wird, erreicht 1,8 kg/qcm. Beim ersten Füllen der Silos wurde die Vorsicht
gebraucht, die einzelnen Silos nicht ganz, sondern nur teilweise und alle zusammen
möglichst gleichmässig zu füllen. Als günstig für die Druckübertragung der
gewaltigen Lasten nach dem Baugrunde kommt noch in Betracht, dass der ganze
Siloflügel sich als ein einziger grosser Träger von 75 m Länge und 16,5 m Höhe
darstellt, welcher bestrebt ist, die Wirkung konzentrierter Lasten auf grössere
Flächen zu verteilen. Das Ergebnis der gewählten Gründungsart war ein
ausgezeichnetes und die schweren Bedenken der argentinischen Regierung, welche sich
dieser ihr neuen Baumethode sehr skeptisch gegenüberstellte und sich nur schwer die
Erlaubnis dazu abringen liess, wurden
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Fig. 6a. Aufriss. Die Mühle Rio de la Plata in Buenos Aires für 420000 kg
tägliche Vermahlung.
Textabbildung Bd. 319, S. 643
Fig. 6b. Grundriss.Die Mühle Rio de la Plata in Buenos Aires für 420000
kg tägliche Vermahlung.
glänzend widerlegt. Jetzt aber hat die Regierung dasselbe
System für ihre eigenen Bauten im Gebiet des Hafens angenommen. Eine der
angenehmsten Wirkungen der gewählten Gründungsart war die einer ausnehmend kurzen
Bauzeit, welche es ermöglichte, dass der Silo um eine ganze Ernte früher
betriebsfertig war, als man dies sonst hätte erwarten dürfen. Von Interesse dürfte
auch die Konstruktion der Silos selbst sein.
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Fig. 7. Guilleaume-Kessel (309 qm Heizfläche). Betriebsfertig.
Nicht wenig Bedenken hat es den bauleitenden Ingenieuren verursacht, sich bei der
Bemessung der Wandstärken für eine gewisse Dicke zu entscheiden. An Versuchsmaterial
für die Bestimmung des Wanddrucks von in Silozellen eingeschlossenem Getreide lag
damals soviel wie nichts vor. Dabei lieferte bei der Grösse des Objekts eine
zulässige Verringerung der Wandstärken Ersparnisse von solchem Betrag, dass auf
dieselben nicht verzichtet werden konnte, indem man etwa, wie dies sonst wohl schon
geschehen ist, bei der Berechnung von einem Drucke ausging, von dem man sicher
wusste, dass er nicht würde erreicht werden. Schliesslich sah man sich gezwungen,
bei der Berechnung die Versuche an Silozellen zugrunde zu legen, welche Prante in der Zeitschrift des Vereins deutscher
Ingenieure 1896, S. 1122 veröffentlicht hat und dies, trotzdem der Verfasser dieser
Versuche über deren Unzulänglichkeit keinen Zweifel gelassen hat. Jedoch hat man
sich schon damals entschlossen, Versuche am fertigen Silo vorzunehmen, welche denn
auch vom Verfasser dieses Berichtes vom Mai bis Dezember 1903 mit einem von ihm
erdachten Apparat in umfassender Weise ausgeführt worden sind. Die Veröffentlichung
des Ergebnisses dieser Versuche, welches in mehrfacher Hinsicht überraschend und
ausserordentlich belehrend bezüglich des Verhaltens von in Silos eingeschlossenem
Getreide war, ist vorbereitet.
Die Konstruktion der Siloröhren war ursprünglich in Stampfbeton gedacht, doch hat
diese Konstruktion noch während des Baues mehrfache Wandlung erfahren. Die
Eiseneinlagen sollten erst aus Streckmetall oder irgend einem Drahtgeflecht
bestehen. Als man aber an die Herstellungder Holzverschalungen für den
Stampfbeton ging, ergaben sich die Baukosten als zu hoch und der Fortschritt der
Arbeit als zu langsam, so dass man es vorzog, aus Beton geformte Steine herzustellen
nach Art der Ziegelsteine, wie sie beim Schornsteinbau verwendet werden. Diese
Steine besassen an ihrer Oberfläche und an ihren Seitenflächen halbkreisförmige
Einkerbungen, in welche wagerecht liegende Eisenringe und senkrecht stehende
Rundeisenstäbe (letztere zur Erzielung eines vertikalen Verbands des Eisengerippes)
eingelegt wurden. Bald jedoch hat man diese senkrechten Stäbe als unnötig
weggelassen. In dieser Weise ist der nördliche Siloflügel bis auf etwa 4 m Höhe
aufgemauert. Die an Ort und Stelle vorgenommene Fabrikation von Betonsteinen erwies
sich aber bald als nicht leistungsfähig genug und so war man gezwungen, den weiteren
Aufbau mit gewöhnlichen, in bestem Zementmörtel gemauerten Ziegelsteinen
vorzunehmen.
