Titel: | Eine neue Wagengattung der Preussischen Staatsbahnen. |
Fundstelle: | Band 320, Jahrgang 1905, S. 156 |
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Eine neue Wagengattung der Preussischen
Staatsbahnen.
Eine neue Wagengattung der Preussischen Staatsbahnen.
Die stetig wachsenden Anforderungen, welche der Handel und Verkehr an die
Leistungsfähigkeit der Eisenbahnen stellen, haben in neuerer Zeit die
Eisenbahnverwaltungen allgemein dazu geführt, auf eine Erhöhung der Tragfähigkeit
der Güterwagen Bedacht zu nehmen, welche dazu bestimmt sind, die den Bahnen
zugeführten Massengüter, wie z.B. Steinkohlen und Koks, Erze und Schlacken, Sand und
Erden u. dgl. mehr, zu befördern. Wagen von hoher Tragfähigkeit setzen ja nicht nur
die Eisenbahnverwaltung in den Stand, die an sie durch Massenbeförderungen
gestellten Anforderungen besser und schneller zu bewältigen, sie bieten ihr auch
wirtschaftliche Vorteile mancherlei Art, indem sie die Anschaffungs-, Unterhaltungs-
und Transportkosten verbilligen und eine vollkommnere Ausnutzung der
Beförderungsmittel ermöglichen.
Erwägungen solcher Art haben neuerdings auch die Preussische
Staatseisenbahn-Verwaltung dazu bewogen, durch die Einführung offener Güterwagen von
20 t Ladegewicht zur Beförderung von Massengütern in der angedeuteten Richtung einen
bedeutsamen Fortschritt zu machen, welcher hier besprochen werden soll.
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Fig. 1.
Die genannte Verwaltung ging von folgenden Gesichtspunkten aus: In Rücksicht auf den
auf den Preussischen Staatsbahnen und den anderen Bahnen, in die ihre Betriebsmittel
übergehen, vorhandenen Oberbau sowie auf die bestehenden Brücken und um die neuen
Wagen für die hier herrschenden Verhältnisse nicht allzu schwerfällig werden zu
lassen, sollte das Gewicht des vollbeladenen Wagens im ganzen 30000 kg und, auf den
laufenden Meter seiner Länge berechnet, 3600 kg nicht überschreiten Ferner glaubte die
Verwaltung aus verschiedenen Gründen von der Verwendung vierachsiger
Drehgestellwagen und dreiachsiger Wagen Abstand nehmen zu sollen. Es blieb daher nur
ein zweiachsiger Wagen mit höchsens 7500 kg Raddruck übrig. – Eine weitere Bedingung
war, dass die Abmessungen der neuen Wagen den auf den Kohlengruben und anderweitig
vorhandenen Belade- und Entladevorrichtungen angepasst und dass die Wagen sämtlich
mit einer Handspindelbremse versehen werden sollten.
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Fig. 2.
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Fig. 3.
Die Aufgabe des Konstrukteurs war es, innerhalb der ihm durch die genannten
Bedingungen gesteckten Grenzen den Wagen bei möglichst geringem Eigengewicht
möglichst hohe Tragfähigkeit zu geben. Der Gedanke lag nun nahe, zur Erreichung
dieses Zieles die in neuer Zeit auf dem Gebiete des Pressens von Blechen gemachten
Fortschritte nutzbar zu machen, indem man die wichtigsten Teile des Untergestelles
und des Kastens der Wagen, soweit es irgend angängig war, aus gepressten Blechen
herstellte. Durch dieses Mittel konnte es gelingen, das Gewicht des Materials ohne
Einbusse an seiner Widerstandsfähigkeit zu vermindern und gleichzeitig den einzelnen
Teilen die konstruktiv zweckmässigste Form zu geben.
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Fig. 4.
Durch die vorgenannten, von der Königlichen Eisenbahndirektion Berlin angegebenen
Grundlagen angeregt, hat die „Königshütte“ ein
Projekt für einen offenen Güterwagen ausgearbeitet. Aus den Beratungen über dieses
Projekt, aus den auf der „Königshütte“
angestellten Versuchen sowie aus den Erfahrungen, welche mit dreissig probeweise
dort hergestellten Wagen gemacht wurden, ist die Bauart des offenen Güterwagens von
20 t Ladegewicht und 21 t Tragfähigkeit hervorgegangen, wie er auf den Preussischen
Staatsbahnen zur Einführung gelangt und wie er in Fig.
1 dargestellt ist. Die „Königshütte“
hat bereits mehrere Hundert dieser Wagen abgeliefert und die ersten von ihnen
befinden sich etwa ein Jahr lang im Betriebe. Sie haben sich bisher gut bewährt und
sich in allen ihren Teilen als genügend stark und zweckmässig erwiesen.
Bei dem vorgeschriebenen Höchstgewicht des vollbeladenen Wagens von 30 t und
einer Tragfähigkeit von 21 t blieb nur 9 t für das Eigengewicht des Wagens
einschliesslich der Bremse und des Bremserhauses übrig. Die dargestellte
Konstruktion erzielt eine bedeutende Gewichtsersparnis vor allem bei den äusseren
Längsträgern, die aus Stahlblech gepresst werden (s. Fig.
2). Ihr Querschnitt konnte an jeder Stelle den jeweilig auftretenden
grössten Biegungsmomenten unter Berücksichtigung des Pufferdruckes angepasst werden.
