Titel: | Das Eisenbahn- und Verkehrswesen auf der Weltausstellung in St. Louis 1904. |
Autor: | M. Buhle, W. Pfitzner |
Fundstelle: | Band 320, Jahrgang 1905, S. 257 |
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Das Eisenbahn- und Verkehrswesen auf der
Weltausstellung in St. Louis 1904.
Von Professor M. Buhle und Dipl.-Ing. W.
Pfitzner,
Dresden.
(Fortsetzung von S. 244 d. Bd.)
Das Eisenbahn- und Verkehrswesen auf der Weltausstellung in St.
Louis 1904.
A. Dampflokomotiven.
Die Hauptabmessungen und wesentlichsten Daten der 40 mit Dampf betriebenen
Ausstellungslokomotiven sind aus der Zusammenstellung 1 (S. 258 und 259)
ersichtlich.
Die Zusammenstellung ist nach ausstellenden Firmen geordnet, sie gibt also zunächst
ein Bild von der Leistungsfähigkeit der einzelnen Fabriken, und in ihrer Gesamtheit
eine Uebersicht über den Stand der Lokomotivtechnik in den Vereinigten Staaten. Die
bildliche Darstellung der Räderanordnungen (Spalte 4) lässt die Mannigfaltigkeit der
jetzt bestehenden Lokomotivarten erkennen, sie zeigt, dass fast jede Fabrik eine
grosse Zahl der verschiedenartigsten Maschinen herstellt, sie zeigt aber zugleich,
dass die grossen und schweren Maschinen bei weitem die vorherrschenden sind.
Güterzuglokomotiven von sechs und sieben Achsen werden sowohl von Baldwin wie von der American
Locomotive Co. hergestellt, mit Gewichten, die das bei uns übliche bei
weitem übertreffen. Als Durchschnittsgewicht der in St. Louis ausgestellten
amerikanischen Vollbahnlokomotiven ergibt sich 84 t; sieben Lokomotiven wogen über
90 t, die drei schwersten sind No. 6 mit 100 t, No. 13 mit 131 t, No. 20 mit 153 t!
Ebenso weisen die Tender Gewichtszahlen auf, die man in Europa nicht kennt. Gewichte
von 60 t sind die Regel, die schwersten Tender sind mit 75,5 t (No. 4) und 74 t (No.
13) angegeben, so dass also Gesamtgewichte von Maschine und Tender von 162 t (No.
6), 164 t (No. 4), 205 t (No. 13) und 218 t (No. 20) entstehen. Im Vergleich mit der
Ausstellung in Chicago 1893 ergibt sich eine erhebliche Zunahme der Gewichte, dort
war das Durchschnittsgewicht nur 58,5 t, die schwerste Lokomotive wog 88 t.
Berücksichtigt man, dass der Unter- und Oberbau der Bahnen, namentlich der
transkontinentalen, so gut wie nicht verstärkt wurde, jedenfalls bei weitem nicht im
Verhältnis der Zunahme der Lokomotiv- und Zuglasten, dann ist die erschreckende
Vermehrung der schweren Eisenbahnunfälle in den Vereinigten Staaten in den letzten
Jahren zum Teil erklärlich. Die Zusammenstellung der ausgestellten Lokomotiven führt
das deutlich vor Augen. Die Gründe für die Gewichtsvermehrung sind natürlich
wirtschaftlicher Art, mit den schweren Lokomotiven lassen sich grosse Zugseinheiten
ohne Vorspann bewältigen, vor dem man drüben eine gewisse Scheu zu haben scheint.
Abgesehen von den eigentlichen Gebirgsbahnen ist drüben höchst selten eine
Vorspannmaschine zu sehen. Im Zusammenhang mit den grossen Dienst- und
Reibungsgewichten sind natürlich auch die Zugkräfte der amerikanischen
Maschinen erheblich grösser als die der europäischen. In der Tabelle sind die
Zugkräfte als der fünfte Teil des Reibungsgewichtes angegeben, das sind Werte, die
für normalen Betrieb als Höchstwerte gelten können. Nach amerikanischer Berechnung,
aus den Zylinderdimensionen, ergeben sich zum Teil noch höhere Werte, die aber
nichts weiter besagen können, als dass die Zylinder sehr reichlich dimensioniert
werden.Vergl. Gutbrod, Z. d. V. d. I., 1904, S. 1691. Die
dort aufgeführten Formeln enthalten gegenüber den in Deutschland üblichen
(Eisenbahntechnik der Gegenwart) einen sehr
hohen mittleren effektiven Dampfdruck, der kaum zu erreichen sein durfte.