Textabbildung Bd. 319, S. 644
Fig. 6c. Längsschnitt. Die Mühle Rio de la Plata in Buenos Aires für 420000 kg
tägliche Vermahlung.
Die Eisenringe lagen nicht in jeder Schicht, sondern waren im
Verhältnis der Stärke des dazu verwendeten Rundeisens und des für die jeweilige
Silohöhe in Betracht kommenden Seitendruckes der ganzen Höhe nach verteilt. Der
südliche Flügel ist ganz in Ziegelsteinen mit Eiseneinlagen gemauert und hat bis auf 4,5 m Höhe
eine Steinstärke (300 mm) von da ab bis oben eine halbe Steinstärke also 140–150 mm
(argentinisches Format, siehe Fig. 8).
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Fig. 8. Aufriss der Silos rechts des Mittelgebäudes.
Die Silos haben innerlich einen Glattstrich von Zement ebenso
äusserlich dort, wo die zwischen den einzelnen Röhren sich bildendenZwickel für
die Getreideeinlagerung mitbenutzt werden. Die Silos von kleinerem Durchmesser mit
120 t Fassung haben einen unteren Auslauf, die grossen
von 540 t Fassung deren vier gleichmässig verteilte.
Der mittlere Teil des Silo-Gebäudes, welcher den maschinellen Teil dann aber noch die
Lagerböden für Sackgetreide enthält, ebenso die beiden Vorspeicher sind in
Eisenkonstruktion mit Backsteinausriegelung der Wände aufgeführt. Der Mittelbau Fig. 9 hat sieben Stockwerke, die Vorspeicher, von
welchen der südliche in Fig. 10 fertig zu sehen ist,
haben deren fünf. Die Böden sind in eisenarmiertem Beton, System Hennebique, ausgeführt, meistens für eine Belastung von 2000 kg/qm. Die
Bodenfläche der untersten Etage dieser Vorspeicher wird von der Fundamentplatte
selbst gebildet und befindet sich in einer Höhe von etwa 1,1 m über
Schienenoberkante. Um die Platte in dieser Höhe aufzusetzen, musste erst von dem
schon erwähnten Flussande eine Aufschüttung hergestellt werden, welche dann mit der
Dampfwalze eingeebnet wurde und auf welche die Plattform mit einem bis auf die
umgebende Terrainhöhe herabreichenden Umfassungskranz aufgelegt ist.
Die mechanische Ausrüstung der einzelnen Gebäude durch Aufzüge, Elevatoren,
Transportbänder, Reinigungsmaschinen usw. richtet sich nach den in ihnen vornehmlich
betriebenen Vorrichtungen. Der Silospeicher hat die Einrichtung zum Empfang, Wiegen,
Reinigen und Trocknen des mit der Bahn ankommenden Getreides. Zwischen den Gleisen
liegende Empfangsbänder werfen das Getreide den Empfangselevatoren zu, welche es
etwa 30 m hoch in den 7. Stock heben, von wo es über selbsttätige Wagen gehend, herunterfällt und
durch vier über die Silos laufende Transportbänder in die einzelnen Zellen verteilt
wird. Oder es geht vor der unmittelbaren Einlagerung über
Aspirationsvorreinigungsmaschinen oder eine etwa 28 m hohe Trockensäule, oder aber
es wird sofort nach den Vorspeichern geschafft, um von dort aus verschifft zu
werden. Die Einheitsleistung aller Elevatoren, Aspiratoren, Bandtransporte für loses
Getreide ist 100 t stündlich, so dass beispielsweise bei augenblicklich zwei
installierten Annahmebändern 200 t stündlich empfangen werden können, und mit vier
Bändern, die zum Quai führen, zusammen 400 t stündlich verschifft zu werden
vermögen. Unter den Silos wird das Getreide durch vier Gummibänder von ebenfalls je
100 t stündlicher Leistung abgezogen, durch Elevatoren wieder über die Höhe der
selbsttätigen Wagen gehoben und in der oberen der beiden Brücken, welche die 40 m
breite Strasse üwischen Silo und Vorspeicher berspannen, in den
Verschifgfungsspeicher gebracht. Hier zeht es, sofern es in losem Zustand verladen
werden soll, durch eines der vier an der Längswand eingebrachten Teleskoprohre an
Bord, oder aber, wenn die Verschiffung in Säcken erfolgen muss, in eine von den
vorhandenen fünf Absackstationen. Vom dritten Stockwerk aus, wo die Absackung
erfolgt, werden Drahtseile nach den vor dem Speicher liegenden Schiffen gespannt, in
welche Holzrinnen eingehängt werden, aufweichen die Säcke hinabrutschen. Ausser den
Gummibändern für loses Getreide sind in der Anlage noch zahlreiche Hanfbänder für
den wagerechten oder schräg ansteigenden Transport von Säcken vorhanden. Während im
nordamerikanischen modernen Getreideverkehr der Sack so ziemlich ausgeschaltet ist,
musste in Argentinien im Gegenteil hierauf besondere Rücksicht genommen werden. Die
Verhältnisse sind in dieser Beziehung noch wenig entwickelt; trotzdem ist es keine
Frage, dass auch hier alles darauf hindrängt, den ganzen Transport des Getreides in
losem Zustand vorzunehmen.
