Titel: | Zur Berechnung von Dampfzylindern. |
Autor: | Stanislaw Brokman |
Fundstelle: | Band 320, Jahrgang 1905, S. 73 |
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Zur Berechnung von Dampfzylindern.
Von Stanislaw Brokman,
Wloclawek.
(Schluss von S. 41 d. Bd.)
Zur Berechnung von Dampfzylindern.
Grashof sagt in seiner „Berechnung des Dampf
Verbrauches“, dass während der Kompressionsperiode schon kein Wärmeaustausch
zwischen Wand und Dampf stattfindet, weil die Wand da schon trocken ist; nimmt man
hiernach an, dass vom Zeitpunkt N an die Wand trocken
ist, so suche man die mittlere Temperatur des Kolbens t'm so, dass die wagerecht schraffierten
Flächen gleich werden.
Wenn wir nun die Temperatur des Kolbens und Deckels kennen, dann ist es sehr leicht,
die Grössen a und b zu
finden, d.h. die während einer Umdrehung der Maschine f. d. Einheit Kolben- resp.
Deckelfläche kondensierte Dampfmenge und zwar geschieht das, wie folgt:
Zur Zeit τ ist die Temperatur des Dampfes t1, die Temperatur des
Kolbens ist tm; der
Temperaturunterschied also ist t1
– tm
= t; während des Zeitelementes dτ kondensiert eine Dampfmenge, die proportional ist zu tdτ, mithin kondensiert während einer Umdrehung der
Maschine eine Dampfmenge, die proportional ist der schraffierten Fläche KLPZ'K, deren Grösse durch die Ordinate ON der Integralkurve J1 gegeben ist.Die
kleine Fläche PF1T (Fig.
4) müsste eigentlich in Abzug kommen, sie kann jedoch
vernachlässigt werden.
Sind die Integralkurven in solch einem Masstabe gezeichnet, dass ihre Ordinaten die
Fläche darstellen als Höhe eines Rechteckes von der Basis RV, so ist ON derjenige Temperaturunterschied
zwischen Wand und Dampf, welcher konstant während des ganzen Hubes gedacht, die
gleiche Dampfmenge kondensiert hätte.
Die Grössen a und b sind
hiermit gefunden, und ich gehe nun über zur Ermittlung der analogen Grösse für die
Zylinderwand – c.
Vor allem ist hierzu erforderlich die Temperatur der Zylinderwand zu ermitteln,
welche in Richtung der Zylinderachse veränderlich ist.
Ich suche also nun die Temperatur der Zylinderwand an einer beliebigen Stelle z.B. in
5 (Fig. 2, S. 40 u.
41).
In Fig. 5 und 5a sind
die Temperaturen des Dampfes auf beiden Kolbenseiten, als Funktion der Zeit τ gegeben, und i zwar ist die Temperaturkurve der einen
Kolbenseite dick ausgezogen, die der anderen dick punktiert.
Textabbildung Bd. 320, S. 73
Fig. 5.
Das Diagramm ist zunächst ohne Kompression angenommen und die Kolbenbreite wird
vorläufig vernachlässigt.
Betrachten wir den Zylinder nun an einer beliebigen Stelle 5: der Kolben kommt hierhin zur Zeit τ5, zur Zeit τ12 ist Hubwechsel und
nach einer Zeit τ12'τ5' die gleich ist der
Zeit τ5τ12, kommt der Kolben
nach 5 zurück, und 5 wird jetzt zu einem Teile der
anderen Kolbenseite, wird also von den Temperaturen der punktierten Temperaturkurve
beeinflusst; zur Zeit τ0'' ist wieder Hubwechsel, und zur Zeit τ5'' (wobei τ0'τ5'' = τ0'τ5' kommt der Kolben wieder nach 5, und es beginnt der folgende Doppelthub.
Textabbildung Bd. 320, S. 73
Fig. 5a.
Die mittlere Temperatur für 5 – tm5 ist nach dem vorigen so zu finden, dass die
Flächen unter tm5
denjenigen über tm5
gleich werden, also dass
ABC + FGD
=
CDE + GHR
Wärmemenge, die vomDampf an die Wand ab-gegeben wird.
