Titel: | Beiträge zur Bestimmung der Ein- und Austrittsgrössen von Turbinenlaufrädern auf Grund experimenteller Untersuchung. |
Autor: | Camerer |
Fundstelle: | Band 319, Jahrgang 1904, S. 817 |
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Beiträge zur Bestimmung der Ein- und
Austrittsgrössen von Turbinenlaufrädern auf Grund experimenteller
Untersuchung.
Von Professor Dr. phil. Dr. Ing. Camerer,
München.
Beiträge zur Bestimmung der Ein- und Austrittsgrössen von
Turbinenlaufrädern auf Grund usw.
Der Zweck vorliegender Arbeit ist, an Hand genauer Bremsergebnisse Beiträge zu
liefern zur Beantwortung der Präge, in welcher Weise die in der Hauptgleichung der
Turbinentheorie vorkommenden, theoretisch genau definierten Grössen ihre praktisch
konstruktive Interpretation finden.Es hatte
sich herausgestellt, dass bei gewissen, raschlaufenden Turbinen die
günstigste Umdrehungszahl höher lag, als sie sich nach der zumeist üblichen
Rechnungsweise hätte ergeben dürfen, und da es sich dabei um Bremsergebnisse
von Sundhausen, der Versuchsanstalt der Firma
Briegleb, Hansen & Co., Gotha,
handelte, die den denkbar höchsten Genauigkeitsgrad beanspruchen dürfen, so
blieb nichts übrig, als die Rechnungsgrundlagen einer Kritik zu
unterwerfen.
Die Hauptgleichung lautet bekanntlich
w12 – v12
+ u12
– w22 + v22
– u22 = 2 g H . η,
wobei w1 die absolute,
v1 die relative
Wassergeschwindigkeit und u1 die Umfangsgeschwindigkeit im Laufradeintritt, w2, v2 und u2 die entsprechenden Grössen im Laufradausfritt, g die Erdbeschleunigung, H
das Gefälle und η den hydraulischen Wirkungsgrad
darstellen.
Dabei bilden somit die w, v und u ein Geschwindigkeitsdreieck am Eintritt bezw. am Austritt.
Es möge nun zunächst eine allgemeine Betrachtung darüber angestellt werden, welcher
Art die Schwierigkeiten sind, die sich der praktischen
Interpretation der in der Hauptgleichung vorkommenden Grössen
entgegensetzen.
Nachdem die Hauptgleichung nichts anderes ist, als die Anwendung des Energiegesetzes
auf die Wasserbewegung durch die Turbinen, kann natürlich ein Zweifel über ihre
Richtigkeit und die theoretische Bedeutung der
Geschwindigkeitsgrössen und über den Ort, in dem sie gedacht werden müssen, nicht
auftreten.
Die Geschwindigkeitsquadrate sind einfach Masse der kinetischen Energie des Wassers
in dem mit 1 bezw. mit 2 bezeichneten Punkt des Laufradeintritts und -Austritts. Es
sind Mittelwerte der Quadrate der in Wirklichkeit verschiedenen Geschwindigkeiten
gewissermassen in einem massgebenden Punkt konzentriert gedacht.
Punkt 1 stellt den Ort dar, wo der Schwerpunkt der Wasserenergie in den Bereich der
Laufradschaufeln tritt. Von ihm an kann die
Arbeitsabgabe an das Laufrad beginnen.
In Punkt 2 tritt der Schwerpunkt der Wasserenergie aus dem Bereich der
Laufradschaufel. Die nützliche Arbeitsabgabe nach aussen ist an dieser Stelle
endgültig abgeschlossen.
So einfach nun aber auch die theoretische Definitiondieser Grössen ist, so
schwierig ist es, für Neukonstruktionen oder auch nur an Hand ausgeführter und
gebremster Turbinen die einzelnen Grössen und ihre Lage in der Maschine
ziffernmässig genau festzustellen, weil einmal die endliche Zahl der meist schräg
geschnittenen Laufradkanäle eine genaue analytische Deutung von Ein- und
Austrittspunkt nur schwer zulässt, und weil zweitens die Geschwindigkeiten in den
fraglichen Querschnitten recht verschieden ausfallen können.
