Titel: | Schnellfahrversuche mit Dampflokomotiven. |
Autor: | –l. |
Fundstelle: | Band 320, Jahrgang 1905, S. 236 |
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Schnellfahrversuche mit
Dampflokomotiven.
Schnellfahrversuche mit Dampflokomotiven.
Die grossen Erfolge, welche die Studiengesellschaft für elektrische
Schnellbahnen bei ihren Versuchsfahrten zu verzeichnen gehabt hatte und die für die
Gegner des Dampfbetriebes zu beweisen schienen, dass nunmehr das Ende der Herrschaft
der Dampflokomotive gekommen sei, veranlassten den preussischen Minister der
öffentlichen Arbeiten, im Anschluss an die Versuchsfahrten der beiden elektrischen
Schnellbahnwagen Fahrversuche mit Dampflokomotiven auf derselben Strecke vornehmen
zu lassen. Das Ziel dieser Versuche war allerdings nicht die Erreichung einer
besonders hohen Geschwindigkeitsziffer oder die Feststellung der Dauerleistung
moderner, für den Schnellverkehr gebauter Lokomotiven, sondern der Wunsch, die
Sicherheitsgrenze für einen geregelten Betrieb zu finden unter der Voraussetzung,
dass schwere Züge mit hoher Geschwindigkeit gefahren werden sollen. Trotzdem ging
man bei den Versuchsfahrten stets bis zur vollen Ausnutzung der Leistungsfähigkeit
der Maschinen, die mit ihrem vierachsigen Tender entweder einen Zug von sechs
D-Wagen oder einen solchen von drei D-Wagen zu befördern hatten.
Ein amtlicher Bericht über das Ergebnis der Versuchsfahrten liess recht lange, fast
ein Jahr, auf sich warten, und zwar, wie aus dem nunmehr vorliegenden Berichte
selbst hervorgeht, aus sachlichen Gründen; dagegen erschien schon im Heft 15 des
Jahrganges 1904 der „Woche“ ein kurzer Bericht, aus dem man wenigstens die
erreichten Höchstgeschwindigkeiten entnehmen und ersehen konnte, dass man in den
Erwartungen, die man bei Anstellung der Versuchsfahrten gehegt hatte, nicht
getäuscht war. Aus dem amtlichen Berichte, der inzwischen im 1. Heft des Jahrganges
1905 des „Organs für die Fortschritte des Eisenbahnwesens“ erschienen ist,
lässt sich ferner erkennen, dass es, für die nächste Zukunft wenigstens, sehr wohl
möglich erscheint, einen wirtschaftlichen
Schnellverkehr noch immer mit Dampflokomotiven aufrecht zu erhalten. Gerade der
wirtschaftliche Gesichtspunkt dürfte bei der Beurteilung der Frage, ob elektrischer
Betrieb oder Dampfbetrieb zweckmässiger sei, vorderhand für den Dampfbetrieb sprechen; ein Schnellverkehr mit elektrischen
Lokomotiven oder Motorwagen und mit Geschwindigkeiten wie diejenigen der
Versuchsfahrten für den Dauerbetrieb würde nicht nur
einen viel schwereren Oberbau als den gegenwärtig auf den Hauptstrecken liegenden
erfordern, sondern auch eine ganz andere Linienführung mit sehr grossen
Krümmungsradien, also einen vollständigen Umbau oder eine Ergänzung des bestehenden
Bahnnetzes notwendig machen. So interessant diese Frage ist, so kann an dieser
Stelle auf sie doch nicht näher eingegangen werden, da ihre Behandlung zu weit vom
Thema abführen würde. Es sei daher nur auf den schon genannten kurzen Bericht in der
„Woche“ hingewiesen und bemerkt, dass auch in vielen Fachzeitschriften
diese Frage bereits des öfteren eingehend erörtert worden ist. Dass gerade
unter den gegenwärtigen Verhältnissen ein wirtschaftlicher Betrieb mit den
Dampflokomotiven neuester Bauart noch gut aufrecht zu erhalten ist, sollten die
Versuche zeigen und haben es auch gezeigt.
