Titel: Die Bemessung der Auslassteuerung der Dampfmaschinen auf Grund der Ausströmungsgesetze.
Autor: W. Schüle
Fundstelle: Band 320, Jahrgang 1905, S. 145
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Die Bemessung der Auslassteuerung der Dampfmaschinen auf Grund der Ausströmungsgesetze. Von W. Schüle, Breslau. II. Teil. (Fortsetzung von S. 21 d. Bd.) Die Bemessung der Auslassteuerung der Dampfmaschinen auf Grund der Ausströmungsgesetze. Der Druckausgleich im Gebiet der niederen Druckverhältnisse (Auspuffmaschinen). Der I. Teil dieser Arbeit (s. D. p. J. S. 1 d. Bd.) bezieht sich im wesentlichen auf Kondensationsmaschinen. Bei den Auspuffmaschinen ist die Druckausgleichperiode im allgemeinen in zwei Abschnitte zu zerlegen, AA' und A'B (Fig. 10). Der Grenzpunkt A' liegt bei einem Druck gleich dem rund 1,7fachen äusseren Druck, also für Auspuffmaschinen bei 1,7 . 1,033= 1,76 kg/qcm abs.; bei Kondensationsmaschinen fällte hinter den Totpunkt und liegt bei 1,7 pe, für pe = 0,08 kg/qcm (70 cm Vakuum bei 760 mm Barometerstand) bei 0,14 kg/qcm abs. Der erste Abschnitt AA' ist nach Gleichung V, Teil I, zu behandeln. Von A' an findet aber verzögerte Ausströmung statt, weil der Koeffizient φ in der allgemeinen Formel für das Ausflussgewicht dG=αψfpividt, der für pipa>1,7 konstant ist, sich bei kleineren Ueberdruckverhältnissen verringert und bei Gleichheit des inneren und äusseren Druckes gleich Null wird.
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Fig. 10.
Mit dem von Zeuner aufgestellten Ausdruck ψ=2gkk1{(papi)2m(papi)m+1m} lassen sich die erforderlichen Integrationen nicht durchführen, selbst nicht für den einfachsten Fall, dass der Kanal ganz offen ist.9) Vom Verfasser wurde aus der Zeunerschen Formel eine über das ganze Druckgebiet zwischen 1 und 1,7 gültige Näherungsformel abgeleitet,9) deren Genauigkeit für den vorliegenden Zweck völlig hinreichend ist. Wir setzen also ψ=papi2gkk1m21mpipa1pipa+1. Es ist hierin kk1m21m=21+ζ(1+12k11+ζk), mit k = 1,035 + 0,1 . x und ζ als hydraulischem Widerstandskoeffizienten. Ganz besonders für feuchte Dämpfe (x < 0,9) und kräftige Widerstände der Ausflussmündungen unterscheidet sich dieser Ausdruck, wie man leicht wahrnimmt, nur wenig von 21+ζ, weshalb wir setzen können: ψ=6,31+ζpapipipa1pipa+1. Mit den Bezeichnungen im I. Teil lautet nun die Differentialgleichung für den Druckausgleich, genau wie früher, 1pipod(pipo)=αψfωVp0v0dφ. Hierin ist aber, zum Unterschied von früher, der obige veränderliche Wert von ψ einzuführen, der selbst eine Funktion der abhängigen Veränderlichen pi ist. Daher ist auch die Lösung der Gleichung eine andere. Zunächst setzen wir (Teil I): FωV=1πu(xo+so), mit xo als Kolbenweg der Vorausströmung und √povo = ∾ 133 . √x mit x als spezifischer Dampfmenge beim Beginn der Ausströmung. Dann ergibt sich 1pipod(pipo)=6,3133πu(xo+so) αx1+ζpapipipa1pipa+1fFdφ, worin wir wieder αx1+ζ=k („Ausflussfaktor“) setzen. Die Differentialgleichung schreibt sich nun: pipa+1pipa1d(pipa)=6,3133kπu(xo+so)fFdφ. Die Integration ergibt [(pipa)21+ln(pipa+(pipa)21)]popi worin wieder (I. Teil) fm=fdφφφ0 die „mittlere Eröffnungsweite des Kanals während des Kurbelwinkels φ – φa vorstellt. fm kann bei bekannter Eröffnungslinie der Steuerung genau wie früher mit dem Planimeter, oder in einfachen Fällen auch rechnerisch bestimmt werden. Der Ausdruck der linken ist zu umständlich, als dass sich bequem damit rechnen liesse. Man kann mit grosser Genauigkeit (pipa)21+ln(pipa+(pipa)21)=0,072+3,073pipa1 innerhalb der in Frage kommenden Grenzen pipa=1 und 1,7 setzen.10) Damit schreibt sich die linke einfach 3,073(pipa1popa1) und die Lösung lautet: pipa1=popa1=1,515ku(xo+so)fmF(φφa)0 . 