Titel: | Zur Berechnung von Dampfzylindern. |
Autor: | Stanislaw Brokman |
Fundstelle: | Band 320, Jahrgang 1905, S. 39 |
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Zur Berechnung von Dampfzylindern.
Von Stanislaw Brokman,
Wloclawek.
Zur Berechnung von Dampfzylindern.
Bekanntlich sind die grössten Verluste einer Dampfmaschine darauf
zurückzuführen, dass bei jedem Hube eine gewisse Dampfmenge an den Zylinderwänden
kondensiert, die grösstenteils während der Dampfaustrittsperiode erst wieder
verdampft.
Es drängt sich daher folgende Frage auf: Wie muss man den Dampfzylinder bemessen, um
die Eintrittskondensation des Dampfes auf das Mindestmass zu beschränken.
Die Beantwortung dieser Frage ist der Hauptzweck der vorliegenden Arbeit.
Der praktische Wert der Sache wird allerdings durch die steigende Anwendung
überhitzten Dampfes verringert; jedenfalls will ich den Gegenstand ganz allgemein
vom theoretischen Standpunkt behandeln, zumal die Dampfmaschinen auch heute noch mit
gesättigtem Dampf arbeiten.
Bei der Berechnung des Dampfverlustes wird allgemein angenommen, dass die
kondensierte Dampfmenge proportional dem Temperaturunterschiede zwischen Dampf und
Wand, und der Grösse der vom Dampfe berührten Fläche ist. Mit Rücksicht auf das
Temperaturgefälle zwischen Dampf und Wand werden Mehrfachexpansionsmaschinen
ausgeführt, der andere, ebenso wichtige Faktor aber, die schädliche Fläche wird
meist nicht so genau berücksichtigt.
Bei der Dimensionierung des Dampfzylinders werden zwar verschiedene Umstände in
Rechnung gezogen, wie z.B. Preis, Geschwindigkeit u.a.m., schliesslich gehen aber
die meisten Konstrukteure doch von einem bestimmten Hubverhältnis aus, welches meist
ganz willkürlich oder doch nur empirisch festgelegt wird; und gerade dieses müsste
man mit Rücksicht auf die kleinste Zylinderkondensation bestimmen.
Das kann nun in folgender Weise geschehen:
Wenn wir ermitteln (was weiter unten durchgeführt wird), dass f. d. Einheit
Kolbenfläche während einer Umdrehung der Maschine die Dampfmenge a kondensiert, f. d. Einheit Deckelfläche die
Dampfmenge b, f. d. Einheit Zylinderfläche die
Dampfmenge c, dann ist die an der Kolbenfläche
kondensierte Dampfmenge
D1= aπr2,
(wenn r der Zylinderradius ist),
an der Deckelfläche kondensiert
D2= bπr2,
an der Zylinderfläche die Dampfmenge
D3 = 2
cπrs,
(wenn s die Länge des Zylinders
ist), mithin kondensiert im ganzen Zylinder die Dampfmenge
D = aπr2+ bπr2+2 cπrs,
und D soll zum Minimum werden,
wobei noch das Volumen des Zylinders
v = πr
2
s
als durch die Leistung und Umdrehungszahl der Maschine gegeben
zu betrachten ist.
Aus v = πr2s folgt s=\frac{v}{\pi\,r^2}, dies setze man in D ein und erhält
\begin{array}{rcl}D&=&(a+b)\,\pi\,r^2+2\,c\,\pi\,r\cdot \frac{v}{\pi\,r^2}\\ &=&(a+b)\,\pi\,r^2+2\,c\,\frac{v}{r}\end{array};
D wird zum Minimum, wenn \frac{d\,D}{d\,r}=0 wird, also
wenn
(a+b)\,2\,\pi\,r-2\,c\,\frac{v}{r^2}=0;;
nun setze man wieder v = πr2s ein, so ergibt sich, dass das Minimum eintritt,
wenn
(a+b)\,2\,\pi\,r=2\,c\,\frac{\pi\,r^2\,s}{r^2}=2\,c\,\pi\,s,
also bei
\frac{s}{r}=\frac{(a+b)\,2\,\pi}{2\,\pi\,c}=\frac{a+b}{c}
Zur Untersuchung, ob nicht vielleicht ein Maximum vorliegt, braucht man nicht
erst \frac{d^2\,D}{d\,r^2} zu bilden, denn es ist ersichtlich, dass die Maxima von D bei r = 0 und
z = ∞ eintreten, und zwar wird in beiden
Fällen D = ∞; im ersten Falle bei r = 0 wird die Zylinderfläche = ∞; im zweiten
Falle wird die Deckel- und Kolbenfläche = ∞; zwischen diesen beiden Werten
also kann blos ein Minimum eintreten.
