Titel: | Leichte Dampflokomotiven der Firma A. Borsig, Berlin-Tegel. |
Autor: | M. Buhle |
Fundstelle: | Band 319, Jahrgang 1904, S. 753 |
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Leichte Dampflokomotiven der Firma A. Borsig,
Berlin-Tegel.
Von M. Buhle, Professor in
Dresden.
(Fortsetzung von S. 479 d. Bd.)
Leichte Dampflokomotiven der Firma A. Borsig,
Berlin-Tegel.
4. Kranlokomotiven.Vergl. auch D. p. J. 1904, 319, 578 u. ff. und Deutsche Bauzeitung 1904, S.
523.
Von hohem Interesse und von grossem Werte für alle grösseren industriellen und
landwirtschaftlichen Betriebe ist die bemerkenswerte Vereinigung von Kran und
Lokomotive, welche die Firma A. Borsig herstellt und
unter dem Namen Kranlokomotive in den Handel bringt.
Eine solche Kranlokomotive (Fig. 10) ist im Jahre
1900 in dem Tegeler Werk der Firma erbaut und befindet sich seitdem dort in
Tätigkeit. Sie dient einerseits zum bequemen Verladen und Umladen von Materialien
und schweren Maschinenteilen, wird aber andererseits auch, unter Nichtverwendung des
Krans, als Rangierlokomotive in der üblichen Weise benutzt. In beiden Funktionen hat
sie sich in gleich guter Weise bewährt. Diese Vielseitigkeit in der Verwendung und
die ausserordentliche Bequemlichkeit in der Handhabung lassen den Gebrauch der
Kranlokomotiven besonders zweckmässig erscheinen für Stahl- und Eisenwerke,
Maschinenfabriken, Schiffswerften sowie für alle anderen grossen industriellen
Betriebe und Verwaltungen.
Textabbildung Bd. 319, S. 753
Fig. 10. Kranlokomotive von A. Borsig, Berlin-Tegel, (1435 mm Spur, 26,5 t
Dienstgewicht).
Die Kranlokomotive (Fig. 10) ist für normale
Spurweite(1435 mm) gebaut und hat folgende hauptsächlichen Abmessungen:
Zylinder-Durchmesser
260
mm
Kolbenhub
420
„
Treibrad-Durchmesser
800
„
Laufrad-Durchmesser
600
„
Heizfläche
38
qm
Rostfläche
0,68
qm
Dampfdruck
12
Atm.
Radstand (gesamt)
3200
mm
Wasserraum etwa
2,5
cbm
Kohlenraum „
0,7
„
Leergewicht „
21,5
t
Dienstgewicht „
26,5
t
Hubgeschw. : ganzer Hub 3 m in 6 – 8
Sek.Drehgeschw. : 1 ganze Drehung in 25 – 12 Sek.
Der Ladearm des Kranes hat eine Ausladung von 500 mm und ist für eine Höchstladung
von 3000 kg berechnet; der Arm ist um 360° drehbar, beschreibt also einen vollen
Kreis. Die Zugkraft der Lokomotive beträgt – ihr Eigengewicht nicht gerechnet – auf
nahezu ebenem Gelände mit Steigungen von etwa 2 v. T. ungefähr 500 t Bruttolast.
Ein grosser Vorzug dieser Kranlokomotive besteht darin, dass der Antrieb des
Kranes sich innerhalb des Führerhauses befindet, ausserhalb des Bereiches
schädlicher Witterungseinflüsse. Er ruht auf einem Gestell, das bockartig den
Feuerkasten umfasst, auf der einen Seite trägt er eine zweizylindrige Dampfmaschine,
welche mit Hilfe eines doppelten Zahnräder-Vorgeleges das Aufwinden der Last
besorgt, während auf der anderen Seite eine zweite kleine zweizylindrige
Dampfmaschine angeordnet ist, welche durch Schnecke und Schneckenrad den Lastarm
dreht. Die zur Bedienung nötigen Handgriffe sind übersichtlich angeordnet und
ermöglichen dem Lokomotivführer bequemste und sicherste Handhabung.
Textabbildung Bd. 319, S. 754
Fig. 11. Lokomotive für Bauunternehmungen, (785 mm Spur, 9,5 t
Dienstgewicht).
5. Lokomotiven für Bauunternehmungen.
Lokomotiven, die für die Verwendung bei Gelegenheit von Bauunternehmungen bestimmt
sind, haben
vor allem zwei Hauptbedingungen zu erfüllen: 1. soll ihre Handhabung eine sehr
einfache sein, damit, wenn ein Berufslokomotivführer fehlt, ein intelligenter
Arbeitermit der Bedienung der Maschine betraut werden, die dazu nötigen
Kenntnisse leicht erlernen und die im Führerhause vorhandenen Handgriffe schnell
übersehen kann; 2. soll die Lokomotive dauerhaft und sehr solide sein; sie muss
äusserst kräftig gebaut sein, da kaum ein anderer Verwendungszweck so hohe
Anforderungen stellt wie der in Rede stehende, der verlangt, dass die Maschinen bis
zur äussersten Grenze ihrer Leistungsfähigkeit ausgenutzt werden. Dazu kommt noch,
dass das für diese Maschinen zur Verfügung stehende Gleis meist nur für
provisorischen Betrieb, also nicht mit der bei dem Bau von Verkehrsstrecken üblichen
Sorgfalt gelegt worden ist.