1) Hieraus lässt sich für einen beliebigen Winkel φ der Ausströmungsdruck pi in einfacher Weise berechnen. Ist bei einer Auspuffmaschine die Endspannung der Expansion grösser als 1,76 kg/qcm abs., so ist zunächst der Winkel zu bestimmen, bei welchem der Druck auf 1,76 gesunken ist. Man wird nach Teil I aus logpipo=111ku(xo+s0)fmFφφa180 . . V) etwa für zwei Winkel den Druck pi bestimmen und leicht entnehmen, wo die Grenze erreicht wird. Es kommt dabei nicht so genau darauf an, dass als Grenzstelle gerade 1,76 gewählt wird. Die Gleichung V und Gleichung 1 geben an der Grenze die gleichen Werte und daher hat eine Abweichung bis etwa 1,85 nach oben oder 1,65 nach unten wenig zu sagen. In Gleichung 1 ist fmF von dem Winkel an zu rechnen, wo der gewählte Grenzdruck eintritt. Ein Beispiel ist im letzten Abschnitt, Maschine V, zu finden. Die allgemeine Uebereinstimmung mit wirklichen Verhältnissen lässt sich wie bei Gleichung V. Teil I, zeigen, wenn man für mittlere Werte von po und pi (im Totpunkt), gegebenes xo und fmF den erforderlichen Wert von u aus Gleichung 1) ausrechnet. Nehmen wir z.B. po = 1,8 kg/qcm abs., so wird zu erwarten sein, dass im Totpunkt der Druck bis 1,3 kg/qcm gesunken ist, wenn die Vorausströmung etwa 6 v. H. (φ – φa = rd. 32°) beträgt. Aus Gleichung 1) geht hervor: u=1,515kxo+sofmF(φφa)1popa1pipa1. Mit fmF=0,5 (bei Exzenterantrieb entspricht dies der Erreichung der vollen Kanalweite im Totpunkt), ferner k = 0,4 wird hieraus u = ∾ 27,5 m/sek., ein in den Grenzen der Ausführungen liegender Wert.
Der Druckausgleich mit Rücksicht auf die Kolbenbewegung. Bisher wurde vom Einfluss der Kolbenbewegung abgesehen. Der Druckausgleich während der Vorausströmung wird auch durch die fortschreitende Expansion des Zylinderdampfes nur wenig beeinflusst, insbesondere wird er dadurch nicht gehindert, sondern gefördert. Folgende Umstände veranlassen jedoch zu eingehender Berücksichtigung der Kolbenbewegung. 1. Es gelingt im allgemeinen nicht, wirklich gut übereinstimmende Werte des Ausflussfaktors k bezw. des Ausflusskoeffizienten μ=kx aus Indikatordiagrammen abzuleiten, wenn nicht die Kolbenbewegung genau in Rechnung gestellt wird. Hiermit steht und fällt jedoch die Zuverlässigkeit und praktische Verwendbarkeit der entwickelten Formeln. 2. Wenn bis zum Totpunkt der Druckausgleich nicht vollendet ist, so kann die Kolbenbewegung von sehr bedeutendem Einfluss auf den weiteren Verlauf der Ausströmlinie sein, und zwar wird der Ausgleich infolge der fortschreitenden Raumverkleinerung des Zylinderinhalts verzögert. Ausschlaggebend erweist sich hierbei wieder der Wert der „Kontinuitätsgeschwindigkeit“. 3. Ueber den sogen. „Gegendruck“ während des Kolbenrücklaufs lässt sich ohne Berücksichtigung der Kolbenbewegung nichts aussagen, da er mit dieser aufs engste zusammenhängt, ob nun der eigentliche Druckausgleich im Totpunkt schon vollendet ist oder nicht. Mit Bezug auf Fig. 11 ist nun beim Kurbelwinkel φ > φa der Dampfinhalt des Zylinders Vi= O . H . (so + x) und sein Gewicht Gi=OHso+xvi. Zu Beginn der Ausströmung war Go=OHso+xovo, daher ist von φa bis φ ausgeströmt das Gewicht G = Go– Gi,
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Fig. 11.