In den folgenden Zeilen sollen aus dem amtlichen Berichte einige allgemein
interessierenden Beobachtungen und Versuchsergebnisse mitgeteilt werden. Einen
vollkommenen, unmittelbar einen Vergleich gestattenden Ueberblick über die
Fahrtergebnisse bietet selbst dieser amtliche Bericht nicht, vielmehr gibt auch er
stets nur einige Beispiele aus den einzelnen Versuchsgruppen.
Die Versuchsstrecke, Als Versuchsstrecke diente die für
die Versuchsfahrten mit den Schnellbahnwagen bereits besonders vorbereitete 23 km
lange Strecke Marienfelde–Zossen der preussischen Militärbahn Berlin-Jüterbog. Diese
Strecke verläuft ohne besonders starke Steigungen und Gefälle, die sämtlich zwischen
den Grenzwerten 1 : 320 und 1 : 200 liegen, und weist auch sehr lange gerade
Streckenabschnitte auf, die durch Krümmungen von grossem Radius miteinander
verbunden sind. Der kleinste Krümmungsradius beträgt nämlich immer noch 1000 m, der
grösste 6500 m. Die fünf Stationen der Strecke liegen sämtlich in der Wagerechten,
sie wurden stets mit unverminderter Geschwindigkeit durchfahren.
Der Oberbau der Versuchsstrecke bestand aus Schienen von 12 m Länge mit einem Gewicht
von 43,4 kg/m.
Jede Schienenlänge ruhte auf 17 Schwellen. Neben den Gleisschienen waren
stellenweise noch Leitschienen vorgesehen, die in den Weichen herausnehmbar
eingerichtet waren, aber bei Fahrten mit Geschwindigkeiten von über 100 km/St. eingebaut
blieben.
Die Versuchszüge. Wie schon erwähnt wurde, bestanden die
Versuchszüge aus drei oder sechs D-Wagen, von denen ein Wagen mit verschiedenen
Messeinrichtungen ausgerüstet war. Vor den Zügen lagen moderne Schnellzuglokomotiven
mit vierachsigem Tender, welche in drei Gruppen mit zwei, drei oder vier Zylindern
eingeteilt werden können. An Zweizylinderlokomotiven nahmen teil eine 2/4 gekuppelte
Heissdampflokomotive mit Zwillingswirkung und die bekannte 2/4 gekuppelte
Verbund-Schnellzuglokomotive der Preussischen Staatsbahnen. Die
Dreizylinderanordnung wurde vertreten durch eine 2/6 gekuppelte, dreizylindrige
Verbund-Schnellzuglokomotive, Bauart Wittfeld. Von den
in letzter Zeit sehr beliebt gewordenen Vierzylinderlokomotiven erschienen sogar
drei, und zwar zwei nach der Bauart de Glehn und eine
nach der Bauart v. Borries. Die hauptsächlichsten
Abmessungen all dieser Lokomotiven lässt die nachstehende Tabelle (S. 237) erkennen,
zu der erläuternd nur noch folgendes bemerkt sei:
Von den Zweizylindermaschinen trat nur die Heissdampflokomotive mit in den
eigentlichen Wettbewerb, dagegen nicht die 2/4 gekuppelte Verbund-Schnellzuglokomotive, die zu den Fahrten
nur zu Vergleichszwecken herangezogen worden war und garnicht genug Dampf für hohe
Geschwindigkeiten hergeben konnte.
2/4 gek.Heissdampf-Lokomotive
2/4
gek.Verbund-Schnellzug-Lokomotive
2/6
gek.Dreizylinder-Verbund-Schnellzug-Lokomotive
2/4
gek.Vierzylinder-Verbund-Schnellzug-Lokomotivenach
de Glehn
⅖
gek.Vierzylinder-Verbund-Schnellzug-Lokomotivenach
de Glehn
⅖
gek.Vierzylinder-Verbund-Schnellzug-Lokomotivenach
v. Borries
1
2
3
4
5
6
Dampfüberdruck
at
12
12
14
14
14
14
Zylinderdurchmesser
mm
2 × 530
460/680
3 × 524
2\,\times\,\frac{340}{530}
2\,\times\,\frac{340}{560}
2\,\times\,\frac{360}{560}
Kolbenhub
„
600
600
630
640
640
600
Triebraddurchmesser
„
1980
1980
2200
1980
1980
1980
Heizfläche (einschl. Ueberhitzer)
qm
101,7 + 30,75
118
257
122
155
162
Rostfläche
„
2,27
2,27
4,2
2,28
2,72
2,70
Lokomotivdienstgewicht
t
54
52
88
57,7
66
61,4
Reibungsgewicht
„
32
31
36
32
32
32
Tendergewicht beladen
„
43
43
59,6
43
46
44,5
Achsstand der Lokomotive
m
7,6
7,4
11,485
7,45
8,2
9,0
„ ganzer, von Lokom. u. Tender
„
15,1
14,715
20,785
14,59
15,4
15,4
Textabbildung Bd. 320, S. 237
Fig. 1.