Textabbildung Bd. 319, S. 754
Fig. 12. 30 pferdige Lokomotive für Bahnbauzwecke und Erdtransporte (600 mm
Spur, 6,8 t Dienstgewicht).
Für diesen besonderen Zweck baut die Firma A. Borsig
Lokomotiven, welche den geschilderten Anforderungen in höchstem Masse dadurch
entsprechen, dass alle beweglichen und der Reibung unterworfenen Teile sehr starke
Abmessungen erhalten. So kommt z.B. für die Bandagen der Räder, die hier am meisten
zu leiden haben, ganz besonders festes Material – bis zu 80 kg/qmm
Zugfestigkeit – zur Verwendung.
Unter den in Frage kommenden Sonderarten der Lokomotive ist als einfachste
Maschine die zweiachsige Tender-Lokomotive anzusehen (vergl. z.B. Fig. 11). Von ihr haben sich im Laufe der Zeit in
Bauunternehmerkreisen verschiedene Typen ganz besonderer Art eingeführt, deren
annähernd zutreffende Hauptabmessungen in Tab. 1 unter II, III, V, VI und VII
angegeben sind.
Textabbildung Bd. 319, S. 755
Fig. 13. 50 pferdige Lokomotive für Trockenbagger-Betrieb, (785 mm Spur, 9,5 t
Dienstgewicht).
Textabbildung Bd. 319, S. 755
Fig. 14. Strassenbahn-Lokomotive.
So sind nach Lothringen hierher gehörige 10pferdige Lokomotiven für 490 mm Spur und
nur 4 t Dienstgewicht geliefert. Eine andere, für Transportbahnen bestimmte Maschine
besitzt 20 PS bei 600 mm Spurweite und 5,5 t Dienstgewicht, Für Deutschland.
Russland und die Niederlande sind viele Lokomotiven nach Art der in Fig. 12 und 13
dargestellten gebaut namentlich für Bahnbauten und Sandversetzungsanlagen.Der Spülversatz (Verlag des Oberschlesischen
Berg- und Hüttenmännischen Vereins), Kattowitz, 1904. Schwerere,
55- und 125pferdige Maschinen sind namentlich für Bergwerksbetriebe(Spanien)
und zur Beförderung starker Transportzüge bei Kanalbauten und dergl. an Kohlen werke
und Tiefbaugesellschaften geliefert.
Textabbildung Bd. 319, S. 755
Fig. 15. Strassenbahn-Lokomotive.
Textabbildung Bd. 319, S. 755
Fig. 16. Strassenbahn-Lokomotive.
Textabbildung Bd. 319, S. 755
Fig. 17. Strassenbahn-Lokomotive.
6. Strassenbahn-Lokomotiven.
Textabbildung Bd. 319, S. 755
Fig. 18. 50 pferdige Lokomotive für Holzfeuerung (Holländisch-Indien) für 700
mm Spur, mit radialer Laufachse.
Im Strassenbahnverkehr breitet sich zwar der elektrische Betrieb mehr und mehr aus,
doch sind auch hier vielfach besondere und eigenartige Verhältnisse vorhanden,
welche den Gebrauch von Elektromotoren ausschliessen und es nicht nur zweckmässig
erscheinen lassen, sondern im Interesse eines wirtschaftlichen Betriehes dringend
fordern, Dampflokomotiven zu verwenden. Dies wird besonders dann der Fall sein, wenn
die zu befahrende Linie einen schwachen Verkehr hat, oder z.B. die Verbindung mit
einem Sommrausflugsort vermittelt, die in der guten Jahreszeit stark angespannt
wird, um im Winter entweder ganz aufzuhören oder doch nur in beschränkter Ausdehnung vorhanden
zu sein.
In diesen und ähnlichen Fällen wird es nicht möglich sein, das zur Anlage und
Unterhaltung eines elektrischen Kraftwerkes erforderliche bedeutende Kapital zu
verzinsen, wohl aber werden sich die geringeren Anlage- und Betriebskosten einer
Dampfbahn rentieren, die den Vorteil bietet, dass nach Massgabe die Erzeugung der
motorischen Kraft eingeschränkt oder ganz eingestellt werden kann.
Die Strassenbahnlokomotiven stellen sich in ihrer äusseren Gestalt abweichend von dem
Typ der gewöhnlichen Dampf-Lokomotiven dar (Fig.
14–17). Das über die ganze Maschine
reichende Dach, das etwaige Vorhandensein einer Rauchverzehrungs-Einrichtung, einer
Schalldämpfung, einer Kondensation des ausströmenden Dampfes, eines Führerstandes an
beiden Enden der Maschine, einer Vorrichtung zur Verhütung des Funkenauswurfes geben
Einrichtungseinzelheiten, die von denjenigen der Eisenbahn-Lokomotiven
abweichen.
Tab. 4 gibt die Hauptabmessungen einiger ausgeführten Strassenbahn-Lokomotiven
wieder.
