Titel: | Genaue Konstruktion der Schieberdiagramme. |
Autor: | Alexander Goldberger |
Fundstelle: | Band 320, Jahrgang 1905, S. 451 |
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Genaue Konstruktion der
Schieberdiagramme.
Von Alexander Goldberger.
Genaue Konstruktion der Schieberdiagramme.
Zur Konstruktion einer Dampfmaschinensteuerung ist das Aufzeichnen eines
Schieberdiagrammes notwendig. Hierbei wird in der Praxis fast durchweg das Zeunersche oder das Müller-Reuleauxsche angewendet. Dabei wird im allgemeinen vorausgesetzt,
dass Schub- und Exzenterstange unendlich lang sind, denn bei Annahme endlicher
Stangen ergeben sich erhebliche Komplikationen. Man hilft sich dann oft, indem man
die aus dem einfachen Diagramm erhaltenen Ergebnisse mehr oder weniger „nach dem
Gefühl“ berichtigt.
Im nachstehenden ist ein Verfahren angegeben, das die Endlichkeit der Stangen
berücksichtigt und dabei ebenso einfache und übersichtliche Diagramme wie die
näherungsweisen Verfahren, ergibt.
Es sei PC = L die
Schubstangenlänge, MP = R
der Kurbelhalbmesser, PA die um P gedrehte, zu MO parallel gedachte Lage der
Schubstange, wobei der Bogen CA beschrieben wurde.
Wir ziehen nun YY1
senkrecht zu XX1 und
nehmen auf dem dem Kurbelkreise gleichen Kreis O den
Punkt V und die zu MO
parallele Gerade VV1
so an, dass
\mbox{sin}\,V\,O\,V^1=\frac{R}{L}, also
V\,V^1=\frac{R^2}{L} ist.
Wir wollen nun nachweisen, dass VC und V1
B sich in E auf der
Kreislinie schneiden.
Denken wir uns O als Koordinatenanfangspunkt und
bezeichnen die laufenden Koordinaten von A mit ξ und η; so sind die von
B : ξ und 0; die von C\,:\,\xi-(L-\sqrt{L^2-\eta^2}) und 0 oder da η2
= R2
– ξ2, auch \xi-L+\sqrt{L^2-R^2+\xi^2}
und 0; die von V, -\frac{R^2}{L} und \frac{R}{L}\,\sqrt{L^2-R^2} und die von
V1, 0 und
\frac{R}{L}\,\sqrt{L^2-R^2}.
Textabbildung Bd. 320, S. 452
Fig. 1.
Es kann also die Gleichung von CV geschrieben
werden:
\frac{y-\frac{R}{L}\,\sqrt{L^2-R^2}}{x+\frac{R^2}{L}}=\frac{-\frac{R}{L}\,\sqrt{L^2-R^2}}{\xi-L-\sqrt{L^2-R^2+\xi^2}+\frac{R^2}{L}} 1)
oder
\frac{y+a}{x+b}=\frac{a}{b+c} . . . . . . 2)
Durch Vergleich von 1) und 2) ergeben sich unmittelbar die Werte von a, b und c. Die Gleichung
von BV1 ist:
\frac{y}{x-\xi}=\frac{a}{\xi} . . . . . . 3)
Der Schnittpunkt ergibt sich durch Lösung von 2) und 3):
\left\{{{x=\frac{b\,\xi}{b+c-\xi}}\atop{y=\frac{a\,(\xi-c)}{b+c-\xi}}}\right\ .\ .\ .\ .\ 4)
Durch Summieren der Quadrate von x und y fällt f heraus, nachdem a,
b und c durch ihre Werte ersetzt werden und es
bleibt:
x2+ y2= R2 . . . . . .
5)
Also liegt der Durchschnittspunkt auf der Kreislinie.
Es sei nun ein Schieber vorausgesetzt, dessen Exzenterstange die Länge l haben möge. Die Exzentrizität betrage r, der Voreilwinkel sei d,
so gilt bezüglich der Exzenterstange selbstverständlich genau dasselbe wie bezüglich
der Schiebstange.
In Fig. 2 beziehen sich die kleinen Buchstaben auf
die Exzenterstange, die grossen auf die Schubstange, im übrigen sind die
Bezeichnungen dieselben wie in Fig. 1, also
v\,v'=\frac{r^2}{l}.
Wird die Deckelseite des Kolbens betrachtet, so sieht man, dass der Einströmungskanal
sich öffnet, sobald der Schieber den Weg Oc von seiner
Mittellage aus zurückgelegt hat, wobei Oc der äusseren
Ueberdeckung gleich ist. Ist der Schieber in c, so ist
die entsprechende Lage der Projektion des Kurbelzapfens auf die Bewegungsrichtung in
b, welchen Punkt man erhält, indem man e, den Schnittpunkt von cv
mit der Kreislinie, mit v' verbindet.
Die Kurbellagen, die der Eröffnung und der Schliessung des Einströmkanals
entsprechen, sind OA und OA1. wobei AA1 senkrecht auf x gezogen wurde.