Daher erklärt sich auch die ungewöhnliche Grösse der dort angegebenen
Zugkraft.
Die im allgemeinen bei Personenzuglokomotiven über 2 m betragenden
Treibraddurchmesser (Spalte 12) lassen auf erhebliche Höchstgeschwindigkeiten
schliessen, die in der Tat auch auf fast allen grossen Linien für kurze Strecken
erzielt werden. Geschwindigkeiten über 100, bis 120 km/St. sind auf den östlichen Bahnen sehr
oft zu messen, wenn auch die durchschnittliche Reisegeschwindigkeit in der Regel
dieselbe wie bei uns, meist sogar geringer ist. Der Betrieb ist eben auf allen
amerikanischen Bahnen ein sehr ungleichmässiger. Dabei liegen die Kessel der
Maschinen stets sehr hoch (Spalte 20), was jedoch auf die Ruhe des Ganges kaum einen
Einfluss ausübt und jedenfalls keine Gefahr für die Laufsicherheit bedeutet. Sehr
unangenehm bemerkbar machen sich auf der Fahrt mit amerikanischen Lokomotiven nur
die Wirkungen der sehr schweren Triebwerksmassen, namentlich bei der Woolf-Vauclainschen Anordnung, sowohl durch starkes
Zucken für das Personal, als auch bei besserem Massenausgleich infolge der
rotierenden Gewichte durch Deformation der Schienen. Gerade die letzteren
Uebelstände treten in neuerer Zeit immer mehr hervor, da die Triebwerksmassen stets
weiter wachsen (vergl. spätere Zeichnungen und Photographien), und das scheint auch
der Hauptgrund zu sein, weshalb die amerikanischen Bahnen und Fabriken sich mehr und
mehr mit der Frage der vierzylindrigen, ausgeglichenen Lokomotive beschäftigen.
Aus Spalte 8 ist zu sehen, dass eine Reihe vierzylindriger Maschinen ausgestellt
waren, die die bekannten Anordnungen nach de Glehn und
von Borries aufweisen. Zwei davon, die beiden
deutschen (No. 36 und 3.7), sind bereits im Vorbericht beschrieben, die zwei
amerikanischen, No. 4 und 16, sollen später eingehender behandelt werden.
Zusammenstellung 1. Dampflokomotive.S. auch Eng. News, 1904, S. 209 (6.
X.).
Textabbildung Bd. 320, S. 258
Nach den Bezeichnungen der American Locomotive
Co.
Maximale Zugkraft ⅕ des Reibungsgewichtes.
American Locomotive Co.; hierzu gehören:
Schenectady Works, Schenectady N.-Y.
Pittsburg Works, Allegheny Pa.
Cooke Works, Paterson N.-J.
Dickson Works, Scranton Pa.
Brooks Works, Dunkirk N.-Y.
Richmond Works, Richmond Va.
Rhode Island Works, Providence R.-I.
Manchester Works, Manchester N.-H.
Montreal Works, Montreal Canada.
Anordnung von v. Borries, einachsiger
Antrieb.
Anordnung von de Glehn, zweiachsiger
Antrieb.
Mallet-Rimrott.
Chicago, Cleveland, Cincinnati & St. Louis R. R.
Sattel-Tender.
Spur 1.067 m.
Zum Vergleich sind von hier ab die Daten aus dem Vorbericht wiederholt bezw.
ergänzt.
Serve-Rohre.
Anordnung von Wittfeld, einachsiger Antrieb, ein
Hochdruck-, zwei Niederdruckzylinder gleicher Grösse.
Spur 0,914 m.