Bei vollständig gegen Wärmeabgabe und Aufnahme geschützten Zylinder kann man b = a setzen und dann wird
D zum Minimum bei
\frac{s}{d}=\frac{a}{c}
wenn d der Zylinderdurchmesser
ist.
Unberücksichtigt blieben noch die Flächen der Dampfkanäle, die der Kolbenstange und
solche Flächen, welche bei gewissen Kolbenkonstruktionen vorkommen, wie z.B. bei
unebener Kolbenfläche bei herausragender Mutter und dergl.
Da alle diese Flächen nur schätzungsweise angenommen werden können, so will ich sie
nur beispielsweise in die Rechnung einführen für einige Maschinen mit Meyer-Steuerung, die ich vor mir habe.
Aus den folgenden Betrachtungen wird ersichtlich, dass f. d. Flächeneinheit des
schädlichen Raumes die gleiche Dampfmenge kondensiert, wie an der Kolbenfläche, also
die Dampfmenge a, während f. d. Flächeneinheit der
Kolbenstange die Dampfmenge c kondensiert.
Die Länge des Kanals ist ∾ 0,7 s, sein Querschnitt ist
gleich 1,4 r × 0,12 r.
Die Oberfläche des Kanals ist also
2 . (1,4 + 0,12) r - 0,7 s.
Die im Kanal kondensierte Dampfmenge ist also
2 a . 1,52 . 0,7 r . s.
Die an der Kolbenstange kondensierte Dampfmenge ist
c\,\pi\,\frac{r}{4}\,s,,
wenn der Kolbenstangendurchmesser zu \frac{r}{4} geschätzt
wird.
Die gesamte kondensierte Dampfmenge ist mithin jetzt
D=\pi\,r^2\,(a+b)+r\,s\,\left(2\,\pi\,c+2\,a\cdot 1,52\cdot 0,7+\frac{\pi}{4}\,c\right)
Mithin wird
\frac{s}{d}=\frac{\pi\,(a+b)}{2\,\pi\,c+2\,a\cdot 1,52\cdot 0,7+\frac{\pi}{4}\,c}
Nun möchte ich noch einige Worte darüber sagen, wie die Ergebnisse der
vorstehenden Ableitung zu benutzen sind.
Selbstverständlich darf man sich nicht streng an die Rechnungsresultate halten, weil
man sonst manchmal auf ganz anormale Zylinderabmessungen kommen könnte. Auch wird
sich zeigen, dass es im allgemeinen gar nicht nötig ist, die sich ergebenden Werte
genau einzuhalten.
Um dies recht anschaulich zu machen, will ich die Gleichung für den Dampfverlust D so umformen, dass ich D
als Funktion des Hubverhältnisses \frac{s}{d} erhalte.
Es war
D = (a + b) πr2 + 2 cπrs
(bei Vernachlässigung des schädlichen Raumes usw.) resp.
D = (a + b) πr2 + rs (2,25 πc + 2,13 a)
(bei einem Zylinder mit Mayer-Steuerung).
Im allgemeinen wird D die Form haben
D = mr2 + nrs,
wobei m und n konstante Grössen sind, die, wie nachher gezeigt
wird, sich aus dem Dampfdiagramm bestimmen lassen, wobei nur noch die event. Heizung
von Zylinder, Deckel und Kolben zu berücksichtigen ist.
Nun ist
v = πr
2
s
hieraus
s=\frac{v}{\pi\,r^2};\ s^3=\frac{v}{\pi}\cdot \left(\frac{s}{r}\right)^2
also
s=\sqrt[3]{\frac{v}{\pi}}\,\sqrt[3]{\left(\frac{s}{r}\right)^2}
Ebenso folgt aus v = πr2s
r^2=\frac{v}{\pi\,s},\ r^3=\frac{v}{\pi}\cdot \frac{r}{s},
mithin
r=\sqrt[3]{\frac{v}{\pi}}\,\sqrt[3]{\frac{r}{s}}.
