Titel: | Das Eisenbahn- und Verkehrswesen auf der Weltausstellung in St. Louis 1904. |
Autor: | M. Buhle, W. Pfitzner |
Fundstelle: | Band 320, Jahrgang 1905, S. 321 |
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Das Eisenbahn- und Verkehrswesen auf der
Weltausstellung in St. Louis 1904.
Von Professor M. Buhle und Dipl.-Ing. W.
Pfitzner,
Dresden.
(Fortsetzung von S. 294 d. Bd.)
Das Eisenbahn- und Verkehrswesen auf der Weltausstellung in St.
Louis 1904.
2. Die Lokomotiven der American Locomotive Co.
Die Ausstellung der American Locomotive Co., die, wie
schon unter der Zusammenstellung 1 (S. 258 und 259, Anm.17)) bemerkt, neun einzelne Fabriken umfasst, zeigte in ihrer an Umfang
der Baldwinschen gleichkommenden Ausstellung ebenfalls
einen guten Ueberblick über den jetzigen Lokomotivbau in den Vereinigten Staaten.
Auch hier herrschten die schweren Typen vor, eine Reihe neuer Konstruktionen boten
besonderes Interesse.
Textabbildung Bd. 320, S. 321
Fig. 43. Vierzylindrige ⅖-gek. Schnellzug-Verbundlokomotive der American
Locomotive Co. (Schenectady-Werke).
Von den dreizehn ausgestellten Lokomotiven seien folgende näher beschrieben.
⅖-gek.
Vierzylinder-Verbundlokomotive der New York Central & Hudson River R.
R. (Fig. 43–48).
Diese Lokomotive ist besonders für die beiden Schnellzüge: 20 th. Century Express (von New-York nach Chicago
in 20 Stunden, Durchschnittsgeschwindigkeit 79 km/St.), sowie Empire State Express (von New-York nach Buffalo in 8,2 Stunden,
Durchschnittsgeschwindigkeit 86 km/St.) gebaut
worden. Sie ist als Vierzylinder-Verbundmaschine mit zweiachsigem Antrieb
ausgeführt, entspricht also im allgemeinen der Anordnung von de Glehn, jedoch ist die Lagerung der Zylinder
wesentlich von dieser Bauart unterschieden. De
Glehn legt die Hochdruckzylinder nach aussen, und zwar ziemlich weit
zurück, fast vor die erste Treibachse, während die Niederdruckzylinder unter der
Rauchkammer liegen.D. p. J. 1904,
319, S. 705. Wegen dieser
getrennten Lage der Zylinder werden zwei getrennte Steuerungen nötig. Um mit nur
einem Steuerungsantrieb auf jeder auszukommen, hat nun F. J. Cole, Oberingenieur der Schenectady-Werke, ein Zylinderpaar, und
zwar die Hochdruckzylinder ganz nach vorn gelegt, über die erste Achse des
Drehgestells, die Niederdruckzylinder dagegen an dem üblichen Platze
seitlich unter der Rauchkammer gelassen.
Textabbildung Bd. 320, S. 322
Fig. 44.
Die Hochdruckzylinder treiben die erste, die
Niederdruckzylinder die zweite Kuppelachse an. Auf diese Weise sind die Zylinder
verhältnismässig nahe aneinander geblieben, vor allen Dingen liessen sich die
Verbindungsrohre und ein gemeinschaftlicher Schieberkasten ohne
Schwierigkeiten unterbringen, es wurde möglich, beide Schieber für Hoch- und
Niederdruck auf dieselbe Schieberstange zu setzen. Im Interesse der Einfachheit
wird diese Anordnung in Amerika höher bewertet als die europäische.
Textabbildung Bd. 320, S. 322
Wie aus der Gesamtansicht Fig. 43 und 44 zu sehen ist, liegen die
Hochdruckschieberkasten und einige Verbindungsrohre sehr frei, unmittelbar der
kalten Luft ausgesetzt, es dürften demnach erhebliche Abkühlungsverluste
namentlich im Winter zu erwarten sein. Die Bauart der Zylinder selbst, die in
Fig. 48 näher dargestellt ist (die in
verschiedenen Ebenen liegenden Zylinder sind in die Zeichenebene zurückgedreht),
zeigt eine grosse Rücksicht auf die Ungenauigkeiten beim Zusammenbau, eine
Zentrierung des
gemeinschaftlichen Schiebergehäuses ist nicht vorhanden. Die Abdichtung des
(schwarz gezeichneten) Verbindungsstückes geschieht einerseits durch ebene
Flächen und Schraubenanpressung, anderseits durch eine Stopfbüchse, die
Schieberstange hat im Hochdruckschieber Spiel für Achsenabweichung.
Textabbildung Bd. 320, S. 323
Fig. 48. Zylinderkonstruktion zu Fig. 43–47.
