Titel: | Die Steuerungen der Ventildampfmaschinen. |
Autor: | Straube |
Fundstelle: | Band 320, Jahrgang 1905, S. 204 |
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Die Steuerungen der
Ventildampfmaschinen.
Von Prof. Straube in
Karlsruhe.
(Fortsetzung von S. 182 d. Bd.)
Die Steuerungen der Ventildampfmaschinen.
Lenkersteuerungen.
Dieselben kommen hinsichtlich ihrer Einfachheit denen mit veränderlicher
Ableitungsrichtung gleich und sind gekennzeichnet dadurch, dass als Ableitungspunkt
für die Ventilstange ein beliebiger, nicht mit dem Führungspunkt zusammenfallender
Punkt der Exzenterstange dient, und dass die Bahn des Führungspunktes in ihrer
Neigung zur mittleren Exzenterstangenrichtung verstellt wird. Dass diese Einrichtung
eine in einfachster Weise seitlich von der Exzenterstange abgelenkte zweite
veränderliche Exzenterbewegung darstellt, ist einleuchtend. Demnach sind die
Lenkersteuerungen den Steuerungen der vorigen Gruppe sehr nahe verwandt. Man
unterscheidet Lenkersteuerungen mit gleichgerichteter
und solche mit ungleichgerichteter Kraftwirkung in Exzenter-
und Ventilstange. Es hat dies einen wesentlichen Einfluss auf die
zweckmässig zu wählende Exzenterstellung bezw. auf die Lage des Punktes, um welchen
die Bahn des Führungspunktes der Exzenterstange beim Verstellen von deren Neigung
gedreht wird. Dass dies nicht der Mittelpunkt sein darf, geht schon aus Fig. 16
hervor, denn dies würde bedeuten, dass das veränderliche Exzenter sich bei
Voreintritt in der Mittellage befindet und dies ist, wie wir dort gesehen haben, für
den Ueberhub unvorteilhaft.
Textabbildung Bd. 320, S. 204
Fig. 17. Schema der Lenkersteuerungen I mit gleichgerichteter Kraftwirkung in
Exzenter- und Ventilstange. Steuerung von Radovanovisc: Beim Ventilöffnen
Beanspruchung auf Zug. Steuerung nach Klug: Beim Ventilöffnen Beanspruchung auf
Druck.
Vom Ventilhebel, Ableitungsrichtung
der Ventilstange bei Radovanovisc; Vom Ventilhebel, Ableitungsrichtung der
Ventilstange bei Klug; Vom Exzenter bei Klug.
Fig. 17 stellt das
Steuerschema einer Steuerung der ersteren Art dar, und zwar zunächst für den Fall,
dass beide Stangen bei der Ventileröffnung auf Zug beansprucht sind. Vorausgesetzt
ist, dass der Führungspunkt in der Mitte der Exzenterstange liegt und dass deren
Länge so gross ist, dass sie gegenüber r als unendlich
lang angesehen werden kann. Diese Voraussetzungen treffen bei den Steuerungen dieser
Gruppe meist mit genügender Annäherung zu. Die Bahn des Führungspunktes ist ferner
um einen auf ihr liegenden Punkt C drehbar angenommen. Das Steuerschema besteht dann
ähnlich wie bei Fig. 16, aus einer Kurvenschar von Ellipsen, welche zwischen zwei im
Abstand von 2 r befindlichen gemeinsamen Tangenten
liegen und sich in zwei gemeinsamen Punkten schneiden. In dem einen davon
befindet sich der Ableitungspunkt V stets, wenn das
Exzenter im Voreintrittspunkte steht und der Führungspunkt der Exzenterstange sich
in C befindet. Der Voreintritt ist also in diesem Falle
unveränderlich. Deutlich ist aus dem Schema der Zusammenhang der Ellipsenschar mit
der auf der Ableitungsrichtung senkrecht stehenden Scheitellinie Bmax. – Bo der Fig. 8 zu
erkennen. Mit Hilfe derselben ergeben sich die zugeordneten Durchmesser der
Ellipsen, in welchen der Punkt Kbei wechselnder Füllung sich bewegt, und lassen sich
somit die Ellipsen selber verzeichnen.