Wenn wir nun die für r und s erhaltenen Beziehungen in D einsetzen,
wobei noch \frac{s}{r} mit l bezeichnet werden soll, so
wird
\begin{array}{rcl}D&=&m\,\sqrt[3]{\left(\frac{v}{\pi}\right)^2}\,\sqrt[3]{\frac{1}{l^2}}+n\,\sqrt[3]{\left(\frac{v}{\pi}\right)^2}\,\sqrt[3]{l}\\
&=&\ \ \ \sqrt[3]{\left(\frac{v}{\pi}\right)^2}\,m\,\left(\sqrt[3]{\frac{1}{l^2}}+\frac{n}{m}\,\sqrt[3]{l}\right)\end{array}
Jetzt können wir die Kurve für D aufzeichnen, denn der
Faktor vor der Klammer ist eine Konstante, bedingt somit nur den Masstab der
Zeichnung und \frac{n}{m} ist ein reiner Zahlenwert, welcher von der Form des
Dampfdiagramms abhängt.Es ist sehr leicht
die Kurve für D zu konstruieren; nämlich D besteht aus zwei Summanden, von denen der
eine \frac{n}{m}\,\sqrt[3]{l} in bekannter Weise als Ordinate der kubischen Parabel
konstruiert wird, während der andere Summand \sqrt[3]{\frac{1}{l^2}} proportional dem
Differentialquotienten des ersten ist.
In Fig. 1 sind verschiedene Kurven für D verzeichnet, entsprechend den verschiedenen Werten
von; es ist nun zu sehen, dass die Kurve für D in der
Nähe des Minimums sehr flach verläuft und erst stark ansteigt, nachdem man sich
um ein ganzes Stück von diesem entfernt hat.
Textabbildung Bd. 320, S. 40
Fig. 1.
Ebenfalls ist aus der Kurve für D ersichtlich, dass man
nie einen erheblich zu grossen Dampfverlust erhält, wenn man den Zylinder zu lang
ausbildet; sobald aber die Notwendigkeit vorliegt, den Zylinder kurz auszubilden,
z.B. beim Niederdruckzylinder, muss man genau untersuchen, wie es sich mit dem
Dampfverlust verhält, umsomehr, als die Dampfkondensation im NDC am schädlichsten ist;Der im
Hochdruckzylinder sich niedersetzende Dampf kann entweder in demselben als
Kondenswasser bleiben, oder verdampft wieder während der
Ausströmungsperiode; der erste Teil ist unschädlich, weil er seine latente
Wärme im Zylinder abgegeben hat. Der andere Teil wird im NDC noch verwertet. Hieraus folgt auch, dass
der HDC mit Rücksicht auf den Dampfverlust
möglichst gross auszubilden ist, damit auf den NDC ein nur kleines Temperaturgefälle zukommt.
insbesondere soll man unter das Verhältnis \frac{s}{r}=2 nur mit grösster Vorsicht
gehen, unter \frac{s}{r}=1 zu gehen, wird wohl nur ganz selten zulässig sein; denn die
Kurve für D beginnt bei diesen unteren Werten von \frac{s}{r} sehr
steil anzusteigen.
Textabbildung Bd. 320, S. 40
Nun gehe ich zur Ermittlung der Grössen a, b, c über und
stelle die zu diesem Zwecke zu machenden VoraussetzungenProf. Ernst A.
Brauer. Z. d. V. d. I., 1883. „Gegenwärtige Richtung der
Dampfmaschinentheorie und ihre experimentelle
Begründung.“ in der folgenden Uebersicht zusammen
1. Die an der Fläche F während der Zeit r kondensierte
Dampf menge ist proportional:
a) dem Temperaturunterschied t zwischen Dampf und
Wand,
b) der Grösse F der vom Dampf berührten Fläche,
c) der Zeit τ, während welcher der Dampf
kondensiert.
2. Der im Dampfzylinder vorhandene Wasserniederschlag hat die Temperatur der Fläche,
an der er kondensiert.
3. Der Wärmeaustausch zwischen Dampf und Wand wird durch den Wasserbeschlag
vermittelt. Wenn also die Wand trocken ist, so ist der Wärmeaustausch zu
vernachlässigen.
