Titel: | Die Automobiltechnik im Jahre 1904. |
Autor: | W. Pfitzner |
Fundstelle: | Band 319, Jahrgang 1904, S. 804 |
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Die Automobiltechnik im Jahre 1904.
Von Dipl.-Ing. W. Pfitzner, Assistent an der
K. Technischen Hochschule,
Dresden.
(Fortsetzung von S. 792 d. Bd.)
Die Automobiltechnik im Jahre 1904.
Neben den beiden vorbesprochenen meist verbreiteten Anordnungen sind noch einige
zu nennen, die nicht ohne Bedeutung sind und deren Hauptmerkmal in der Verwendung
von hängenden, im Zylinderdeckel angebrachten Ventilen besteht. Bei grossen
schnellaufenden Motoren macht die Unterbringung der einen bedeutenden Durchmesser
annehmenden Ventile an derselben Seite doch Schwierigkeiten. Man hat deshalb, zuerst
war es Daimler, 1903, das Einlassventil mitten auf den
Zylinderdeckel gesetzt und treibt es mit Hilfe einer Hebelsteuerung an. Das
Auslassventil ist meist an der alten Stelle in der seitlichen Ventilkammer
geblieben. Diese Anordnung erlaubt mit nur einer Steuerwelle auszukommen, allerdings
mit zweierlei Steuergestängen, dem gewöhnlichen Stössel für die Auslassventile und
dem mit Doppelhebel ausgerüsteten Stosswerk für die nach unten öffnenden
Einlassventile. Die Abreisszündvorrichtung hat Daimler
mit besonderer Welle angetrieben und auf die andere noch ganz freie Zylinderseite
gegenüber den Auslassventilen gesetzt. Der Vorteil, die Zündvorrichtung ganz frei
und zugänglich auf der einen Maschinenseite zu haben, scheint den Nachteil der
zweiten Steuerwelle ausgleichen zu sollen. Erkennt man dies an, dann hat die
Ventilanordnung ihre Berechtigung. Jedenfalls ist auch die Zugänglichkeit der oberen
Ventile eine viel bessere als sonst.
Für Massenfabrikation ist etwas störend die grosse Abweichung der Einzelteile. Für
Ein- und Auslass sind verschieden: die Ventile selbst, ihre Sitze, die Stosstangen;
die Schwingen kommen hinzu. Nicht zu vergessen ist auch der Nachteil aller
hängenden, von oben eingesetzten Ventile, dass sie einen besonderen, meist
laternenartig ausgebildeten Sitzkörpe bedürfen, der nicht gekühlt werden kann, und
dass demgemäss die Kühlung der Sitzflächen und noch mehr die der Ventilspindeln zu
wünschen übrig lässt. Bei Einlassventilen mag dies immerhin noch gehen, da hier auf
eine gute Kühlwirkung des kalt einströmenden Gasgemisches gerechnet werden kann, bei
Auslassventilen ist dies jedoch schon bedenklicher, wenn auch die Verhältnisse bei
den kleinen Ausführungen noch zu beherrschen sind.
Die im Zylinderdeckel angebrachten, hängenden Ventile scheinen mehr und mehr Anklang
zu finden. Man ist schon dazu übergangen, auch die Auslassventile wie beim Dieselmotor mit nach oben zu verlegen, und zwar hat man
dann Anordnungen mit zwei Steuerwellen und starren Zugstangen zu beiden Seiten der
Zylinder gewählt, (de Dietrich-Bugatti, Niederbronn i.