Das Band für die aus der Mühle und dem Mittelspeicher kommenden Säcke liegt in der
unteren der beiden 40 m langen Brückenstege. Es fördert, wie alle übrigen, bis zu
2000 Sack stündlich. Der Vorspeicher selbst ist seiner ganzen Höhe und Länge nach
von mehreren solcher Bänder bestrichen, welche es ermöglichen, die Säcke von der
Bahn anzunehmen, um sie an irgend einem beliebigen Punkte abzusetzen oder von irgend
einer Etage aus unmittelbar an Bord zu geben. Von der vierten Etage aus gelangt man
noch leicht bis ins vierte davorliegende Schiff, so dass man etwa im vordersten
Schiff mit Teleskoprohren loses Getreide verladen kann und gleichzeitig im 2. 3. und
4. Schiffe, Sackgetreide, Mehl oder Kleie. An der Wasserfront des Vorspeichers
befindet sich ferner noch ein Schiffselevator, welcher ebenfalls für 100 t
stündliche Leistung gebaut, das Getreideaus den Flusskähnen herausnehmen soll,
welche von den Getreidegebieten am Paraná herunterkommen.
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Fig. 9. Eisengerippe zum Mittelbau des Silospeichers.
Der Antrieb aller hier erwähnten Maschinen erfolgt durch Elektromotoren, deren im
ganzen 34 Stück in der Anlage vorhanden sind. Nirgends treibt ein Motor mehr wie
zwei Bänder oder zwei Elevatoren gleichzeitig an. Der Strom für diese Motoren wird
im Maschinensaal der Mühle als 250 voltiger Gleichstrom erzeugt. Alle dem
Granel-Verkehr (Verkehr in losem Getreide) dienenden Elektromotoren sind auf ein gemeinschaftliches Schaltbrett zentralisiert und
damit der Bedienung durch nur eine einzige Person unterworfen, eine Einrichtung, die
sich als sehr zweckmässig für den Betrieb erwiesen hat. Diese Einrichtung wird
unterstützt durch ein ansgedehntes Telephonnetz, das alle Punkte von Wichtigkeit
untereinander verbindet.
Die Art und Weise des Baues dieser Anlage, welcher vom April 1902 bis Juni 1903, also
nur wenig mehr als ein Jahr währte, hat manches Interessante geboten, insofern sie
von der bei uns üblichen in vielem abgewichen hat. Die Zahl der beim Bau verwendeten
Arbeiter, welche sich aus den verschiedensten Nationalitäten rekrutierten, war stark
schwankend und erreichte im Januar 1903 einen Höchststand von 1560 Mann. In dieser
Anzahl sind die Italiener und Spanier allein mit etwa 80 v. H. beteiligt. Mit
Ausnahme der Mühle wurde der Bau in Tag- und Nachtschicht durchgeführt und zwar war
der Grund für diese Beeilung der, dass die vor der Tür stehende Ernte 1902/03 resp.
die von ihr sich ableitende Ausfuhr dem Elevator nutzbar gemacht werden sollte.
