Titel: | Graphische Berechnungen der Transmissions-Wellen. |
Autor: | Lucian Vogel |
Fundstelle: | Band 319, Jahrgang 1904, S. 659 |
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Graphische Berechnungen der
Transmissions-Wellen.
Von Ingenieur Lucian Vogel,
Augsburg.
Graphische Berechnungen der Transmissions-Wellen.
Die Transmissions-Wellen werden entweder mit Rücksicht auf die Festigkeit oder
mit Rücksicht auf den Verdrehungswinkel berechnet.
Im ersteren Falle wird die Gleichung benutzt:
M_t=k_t\,\cdot\,w_t=71620\,\frac{N}{n}
Diese gilt für einen runden Querschnitt mit wt = 0,2 d3
d=71\,\cdot\,\sqrt[3]{\frac{N}{k_t\,\cdot\,n}} . . . 1)
und für kt = 207 kg/qcm
d=12\,\sqrt[3]{\frac{N}{n}} . . . . . . 1a)
Im zweiten Falle ist („Hütte“ I, Seite 417) der verhältnismässige
Verdrehungswinkel
\vartheta=\frac{32}{\pi\,d^4}\,\cdot\,\frac{M_t}{G}
für einen runden Querschnitt. Hierbei ist G ≌ 800000 kg/qcm und
hieraus
d=8,474\,\sqrt[4]{\frac{N}{\psi\,n}} . . . . 2)
oder
d=12\,\sqrt[4]{\frac{N}{n}} (nach „Hütte“ I, S. 632) 2a)
wenn ψ = ¼° f. d. lfd. m
angenommen wird.
Textabbildung Bd. 319, S. 660
Fig. 1. Abszissen; Ordinaten.
Jede der beiden Formeln 1a) und 2a), die meist zur Berechnung der
Transmissions-Wellen verwendet werden, berücksichtigt aber nur je einen der beiden massgebendenFaktoren kt und ψ. Wegen des Wurzelzeichens ist zudem die Ausrechnung
nicht gerade einfach, besonders wenn bei Zwischenwerten die Entscheidung zu treffen
ist, ob der kleinere oder grössere Durchmesser, auf halbe cm abgerundet, gewählt
werden soll.
Wie wichtig es ist, sich über die beiden Grössen kt und ψ klar zu sein, ist in Fig.
1 ersichtlich, welche zeigt, dass die beiden Formeln für den gleichen Wert
von \frac{N}{n} verschieden grosse Werte von d
ergeben. Nur für \frac{N}{n}=1 berechnet sich aus beiden Formeln derselbe Wert d = 12 cm. In diesem Falle allein ist also kt
und ψ bekannt, Für alle Werte von \frac{N}{n}\,<\,1 gibt
Formel 2a die grösseren Durchmesser, während umgekehrt für \frac{N}{n}\,>\,1 Formel 1a) die
grösseren Durchmesser gibt.
Textabbildung Bd. 319, S. 661
Fig. 1a.Abszissen; Ordinaten
Was nun die Wahl des Durchmessers d anbelangt, so
ist ohne weiteres klar, dass bei kurzen Wellen die
Rücksicht auf die Grösse der Verdrehung zurücktritt, also in erster Linie die Festigkeit maassgebend ist. Die Berechnung hat also
nach Gleichung 1) zu erfolgen. Für die Wahl der Grösse kt ist die Art der Beanspruchung zu
berücksichtigen (Wähler sches Gesetz), sowie allenfalls
ein gleichzeitig auftretendes Mb. Vielfach wird kt = 207 kg/qcm gewählt und ergibt sich hiermit Gleichung
1a.
Bei längeren Wellenleitungen macht sich jedoch der
Einfluss des Verdrehungs-Winkels mehr geltend und ist
bei Berechnung der Wellen hierauf besonders Rücksicht zu nehmen. Keinenfalls darf
aber der Werth kt
unberücksichtigt bleiben.