E.), auch sind Anordnungen mit nur einer Steuerwelle zu finden. Gelegentlich hat man
dann auch eine Steuerwelle nach oben über die Ventile gelegt, unter Vermittlung
eines Kettentriebes oder einer Kegelradwelle, in den verschiedensten Formen. Als
Beispiel hierfür gelte Fig. 41, ein Motor der Maudslay Co., Coventry, bei dem sich die mit
Schraubenrädern angetriebene Hilfswelle mitten über den in einer Reihe liegenden
Ventilen befindet. Die Ventile sind mit Hilfe eines Kunstgriffes leicht zugänglich
gemacht: Die Kapsel mit der Steuerwelle lässt sich um seitliche Gelenke zur Seite
drehen, wobei die senkrechte Antriebswellein dem in der Figur sichtbaren
Universalgelenk mit geknickt wird, ohne dass die Einstellung der Steuerung verloren
geht.
Textabbildung Bd. 319, S. 803
Fig. 41. Motor mit allen Ventilen im Zylinderdeckel.
Bei genauer Untersuchung aller in Betracht kommenden Fragen, namentlich auch
hinsichtlich der Gesamtanordnung und des Einbaues in das Wagengestell erweisen sich
Ventilanordnungen mit im Zylinderdeckel hängenden Ventilen als durchaus brauchbar
und sogar vorteilhaft. Alle Hilfsapparate lassen sich sehr übersichtlich und
zugänglich anordnen, die Rohrleitungen können so verlegt werden, dass sie kaum noch
stören, die Motoren werden leicht, die zu kühlenden Flächen sinken auf ein
Mindestmass, so dass also auch die Rückkühlvorrichtungen entsprechend klein und
leicht ausgeführt werden können.
Die Ausbildung der einzelnen Teile, insbesondere der Zylinder hängt im wesentlichen
ebenfalls von der Anordnung der Ventile ab. In Europa werden bei mehrzylindrigen
Maschinen die Zylinder meist paarweise gegossen: man hat dabei den Vorteil, dass
verschiedene Rohrmündungen schon im Gusstück vereinigt werden können, dass also die
Zahl der Rohranschlüsse sinkt, ferner dass man den Wassermantel gemeinschaftlich für
beide Zylinder ausbilden kann, wobei eine gewisse Gewichtsersparnis zu erzielen ist. In Amerika bleibt
man meist dabei, jeden Zylinder einzeln zu giessen, was wohl der Massenfabrikation
mehr entspricht und auch den Vorteil hat, dass die Gusssicherheit steigt und auch
der Ausschuss bei der Bearbeitung geringer wird. Die Vereinigung zweier oder auch
mehrerer Zylinder erfordert allerdings eine gut entwickelte Giessereitechnik, die
Modelle müssen sehr genau sein und das Einformen erfordert eine hohe
Geschicklichkeit. In dieser Hinsicht kann sich die gewählte Ventilanordnung recht
störend oder auch recht vorteilhaft bemerkbar machen. Alle Ventilanordnungen, die
die reine Zylinderform am wenigsten stören, lassen sich verhältnismässig bequem
formen, grosse Schwierigkeiten können entstehen, wenn seitliche Ventilkammern mit
vielteiligen Wassermänteln auszuführen sind. Die im Zylinderdeckel angebrachten
Ventile erweisen sich hierbei als vorteilhaft, so dass man mit Leichtigkeit mehrere
Zylinder in einem Gusstück vereinigen kann.
Textabbildung Bd. 319, S. 804
Fig. 42. Motor mit einzelnen Zylindern und am Gehäuseoberteil gelagerter
Kurbellwelle (George N. Pierce Co., Buffalo).
Der paarweise Zylinderguss ergibt sich von selbst in Rücksicht auf die Lagerung der
Kurbelwelle. Es ist möglich, ohne allzu grosse Durchbiegungen befürchten zu müssen,
zwei Triebwerke zwischen je zwei Lagern arbeiten zu lassen. Naturgemäss rückt man
dabei die Mitten möglichst zusammen, so dass man recht kleine Stützweiten bekommt,
soweit als es die Zylinderbohrungen erlauben. Die getrennte Ausführung der
benachbarten Zylinder ist dann nur hinderlich (siehe Fig.