und auf dem Winkel dφ, während der Zeit dt das Gewicht $$dG=dG1=OHdso+xvidG=OH((so+x)d1vi+1vid(so+x))$$ Hierin ist (vergl. Teil I) d1v1=1vod(pipo) 11) 1vi=pivo1vo, somit dG=OHvo{(so+x)d(pipo)+pipod(so+x)}. Die Ausflussformel ihrerseits ergibt: dG=αψfωpovopipodφ. Durch Gleichsetzen folgt (so+x)d(pipo)+pipod(so+x)=αψfωOHpovopipodφ, oder 1pipod(pipo)=αψfωOHpovodφso+xd(so+x)so+x. Nach Teil I ist FωOH=1πu, daher fωOH=1πuff, ferner αpovo=133αx, somit 1pipod(pipo)=ψ133αxπufFdφso+xd(so+x)so+x . . . . . 2)12) Für hohes Ueberdruckverhältnis (Kondensations-Maschinen) ist ψ=1,921+ζ und daher mit k=αx1+ζ 1pipod(pipo)=256kπufFdφso+xd(so+x)so+x Die Integration zwischen den Grenzen φ und φa bezw. pi' und po ergibt: ln(pipo)=256kπu(so+xo)φaφfFso+xoso+xdφlnso+xso+xo. Die Lösung des Integrals in dieser Gleichung hängt von dem Eröffnungsgesetz der Steuerung ab und kann nicht allgemein angegeben werden. Für f = const. = F und rL=0 lässt sich zwar eine einfache Lösung finden. Schon für die Fälle des gewöhnlichen Exzenterantriebs und der unrunden Scheibe werden jedoch die Lösungen so verwickelt, dass auf ihre Wiedergabe verzichtet werden muss. Viel einfacher und genauer lässt sich bei jedem beliebigen Antrieb die Lösung auf graphischem Wege angeben. Schreibt man φaφfFso+xoso+x=1Fφaφfso+xoso+xdφ, so erkennt man, dass in ähnlicher Weise wie im I. Teil die Lösung des ∫fdφ durch Planimetrieren der Eröffnungsfläche erhalten wurde, auch hier der Wert des Integrals durch den Inhalt einer Kurve dargestellt werden kann, deren Abszissen die Kurbelwinkel φ, deren Ordinaten die Werte fso+xoso+x sind. An Stelle der eigentlichen Eröffnungslinie tritt also hier eine „reduzierte Eröffnungslinie“, die aus ersterer dadurch entsteht, dass jede Ordinate mit dem zu dem betreffenden Kurbelwinkel gehörigen Verhältnis so+xoso+x der Zylinderräume multipliziert wird. Solche Linien sind in den Fig. 8, 10, 11, 17, 21 für die verschiedensten Fälle gezeichnet. Mit f=fso+xoso+x als Ordinaten der reduzierten Linie wird die „mittlere Höhe der reduzierten Eröffnungsfläche“ 1φφaφaφfdφ. Die Integralgleichung geht jetzt über in die Form: ln(pipo)=256kπu(so+xo)fmF(φφa)lnso+xso+xo oder mit gewöhnlichen Logarithmen und mit φ und φa im Gradmass log(piposo+xso+xo)=0,617ku(so+xo)fmF(φφa) 3) Ohne Kolbenbewegung lautete die Gleichung logpipo=0,617ku(so+xo)fmF(φφa) . . V) Beide Gleichungen sind ganz gleich gebaut, nur tritt an Stelle von fmF der Wert fmF und das Druckabfallverhältnis pipo ist noch mit dem Verhältnis der Zylinderräume am Ende und am Anfang der betrachteten Kolbenstrecke multipliziert. Die Berücksichtigung der Kolbenbewegung macht daher die Rechnung nicht umständlicher; nur ist