Textabbildung Bd. 320, S. 237
Fig. 2.
Bei der Dreizylinderlokomotive, welche im Grunde genommen nur
eine Verbundlokomotive mit dem Zylinderverhältnis 1 : 2 ist, liegt der
Hochdruckzylinder innerhalb des Rahmens und wirkt auf die vordere Triebachse,
während die Niederdruckzylinder, aussen am Rahmen angeordnet, auf die zweite
Triebachse in der Weise einwirken, dass ihre Kurbeln unter sich gleichgerichtet,
gegen die des Hochdruckzylinders aber um 90° versetzt sind. Vor und hinter den
Triebachsen befindet sich je ein zweiachsiges Laufdrehgestell. Die Anordnung der
Zylinder bei den Vierzylinderlokomotiven nach Bauart de
Glehn zeigt Fig. 1. Dieselbe lässt
erkennen, dass die aussenliegenden Hochdruckzylinder auf die hintere, die
innenliegenden Niederdruckzylinder auf die vordere Triebachse wirken. Die
Hochdruckzylinder liegen näher nach dem Führerstande zu als der Niederdruckzylinder.
Vor den Triebachsen liegt bei Lokomotive No. 5 der Tabelle noch ein zweiachsiges
Laufachsendrehgestell, hinter demselben eine einfache, d.h. feste Laufach se. Bei
der Bauart v. Borries dagegen liegen, wie Fig. 2 zeigt, alle vier Zylinder in gleicher Höhe und
wirken auf dieselbe Triebachse, dagegen liegen die Hochdruckzylinder innerhalb, die
Niederdruckzylinder ausserhalb des Rahmens. Die hintere Laufachse ist beweglich,
vor den Triebrädern ist noch ein zweiachsiges Laufdrehgestell angeordnet.
Aus der Tabelle kann man eine ziemliche Gleichwertigkeit der Lokomotiven vermuten.
Dass die 2/4
gekuppelte Verbund-Schnellzuglokomotive nur 12 at Dampfüberdruck aufweist, erklärt
sich aus ihrem Alter, denn erst in der jüngsten Zeit ist man zur allgemeinen
Erhöhung des Dampfüberdruckes auf 14 at übergegangen. Auch die Heissdampflokomotive
zeigt einen Dampfüberdruck von nur 12 at, was sich aus dem Bestreben erklärt, bei
Heissdampflokomotiven aus wirtschaftlichen Gründen überhaupt auf einen geringeren
Dampfüberdruck wieder herabzugehen – selbst bis auf 10 at herab –, ohne die
Leistungsfähigkeit der Maschine zu beeinträchtigen. Grössere Unterschiede zeigen
auch die Heizflächen, doch genügten die Kesselleistungen auf der Versuchsstrecke, um
die Höchstleistung der Maschinen zu erproben; allerdings stellenweise unter
ziemlicher Anstrengung des Kessels. Nur in Einzelfällen liess die Kesselleistung zu
wünschen übrig.