42), sie steht im Widerspruch mit den Bestrebungen, die bei der
Kurbelwelle massgebend sind. Der Motor Fig. 42 (nach
The Horseless Age, 1904, S. 127, Motor der George N. Pierce Co., Buffalo N. Y.) würde bei
Vereinigung der Zylinder erheblich kürzer werden.
In besonderen Fällen weicht man hiervon ab. Wenn es sich, wie bei Rennmotoren, um ein
möglichst geringes Gewicht handelt, sucht man die Wassermäntel, die ja nur
Dichtigkeit bei geringer Festigkeit zu besitzen brauchen, durch spezifisch leichtere
oder sehr dünne Metalle zu ersetzen. So hat man ausser Aluminiumhauben vor
allenDingen Kupferblechmäntel verwendet, die nach Art von Fig. 43
(The Horseless Age, 1904) am Laufzylinder gedichtet
werden. Für die Ventilköpfe ist dieser Ersatz kaum möglich, da die Form meist zu
vielgestaltig ist. Auch kann man dann nur je einen Zylinder für sich ausrüsten, jede
Abweichung von der Kreisform bringt grosse Schwierigkeiten. Die Verwendung der
Blechmäntel erstreckt sich deshalb auch nur auf Sonderausführungen, die eine
erhebliche Preisbelastung vertragen. Zuerst ausgeführt ist die Konstruktion am
Rennmotor „Centaure“ von Panhard et Levassor, Paris (vergl. la
Locomotion 1902, S. 343), Fig. 44, der in
Rücksicht auf Leichtigkeit auch aussen bearbeitete Laufzylinder zeigt. Aus, dem
gleichen Grunde hat man eine fünfmal gelagerte Kurbelwelle bei ihm ausgeführt.
Textabbildung Bd. 319, S. 804
Fig. 43. Zylinder mit Wassermantel aus Kupferblech.
Die Ventile sind in der Regel einfache Kegelventile, einsitzig, sie werden durchweg
zwangläufig von der Steuerung geöffnet und durch Federdruck geschlossen. Sie werden
für Ein- und Auslass in allen Abmessungen gleichartig ausgeführt. Die früher
allgemein selbsttätig ausgeführten Saugventile sind fast vollständig
verschwunden, sogar bei den kleinsten Fahrradmotoren beginnt man schon, sie zu
steuern. Trotz der damit verbundenen Komplikation muss man dies doch als einen
Fortschritt erachten, denn die gesteuerten Ventile sind betriebssicherer, man kann
sie den dynamischen Beanspruchungen nach stark bemessen. Zweitens haben sie die
angenehme Eigenschaft, dass sie den Gang der Motoren last ganz geräuschlos machen,
das unangenehme Schlürfen oder Grunzen beim Einsaugen der Luft fällt bei ihnen ganz
fort. Schliesslich erlauben sie eine verhältnismässig viel höhere Umdrehungszahl als
die selbsttätigen Ventile, da sie auch bei den höchsten Tourenzahlen noch richtig
arbeiten.
Textabbildung Bd. 319, S. 805
Fig. 44. Motor „Centaure“ von Panhard & Levassor.
Erwähnung verdient die Tatsache, dass bei grossen Rennmotoren auch mehrsitzige
Einlassventile ausgeführt worden sind, Daimler setzte
beim Modell 1903 ein grosses gesteuertes dreisitziges Einlassventil mitten auf den
Zylinder.
Die Steuerungen der Ventile selbst sind im wesentlichen immer dieselben geblieben.
Grösste Einfachheit bleibt hier der erste Grundsatz, man sucht mit möglichst wenig
Teilen auszukommen. Die seitlichen Kräfte beim Gleiten des Stössels auf dem Nocken
sucht man unmittelbar aufzufangen, mit dem bekannten Hammerhebel oder durch weit
herangezogene Geradführungen der Stosstange. Zur Verminderung der Reibung lässt man
sogar eine Stahlkugel auf dem Nocken laufen, mit bestem Erfolge.