Dazu kommt, dass durch Wassermenge und Querschnitt nur die mittlere
Wassergeschwindigkeit bestimmt ist, die von der aus dem mittleren Quadrat
berechneten im allgemeinen verschieden sein wird. Dann muss die Arbeitsgleichung
eine kleinere oder grössere Wassergeschwindigkeit aufweisen, als sich aus
Wassermenge und Querschnitt berechnet.
Ein Teil dieser Schwierigkeiten wird behoben, wenn man nicht mit den Mittelwerten für
die ganze Wassermenge der Turbine bezw. einer Schaufelöffnung, sondern von Anfang an
mit einzelnen Wasserstrassen, sog. Teilturbinen rechnet, wobei es nur nötig sein
wird, über die gegenseitigen Beziehungen derselben einige naheliegende Annahmen zu
machen.
Zwei besonders schwer zu behandelnde, unvermeidliche Störungen sollen allerdings in
den folgenden Betrachtungen von vornherein unberücksichtigt bleiben.
Das ist einmal die Tatsache, dass infolge der durch die Schaufelkrümmung
hervorgerufenen Zentrifugalwirkung Pressungen und Geschwindigkeiten über eine
Schaufelweite sich nicht konstant einstellen werden, dass weiter infolge der Reibung
an den Wandungen die Geschwindigkeiten im Innern höher sind als in der Nähe der
Schaufelflächen.
Was nun die Wahl der Punkte 1 und 2 im Laufradein- bezw. -Austritt angeht, so mögen
zunächst ohne analytische Begründung gewisse Annahmen gemacht werden, auf Grund
welcher dann die Bremsergebnisse rechnungsmässig verfolgt werden können.
So werde angenommen, dass der Punkt 1 sich in der Schaufelspitze bezw. in gleicher
Höhe mit derselben befinde (Fig. 1).
Unter dieser Annahme stimmt das in der Dreiecksspitze zur Erzielung stossfreien
Eintritts notwendige Geschwindigkeitsdreieck mit dem der Hauptgleichung überein.
Folgerichtig wird dann auch die Schaufelweite von der tatsächlichen Spitze an
gerechnet, d.h. bei der Berechnung des Eintrittsquerschnittes eine Verengung durch
die Schaufelstärken nicht berücksichtigt.
Ueber die Lage des Punktes 2 sollen verschiedene Annahmen gemacht werden.
Die erste, zumeist gebräuchliche legt ihn in die Mitte der senkrecht zu den
Wasserfäden gemessenen Austrittsöffnung nach 2 (Fig.
1).
Textabbildung Bd. 319, S. 818
Fig. 1.
Dabei ist natürlich, dass zur Berechnung des Austrittsquerschnittes nur die lichte
Weite a2 der
betreffenden Stelle herangezogen wird.
Textabbildung Bd. 319, S. 818
Fig. 2.
Textabbildung Bd. 319, S. 818
Fig. 3.
Textabbildung Bd. 319, S. 818
Fig. 4.
Textabbildung Bd. 319, S. 818
Fig. 5.
Nach dieser Rechnungsweise konnte die Arbeitsgleichung nicht mit den aus der Bremsung
gefundenen Werten in Uebereinstimmung gebracht werden.
Besser gelang dies unter anderen Annahmen, denen Verfasser auch aus Gründen folgender
allgemeiner Ueberlegung den Vorzug geben möchte.
Fragt man sich nämlich, in welchem Ort der Schwerpunkt der Energie des austretenden
Wassers aus dem Bereich des Laufrades tritt, so kann doch wohl ganz allgemein gesagt
werden, dass für die dynamische Wirkung austretenden Wassers auf irgend ein
Reaktionsgefäss nicht der Austrittsquerschnitt, sondern der Zustand des Wassers nach
dem Austritt massgebend ist. Sowird z.B. für die Reaktionswirkung nach Fig. 2 nicht die Geschwindigkeit in Oeffnung f, sondern die Geschwindigkeit w im kontrahierten Querschnitt massgebend sein, denn es ist einleuchtend,
dass durch drucklos angelegte Backen nach Fig. 3
nichts geändert würde.