Textabbildung Bd. 320, S. 204
Fig. 18. Steuerung von Radovanovisc.
Zum Regulator; Zum Einlassventil;.
Zum Auslassventil
Aus den zugeordneten Durchmessern der Ellipsen folgt dann auch die erforderliche
Verstellung der Neigung der Führungsbahn. Man sieht, dass aus der Ellipsenschar die
Verhältnisse der Steuerung sämtlich hervorgehen und es ist daher gänzlich unnötig,
die Exzenterstange mit Führungsbahn und wirklichem Exzenterkreis noch
hinzuzuzeichnen. Es ist das in Fig. 17 nur der
besseren Anschauung halber geschehen. Eine Steuerung dieser Art ist die bekannte Radovanoviscsteuerung (Fig.
18.)Diese Figur ist
entnommen aus: Pechan, „Maschinenbau“
1895, Bd. II, Tafel LXVII. Die Uebereinstimmung der hier
punktweise konstruierten Bahnen des Punktes V mit dem
allgemeinen Steuerschema (Fig. 17) ist
augenfällig.
Textabbildung Bd. 320, S. 205
Fig. 19. Lenkersteuerung nach Klug.
Zum Regulator; Lenker; gleich lang;
Gegenlenker; Zum Einlassventil;. Zum Auslassventil; Lagerbock der Steuerwelle;
Exzenterstange.
Textabbildung Bd. 320, S. 205
Fig. 20. Steuerteile zu einer Lenkersteuerung nach Klug.
Zum Regulator; Lagerböcke der
Steuerwelle; Lenker; Mitte zwischen den Lagerböcken der Steuerwelle;
Gegenlenker; Führungspunkt der Exzenterstange.
Die zur Ventilerhebung nutzbaren Hübe der Ventilstange ergeben
ein hnorm. etwa = 1/12 des Exzenterhubes und einen Ueberhub
\frac{h_{\mbox{max.}}}{h_{\mbox{norm.}}} etwa = 3,7, also etwas ungünstiger als bei den Steuerungen mit
veränderlicher Ableitungsrichtung aber immerhin nicht so ungünstig, um, wie bei den
Steuerungen mit direkt verstellbarem Exzenter, die Anwendung von Wälzhebeln
untunlich erscheinen zu lassen. Letztere finden daher auch bei den Lenkersteuerungen
ausnahmslos Anwendung.
Textabbildung Bd. 320, S. 205
Fig. 21. Schema zu einer Lenkersteuerung nach Klug.
Zum Regulator; Exzenter bei
Kurbeltotlage; Lenker; beide gleich lang; Gegenlenker; Zum Einlassventil.