ausser der Eröffnungslinie der Steuerung noch die reduzierte Eröffnungslinie zu verzeichnen und an Stelle der Fläche der! ersteren ist die der letzteren zu planimetrieren. Gleichung 3) geht für fm' = 0, d.h. geschlossenen Kanal in die Gleichung der Expansionslinie po . (so + xo) = pi' (so + x) über. Bei Steuerungsantrieben, die zu Beginn sehr langsam öffnen, wie unrunde Scheiben und Wälzhebelantriebe, tritt der Spannungsabfall durch Ausströmen zunächst zurück gegen denjenigen durch die fortschreitende Expansion. Deshalb ist die Bestimmung des wahren Vorausströmungsweges aus Dampfdiagrammen in diesen Fällen höchst unsicher und man wird nach dem Diagramm die Vorausströmung leicht zu klein schätzen. Bei unrunden Scheiben können 5–10° ablaufen, bis die Expansionslinie eine entschiedene Aenderung infolge der Ausströmung zeigt. Es dürfte in manchen Fällen nützlich sein, besonders bei überschlägiger Bestimmung des Druckabfalls, einen schätzungsweisen Wert für den Einfluss der Kolbenbewegung während der Vorausströmperiode rasch ermitteln zu können. Aus den Gleichungen 3) und V) lässt sich leicht ableiten pipo=(pipo)fmfmso+xoso+x oder pi=piso+xoso+x(popi)1fmfm Wäre fm' = fm, so wäre auch pi=piso+xoso+x. Für die Vorausströmung ist stets fm' < fm, daher 1fmfm eine (kleine) positive Zahl. Somit ist in Wirklichkeit pi' etwas grösser als die letztere (unrichtige) Gleichung angibt; der Einfluss der Kolbenbewegung ist also geringer, als wenn er nach dieser Gleichung beurteilt würde. Aus Fig. 12 ist zu entnehmen, wie man auf diesem Wege zu einer ganz guten Schätzung gelangt. Der wahre Punkt liegt zwischen dem ohne Kolbenbewegung ermittelten und dem etwas tiefer liegenden durch die einfache Konstruktion abgeleiteten. Man erkennt daraus auch, dass man den fraglichen Einfluss stark überschätzt, wenn man annimmt, dass sich zu dem Druckabfall durch Ausströmung allein der Abfall durch Expansion allein vom Beginn der Ausströmung bis zum Totpunkt, unmittelbar addiere.
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Fig. 12.
Mit Hilfe der Gleichung 3) kann der wahre Verlauf der Ausströmlinie vom Beginn an bis zu jeder beliebigen Stelle bestimmt werden; nur darf der Druck nicht tiefer sinken als der etwa 1,5 fache (genauer 1,7 fache) äussere Druck. Bei Kondensation wird daher sehr häufig die ganze Ausströmlinie, vom Beginn der Vorausströmung bis Anfang der Kompression verzeichnet werden können, und zwar gleich leicht für jeden beliebigen Antrieb. Voraussetzung ist nur, dass man den Wert des Ausströmungsfaktors k für die betreffende Bauart kennt. Am Schluss wird aus Indikatordiagrammen eine Reihe solcher Werte bestimmt werden. (Fortsetzung folgt.)