No.; Fabrikant; Besitzer;
Bezeichnungen; Lokomotivform; Schema; Amerikanisch; Deutsch; Triebwerk; Kessel;
Gewicht; Tender; Vorräte; Zahl; Dampfzylinder; Hub; Treibrad; Ges. Radst. der
Lok.; Kesseldruck; Heizfläche; Rostfläche; Siederohre; Länge; Breite; Fläche;
Kessel über S. O.; Länge zw. d. Rohrw.; Reibgs. G.; Dienst.; Zugkraft; Wasser;
Kohle; Dientgewicht; Baldwin; Schenectady; Brooks; Richmond Dixon; Rogers;
Canadian Loc. W.; F. M. Hicks; Lima Loc. W.; Cagney Brs.; Elsäss. Masch.-F.;
Hann. Masch.-F.; Henschel & Sohn; Chicago & Alton. R. R.; Norfolk &
Western; Chic., Burl. & Quinci; Atch., Topeca & S. Fé; Norfolk &
Western; Union Pacific; St. Louis & St. Frisco; Mo., Kansas, Texas; Del.,
Lak. & Western; Southern Pacific; Norfolk & Western; Atch., Topeca &
S. Fé; Vandalia; Baltimore & Ohio; New York Central & H. R.; Kiushiu,
Japan; Erie R. R.; New York Central & H. R.; Baltimore & Ohio; Big.
Four; Lake Shore & M. S.; Missouri Pacific; Anheuser Busch; Ches. &
Ohio; Americ. Loc. Co.; Illinois Central; Great Northern; St. Louis South West;
Baltimore & Ohio; Pr. Edwards Islands; Hicks; Worlds Fair R. R.;
Pennsylvania R.; Preuss. St.-E.-B.;Atlantic; Wheeler; Pacific; Mogul;
Consolidation; 10 Coupl. Double Ender; Articulated; Prairie; Wheel Switcher;
American; Geared Engine; Miniatur; Zwilling; Verb. d. Vauclain; Verb. v.
Borries; Verbund; Verb. d. Glehn; Verb. Mallet; Drilling; Verb. Wittfeld
Weiterhin kann die Frage der Verbundanordnung unter den amerikanischen Maschinen
studiert werden durch die bekannte Anordnung von Vauclain (Maschine No. 3), neben der eine zweite (Tandem)-Anordnung
desselben Konstrukteurs durch die Lokomotive 13 gegeben ist. Eine gewöhnliche
Verbundmaschine mit zwei Zylindern nach deutscher Bauart ist in Maschine No. 12
vertreten, und schliesslich hat die American Lokomotive
Co. durch die Maschine No. 20 die Anordnung Mallet-Rimrott zur Schau gebracht.
Die Mehrzahl aller Maschinen weist allerdings noch die Zwillingsanordnung auf, die in
ihrer Einfachheit für amerikanische Betriebs- und Personalverhältnisse zur Zeit auch
die zweckmässigste bleibt.
Bevor auf die Besprechung der am wichtigsten erscheinenden Typen näher eingegangen
wird, seien noch
Textabbildung Bd. 320, S. 259
Lokomotive; Triebwerk; Kessel;
Gewicht; Tender; Vorräte; Zahl; Dampfzylinder; Dmr. Hub; Treibrad Dmr.; Ges.
Radst. der Lok.; Kesseldruck; Heizfläche; Rostfläche; mittl. Dmr.; Siederohre;
Länge; Breite; Fläche; Kessel über S. O.; Länge zw. d. Rohrw.; Reibgs. G.;
Dienst.; Zugkraft; Wasser; Kohle; Dientgewicht
einige allgemeine Bemerkungen über den amerikanischen
LokomotivbauVon den vielen
vorhandenen Quellen über den amerikanischen Lokomotivbau seien hier
angeführt:Büte und von
Borries, Nordamerikanische Eisenbahnen. Wiesbaden, 1892.Modern Locomotives (Railroad Gazette, New-York,
1897/98).Fuchs, Z. d. V. d. I., 1904, S. 401 u. f.Gutbrod, Z. d. V. d. I., 1904, S. 1321 u.
f. vorangestellt.