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Die klimatischen Verhältnisse sind in Argentinien für ein
rasches Bauen aussergewöhnlich günstig und es ist nichts Seltenes, dass durch 4 bis
8 Wochen hindurch immer dieselbe Heiterkeit des Himmels herrscht. So verstehen sich
die beiden Bilder Fig. 12 und 7, auf denen man sieht, wie die etwa 300 pferdige
Betriebsmaschine des Elevators sich schon in einem vorgeschrittenen Zustande der
Montage befindet, während noch an den Umfassungswänden des Maschinenhauses gemauert
wird, und wie der zugehörige Wasserrohrkessel von 309 qm Heizfläche sich bereits
unter Dampf befindet, obgleich noch nicht einmal das Dach des Kesselhauses fertig
ist. Eine Arbeitergesetzgebung mit ihren vielfachen Beengungen besteht nicht, ebenso
keine Haftpflicht für Unfälle, und die Unternehmer können mit der grössten Freiheit
in dieserBeziehung vorgehen. Der Arbeiter pflegt zu jeder beliebigen Stunde des
Tages, wie er sich eben einstellt, angenommen zu werden, aber auch mit scharfer
Rücksichtslosigkeit in jedem beliebigen Augenblick wieder entlassen zu werden. Die
Existenzunsicherheit für die Leute, welche hierin liegt, ist eine ausserordentliche,
aber das Unternehmertum gelangt damit mitunter zu ganz ansehnlichen Leistungen, wie
sich an den Baufristen der hier besprochenen Anlage gezeigt hat. So ist mit der
Fundierung der Mühle am 8. April 1902 begonnen worden und am 17. September 1903
wurde bereits erstmals Mehl erzeugt und als Probe an die Gesellschaft nach Brüssel
gesandt Das ist für eine 3000 Sackmühle ein wohl selten erreichtes Ergebnis. – Am 4.
Dezember 1902 wurden auf die obere Plattform des nördlichen Siloflügels, welchen
Fig. 11 zeigt, die ersten Ringe aus
Zementsteinen für die Silozellen aufgesetzt und am 26. Februar 1903, also noch nicht
drei Monate später, war nicht nur der ganze Flügel fertig, sondern auch die
mechanische Ausrüstung so weit eingerichtet, dass an diesem Tage mit dem Empfang
durch die Bahn von 7000 t Weizen begonnen werden konnte, welche wenige Tage darauf
eingelagert waren.
Einen weiteren Monat später, aus welcher Zeit das Bild Fig. 10 stammt, befand sich der Elevator bereits in voller Tätigkeit mit
der Hälfte seiner Ausrüstung.
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Fig. 10. Gesamtansicht des Elevators „Rio de la Plata“ von Dock 3
aus.
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Fig. 11. Stand der Arbeiten am 26/12. 1902.
Die ausgedehnte Verwendung von eisenarmiertem Beton, welche in dieser Anlage
stattgefunden hat, hat bald das Zweckmässige dieser Bauweise erkennen lassen, so
dass später, als das Personal grössere Schulung besass, nicht nur die
Fundamentplatten und schwer belasteten Böden der Speicher in dieser Art ausgeführt
wurden, sondern auch die Böden in den Brücken, die Fundamente der Maschinen und
Kessel, die Abdeckungen der Kessel, das Fundament der Mittelstütze der 40 m Brücke
und manches andere mehr. Die Festigkeitseigenschaften dieses Betons, bei welchem
allerdings an Zement nicht gespart worden war, liessen nichts zu wünschen übrig, wie
sich beigelegentlichen Ueberlastungen und Belastungsproben zeigte. So sieht man
z.B. auf Fig. 13 einen mit Mehlsäcken vollgepackten
Boden des Vorspeichers, der trotz der Ueberlastung sich tadellos bewährte. Bei
mehreren Gelegenheiten, namentlich wenn die Rechnungsgrundlagen nicht durchaus
sicher lagen, wurden vor Ausführung der Konstruktion geeignete Versuche in kleinem
Maasstab vorgenommen, so über die Festigkeit der Fundamentplatten, und über die
Adhäsion des Eisens an dem dasselbe umschliessenden Beton. Auch ist hier ein Versuch
zu erwähnen darüber, wie die Silowand sich verhält, wenn der Druck des Getreides
nicht von innen, sondern von aussen auf sie wirkt, was der Fall ist, wenn die Zelle
selbst leer, der daneben befindliche Silozwickel aber getreideerfüllt ist. Auch über
die Ergebnisse dieser Versuche wird später berichtet werden.
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Fig. 12. Die 300 PS Betriebsmaschine des Elevators in der Montage. Aufgenommen
am 26/5. 1902.
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Fig. 13. Mit Mehlsäcken belasteter Speicherboden aus armiertem Beton.