7. Lokomotiven für Wald-, Forst- und Plantagenbahnen.
Die in Fig. 18 dargestellte Lokomotivtype findet mit
Vorliebe Verwendung auf längeren Strecken mit leichtem
Oberbau und kleinen Kurven, und wo es nicht möglich ist, unterwegs die
Vorratsbehälter zu füllen, so dass verhältnismässig grosse Vorratsmengen an Wasser
und Brennmaterial mitgeführt werden müssen. Die radial einstellbare Laufachse dient
einmal zum Aufnehmen des Gewichtes dieser grösseren Vorratsmengen, während
andererseits durch die Anordnung derselben die Lokomotive befähigt wird, bei
grösseren Geschwindigkeiten ruhiger zufahren, als dies bei zweiachsigen Lokomotiven
der Fall ist, da der Gesamt-Radstand nahezu doppelt so gross wird als bei jenen,
während durch die Lenkbarkeit der Laufachse das Passieren enger Kurven nicht
behindert ist.
Die Feuerung kann sowohl mit Kohlen als mit Holz, Zuckerrohrabfällen und dergl.
erfolgen, vorausgesetzt, dass für die letztgenannten Feuerungsarten Kessel mit
genügend grosser Heiz- und Rostfläche vorgesehen sind. Doppelte Funkenfänger dienen
als Schutz gegen Funkenauswurf und eine mechanische Fahrpumpe als
Tabelle 4.
Hauptabmessungen einiger ausgeführten
Strassenbahn-Lokomotiven.
Textabbildung Bd. 319, S. 756
No.; Pferdestärken; Spurweite;
Anzahl der gekuppelten Achsen; Zylinder-Durchmesser d; Kolbenhub s; Rad-Durchmesser D; Dampfdruck p;
Heizfläche; Rostfläche; Raum für Wasser; Raum für Brennmaterial; Radstand;
Leergewicht (rd.); Dienstgewicht (rd.); Kleinster Krümmungshalbmesser; Grösste
Geschwindigkeit; Zugkraft; Beförderte; Bruttolast ausschl. Eigengew. auf
Steigungen von Geschwindigk. bei dieser Leistung; Bemerkung; Führerstand in der
Längsmitte der Maschine; Führerstand zu beiden Enden der Maschine
Textabbildung Bd. 319, S. 756
Fig. 19. Schema der Zugleistungen der in Tab. 5 aufgeführten Lokomotiven bei
verschiedenen Steigungen.
Tonnen-Zuggewicht ausser dem
Eigengewicht.
Tabelle 5.
Hauptabmessungen der gebräuchlichsten Tender-Lokomotiven mit
zwei gekuppelten und einer Lenkachse.
No.
I
II
III
IV
V
VI
Pferdestärken
20
30
40
50
60
80
PS
Zylinder-Durchmesser
140
165
185
210
240
260
mm
Kolbenhub
260
260
300
300
350
400
„
Treibrad-Durchmesser
600
600
650
650
750
800
„
Laufrad-Durchmesser
400
400
400
400
450
500
„
Dampfdruck
15 (14)
14 (12)
12
12
12
12
Atm
Heizfläche
8 (12)
12 (15)
15 (18)
18 (23)
23 (28)
28
qm
Rostfläche
0,25 (0,30)
0,30 (0,35)
0,35 (043)
0,43 (0,50)
0,50 (0,55)
0,55
„
Raum für Wasser
750
900
1000
1200
1500
1800
l
Raum für BrennmaterialDie eingeklammerten Werte beziehen sich nur auf Lokomotiven mit
Holzfeuerung, während die übrigen Zahlen der Spalten I–V sowohl für
Kohlenfeuerung als auch für Holzfeuerung gelten.
300 (500)
400 (700)
450 (800)
500 (900)
600 (1000)
700
„
Radstand (gesamter)
1800
2000
2200
2300
2600
2800
mm
Leergewicht (rd.)
5,3 (5,6)
6,25 (6,8)
7,0 (7,4)
8,0 (8,5)
10,0 (10,7)
12,0
t
Dienstgewicht (rd.)
6,8 (7,2)
8,0 (8,5)
8,8 (9,3)
10,2 (11,0)
13,0 (14,0)
15,5
„
Kleinster Krümmungshalbm.
10
12
15
15
25
30
m
Grösste Geschwindigkeit
20
20
25
25
30
35
km/St
Mittlere Zugkraft (50 v. H.)
637 (595)
825 (708)
948
1223
1613
2028
kg
Grösste Zugkraft (65 v. H.)
828 (774)
1073 (920)
1232
1588
2098
2636
„
Kleinste Spurweite
500 (600)
600
600 (700)
700
700 (750)
750
mm
Ersatz und Sicherheit gegen das Versagen eines Injektors bei zu warmem
Speisewasser (Tropengegenden).
Tab. 5 gibt die Hauptabmessungen einiger besondersgebräuchlichen Grössen dieser
Bauart an und wird in Verbindung mit Fig. 19 in
vielen Fällen die Wahl der erforderlichen Stärke erleichtern können.
(Schluss folgt.)