Die Dampfverteilung ist ähnlich der bei den Baldwinschen Vierzylinderlokomotiven, der Frischdampf tritt um den
Hochdruckschieber herum abwechselnd in die Kanäle des Hochdruckzylinders, strömt
dann unmittelbar oder durch den Hochdruckschieber nach dem Niederdruckschieber,
der Auspuffdampf geht schliesslich um den Niederdruckschieber herum in das
Blasrohr. Das Füllungsverhältnis der beiden Zylinder ist natürlich
unveränderlich.
Das Triebwerk ist besonders leicht gehalten, alle Kreuzköpfe haben nur einseitige
Führung, die gekröpfte Achse zeigt die bei uns neuerdings übliche Form mit
schrägem Verbindungsarm zwischen den beiden inneren Kröpfungen (s. Fig.
46).s. Buhle, Das Eisenbahn- und Verkehrswesen,
Düsseldorf, Z. d. V. I. 1902, S. 1215, Fig. 2 und 3.
Textabbildung Bd. 320, S. 323
Fig. 49. ⅘-gek. Güterzuglokomotive der American Co. (Schenectady-Werke).
Seitenansicht.
Textabbildung Bd. 320, S. 323
Fig. 50. Vorderansicht.
Textabbildung Bd. 320, S. 324
Fig. 51.
Textabbildung Bd. 320, S. 324
Die Treibräder weisen bei dem fast vollständigen Massenausgleich natürlich
nur kleine Gegengewichte auf, die hintere Laufachse ist nicht verstellbar.
Der Kessel der Maschine gehört dem Straight Type an,
er hat eine grosse Zahl Siederohre und ist schwerer als der Kessel der Baldwinschen Vierzylindermaschine. Die Feuerbüchse
ist, wie fast allgemein üblich bei grösseren Maschinen, breit gebaut; besonders
bemerkenswert ist die Ausbildung des Rahmens unter ihr, der nicht aus zwei
Barren, sondern aus einer breiten Platte von ziemlicher Dicke besteht. Es
scheint demnach, als ob die Vereinigung von Barren- und Plattenrahmen recht
brauchbar ist und Anhänger gewinnt. (Die Maschine von Egestorff, No. 37 in Zusammenstellung 1s. Buhle, Das
Eisenbahn- und Verkehrswesen, Düsseldorf, Z. d. V. I. 1902, S. 1215,
Fig. 2 und 3. besitzt ebenfalls einen kombinierten Rahmen, es
ist in der Hauptsache ein Plattenrahmen ausgeführt, der vorn an den Zylindern in
einen Barrenrahmen übergeht.)D. p. J.
S. 258 und 259 d. Bd.
⅘-gek. Güterzuglokomotive der New
York Central & Hudson River R.
R.
Diese Maschine, in den Fig. 49–55 näher
dargestellt (Hauptmasse unter No. 19 in Zusammenstellung lD. p. J. 1904, 319, S. 659, Fig. 8 und 9.), ist der
Normaltypus der Güterzuglokomotiven dieser Bahn. Die Maschine ist sehr schwer
gebaut, ihr Gewicht beträgt nahezu 100 t; sie ist als Zwillingsmaschine nicht
abweichend vom gewöhnlichen. Auffallend ist der ungewöhnlich grosse Kessel,
dessen gewaltige Masse besonders aus der Vorderansicht, Fig. 50, hervorgeht. Der Kessel gehört dem Straight Type an, Feuerbüchse und Siederohre (458)
sind die gewöhnlichen.
Textabbildung Bd. 320, S. 325
Schiebergestänge der American Locomotive Co.
Neu an diesen Maschinen ist die Führung des Steuerungsgestänges. Die Ausführung
ist in Fig.
55 und 55a näher
dargestellt. An Stelle der sonst üblichen zweiarmigen Hebel, die die von der
Kulisse kommende Stange nach aussen zur Schieberstange überleiten, ist hier eine
unmittelbar nach oben führende Stange angewendet, die mit nur einem einarmigen
Hebel mit der Schieberstange verbunden ist. Auf diese Weise wird die sonst oft
notwendige Gabelung der Kulissenstange um eine vorliegende Treibachse gänzlich
vermieden (vergl. z.B. Fig. 34, S. 293),
ausserdem lässt sich die Steuerung zwangloser anordnen, da die Unterbringung des
einarmigen Hebels ohne Rücksicht auf die Räder erfolgen kann. Der Nachteil, dass
die schief liegende Stange auf Biegung beansprucht wird, ist nicht bedeutend, da
bei den in Verwendung stehenden Kolbenschiebern keine grossen Kräfte auftreten.
Die Anordnung scheint sich in grösserem Masstabe einzubürgern.
(Fortsetzung folgt.)