Wärmemenge, die vonder Wand an den Dampfabgegeben wird.
Um dieses tm5 für alle
Punkte der Zylinderwand zu finden, mache man folgendes:
Man zeichne CV symmetrisch zu CV1 und die Kurve M1LKV2 symmetrisch zu MACV,
dann ist
die
Fläche
CDE = JBCDas kleine Dreieck xyz,
welches event. entstehen könnte, besonders bei Auspuffmaschinen,
wenn t_{m_5} in der Höhe xy zu
liegen käme, wird vernachlässigt.
„
„
GHR = KBJ
„
„
FGD = LKB
Mithin ist tm5 durch
diejenige Gerade bestimmt, welche die gesamte schraffierte Fläche halbiert. Um
dieses tm5 für jeden
Punkt 5 zu erhalten, bestimme man zuerst für diesen
Punkt den gesamten schraffierten Flächeninhalt, danach die Fläche des unteren
Teiles, gemessen von der Abszissenachse bis zur beliebigen Geraden KC; dann ist KC (also auch
tm5) so
festzulegen, dass der untere Flächeninhalt der Hälfte der gesamten Fläche gleich
wird.
Um den gesamten schraffierten Flächeninhalt für jeden Punkt zu erhalten, zeichne
man die Integralkurve J3 der Temperaturkurve MACVJO und die dazu
symmetrische J4, so
dass die Ordinate BN der J3-Kurve für die beliebige Abszisse CB, den schraffierten Flächeninhalt bedeutet, gemessen
vom rechten Totpunkt bis zu Ordinate JA für die gleiche
Abszisse CB.
Ebenso bedeutet die Ordinate BO der symmetrischen
Integralkurve J4 den
schraffierten Flächeninhalt links.
Man addiere nun in jedem Punkte BN + BO um BP den gesamten
schraffierten Flächeninhalt für den beliebigen Punkt 5
zu erhalten.
Darauf zeichne man die Integralkurve J5 so, dass für eine beliebige Abszisse JB' die Ordinate B'S der
J5-Kurve den
schraffierten Flächeninhalt darstellt, gemessen von der Zeitachse bis zur Ordinate
KC für die gleiche Abszisse JB'.
tm5 ist die Abszisse
desjenigen Punktes der J5-Kurve, für welchen die Ordinate der Hälfte von BP gleich ist. Man hat also jetzt zur Bestimmung des jeweiligen tm5 die Ordinaten der
J3 und J4-Kurve zu halbieren,
oder auch die Ordinaten der J5-Kurve zu verdoppeln und dann immer die gleichen Ordinaten
aufzusuchen;Am einfachsten wäre
es jedoch, von vornherein die J5-Kurve im doppelten Masstab
aufzutragen. wir drehen also die J3- und J4-Kurve um 90° und verschieben sie so, dass beide
Kurven (J3, J5 und 2 J5) über derselben
Abszissenachse zu liegen kommen. Um nun tm5 zu finden, ziehe man durch P' eine Parallele zur Abszissenachse, welche die
verdoppelte J5-Kurve in
T5 schneidet; die
Abszisse tm3 des
Punktes T5 ist die
mittlere Temperatur der Zylinderwand an der Stelle 5.
In gleicher Weise erhalte ich sämtliche Punkte der Kurve Tc, welche ich nun in Fig. 2 (S. 40)
eintrage.Wenn der Zylinder
geheizt wird, ist die Kurve Tc um einen Betrag heraufzuschieben, welcher
der Temperaturerhöhung durch Heizung entspricht.Es wird zwar die Temperaturkurve des geheizten Zylinders etwas flacher
verlaufen, weil die kälteren Stellen stärker als die wärmeren erwärmt
werden, entsprechend dem grösseren Temperaturgefälle an den kälteren
Stellen, doch kann dies hier vernachlässigt werden.
Textabbildung Bd. 320, S. 74
Fig. 6.