Der Antrieb der Steuerwellen erfolgt meist wie in Fig.
37 durch unmittelbaren Eingriff dreier Stirnräder, von denen aus dann
weitere Hilfsapparate, Zentrifugalpumpe und Magnetinduktor angetrieben werden. Wenn
bei grossem Wellenabstand die Räder zu gross werden würden, schaltet man zwischen
Kurbel und Steuerwelle erst noch ein Zwischenrad, was für die Festlegung der
Steuerwellenmitten meist sehr angenehm ist.
Bei kleineren Maschinen ist es üblich, Steuerwelle mit Nocken aus einem Stück
herzustellen, ein zwar etwas teueres, aber grosse Betriebssicherheit bietendes
Verfahren. Selbstverständlich sind die reibenden Steuerteile soweit wie möglich
gehärtet, gegen Staub sucht man sie durch gänzliches Einkapseln zu schützen, man
legt sie mit in das Innere des Hauptkurbelgehäuses, wobei obendrein der Vorteil
einer ausgezeichneten Schmierung durch das spritzende Oel erreicht wird. Beim Motor
der Neuen Automobilgesellschaft, Berlin (Fig. 38 u. 39), ist
hiervon abweichend jede Steuerwelle für sich gekapselt, um ein schnelles Wegnehmen
der ganzen Steuerung zu gestatten.
Bei der Ausbildung der Kurbeltriebwerke ist grössteEinfachheit Grundsatz. Ein
besonderer Kreuzkopf ist nirgends zu bemerken. Die Kolben sind mit dünnsten
Wandstärken und einfachsten Formen üblich, meist sind nur drei Kolbenringe da, die
oft exzentrisch, neuerdings auch gleich dick, aber verschieden elastisch sind.
(Verfahren nach Capitaine: Die Ringe werden vom Schlitz
aus nach der Mitte zu durch stärker werdendes Hämmern gedichtet und dadurch steifer
gemacht.) Der Kolbenzapfen ist meist hohl (Stahlrohr) und wird in der Regel gegen
den Kolbenkörper verspannt, durch konische Stifte wie in Fig. 42 und 39 oder ähnlich. Der
Kolbenboden wird zweckmässig schwach gewölbt ausgeführt und ausserdem noch mit
dünnen Rippen versteift.
Die Schubstangen, meist von I Querschnitt (Fig. 38 und 39)
werden in allen grösseren Fabriken aus Stahl gepresst und nur an den Lagerstellen
bearbeitet. Eine Nachstellbarkeit des Kolbenzapfenlagers wird nirgends mehr für
notwendig erachtet, auch am Kurbelzapfen sucht man mehr und mehr zu vereinfachen:
man lässt besondere Lagerschalen ganz fort und giesst die Schubstange sowie den
Lagerdeckel unmittelbar mit Weissguss aus. Ueber- all sind in Rücksicht auf die
Reibungsarbeit sehr grosse Lagerbreiten gewählt.
Bei den Kurbelwellen ist man von der früheren Gewohnheit, die Welle aus einzelnen
Schwungscheiben, Kurbelzapfen und Wellenzapfen zusammenzusetzen, gänzlich
abgekommen. Man stellt die Wellen aus einem Stück geschmiedeten Stahles her und
verzichtet auf die ungeteilten Kurbelzapfenlager. Dadurch gewinnt die Welle die
notwendige Sicherheit, trotzdem man mit den Beanspruchungen bis zu 2000 kg/qcm bei gutem
Nickelstahl heraufgeht.