Zwecks Ermittlung der Grössen a, b, c entwickle ich aus
dem Diagramm Fig.
2, welches den Druck als Funktion des Kolbenweges angibt, nach den Fliegnerschen Tabellen ein zweites, Fig. 3, worin die
Temperaturfunktion des Kolbenweges ist. ABCDEFA sei die
Temperaturkurve des Dampfes.
In Fig. 4 gebe KLMNYX
die Temperatur des Dampfes als Funktion des Kurbelweges, also auch der Zeit an; um
dieses letztere Diagramm zu konstruieren, wird bekanntlich über 5 (Fig. 3) als Durchmesser
ein Kreis geschlagen, und für jede Temperatur als Ordinate die Länge des zugehörigen
Kreisbogens als Abszisse abgetragen.
Textabbildung Bd. 320, S. 41
Fig. 4.
Nun suche ich die Temperatur der Deckel und Kolbenfläche, vorausgesetzt, dass sowohl
Deckel wie Kolben vor Wärmeaustausch nach aussen geschützt sind; es muss dann die
ganze Wärme, die durch den Deckel resp. Kolben vom Dampfe aufgenommen wird, wieder
an den Dampf abgegeben werden.Prof. Ernst A. Brauer. Z. d. V. d. I.
1883.
Der Kolben und Deckel kommen nun während einer Umdrehung nach und nach mit dem Dampfe
von den Temperaturen der Kurve KLMNYX (Fig. 4) in Berührung.
Wenn ihre Temperatur tm
ist, dann herrscht zur Zeit τ der Temperaturunterschied
t zwischen Dampf und Wand; während des
Zeitelementes dτ geht also eine Wärmemenge L . tdτ vom Dampf auf die
Wand über (L ist ein Proportionalitätsfaktor); während
der ganzen Umdrehung geht demnach vom Dampf auf die Wand eine Wärmemenge über, die
proportional der senkrecht schraffierten Fläche oberhalb tm ist (KLPZ'K +
XYZX). An den Dampf abgegeben wird die senkrecht schraffierte Fläche
unterhalb tm
(PYNMP); mithin muss tm so gefunden werden, dass die Flächen unter und
über tm gleich werden.
Um hiernach tm
zeichnerisch zu ermitteln, verfahre man folgendermassen:
Zunächst trage man der Einfachheit halber die Fläche xyz
links als x1y1z1 auf, indem man noch
ein Teil des Diagramms vom vorigen Hub zeichnet (die gestrichelte
Kompressionskurve).
Nun zeichne man die Integralkurven J1 und J2 so, dass die Ordinate BC der Integralkurve J1 für die beliebige Abszisse AC den senkrecht schraffierten Inhalt der Temperaturkurve über der
Ordinate B'C für die gleiche Abszisse AC darstellt, also den Flächeninhalt B'KLCB'; ebenso stellt die beliebige Ordinate FE der Integralkurve J2 den senkrecht schraffierten Flächeninhalt der
Temperaturkurve unter E'F' also die Fläche E'F'MNE' dar.
Die beiden Integralkurven schneiden sich in O; die
Abszisse tm des Punktes
O ist die mittlere Temperatur des Kolbens, denn
wenn wir in der Höhe tm
eine Horizontale ziehen, so sind die Flächen unter und über der Horizontalen
einander gleich.
tm ist zugleich die
Temperatur des Deckels, wenn derselbe nicht geheizt und gut isoliert ist.
Bei geheiztem Deckel ist die Integralkurve J2 nicht von D aus zu
zeichnen, sondern von einem Punkte D1 aus, wobei DD1 derjenigen Wärmemenge entspricht, welche während
einer Umdrehung vom Heizdampfe durch den Deckel strömt.
Zur Ermittlung von tm
könnte man übrigens auch nur mit einem Integrale auskommen, denn tm für den Kolben ist
die Höhe eines Rechteckes auf der Grundlinie R S vom
gleichen Inhalt, wie die Flächen KLMRK + XNSX, tm für den geheizten Deckel ist die Höhe eines
Rechtecks auf der Grundlinie RS, dessen Inhalt um d grösser ist als die Flächen KLMRK + XNSX, wobei d wieder derjenigen
Wärmemenge entspricht, welche während einer Umdrehung vom Heizdampf durch den Deckel
fliesst.
(Schluss folgt.)