Für beide Fälle müsste demnach Punkt 2 der Fig. 2 und
3 als charakteristischer Austrittspunkt
bezeichnet werden.
Noch näher kommt man den Verhältnissen bei Ueberdruckturbinen durch folgende Bilder.
Es ist einleuchtend, dass in Fig. 4 der
Austrittspunkt in 2 zu liegen kommt, wo das Wasser sich wieder verzögert hat.
In analoger Weise wird aber auch in Fig. 5 der für
die Reaktionswirkung massgebende Punkt in 2 sich befinden, vorausgesetzt nur, dass
die Verzögerung ohne Wirbelbildung erfolgt, dann würden eingelegte Zwickel in die
Eckchen toten Wassers den ganzen Zustand nicht ändern. Nach solcher Ueberlegung
wurde der Austrittspunkt in das Schaufelende nach 2' (Fig.
1) bezw. in die Höhe des Schaufelendes gelegt und dabei wieder eine
dreifache Annahme über den Einfluss der Schaufelstärken gemacht, indem einmal nur
die lichte Weite a2,
dann lichte Weite mit halber Schaufelstärke a_2+\frac{s_2}{2} und schliesslich lichte Weite
mit ganzer Schaufelstärke a2
+ s2 der
Querschnittsberechnung zugrunde gelegt wurde.
Es darf schon hier bemerkt werden, dass die letzte Annahme die Arbeitsgleichung am
besten befriedigt hat. Der Kürze wegen ist sie daher auch in der Folge allein
wiedergegeben und der Rechnung mit Austrittspunkt 2 gegenüber gestellt.
a2 war infolge
evolventenförmiger Schaufeln über die fragliche Austrittslänge konstant.
Werden aber die obigen Grundsätze als zurecht erkannt, so ist unzweifelhaft, auf
welche Weise auch Laufräder ohne Parallelführung (Fig.
6) bezw. Evolventenform im Austritt der Rechnung zugänglich zu machen
sind. Wenn man auch keine so bestimmten Werte erhält wie im ersten Fall, so wird es
doch meist möglich sein, ohne erheblichen Fehler die Wasserfäden nach Gefühl
einzuzeichnen und daraus den massgebenden Austrittsquerschnitt zu berechnen.Dem Einwurf, dieses Verfahren sei zu ungenau,
um praktisch empfohlen zu werden, ist zu erwidern, dass man im Turbinenbau
grundsätzlich mehr darauf sehen sollte, dem Wasser die Sache möglichst
bequem zu machen statt dem Konstrukteur, und dass Verfasser mit die besten
Wirkungsgrade an Versuchsturbinen ohne Parallelführung erzielt
hat.
Textabbildung Bd. 319, S. 818
Fig. 6.
Schliesslich seien noch zwei Gründe erwähnt, die für die Annahme des Austrittpunktes
im Schaufelende in 2' sprechen. Der eine ist, dass bei
der Wahl des Punktes mehr im Innern des Laufrades der letzte Bereich der
Schaufelbreite, der doch, wenn keine Parallelführung der Schaufelbreite vorhanden,
entschieden von grossem Einfluss ist (s. Fig. 7), in der
Rechnung ganz unberücksichtigt bliebe, dass ferner für die Druckverteilung auf die
Strecke m und insbesondere für die Endpunkte der
Schaufeln in A der Punkt 2' im Schaufelende massgebender zu sein scheint als 2 in der Austrittsmitte (Fig. 8).
Textabbildung Bd. 319, S. 819
Ausschlaggebend für diese Ueberlegungen sollen aber die Bremsergebnisse sein,
die in folgender Weise mit der Hauptgleichung in Beziehung gesetzt wurden.
(Fortsetzung folgt.)