Die Lagerung der Welle findet, wie erwähnt, in der Regel nur nach je zwei Triebwerken
statt, so dass also der Vierzylindermotor mit drei Wellenlagern auskommt. Mehr als
zwei Kurbeln lassen sich nicht gut zwischen je zwei Lagern anordnen, da dann die
Durchbiegungen zu erheblich werden, wenigstens wenn man die üblichen Beanspruchungen
und Abmessungen beibehalten will. Somit ist man beim Dreizylindermotor beinahe
gezwungen, nach jedem Triebwerk ein Lager anzuordnen, d.h. die Welle würde bei drei
Zylindern vier Lager erhalten. Diese Unbequemlichkeit ist der Grund, weshalb der
Dreizylindermotor so selten ausgeführt wird.
In Rücksicht auf gute Zugänglichkeit hat man mehrfach, wie z.B. in Fig. 42, die Welle lediglich am Oberteil des
Kurbelgehäuses montiert, man hat also besondere Lagerdeckel angewendet und nicht,
wie in Fig. 35, 39
und 40 das Gehäuseunterteil als Deckel benutzt. Die
Konstruktion ist dann von Wert, wenn es möglich ist, die untere Gehäuseschale von
dem am Wagengestell befestigten Motor wegzunehmen. Man kann das Triebwerk dann von
unten besichtigen, ohne dass es herabfällt. Vorausgesetzt ist dabei natürlich, dass
die Aufhängung des ganzen Motors überhaupt nur am oberen Teil des Kurbelgehäuses
stattfindet.
Die Kurbelgehäuse der neueren Motoren werden mehr und mehr nicht nur als
Maschinenrahmen und Oelkapsel, sondern zugleich als alleinige Träger der ganzen
Maschine, verwendet. Früher war es (von Frankreich ausgehend) die Regel, zwischen
die Längsträger des Wagenrahmens noch einen zweiten, schmalen Hilfsrahmen, einen
Unterrahmen zu legen, auf dem der Motor mit Kupplung und Getriebe gelagert wurde.
Dabei konnten die Maschinengehäuse selbst oder nur unter Vermittlung sehr kurzer
Füsse auf die Längsträger des kleineren Rahmens gestellt werden und es war
naturgemäss, dass das Unterteil des Kurbelgehäuses die Tragfüsse erhielt (s. Fig. 30). Diese Anordnung mit Hilfsrahmen hat
erhebliche Vorzüge, so sind die Verbiegungen in dem Nebenrahmen nie so gross als im
Wagenrahmen und nicht so abhängig von der wechselnden Grösse der Nutzlast; mit einer
verhältnismässig leicht auszubildenden 3-Punkte-Aufhängung kann sogar jede Klemmung
der durchgehenden Wellen vermieden werden. Die Lagerung unten lässt weiter für die
Hilfsapparate zu beiden Seiten des Motors genügend Platz frei, so dass die
Zugänglichkeit dort recht gut wird.
Um eine grössere Einfachheit im Untergestell zu erhalten ist man dazu übergegangen,
den Hilfsrahmen wegzulassen und dafür die Maschinengehäuse mit langen gegossenen
Tragarmen zu versehen, die unmittelbar an dem Hauptrahmen befestigt werden. Es
erscheint dies hinsichtlich der Durchbiegungen als zulässig, da man dem aus
Stahlblech gepressten Hauptrahmen bei geringem Gewicht eine genügende Steifigkeit
geben kann. Infolge der Lage der Maschinenachse zum Rahmen ist es natürlich, dass
man das Oberteil des Kurbelgehäuses als Träger ausbildet, da die Tragarme dann am
kürzesten werden. Somit ergibt sich die z.B. in Fig.
36 und 37 ersichtliche Ausbildung des
Kurbelgehäuses und der Tragarme, wobei es ferner möglich wird, nach Art von Fig. 42 die bereits angegebene Zugänglichkeit der
Kurbelwelle von unten zu erreichen, ohne dass der Motor aus dem Wagen herausgenommen
wird.
Textabbildung Bd. 319, S. 806
Fig. 45. Motor mit Tragarmen am Gehäuse-Unterteil von Horch & Cie.