Textabbildung Bd. 319, S. 662
Fig. 2. Abszissen; Ordinaten
Die beiden Werte kt und
ψ sind nicht unabhängig von einander; zwischen
denselben besteht vielmehr die Beziehung:
k_t=69,5\,\psi\,\cdot\,d=\frac{\psi\,\cdot\,d}{0,0144} . . . . 3)
die durch Division der Gleichungen 1) und 2) erhalten
wird. Hieraus folgt, dass bei Annahme eines bestimmten Verdrehungwinkels ψ f. d. lfd. m die Beanspruchung auf
Verdrehungs-Festigkeit proportional mit dem Wellendurchmesser zunimmt. Besonders bei
stärkeren Transmissionswellen ist es deshalb nicht zulässig, nur nach Gleichung 2)
zu rechnen, sondern es muss stets untersucht werden, ob kt innerhalb der als zulässig erachteten
Grenzen bleibt. Diese Untersuchung gestaltet sich äusserst einfach bei Verwendung
der Darstellung Fig. 2. In dieser sind wagerecht von links nach
rechts die Werte von \frac{N}{n} und senkrecht von unten nach oben die Werte von ψ aufgetragen.
Es ist
d^1=C\,\frac{\left(\frac{N}{n}\right)}{\psi}
Dies ist die Gleichung einer geraden Linie, die durch den
Nullpunkt geht. Es können also die den verschiedenenDurchmessern d entsprechenden Geraden leicht berechnet und
eingetragen werden.
Textabbildung Bd. 319, S. 663
Fig. 2a.Abszissen; Ordinaten.
Wegen Gleichung 3) ist es auch höchst einfach für einen bestimmten Durchmesser den
zugehörigen Wert kt zu
finden, denn Gleichung 3) ist ebenfalls die Gleichung einer Geraden, die durch den
Nullpunkt geht. Diesmal werde jedoch der Nullpunkt nicht links sondern rechts unten
gewählt. Die Ordinaten bleiben dieselben wie vorher, die Abszissen ändern sich
jedoch. Für den grössten Wert von ψ der graphischen Darstellung wird für
die verschiedenen Durchmesser der Wert von kt = 69,5 ψ . d
berechnet und auf der Wagerechten für dieses ψmax d.h. auf der obersten Wagerechten von rechts
nach links aufgetragen. Die so gefundenen Punkte sind mit dem Nullpunkt rechts unten
durch Gerade zu verbinden.
Die Zahlen an den Enden der Strahlen bedeuten die Durchmesser in cm und zwar gehören
die Zahlen ausserhalb des Umfanges zu den vom links gelegenen
Nullpunktausgehenden Strahlen, während die Zahlen innerhalb des Umfanges der
Figur zu den vom rechts gelegenen Nullpunkt ausgehenden Strahlen gehören.
Textabbildung Bd. 319, S. 664
Fig. 3. Abszissen; Ordinaten
Die Berechnung gestaltet sich nun einfach folgendermaassen:
Ist z.B. für \left(\frac{N}{n}\right)=4,5 der Durchmesser zu bestimmen, so findet sich aus Fig. 2, dass die Gerade für d
= 17 cm ψ = 0,28° f. d. lfd. m und die Gerade
für d = 18 cm ψ = 0,22° f. d. lfd. m
ergibt, indem diese Geraden in den betreffenden Punkten die Senkrechte von
\left(\frac{N}{n}\right)=45 schneiden. Um die zugehörigen Werte von kt zu finden, ist es nur nötig, von diesen
Schnittpunkten wagerecht nach rechts zu gehen, bis die betreffenden Wagerechten, die
durch den rechts gelegenen Nullpunkt gehenden Strahlen für das betreffende d schneiden. Es findet sich so zu d = 17 cm kt = 328 kg/qcm und zu d = 18 cm
kt = 276 kg/qcm. Welcher
Wert von d nun angenommenwerden muss, hängt von
den vorliegenden Verhältnissen ab. Um das Aufsuchen zu erleichtern, sind die Kurven
für kt eingezeichnet.
Die Konstruktion der Kurven für kt ergibt sich aus Vorstehendem. Um z.B. für kt = 207 und d = 15 cm den entsprechenden Punkt der Kurve zu
erhalten, wird der Schnittpunkt der Lotrechten für kt = 207 mit dem vom rechts gelegenen Nullpunkt
ausgehenden Strahl d = 15 cm wagrecht herüber
projiziert bis zum Strahl d = 15 cm, der vom links
gelegenen Nullpunkt ausgeht usw.