Stellt man die Fig. 17 auf den Kopf und legt die
Exzenterstange auf die andere Seite, so dass sie sich wieder links von der
Ellipsenschar befindet, so hat man das Steuerschema einer Lenkersteuerung, bei
welcher Exzenterstange und Ventilstange beide auf Druck beansprucht sind. Dieser Art
ist die früher von der Ascherslebener Maschinenfabrik
ausgeführte und durch Fig. 19 und 20 dargestellte Steuerung. Die Bahn des
Führungspunktes der Exzenterstange ist hier, statt wie bisher, eine Gerade, ein
flacher Kreisbogen, dessen Mittelpunkt seinerseits auf einem Bogen von gleichem
Radius verlegt wird, so dass auch hier die Drehung der Führungsbahn um einen auf ihr liegenden Punkt C geschieht, in welchem sich
der Führungspunkt der Exzenterstange stets bei Voreintritt befindet. Die Bahnen des
Punktes V schneiden sich daher wieder bei Voreintritt
alle im selben Punkte und letzterer ist demnach unveränderlich. Das Triebwerk dieser
Steuerung, namentlich die gekrümmte Führungsbahn ist der von den Schiffsmaschinen
her bekannten Klugschen Umsteuerung entlehnt. Dieselbe
hat vor der geraden Führungsbahn bei Fig. 18 den
Vorzug, dass sich die Ventilerhebungsverhältnisse dabei etwas günstiger gestalten
lassen, und es ist aus Fig. 17 zu ergehen, dass man
zu dem Zwecke die hohle der Krümmung der Führungsbahn in der dem Punkte Omax. entsprechenden
Lage dem Punkte O0
zukehren muss. Fig. 21 zeigt das punktweise
konstruierte Steuerschema einer solchen Steuerung nach Klug, welches recht günstige Ventilerhebungsverhältnisse aufweist. Jedoch
ist die Durchbildung des Triebwerkes hier eine ziemlich umständliche, wie Fig. 20 erkennen lässt, da das durch die gleiche
Länge des Lenkers n und des Gegenlenkers n' bedingte Zusammenfallen der Drehpunkte C und D Schwierigkeiten
bietet und nicht gestattet, das Triebwerk so anzuordnen, dass alle Kräfte in ein und
derselben Ebene wirken. Indem nun bei der neuerdings von der Ascherslebener Maschinenfabrik ausgeführten Königsteuerung (Fig. 22) n und n' ungleich lang
gemacht werden, so dass C mit D nicht mehr zusammenfällt, ermöglicht dies eine ausserordentliche
Vereinfachung des Triebwerkes und infolge der nunmehr symmetrischen Anordnung
desselben ist die erwünschte Lage der Triebwerkskräfte in ein und derselben Ebene
jetzt erreicht.
Textabbildung Bd. 320, S. 206
Fig. 22. Königsteuerung.
Ventilerhebungskurven; Zum
Regulator; Lenker; Gegenlenker; Lagerbock der Steuerwelle.
Textabbildung Bd. 320, S. 206
Fig. 23. Schema zur Königsteuerung. (Stellung bei Voreinströmung.)
Stange zum Regulator; Exzenter bei
Kurbeltotlage; Lenker; Gegenlenker; Zum Einlassventil; Zum Auslassventil; Der
Ventilschluss findet auf einer durch V. o. 3. 7 zu denkenden Linie statt
Ausserdem betreibt die Königsteuerung in gleicher Weise,
wie es bei einigen der Steuerungen mit veränderlicher Ableitungsrichtung,
insbesondere bei der Widnmannsteuerung (Fig. 9)
geschah, durch die Exzenterstange nicht das Einlass-, sondern das Auslassventil und
lenkt die Steuerung des ersteren mittels einer besonderen Ableitungsstange an den
Bügel der Exzenterstange an. Ueberhaupt besteht zwischen Fig. 9 und Fig. 22 eine gewisse Aehnlichkeit. Die Triebwerke
beider Steuerungen sind genau aus den gleichen Teilen zusammengesetzt, nur in
anderer Anordnung, wie es die Grundverschiedenheit ihrer Arbeitsweise bedingt. Beide
zeichnen sich durch besonders grosse Einfachheit aus, jedoch hat die Königsteuerung den besonderen grossen Vorzug ganz
ausserordentlich günstiger Ventilerhebungsverhältnisse, da bei ihr, wie das Schema
(Fig. 23) zeigt, der Ueberhub \frac{h_{\mbox{max.}}}{h_{\mbox{norm.}}} auf
etwa = 2 herabsinkt, also fast so günstig wie bei den auslösenden Steuerungen wird.