Infolge der fast durchweg auf Massenfabrikation zugeschnittenen Lokomotivwerkstätten
der Vereinigten Staaten besteht eine ziemlich erhebliche Abweichung von den
Verfahren, welche sich in Europa herausgebildet haben. Die wirtschaftlichen
Bedingungen Nordamerikas sind wesentlich anders als diejenigen Deutschlands, was
schon aus einem Vergleich zwischen der Entwicklung der Leistungsfähigkeit einzelner
grösserer Lokomotivfabriken (s. Zusammenstellung 2) hervorgeht.
Die Riesenziffern der letzten Spalte haben ihre Ursache einmal in der ungeheuren
Ausdehnung des Landes mit dem bis jetzt noch steigenden Bedarf an Maschinen,
dann aber auch in den besonders günstigen Bedingungen für die Fabrikation.
Zusammenstellung 2.
in Deutschland
in Nord-Amerika
A. Borsig,
Berlin.Vergl. auch
A. Borsig, Festschrift zur Feier
der 5000. Lokomotive, Berlin 1902, S. 40, 44 u. f.
Henschel &
Sohn,Kassel
Baldwin,Philadelphia.
i. J. 1841–45 50 Lok.
1848–60 50 Lok.
1831–61 1000 Lok.
bis 1846 100 „
bis 1865 100 „
bis 1869 2000 „
„ 1850 300 „
„ 1873 500 „
„ 1872 3000 „
„ 1858 1000 „
„ 1879 1000 „
„ 1876 4000 „
„ 1867 2000 „
„ 1886 2000 „
„ 1880 5000 „
„ 1873 3000 „
„ 1890 3000 „
„ 1889 10000 „
„ 1883 4000 „
„ 1894 4000 „
„ 1896 15000 „
„ 1902 5000 „
„ 1899 5000 „
„ 1902 20000 „
„ 1905 6000 „
„ 1902 6000 „
„ 1905 25000 „
„ 1905 7000 „
Kaum eine zweite Lokomotivfabrik ist so günstig mit Rücksicht auf die
Bezugsquellen der Rohstoffe sowie hinsichtlich der Verfrachtung der Fertigprodukte
gelegen wie die Baldwin-Werke in Philadelphia. Die
Stadt Philadelphia ist eines der grössten Industrie- und Handelszentren von
Nordamerika, in welchem sich dauernd eine grosse Zahl Handwerker aufhalten, die
jeder Zeit nach dem Bedarf schnell zu bekommen sind und wieder untergebracht werden
können. Als z.B. am 16. Dezember 1877 für Russland 40 schwere Mogulmaschinen
bestellt wurden, die im Mai 1878 zur Ablieferung gelangen sollten, war in zwei
Wochen die Zahl der Arbeiter von 1100 auf 2300 erhöht, so dass bereits am 13.
Februar alle 40 Maschinen vollendet waren.
Die Lieferzeit für Lokomotiven beträgt in Amerika in der Regel vier bis acht Wochen;
wenn nötig, können dieselben auch in noch kürzerer Zeit (Baldwin in vierzehn Tagen, ja in einer Woche)Im Jahre 1889 ist eine Lokomotive in acht
Arbeitstagen fertiggestellt worden. Am Sonnabend den 22. Juni erfolgte der
Auftrag für eine schmalspurige vierachsige Personenlokomotive mit Tender,
welche am 4. Juli fertig am unfern gelegenen Gebrauchsort abzuliefern war.