In Fig. 6 gibt die Kurve MEDS die Temperatur des Dampfes als Funktion der Kolbenstellung an; die
Kurve DCA gibt in jedem Punkte die Temperatur der
Zylinderwand. Beide Kurven sind aus Fig. 2 übertragen.
Befindet sich nun der Kolben in einer beliebigen Stellung z.B. in B, dann hat der Dampf die Temperatur t1, ein beliebiges
Zylinderelement ds hat die Temperatur t', mithin ist die an ds
während der Zeiteinheit kondensierte Dampfmenge proportional dem Rechteck tds (t = t1
– t'), und die bei der Stellung B des Kolbens a. d. Zeiteinheit kondensierte Dampfmenge ist der Fläche GECAG proportional.
Um nun die Fläche GECAG für jede Kolbenstellung zu
erhalten, kann man zweierlei Verfahren anwenden.
1. Man zeichne die Integralkurven J1 und J2 so, dass bei der J1-Kurve für eine beliebige Abszisse DB, die Ordinate BF den
Flächeninhalt EDCE gibt und bei der J2-Kurve für eine
beliebige Abszisse MG die Ordinate GH den Flächeninhalt EGME
gibt; dann bilde man die Kurve f so, dass für jeden
Punkt E der Kurve MED die
Ordinate der f- Kurve BJ =
BF + GH wird, und es ergibt
KJ = BK – BF –
FJ
den gesuchten Flächeninhalt GECAG; denn es ist BK = dem gesamten
Flächeninhalt MDCAM; BF = der Fläche CDEC und FJ = GH = der Fläche MGEM; wenn
wir nun den Masstab der Integration noch so gewählt haben, dass KJ die Höhe des Rechteckes gleichen Inhalts mit AGECA auf der Grundlinie AD ist, so ergibt KJ zugleich denjenigen
Temperaturunterschied zwischen Dampf und Wand, welcher konstant längs der
Zylinderwand gedacht, die gleiche Dampfmenge f. d. Zeiteinheit auf der ganzen
Zylinderwand kondensiert hätte, welche in Wirklichkeit bei der Stellung B des Kolbens nur auf dem Zylinderteile AB kondensiert wird.
2. Noch einfacher kann man den Flächeninhalt AGECA in
folgender Weise finden:
Man zerlege diese Fläche in die Fläche ABCA und in das
Rechteck ABEGA und zeichne nun die Integralkurve J3 so, dass für eine
beliebige Abszisse AB die Ordinate BL der J3-Kurve den
Flächeninhalt ABCA darstellt (in gleichem Masstab wie
die Integralkurven J1
und J2); dann zeichne
man die Kurve R, welche für jeden Punkt E der Kurve MED die Fläche
des Rechteckes ABEG gibt; um für die Abszisse AB die Ordinate BN der
Kurve R in im vorher erwähnten Masstab zu erhalten,
ziehe man durch E die Horizontale bis zum Schnittpunkt
O mit der Vertikalen durch D1 und bestimme dann den Punkt N der R-Kurve auf der
Ordinate BE als Schnittpunkt derselben mit AO; denn es ist ja BN.
AD = BE . AB
entsprechend der Proportion
\frac{A\,D}{A\,B}=\frac{O\,D=B\,E}{B\,N}.
Die Summe BN und BL liefert
einen Punkt derselben Kurve, die ich vorher mit f
bezeichnet habe.
Nun übertrage man die Kurve f in f1 so, dass die Ordinate JK sich als Funktion des Kurbelweges, also auch der
Zeit, darstellt.
Die Ordinate D der f1-Kurve gibt diejenige Dampfmenge, welche zur Zeit
τ auf der ganzen Zylinderfläche während der
Zeiteinheit kondensiert. Während des Zeitelements dτ
kondensiert die Dampfmenge D . dτ, während des ganzen Hubes also kondensiert eine Dampfmenge, welche
proportional der Fläche STUS ist, und wenn wir diese
Fläche in ein Rechteck gleichen Inhalts auf der Grundlinie 0
– 12 verwandeln, so ist die Höhe dieses Rechteckes diejenige Dampfmenge,
welche während eines Hubes an der Zylinderwand kondensiert; sie würde also analog
den früheren Bezeichnungen c zu nennen sein.
c ist zugleich derjenige Temperaturunterschied zwischen
Dampf und Wand,
welcher an der Zylinderwand die gleiche Dampfmenge kondensiert hätte, wenn die
Kondensation während des ganzen Hubes auf der ganzen Zylinderfläche gleichmässig vor
sich gegangen wäre.