Die Königsteuerung hat daher in letzter Zeit bereits
auch bei sehr grossen Dampfmaschinen Anwendung gefunden, so z.B. bei zwei Maschinen
von 1700 PSemax., welche die Ascherslebener Maschinenbau-Aktien-Gesellschaft für die Zeche Zollern II
in Merklinde bei Dortmund erbaut hat. Diese günstigen Ventilerhebungsverhältnisse
ergeben sich als Folge mehrerer zusammenwirkender Umstände, zunächst der Krümmung
der Führungsbahn und der Anlenkung an den Exzenterbügel. Auch die ungleiche Länge
des Lenkers n und des Gegenlenkers n' wirkt in dieser Richtung günstig. Doch dreht sich
nun infolge dieser Ungleichheit der Lenker bei der Füllungsänderung die Bahn des
Führungspunktes nicht mehr um einen auf ihr, sondern um
einen ausser ihr liegenden Punkt. Demzufolge schneiden
sich die Bahnen des Punktes V (s. Fig. 23) nun auch nicht genau in ein und demselben
Punkte, und der Voreintritt ist etwas Veränderlich, ähnlich wie es bei der Hungersteuerung (siehe Fig.
8 und 11 bis 14) und bei der älteren Collmannsteuerung der Fall war, ohne dass sich jedoch
daraus Anstände ergeben, da die Anordnung des Triebwerkes eine derartige ist, dass
die aus der Ungleichheit des Voreintritts sich ergebenden Kräfte ohne wesentliche
Rückwirkung auf den Regulator bleiben. Zudem ist auch sonst durch reibungslose
Stopfbüchsen mit Labyrinthdichtung (Fig. 1),
Ausschluss der Wirkung der Exzenterreibung infolge Anlenkung der Einlassteuerung an
das Auslassexzenter, sowie durch die geringen Massen des Triebwerks bei der Königsteuerung alles getan, um die Rückwirkungen auf
den Regulator auf ein Mindestmass zu bringen.
Textabbildung Bd. 320, S. 206
Fig. 24. Königsteuerung bei stehender Maschine.
Lenker; Gegenlenker; Zu den
Einlassventilen; Zu den Auslassventilen, zugleich Exzenterstangen
Neuerdings ist die Königsteuerung auch mit Erfolg
bei stehenden Maschinen angewandt worden, und zwar unter
Vermeidung einer besonderen Steuerwelle mit unmittelbarem Antrieb von der
Kurbelwelle aus (Fig. 24). Da die
Ventilstangen bei der Ventileröffnung auf Druck beansprucht sind, müssen diese indes
wegen ihrer grossen Länge bei grösseren Maschinen geführte Zwischengelenke
erhalten.
Anmerkung: Die Maschinen sind liegende
Dreifachexpansionsdampfmaschinen mit geteiltem Niederdruckzylinder. Der eine
Niederdruckzylinder betreibt mit dem Hochdruckzylinder gemeinsam die eine, der
andere mit dem Mitteldruckzylinder zusammen die zweite Kurbel. Die Abmessungen sind
folgende: HD Zyl. 630, MD
Zyl. 1000, ND Zyl. 2 ×
1100 mm Durchmesser, Kolbenhub 1200 mm, minutliche Umdrehung 90, Dampfdruck
12,5 Atm., Leistung norm. 1275, max. 1700 PSe. Die
Maschinen arbeiten gewöhnlich mit einem Oberflächenkondensator, aushilfsweise ist
aber auch Einspritzkondensation vorgesehen. Auf der Schwungradwelle sitzt ein
Gleichstromgenerator mit 16 Polen, welcher normal 1100 KW. maximal 1450 KW bei 525
Volt Spannung leistet. Bei konstanter Tourenzahl und Entlastung von Normal auf Null
steigt die Spannung um 15 v. H., also auf 604 Volt. Dabei findet eine
Bürstenverstellung nicht statt. Ausser obiger Gleichstromleistung können die
Generatoren noch 165 KW Drehstrom abgeben, der drei auf der Welle befindlichen
Schleifringen entnommen wird. Das Gewicht des Ankers beträgt 25000 kg, sein
Schwungmoment 120000 kg/qm. Die Generatoren sind erbaut von der Union
Elektrizitäts-Gesellschaft in Berlin.
(Schluss folgt.)