Ein Nachteil dieser Aufhängung ist der grosse Raumbedarf der Tragarme, die namentlich
bei Zweizylindermotoren oft kaum Platz für die gute Unterbringung der Hilfsapparate
lassen. Mehrfach hat man deshalb auch bei Konstruktionen ohne Unterrahmen die
Aufhängung am unteren Kurbelgehäuse beibehalten. Es werden dann, wie Fig. 45 zeigt, sehr lange Tragarme nötig, die bei
Gusstücken aus leichten Aluminiumlegierungen zu Bedenken Veranlassung geben. Schon
bei den kürzeren Armen der Fig. 36 und 37 sind sehr grosse Querschnitte an der Armwurzel
notwendig, und im Interesse grösserer Sicherheit verzichtet man oft auf die
Leichtigkeit der spröden Aluminiumlegierungen und nimmt lieber Gehäuse aus dem zwar
viel schwereren, aber zähen Rotguss, Tiegelflusseisen oder Stahlguss.
Die sonstige Ausbildung der Kurbelgehäuse richtet sich nach den näheren
Verhältnissen der Steuerung und der Hilfsapparate.
Textabbildung Bd. 319, S. 806
Fig. 46. Vierzylinder-Motor der Adler-Fahrradwerke vorm. Heinrich Kleyer,
Frankfurt a. M. Ventilseite.
Die Antriebsräder der Hilfswellen werden, wenn nur irgend möglich, mit in das
Kurbelgehäuse hineingenommen, desgleichen der Regulator. Sie werden dann ebenso gut
geschmiert wie die Steuerteile, die man ja auch möglichst dem Spritzöl aussetzt. Oft
bringt man ein grösseres Handloch mit leicht abnehmbarem Verschluss an; an Stelle
der immer undurchsichtig werdenden Schaugläser werden Probierhähne für die Erkennung
des Oelstandes vorgesehen. Zur Entlüftung des Gehäuses dienen lange Rohre mit
siebartigen Endverschlüssen; sehr grosses Gewicht wird auf eine gute Dichtung der
Schnitiflanschen gelegt.
Die vorstehenden allgemeinen Merkmale der neueren Motoren sollen im folgenden durch
Vorführung von Beispielen ergänzt werden. In Fig. 46
und 47 ist zunächst der Vierzylindermotor der Adler-Fahrradwerke vorm.
Heinr. Kleyer, Frankfurt a. M., dargestellt. Der Motor besitzt einen Hub
von 120 mm bei einem Durchmesser von 105 mm. Seine Nennleistung von 24 PS erreicht
er dann, 4,5 atm mittleren effektiven Druck vorausgesetzt, bei etwa 1150 Umdrehungen
i. d. Min., seine höchste zulässige Tourenzahl beträgt 1600, bei der er jedoch die
Höchstleistung bereits überschritten haben dürfte. Er gehört zu der Gruppe der
Motoren mit sämtlichen Ventilen auf einer Seite, besitzt demnach nur eine
Steuerwelle, die vollständig eingekapselt mit in der Hauptschnittfuge des
Kurbelgehäuses liegt. Alle Zahnräder für den Antrieb der Steuerwelle, der
Zentrifugalpumpe und des rotierenden Magnetinduktors (nach Bosch)s. D. p. 1. 1903,
318, S. 191. liegen in einer
Ebene, eingekapselt in einer gemeinschaftlichen Radkammer, die in geschickter Weise
aus den Hohlräumen der beiden vorderen Tragarme des Motors gebildet ist. Die Pumpe
ist nur mit Hilfe zweier Schrauben am Gehäuse befestigt, um sie schnell abnehmen zu
können, sie läuft auf Kugellagern und bedarf infolgedessen fast keiner Wartung. Der
Magnetinduktor ist mit dem Vergaser auf der den Ventilen gegenüberliegenden Seite
der Zylinder untergebracht (Fig. 47), um die
Ventilsteuerungen nicht allzusehr zu verdecken und noch zugänglich zu
erhalten, trotzdem dann ein besonderes Zwischenrad für den Antrieb des Induktors
notwendig wird.