Versuchsfolge. Die Versuchsfahrten wurden mit jeder
Maschine einzeln in gewisser Reihenfolge vorgenommen. Nachdem man zunächst mit dem
Zuge aus sechs Wagen die Strecke mit einer Geschwindigkeit von 60 km/St. durchfahren
hatte, um die richtige Wirkung aller Messinstrumente festzustellen und zugleich
einen Anhaltspunkt für das Wachsen der Ausschläge bei Steigerung der Geschwindigkeit
zu erhalten, ging man zu 80 und 100 km in der Stunde über und behielt diese
Geschwindigkeiten so lange bei, bis die Messergebnisse völlig einwandfrei waren;
erst dann ging man zu noch höheren Geschwindigkeiten über, die man entweder bis zu
den gewollten 120 km/St. oder bis zur Höchstgrenze unter voller Ausnutzung der Maschine und
meist auch des Kessels steigerte. Die Fahrt mit der Höchstleistung wurde stets
mehrmals wiederholt. Aehnlich verfuhr man bei den Fahrten mit den Zügen aus drei
D-Wagen, doch begann man hier gleich mit Geschwindigkeiten von 100 km/St. Um bei der
verhältnismässig kurzen Strecke möglichst lange mit der Höchstgeschwindigkeit fahren
zu können, fuhr man mit möglichster Beschleunigung an, so dass die erstrebte
Geschwindigkeit auch möglichst schnell erreicht wurde, und führte am Schluss der
Fahrt eine Notbremsung aus, die den Versuchszug noch vor dem Einfahrtssignal zum Halten brachte.
Messungen und Aufzeichnungen, Versuchsergebnisse.
Während jeder Fahrt wurden verschiedene Messungen und Aufzeichnungen vorgenommen;
sie erstreckten sich auf:
a) die Feststellung allgemein wichtiger Grössen, wie z.B. Zeit,
Weg, besonders bemerkenswerte Punkte, Windgeschwindigkeit,
b) das Verhalten des Zuges und der einzelnen Fahrzeuge,
namentlich der Lokomotiven und des Tenders während der Fahrt,
c) die Beobachtung der Lokomotivmaschine.
Zu a. Vor Beginn jeder Fahrt wurde zunächst die Windgeschwindigkeit in m/Sek. gemessen,
um den Einfluss des Windes und den Luftwiderstand bestimmen zu können; während der
Fahrt wurden ausserdem noch Aufzeichnungen über die Fahrzeit und die durchfahrene
Strecke gemacht, wobei besonders bemerkenswerte Punkte der Strecke und der Fahrt,
wie z.B. Kilometersteine, Anfahrzeit, Beginn und Ende des Bremsens, besonders starke
Bewegungen der Lokomotiven u.a.m. noch besonders aufgezeichnet wurden. Die
Aufzeichnung der Fahrzeit geschah alle zwei Sekunden, die der Strecke nach jeder
Radumdrehung, die der „wichtigen Punkte“ durch besondere Stromschliesser von
der Strecke aus oder von Hand durch den Lokomotivführer. Fig. 3 gibt ein Bild verschiedener Aufzeichnungen auf dem Papierstreifen
des Apparates. Die Figur lässt erkennen, wenn man die Linie der Radumdrehungen mit
derjenigen der Zeit vergleicht, dass die Versuchsstrecke einen sehr langen,
unübersichtlichen Papierstreifen erfordert, so dass auch die Ausmittlung der
einzelnen Werte aus den Aufzeichnungen, namentlich die Feststellung der
Geschwindigkeit aus den Radumdrehungen und den Zeitabständen sehr umständlich
war.
Textabbildung Bd. 320, S. 238
Fig. 3.
Textabbildung Bd. 320, S. 238
Fig. 4.
Zu b. Die Messungen des Verhaltens der Fahrzeuge, namentlich von Lokomotive und
Tender während der Fahrt, erstreckten sich zunächst auf eine Messung des
Zugwiderstandes. Um diesen bestimmen zu können, war zwischen dem Tender und dem
ersten Wagen an Stelle der Kupplung ein Zugkraftmesser eingehängt, dessen
hauptsächlichste Anordnung aus Fig. 4 hervorgeht.