Am 25. Juni ward das Kesselmaterial geliefert, am 28. Juni kam der Kessel
fertig zur Montage, am 1. Juli wurde die Lokomotive unter Dampf probiert, am
2. Juli ward der Tender geliefert (vergl. hierzu Z. d. V. d. I., 1904, S.
1744, Krauss, München, 40 Tage [neuer Typ]). geliefert werden,
vorausgesetzt, dass die Bauart die gewöhnliche ist und keine neuen Modelle zu machen
sind. Die Verhältnisse, unter denen solche beschleunigte Fertigstellung vor sich
geht, seien hier kurz angeführt. Nach „Büte und von Borries“ (S. 211) fährt ein Beamter nach
Eintreffen des Auftrages sofort nach dem mit der Fabrik in Verbindung stehenden
Stahlwerke und gibt die Abmessungen der Kesselplatten auf. Diese werden sogleich
gewalzt und treffen am folgenden Tage schon in der Fabrik ein, woselbst unter
Zuhilfenahme von Nachtarbeit die Kessel alsbald in Angriff genommen und unter
Entfaltung angestrengtester Tätigkeit in kurzer Zeit vollendet werden. Alle
Einzelteile der Lokomotive werden soweit als angängig am ersten Tage in Arbeit
gegeben.
Ueber einen wesentlichen Unterschied in der Entwicklung der amerikanischen und der
deutschen Betriebsmittel spricht sich von Borries in
der Z. d. V. d. I. 1894, S. 69, aus. Die geringere Fähigkeit zur Einführung
grundsätzlicher Neuerungen hat dem amerikanischen Eisenbahnwesen eine
Einheitlichkeit der Einrichtungen bewahrt, welche man ähnlich nur noch in England
wiederfindet, welche aber die allgemeine Ausnutzung der Betriebsmittel und die
Verminderung der Selbstkosten sehr begünstigt. Im allgemeinen ist das auch heute
noch der Fall, insbesondere innerhalb des Rahmens einer Eisenbahnverwaltung. (In
ganz Nordamerika gab es aber Ende 1904 nicht weniger als 1085
Eisenbahngesellschaften!) An die Fabriken werden jedoch schon mehr und mehr
Sonderwünsche gestellt, Neukonstruktionen werden probiert, so dass die Zahl der
Typen wie in Europa erheblich steigt und die Herstellung nach einem allgemeinen
Schema mehr und mehr unmöglich wird.
In den Vereinigten Staaten wird ohne Rücksicht auf Aeusserlichkeiten in dem
Wesentlichen der Sache das Grösste mit den kleinsten Mitteln zu erreichen gesucht.
Die aus den einzelnen Werkstätten kommenden Teile werden meist ohne Nacharbeit
montiert bezw. bei Reparaturen ausgewechselt. – Baldwin
hat für jeden Teil jeder Lokomotive eine Code-Bezeichnung und vermag durch ein
verhältnismässig kleines Lager Zeit und Kosten von Reparaturen und die
Erledigungsfrist für Nachbestellungen irgendwelcher Reserveteile usw. auf ein
Mindestmass zu beschränken. (Im Durchschnitt wird im Monat soviel, wie für sechs
Lokomotiven nötig ist, an Reserveteilen auf Lager gearbeitet). –
Ohne Zweifel ermöglicht die Bauart der amerikanischen Betriebsmittel eine ungleich
raschere Ausführung als die europäische. Die einzelnen Teile werden so gestaltet,
dass sie einerseits in möglichst einfacher Weise auf den. vorhandenen, sehr
vollkommenen, kräftigen, drei- bis viermal im Jahre kontrollierten Werkzeugmaschinen
und Einrichtungen hergestellt werden können, andererseits die in erster Linie
verlangte Dauerhaftigkeit besitzen. Auf das Aussehen, Abschlichten usw. wird weniger
Wert gelegt. Viele Teile, welche bei uns sauber bearbeitet und blank gemacht werden,
bleiben in Amerika roh und werden gestrichen – jedenfalls an den dem Auge nicht
sichtbaren Stellen (hintere Seiten der Treib- und Kuppelstangen, Hebel usw.) Will
man zuweilen den sauberen Eindruck blanker Stangen nicht missen, so benutzt man
weisse Farbe statt der sonst üblichen dunklen Mischung. Das Putzen blanker Teile
verursacht ständige Kosten, und das genügt in Amerika, um es zu umgehen. In
Deutschland schliesst man von einer sauber gehaltenen Lokomotive sofort auf das
Dienstpersonal, aber auch dieser erziehliche Einfluss fällt in Amerika fort, weil
Führer und Heizer nur für den Betriebsdienst der Maschine vorhanden sind.