Ebenso würde man auf der rechten der Figur für die Kurbelseite verfahren. Sind die
inneren Ueberdeckungen gegeben, so findet man in gleicher Weise die anderen Phasen
der Dampfverteilung.
Sind z.B. die Voreinströmung XC1Damit die
Figur recht deutlich ausfällt, wurde eine abnorm grosse Voreinströmung
angenommen. und die Füllung XC
gegeben und der Voreilwinkel und die eine äussere Ueberdeckung zu ermitteln, so
zieht man VCE, dann EBV1, ebenso VC1E1 und E1B1V1; dann errichtet man BA und B1A1 senkrecht zu XX, und hat schon, indem man xx senkrecht zu AA1 errichtet, den Voreilwinkel δ. Ist b auf AA1 bestimmt, so erhält man c, nachdem man vv1 ⊥ yy und gleich \frac{r^2}{l} aufgetragen hat.
Dadurch ist die äussere Ueberdeckung Occ ermittelt.
Fig. 2 zeigt auch die grossen Unterschiede zwischen
dem Zeunerschen Näherungsverfahren und dem
beschriebenen genauen Verfahren, das noch den Vorteil hat, keine Kreise zur
Konstruktion zu benötigen, somit bei gleichem Masstabe eine grössere Genauigkeit
ermöglicht.
Diese Figur gilt für direkt angetriebene Aussenkantsteuerung. Für Innenkantsteuerung
wäre vv' nach der entgegengesetzten Seite, also links
von yy, aufzutragen. Es ist also zu unterscheiden, ob
der Aufkeilwinkel 90 ° + δ oder 270° + δ beträgt.
Textabbildung Bd. 320, S. 452
Fig. 2.
Voreinströmen nach Zeuner; Füllung
nach Zeuner, Füllung- nach dem genauen Verfahren
Wir wollen nun an Hand des Diagrammes die Konstruktion rechnerisch verfolgen. Die
Koordinaten der in Fig. 3 vorkommenden Punkte sind,
wenn wir den Radius mit R, die Länge v\,v'=\frac{r^2}{l} mit k bezeichnen:
k und \sqrt{R^2-k^2} für v,
0 und \sqrt{R^2-k^2} für v1,
ferner bezeichnen wir die Koordinaten von e mit ξ1 und η1, die von b mit x1 und 0 die von c mit x und 0.
Die Gleichung von ve lautet:
\frac{\xi_1-x}{\eta_1}=\frac{x-k}{-\sqrt{R^2-k^2}}.
Die des Kreises ist:
ξ12+ η12= R2.
Indem wir diese beiden Gleichungen nach ξ1 lösen, finden wir:
(R2
– 2 kx + x2) ξ12 – 2 ξ1
(R2
– k2) x
– (k2x2
– kR2x + k2R2) = O.
Wir würden nun zwei Lösungen bekommen, da ein Kreis von einer Geraden stets in zwei
Punkten geschnitten wird; die eine Lösung kennen wir aber: es ist der Punkt v für den ξ1 = k ist. Wir finden
die zweite Lösung, indem wir aus der Summe der Lösungen die durch die obige
Gleichung gegeben ist, k abziehen. Also ist für e:
\xi_1=\frac{2\,x\,(R^2-k^2)}{x^2-2\,k\,x+R^2}-k . . . . 6)
Die Gleichung von v1
e ist:
\frac{x_1-\xi_1}{v_1-\eta_1}=\frac{\xi_1}{\eta_1-\sqrt{R^2-k^2}}
Setzt man y1 = O und löst nach x1 auf, so findet man für x1 wenn das – vor dem Wurzelausdruck
berücksichtigt wird:
x_1=\frac{\xi_1}{{\xi_1}^2-k^2}\,(R^2-k^2-\sqrt{R^4-({\xi_1}^2-k^2\,R^2+{\xi_1}^2\,k^2)} . . . 7)
Nun verdrehen wir Fig. 3 um 90° – δ, bis wir Fig. 4
erhalten. Die neuen Koordinaten von b sind:
xl sin δ und – x1 cos δ.
Die Gleichung von AA1
ist:
\eta=\xi\,\mbox{tg}\,\delta-\frac{x_1}{\mbox{cos}\,\delta}
und die des Kreises ist
ξ2 +
η2 = R2.
Beide nach ξ aufgelöst, ergeben für A bezw. A1:
\xi=x_1\,\mbox{sin}\,\delta\,\pm\,\mbox{cos}\,\delta\,\sqrt{R^2-{x_1}^2} . . 8)
Textabbildung Bd. 320, S. 453
Fig. 3.
Textabbildung Bd. 320, S. 453
Fig. 4.
Bei gegebenem x = Oc kann ξ1 nach 6), x1 nach 7), ξ =
OB nach 8) gerechnet werden, dann (s. Fig.
1) ist O\,C=\xi-L+\sqrt{L^2-R^2+\xi^2.}:
Wird \frac{r^2}{L}=\frac{R^2}{L}=O gesetzt, so erhält man nach einigen einfachen Transformationen,
dieselben Ausdrücke, wie sie sich aus dem Zeuner-Diagramm ergeben würden.