Textabbildung Bd. 319, S. 665
Fig. 3a.Abszissen; Ordinaten
Selbstverständlich kann jedoch ebenso gut die graphische Darstellung (Fig. 3) mit den Koordinaten kt und \frac{N}{n} zugrunde gelegt, der
Wert von d hieraus ermittelt und hierzu dann ψ mittels Gleichung 3 bestimmt werden.
Für die kleineren Durchmesser ist eine besondere Darstellung erforderlich, siehe
Darstellung Fig. 2a und 3a.
Muss für einen anderen, als den den Kalibern entsprechenden Durchmesser der Wert von
kt oder ψ bestimmt werden, so kann dies graphisch auf folgende
Weise geschehen. In den Schnittpunkten der Fahrstrahlen für kt und ψ mit
der obersten Wagerechten werden lotrecht nach unten die den betr. Fahrstrahlen
entsprechenden Durchmesser angetragen und die so erhaltenen Punkte je durch eine
Kurve verbunden. In Fig. 4 ist dies z.B. für Fig. 3a ausgeführt, der Maassstab ist jedoch nur halb
so gross wie derjenige der Hauptdarstellung Fig. 3a.
Sollen nun z.B. die dem Durchmesser 9,3 cm entsprechenden Fahrstrahlen für kt und ψ gefunden werden, so wird 9,3 cm unterhalb der
obersten Wagerechten eine Wagerechte gezogen. Die Schnittpunkte dieser letzteren mit
den beiden Kurven auf die oberste Wagerechte gelotet gibt die Schnittpunkte für die
entsprechenden Fahrstrahlen, welche in Fig. 4
strichpunktiert eingezeichnet sind.
Durch diese Darstellung ist also die Bestimmung der Wellendurchmesser wesentlich
erleichtert, insbesondere gewährt dieselbe den Vorteil, dass kt und ψ
gleichzeitig mit Leichtigkeit gefunden werden können.
Die Darstellung wird ferner auch mit Vorteil verwendet werden, wenn eine neue
Transmission auf Grundlage einer vorhandenen ähnlichen älteren zu berechnen ist,
indem mittels der Darstellung die Werte von kt und ψ rasch für die
vorhandene Transmission ermittelt und danach dann die neue berechnet werden
kann.
Endlich ist es auch äusserst einfach, eine bestehende Transmission daraufhin zu
untersuchen, ob dieselbe noch stärker beansprucht werden darf oder ob dies nicht
zulässig ist.
In den Handbüchern und Kalendern finden sich Tabellen, aus denen für eine bestimmte
Beanspruchung f. d. qcm oder für einen bestimmten
Verdrehungswinkel der Wellendurchmesser gefunden werden kann. Obige Darstellungen
enthalten alle diese Tabellen. Beispielsweise gibt in
Fig. 2 und 2a
die strichpunktierte Linie für ψ = 0,25° in ihren
Schnittpunkten mit den d-Strahlen alle Werte von
\frac{N}{n} einer solchen Tabelle (Katalog Bamag)und ebenso gibt die Wagrechte für 120 kg/qcm in den Fig. 3 und 3a alle Werte von \frac{N}{n}
der Tabelle „Hütte“ 1 S. 621. Gleichzeitig ist jedoch hier auch im ersten
Falle kt und im zweiten
ψ ersichtlich, gewiss ein grosser Vorteil, da diese
nicht konstant sind.
Textabbildung Bd. 319, S. 666
Fig. 4. Abszissen; Ordinaten
Den Werten von \frac{N}{n} können in der graphischen Darstellung auch gleich die
entsprechenden Werte von Mt bezüglich Pr beigefügt werden, falls dies
wünschenswert sein sollte (z.B. für Berechnung von Kranwellen usw.)
Eine solche Darstellung kann ferner für die Berechnung von Kurbelwellen mit Nutzen
verwendet werden, es ist nur zu beachten, dass
Mb =
0,1 . d3 . kb
während oben
Mt =
0,2 d3kt
war. Gleichzeitig kann dann auch die Verdrehung auf einfachste
Weise ermittelt werden, was bei Maschinen mit sehr geringer Ungleichförmigkeit nicht
unwichtig ist.
Diese graphischen Darstellungen ermöglichen nicht nur dem Konstrukteur, den
Durchmesser einer Welle rasch und sicher zu bestimmen, sie werden auch von dem
Lehrer mit Vorteil benützt werden, um dem Schüler das Verständnis zu
erleichtern.