Der Konstrukteur in Amerika steht mit der Werkstatt in engster Verbindung und kennt
die Bedürfnisse und Forderungen der Praxis, berücksichtigt stets die gegebene
Herstellungsweise und vermeidet alle diesbezüglichen Unbequemlichkeiten und
Schönheitsrücksichten.
In bezug auf die Kessel ist zu erwähnen, dass die
leichteren, weil dünneren Bleche schneller zu bearbeiten und zu kümpeln, zu pressen
und zu lochen sind, als die bei uns üblichen Platten. Bezüglich der flusseisernen Feuerbuchse und Stehbolzen sei hier nur
erwähnt, dass die Verschiedenheit der Betriebsweise es erklärt, wenn dieselben in
Amerika länger halten, als es bei den deutschen Versuchen trotz gleicher
Materialgüte der Fall war. Die zeitliche Ausnutzung einer Lokomotive in Amerika
übertrifft diejenige einer deutschen Maschine um ein Bedeutendes. Bis zu vier
Personale kommen zuweilen auf eine Maschine. Das Feuer wird meist nur beim
Auswaschen entfernt, d.h. acht Tage ist die Maschine ununterbrochen geheizt, wird
dann in etwa sechs Stunden (warm) ausgewaschen und
fährt dann wieder weiter. Statt in fünfundzwanzig Jahren, wie bei uns, muss sich die
amerikanische Maschine in etwa zwölf bis fünfzehn Jahren einen Ersatz gefallen
lassen. In den zwölf Jahren wird herausgeholt, was herauszuholen ist, und die
raschere Abnutzung bezw. der Ersatz bewirken, dass der vorhandene Bestand den
Anforderungen des Betriebes stets besser entspricht. Man wirft den flusseisernen
Feuerbuchsen vor, sie lassen sich nicht so leicht flicken wie die kupfernen. In
Amerika denkt aber niemand ans Flicken. Vollständiger Ersatz gibt stets einen
besseren Wirkungsgrad.
Das Dichten der Kesselschüsse geht meist sehr einfach vor sich. Die äusseren
Kesselschüsse werden oft knapp (auf Scheeren) zugeschnitten (das Hobeln der Kanten
schenkt man sich vielfach), dann nach dem Biegen etwas angewärmt, und so wird
gleichsam ein Aufschrumpfen, d.h. ein gutes Dichten mit wenig oder gar keinem
Verstemmen erzielt. Die Innenkannten werden fast niemals verstemmt. Die Nietlöcher
werden nur selten gebohrt, wie es bei uns vorgeschrieben ist, sondern meist in die
noch nicht gebogenen Platten gestanzt., oft sogar mit Maschinen, welche einen
selbsttätigen Vorschub entsprechend der Nietteilung besitzen. Zum Aufreiben werden
desgl. meist mechanisch angetriebene Werkzeuge verwandt. Das Nieten selbst geschieht
bei grösserer Hitze, so dass das Ausfüllen der Löcher und das Schliessen und
Zusammenziehen ein intensiveres, und darum ein sorgfältiges Verstemmen weniger notwendig ist. Nur
da, I wo bei der übrigens mit warmem Wasser ausgeführten Druckprobe sich Perlen
zeigen, wird verstemmt; die Probe aber ist viel milder als bei uns, insofern der
Prüfungsdruck nur wenig über den verlangten Betriebsdruck hinausgeht. Der Bodenring
wird meist nicht bearbeitet. Auf die Wasserprobe folgt sofort die Dampfprobe, daher
die Verwendung warmen Wassers.
Der an sich vielleicht nach Herstellung in der Schmiede und Bearbeitung auf den
Bänken teurere, aber durchaus steife Barrenrahmen
erleichtert den Zusammenbau in der Werkstatt sehr und ist aus den stets vorrätigen
Profileisen schneller bei eiligen Bestellungen herzustellen als der in Deutschland
übliche Blechrahmen, der nur nach zwei Richtungen entwickelt ist, während die dritte
erst im Zusammenhang mit Querverbindungen ausgebildet erscheint. Gerade die
Verbindung aller Teile ist! bei den Barrenrahmen wesentlich einfacher und wird durch
wenige kräftige Schrauben bewirkt. Auch besteht der Barrenrahmen selten aus einem
Stück, während der Blechrahmen eben wegen seiner grossen Abmessungen ein
Bestellstück ersten Ranges und in dieser Hinsicht gleichbedeutend ist mit den
Kesselblechen, Radsätzen usw. Auch wird der Rahmen nicht im entferntesten so sauber
und genau bearbeitet wie bei uns. Oft kann man unreine Stellen darin und
Stärkenunterschiede von mehreren Millimetern finden.