Derselbe bestand aus zwei gebogenen, an ihren Enden mit dem Zughaken des Tenders
bezw. dem des folgenden Wagens verbundenen Stäben a und
b, die sich infolge der in ihnen auftretenden
Spannungen gegenseitig verschieben. Die Verschiebung wird mittels eines an dem einen
Stabe angebrachten Stiftes d auf eine am andern Stabe
vorgesehene Papiertrommel übertragen. Da die Stäbe a
und b auch eigenen Schwingungen unterworfen sind, kann
die Aufzeichnung wohl einzelne Höchstwerte genau angeben, ist jedoch nicht zum
Ablesen der mittleren Zugkraft geeignet, da man statt einer Geraden eine
Zickzacklinie von bisweilen sehr erheblichen Ausschlägen erhält. Für die
Versuche wurde als gemessener Zugwiderstand der Wert angenommen, welcher der
Mitte der Zickzacklinie entsprach. Im Mittel wurden im Zustande der grössten
Geschwindigkeit Zugkräfte von 1300–1500 kg gemessen. Ferner wurden gemessen die
Ausschläge des Zapfens und des äussersten Punktes des Drehgestelles sowie die
Bewegungen der Laufachsen gegen den Lokomotivrahmen. Diese Messungen fanden in der
Weise statt, dass mit den Drehgestellrahmen oder mit der Achse verbundene Arme die
Bewegungen auf den Schreibstift einer seitlich am Lokomotivrahmen angeordneten
Papiermesstrommel mittels Hebel übertrugen, während der Ausschlag des Tenders gegen
die Lokomotive in einfacher Weise mittels eines an der Lokomotive befestigten
Schreibstiftes, der durch eine Feder auf ein am Tender befestigtes Stück Papier
gedrückt war, aufgezeichnet wurde. Im allgemeinen haben sich die Ausschläge des
Drehgestells und der Laufachsen beim Anfahren etwas grösser erwiesen als während des
Dauerzustandes, was sich wohl aus dem stärkeren Arbeiten der Lokomotiven beim
Anfahren erklären mag. Starke Ausschläge ergaben sich auch beim Durchfahren von
Weichen oder beim Einlaufen in Gleisbögen. Die Unterschiede in den Ausschlägen der
Drehgestelle am Zapfen und an den äussersten Punkten gegen den Lokomotivrahmen sind
zum Teil, namentlich auch bei hohen Geschwindigkeiten, ziemlich bedeutend gewesen,
woraus hervorgeht, dass die Drehgestelle infolge des Anlaufens der Spurkränze an die
Schienen ziemlich stark arbeiten. Ferner zeigte sich auch, dass schlechte Stellen im
Gleis von starkem Einfluss auf die störenden Lokomotivbewegungen waren, dass also im
regelmässigen Betriebe die Lokomotiven im allgemeinen nicht so ruhig wie auf der gut
unterhaltenen Versuchsstrecke laufen werden. Dagegen tragen starke, nicht leicht
nachgiebige Rückstellfedern sehr zur Ruhe des Ganges bei hohen Geschwindigkeiten
bei, da sie das Drehgestell weniger nachgiebig machen und damit das Schlingern, das
hierdurch bedingt ist, vermindern. Sehr erhebliche Zuckungen traten bei der
Heissdampflokomotive bei einer Geschwindigkeit von etwa 125 km/St. und bei der
Dreizylinderlokomotive Bauart Wittfeld bei einer
Geschwindigkeit von etwa 115 km/St. auf, wenn der Zug nicht fest gekuppelt war. Die
Zuckungen waren zum Teil so stark, dass sie im Zugkraftmesser Spannkräfte bis 11000
kg hervorriefen; sie sind nach dem amtlichen Bericht auf ein Zusammenfallen der
Schwingungszeit der Tenderfedern und der Umdrehung der Lokomotivmaschine
zurückzuführen. Für diese Erklärung spricht, dass die Zuckungen aufhörten, wenn die
Lokomotive eine um etwa 5 km/St. höhere Geschwindigkeit erlangt hatte, oder wenn
der Zug mit dem Tender fest verkuppelt war. Bei den Vierzylinderlokomotiven traten
derartige Zuckungen nicht auf, selbst wenn die Maschinen bei Leerfahrten eine
Geschwindigkeit von 130 km/St. erreichten. Der Grund hierfür liegt offenbar in
der Massenausgleichung, die bei den Vierzylinderlokomotiven eine sehr günstige ist,
dagegen bei den Zweizylinderlokomotiven – denen in diesem Falle die dreizylindrige,
aber ebenfalls nur einfache Verbundlokomotive nach Wittfeld gleich zu achten ist – bekanntlich nur bis zu einem gewissen
Grade zu erreichen ist. Die beobachteten starken Zuckungen waren also teilweise mit
durch die Eigenart der Zweizylinderlokomotiven begründet. Die Bewegungen der
Lokomotive gegen den Tender zeigten keine auffallenden Erscheinungen, weite
Ausschläge traten nur beim Durchfahren einzelner Weichen ein.