Textabbildung Bd. 319, S. 807
Fig. 47. Vierzylinder-Motor der Adler-Fahrradwerke vorm. Heinrich Kleyer,
Frankfurt a. M. Vergaserseite.
Vom Vergaser (Spritzvergaser mit zentraler Schwimmeranordnung, näheres darüber
später) führt das Saugrohr zwischen beiden Zylinderpaaren hindurch zu einer
Drosselklappe, die sowohl die Gemischmenge als auch dessen Zusammensetzung regelt
(das senkrechte Rohr für die Zuströmung von Zusatzluft ist in Fig. 46 sichtbar), von der Drosselklappe führt je ein
Rohr nach den Saugventilen der beiden Zylinderpaare. Betätigt wird die Drosselklappe
von einem mit im Kurbelgehäuse sitzenden Zentrifugalregulator, durch Vermittlung des
in beiden Figuren sichtbaren Gestänges. Die Regulierung mit Zusatzluft sorgt dafür,
dass das für langsamen Gang richtig angesaugte Benzinluftgemisch für hohe
Tourenzahlen nicht allzu benzinreich wird, dass also für jede Geschwindigkeit eine
zündfähige Mischung vorliegt, und zwar wird dies erreicht in den Grenzen von
200–1600 Touren.
Die Zündung selbst ist für den vorliegenden Motor, wie erwähnt,
Magnetabreisszündung, für kleinere Modelle Kerzenzündung, auf besonderen Wunsch
werden auch beide gleichzeitig angebracht. Alle Zünder sind sehr günstig und
zugänglich über die Saugventile gelegt. Das Unterbrechergestänge ist in eigenartiger
Weise ausgeführt. Von der Steuerwelle mit je einem Schraubenräderpaar angetrieben
geht an jedem Zylinderpaar (Fig. 46), eine
senkrechte Welle nach oben, durch die Saugrohre hindurch, die an dem oberen Ende den
Nokken für die Bewegung der wagerecht liegenden Abreisstangen trägt. Die auf diese
Weise sehr kurz ausfallenden Abreisstangen führen nach links und rechts über die
Saugventile, in deren Verschluss der Kontakthebel sowie der nach Art der Zündkerzen
ausgebildete isolierte Stift sitzt. Vor- und Nachzündung wird mit der wagerecht
(über den Gehäusearmen) liegenden Stange bewirkt, durch Verstellung der senkrechten
Wellen. Die Zündung arbeitet infolge der geringen bewegten Massen ganz
geräuschlos.
Das Kurbelgehäuse ist in einfacher, glatter Form gehalten, bei der geringen Zahl der
Schnittebenen ist es sehr vorteilhaft zu bearbeiten. Es wird in Nickelaluminium
ausgeführt. Da die Aufhängung am Oberteil stattfindet, so ist hier wie in Fig. 42 die Kurbelwelle mit besonderen Lagerdeckeln
gehalten, man kann also den unteren Gehäuseteil jederzeit entfernen, ohne dass die
Welle herabfällt.
Die Zylinder haben über den Verbrennungsräumen besonders aufgesetzte Wassermäntel aus
Aluminium (Fig. 47). Es ist dadurch die Möglichkeit
gegeben, in einfacher Weise die Laufzylinder von anhaftendem Kesselstein zu
reinigen, was in Gegenden mit stark kalkhaltigem Wasser von grosser Bedeutung ist.
Diese Aluminiumkappen werden durch je zwei Schrauben, mitten über den Zylindern,
angepresst, ausserdem haben sie die beiden Flansche für Zu- und Abführung des
Kühlwassers. Beide Kühlleitungen sind an den höchsten Stellen mit Entlüftungshähnen
versehen.
(Fortsetzung folgt.)