Die Herstellung der Lokomotiv-Achslager, Kolben usw. aus Gusseisen ist billiger und
schneller möglich als die in Deutschland üblichen aus Stahlformguss. Aehnliches gilt
von den gusseisernen, nicht gedrehten Laufrädern der Lokomotiven und Tender;
allerdings ist das Gusseisen so vorzüglich, dass es gestattet, viele Teile dar- i
aus zu machen, welche bei uns aus Stahl oder Schmiede–! eisen vorgeschrieben sind.
Auch das in Deutschland bestehende Verbot der flanschlosen Räder sei an dieser
Stelle erwähnt, das in Amerika nicht vorhanden ist. Schieberspiegel und Schieber
werden nicht allzu sauber bearbeitet, das wird nach längerem Gebrauch im Betrieb
selbst mit weniger Mühe besorgt; dort arbeitet sich alles genügend ein. So wird Zeit
und scheinbar auch Geld gespart. Selten erhalten die Kuppelstangenköpfe
nachstellbare Lager.
Das Abdrehen der Achsen erfolgt nur da, wo es nötig
ist, der übrige Teil erhält einen Farbenüberzug. Die mit Lackanstrich zu versehenden
Teile: Führerstände, Räder, Radschalen, Bekleidungen usw. werden der
Montierwerkstatt fertig lackiert zugeführt, so dass nur wenig Malerarbeit verbleibt.
Nasses Schleifen wird nur selten angewendet. Das Absetzen von Linien oder Streifen
kennt man nicht; nur die Firma der Bahn und die Nummer werden in grossen Buchstaben
aufgebracht. Eine eigentliche Lackierwerkstatt ist daher überflüssig, die Maschine
wird meist in der Montage während der Arbeit gestrichen. Oft wird der Kessel
überhaupt nicht lackiert, sondern mit einem „Hochglanzblech“ umkleidet.
Endlich sei noch erwähnt, dass in Amerika noch mehr fertige Lokomotivteile von
Spezialfabriken bezogen werden als bei uns, z.B. alle Armaturteile, Ventile, Hähne
u. dgl., Sicherheitsventile, Glocken, Federn. Sandkästen, die vollständigen Bremsen
usw.
Nebenteile werden nach unseren Begriffen oft sehr primitiv ausgeführt. So sind die
Konsole zum Tragen der Laufbretter einfache rohe Flacheisen, die mit einer, nur bei
besserer Ausführung mit zwei Schrauben am Kessel befestigt werden; auf die
Flacheisen werden dann mit Winkeleisen garnierte Holzbretter von 1½'' Stärke geschraubt.
Rechnet man alle diese scheinbaren Kleinigkeiten zumal in ihrer häufigen Wiederholung
bei einer einzigen Maschine zusammen, so ergibt sich eine ansehnliche Ersparnis an
Zeit für die Herstellung und an Ausgaben für Material, Lohn und Kosten aller
Art.
Nach von Borries zeichnen sich die amerikanischen
Lokomotiven im allgemeinen durch verhältnismässig grosse Leistungsfähigkeit und
billige Herstellung aus, stehen aber in der Konstruktion mancher Einzelheiten sowie
im Dampf- und Kohlenverbrauch hinter den europäischen zurück. – Also sind sie
betriebsteurer. – Letztere sind in der Regel bezogen auf den Quadratmeter Heizfläche
leichter als erstere, d.h. die europäischen Maschinen sind günstiger in bezug auf
den Oberbau und ergeben einen kleineren Widerstand.
(Fortsetzung folgt.)