Bei der Ermittlung der Temperaturen der Zylinderfläche wurde die Kolbenbreite
vernachlässigt. Der hierdurch entstehende Fehler könnte bei manchen Konstruktionen
recht beträchtlich werden, ist aber leicht in ausreichender Weise auszugleichen,
wenn wir die Temperaturkurven der beiden Kolbenseiten (Fig. 5) um eine Strecke von einander verschieben, welche gleich ist der
mittleren Zeit, die der Kolben braucht, um eine Strecke gleich der Kolbenbreite zu
durchlaufen, d.h. wenn diese z.B. \frac{l}{n} des Hubes beträgt, so soll M1 (Fig. 5) nach rechts um eine Strecke verschoben
werden, die gleich \frac{\tau_0\,\tau_{12}}{n} ist. n
Ferner wurde die Kompression vernachlässigt; soll auch diese berücksichtigt werden,
so bleibt die vorige Konstruktion ohne weiteres richtig für diejenigen Punkte der
Zylinderwand, welche nie mit dem komprimierten Dampfe in Berührung kommen, also für
die Punkte der Strecke CD (Fig. 7).
Textabbildung Bd. 320, S. 75
Fig. 7.
Für die Punkte von A bis C
und B bis D müssten die
Temperaturen besonders gefunden werden, was um so einfacher wird, als diese Punkte
zum grössten Teil bloss einer Kolbenseite angehören, wie aus Fig. 7 ersichtlich ist.
Für die Punkte von V bis W
(Fig. 4) ist noch nach unserer Zeichnung eine
kleine Vernachlässigung gemacht, die wohl kaum erwähnenswert ist. Es ist nämlich für
einen Punkt U zwischen V
und W die Hälfte des Dreieckes VUT vernachlässigt.
Die graphische Bestimmung der Grössen a, b, c hat ausser
der Addition und Subtraktion bloss noch die Kenntnis der graphischen Integration
vorausgesetzt, deshalb möchte ich hier noch eine Integrationsmethode angeben, welche
für derartige technische Zwecke einfacher als die mir aus der Literatur bekannten,
ist.
Sie besteht in folgendem:
Textabbildung Bd. 320, S. 75
Fig. 8.
Wenn in Fig. 8 für die Abszisse AM die Ordinate MO1 der Integralkurve J
den Flächeninhalt ADOM darstellen soll, so wird
zunächst der Masstab am zweckmässigsten so festgelegt, dass man die Fläche als Höhe
eines Rechteckes auf einer bestimmten Basis (in der Zeichnung ST) darstellt; man teile dann die Abszisse AB in n gleiche Teile und
zeichne in den Teilpunkten die Ordinate, wodurch die Fläche ABCD in n trapezförmige Flächen stücke
zerlegt wird; wenn ST die den Masstab bedingende Basis
ist, so ziehe man die Gerade AT und projiziere die
Mitten der Kurvenstücke auf die Gerade AM; der
Abschnitt xy (6) stellt die Fläche des Trapezes LMNO dar, denn es ist
xy . TS = PR .
LM
entsprechend der Proportion
\frac{x\,y}{U\,T=L\,M}=\frac{A\,X=P\,R}{T\,S}.
Mithin erhält man eine beliebige Ordinate der Integralkurve (z.B. die sechste), indem
man zur vorherigen (also zur fünften) den Abschnitt xy
(6) addiert. Sucht man die mittlere Ordinate, so ist ST = AB zu machen, und es sind sämtliche Abschnitte 1 + 2 + 3..... zu summieren.