Die schweren Schmiedeteile für die Achsgabeln konnten dadurch erspart werden, dass
man diese und die Tragbalken aus einem Stück herstellt. Während die beiden
Langträger einschliesslich der Achsgabeln z.B. bei den 15 t-Kohlenwagen rd. 610 kg
wiegen, beträgt das Gewicht der beiden gepressten Träger am 20 t-Wagen nur 410 kg.
Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Länge des Untergestells bei jenen Wagen 6 m
und bei diesen 6,700 m beträgt und dass die Pressträger dennoch eine grössere
Tragfähigkeit besitzen. Ihre Flanschen sind, entgegen der seither gebräuchlichen
Anordnung, nach innen gerichtet, da hierdurch das Anpressen der Achsgabeln aus
demselben Blechstück sehr erleichtert wird und die Befestigung der Querträger, die
ebenfalls aus Stahlblech gepresst werden, sich ohne weitere Beschlagteile
bewerkstelligen lässt.
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Fig. 5.
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Fig. 6.
Die Tragfedern (s. Fig. 3) sind an Stahlgussböcken
aufgehängt, die seitlich an die Längsträger angenietet werden. Zum Auffangen der
Federn im Falle eines Federbruches dienen auf der Bremsseite Kastentragarme, auf der
anderen Böcke, die ebenfalls aus Stahlblech gepresst und seitlich an den
Längsträgern befestigt werden. Ein Umbiegen der Längsträger wird durch die
Querträger verhindert.
Die Seitenwände erhalten die nötige Steifigkeit gegen seitliches Umbiegen
zunächst durch die Rungen, welche deshalb in ihrem unteren Teile entsprechend
kräftig ausgeführt werden, wie aus Fig. 4
ersichtlich ist. Zu den Seitenwänden selbst werden Flusseisenbleche von 4 mm, zu den
Türen solche von 5 mm Stärke verwendet. – Durch Einpressen eines hohen Buckels in
jede Blechtafel (s. Fig. 5) wird deren Steifigkeit
gegen seitlichen Druck nach Möglichkeit erhöht. Derartige Wände besitzen übrigens
auch schon die Kohlen- und Kalkdeckelwagen von 15 t Ladegewicht der Preussischen
Staatsbahnen.
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Fig. 7.
Für die Widerstandsfähigkeit des Kastens, deren Erhöhung nach den gemachten
Erfahrungen wünschenswert erschien, ist es vorteilhaft, wenn die Wände, die bei den
heute gebräuchlichen 15 t-Kohlenwagen aus verschiedenen, voneinander unabhängigen
Teilen bestehen, zu einem festen Ganzen vereinigt werden. Dieser Zweck wird erreicht
durch je einen Pressträger, welcher sowohl über jeder Seitentür als auch oberhalb
der Stirnwandklappe angeordnet ist (s. Fig. 6 und
7).
Der Verschluss der Seitentüren konnte jetzt in der Weise konstruiert werden, dass
durch eine Vierteldrehung eines in der Mitte der Tür angebrachten Hebels, also durch
einen einzigen Handgriff, sich am oberen und unteren Türende je ein kräftiger Riegel
vorschiebt. – Bei der Stirnwandklappe wurde der Verschluss durch eine Daumenwelle
beibehalten, da er sich gut bewährt hatte.
Bemerkenswert ist noch, dass die Eckrunge, welche auf der ohne Bremse liegt und einen
winkelförmigen Querschnitt hat, gepresst wird, damit man für eine solide Verbindung
mit dem Träger über der Stirnwandklappe geschlossene Enden erhält. Das Pressen
geschieht in der Weise, dass zwei Rungen zusammenhängend gepresst werden, so dass
sie einen Kasten von ⊏-förmigem Querschnitt bilden, der
dann seiner Länge nach durchgefräst wird, so dass zwei symmetrische Teile
entstehen.
Auch das Bremserhaus und das Brustblech für die Plattform (Fig. 8) bestehen aus gepressten Blechen, für welche,
entsprechend ihrer höheren Steifigkeit, sehr dünnes Material verwendet werden
konnte. So ist das Brüstungsblech für die Plattform 3 mm stark; seine Ausführung
musste, um die Bremsspindel anbringen und die verschiedenen Bleche des Bremserhauses
befestigen zu können, in der aus Fig. 8
ersichtlichen Form erfolgen. Die übrigen, zum Bremserhaus verwendeten Bleche sind
nur 2 mm stark.
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Fig. 8.
Radsätze, Achsbuchsen, Zug- und Stossvorrichtungen wurden unverändert gelassen. Die
Tragfedern, die, wie überall gebräuchlich, als Blattfedern ausgebildet sind, wurden,
um grössere Elastizität zu erzielen, um 100 mm länger gewählt als bei den jetzigen
15 t-Kohlenwagen und mussten deshalb elf Blätter statt zehn erhalten. Das Federblatt
hat einen Querschnitt von 90 × 13 mm.
Auch die Bremsvorrichtung wurde bis auf eine unbedeutende Aenderung des
Uebersetzungsverhältnisses beibehalten.
Nachdem der erste Wagen der vorstehend beschriebenen Gattung fertiggestellt worden
war, wurden in der Waggonfabrik der Königshütte
Probebelastungen mit ihm vorgenommen. Bei einer Belastung von 20000 kg war eine
grösste Durchbiegung des Langträgers von 3,4 mm, bei einer Last von 30000 kg eine
solche von 5,2 mm wahrnehmbar. Zwischen den Durchbiegungen an den Enden und in der
Mitte der Achsen war ein messbarer Unterschied nicht zu bemerken. Das seitliche
Ausweichen der unteren Flanschen der Längsträger war sehr gering.