Zu c. Die Beobachtungen der Lokomotivmaschine wurden in der Weise vorgenommen, dass
auf der Lokomotive selbst in Zwischenräumen von 1–2 Minuten Aufschreibungen gemacht wurden über
Zeit, Geschwindigkeit, Ort, Füllung im Hochdruck- und Niederdruckzylinder,
Kesselspannung, Luftverdünnung in der Rauchkammer und besonders auffällige
Eigenbewegungen der Lokomotive. Bei der Heissdampflokomotive wurden auch noch
Messungen des Druckes im Schieberkasten vorgenommen.
Wie schon erwähnt wurde, bieten die Ergebnisse dieser Beobachtungen kein Bild, das
einen unmittelbaren Vergleich der einzelnen Maschinen miteinander gestattete. Der
Grund hierfür liegt in der verschiedenen Leistungsfähigkeit der Kessel. So blieb bei
der vierachsigen Vierzylinderlokomotive, Bauart de
Glehn (No. 4) die Dampfentwicklung hinter der Maschinenleistung zurück. Aus
demselben Grunde musste während einer Fahrt der anderen Vierzylinderlokomotive nach
Bauart de Glehn beim Anfahren des aus sechs Wagen
gebildeten Versuchszuges mit Dampf gespart werden, um beim Erreichen der
Höchstgeschwindigkeit genügend Dampf zur Verfügung zu haben. Gut abgeschnitten hat
dagegen die v. Borriessche Bauart, die gegen die zuerst
erwähnte Lokomotive eine Mehrleistung aufwies. Der Bericht erblickt den Grund
hierfür in dem geringen Eigenwiderstand der Lokomotive, in dem Einbau der
Kolbenschieber statt Flachschieber im Hochdruckzylinder, in der günstigen Anordnung
des Triebwerkes und in dem Ausgleich der Kolbenkräfte an einer Welle.
Der amtliche Bericht zieht aus den auszugsweise mitgeteilten Betriebsergebnissen
die Folgerung, „dass die jetzt im Betriebe befindlichen Schnellzuglokomotiven auf
einer Strecke mit schwerem Oberbau ohne Gefahr noch mit 120 km/St. laufen
können, dass es sich jedoch mit Rücksicht auf Krümmungen und schlechte Stellen
im Gleise nicht empfiehlt, die ⅖ gekuppelten Schnellzuglokomotiven bei
Geschwindigkeiten über 110 km/St. zu verwenden. Für Fahrten über 110 km/St. dürfte
es sich empfehlen, nur 2/4 gekuppelte Lokomotiven zu verwenden, wenn aber
die Kesselleistung bei diesen nicht ausreichen sollte, zur 2/6
gekuppelten Lokomotive überzugehen“. Hierbei ist die Frage nach Zahl und
Anordnung der Zylinder ganz offen gelassen, doch wird gelegentlich der Besprechung
der störenden Bewegungen der Lokomotiven betont, dass die Schlingerbewegungen auch
bei Schnellbetrieb eine Zweizylinderlokomotive ohne weiteres zulassen würde, dass
man aber doch wegen des besseren Massenausgleiches gegen Zucken zur
Vierzylinderlokomotive übergehen wird – trotzdem der Eigenwiderstand grösser wird!
–, wenn es nicht gelingt, durch Abstimmung der Tenderfedern das Zucken zu
beseitigen. Die Verwendung von Heissdampf wird empfohlen, wie es ja nach den
bisherigen Erfahrungen mit den Heissdampflokomotiven nicht anders zu erwarten war. –
Die Versuche haben also den Weg gewiesen, in welcher Richtung der Lokomotivbauer
vorzugehen hat, wenn er in dem Wettbewerb zwischen Dampfbetrieb und elektrischen
Betrieb im Schnellverkehr nicht unterliegen will.
–l.