Titel: | Ueber den Wärmedurchgang bei Kesselheizflächen. |
Autor: | Jens Rude |
Fundstelle: | Band 320, Jahrgang 1905, S. 453 |
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Ueber den Wärmedurchgang bei
Kesselheizflächen.
Von Jens Rude, Ingenieur.
(Schluss von S. 435 d. Bd.)
Ueber den Wärmedurchgang bei Kesselheizflächen.
Bei dem letzthin besprochenen Versuch wurde, wie I allgemein üblich, der mittlere Durchgangskoeffizient bestimmt. Für den
vorliegenden Gegenstand der Betrachtung würde es von noch grösserem Interesse sein,
zu erfahren, in welcher Weise die Grösse des Durchgangskoeffizienten sich innerhalb
derselben Heizfläche und bei gleicher Beanspruchung verändert. Ueber einen solchen
Versuch hat Paul Fuchs in der „Zeitschrift des
Vereins deutscher Ingenieure“ von 1904, S. 379, berichtet. Mit
Berücksichtigung der veränderlichen spezifischen Wärmen der Heizgase und durch
Messung der Heizgastemperaturen an verschiedenen Stellen der Heizfläche hat Fuchs die Wärmeverteilung für die Heizfläche eines
Wasserrohrkessels von 300 qm bei einer Beanspruchung von etwas über 20 kg Dampf f.
d. qm und Stunde ermittelt.
In Fig. 2 sind die Kurven nach den von Fuchs durch Versuch und Rechnung gefundenen Ergebnissen
aufgezeichnet. Die Darstellung bezieht sich auf den zurückgelegten Weg der Heizgase,
gekennzeichnet durch die Reihenfolge 123... der
einzelnen Rohrreihen. Die Zahlenbezeichnungen 1 und 1', 2 und 2' usw. geben
jedesmal dieselbe Rohrreihe an; nur werden die mit 123... bezeichneten Teile der Rohrreihen früher und die mit 1'2'3'... später von den Rauchgasen bestrichen. Beide
Gruppen sind durch den Ueberhitzer getrennt. Es ergeben sich aus diesem Grunde
für die durch Versuche bestimmten Wassergeschwindigkeiten in den Rohrreihen zwei
Kurven, ef und gh.
Textabbildung Bd. 320, S. 453
Fig. 2.
Natürlich herrschen dabei in den gleichnummerierten Rohrreihen
dieselben Geschwindigkeiten, so dass z.B. in der ersten (untersten) Rohrreihe die
Umlaufgeschwindigkeit des Wassers sowohl bei 1 als auch
bei 1' dieselbe ist. In der Abbildung geben ferner die
Kurven ab die Temperaturunterschiede zwischen Heizgasen
und Wasser und cd die Durchgangskoeffizienten k an.
Die Darstellung gibt bezüglich der letzteren zu erkennen, dass k zwischen 54,5 und 12,5 W. E. schwankt. Der grössere
Wert entfällt auf den Teil der ersten Rohrreihe, welcher unmittelbar über dem Feuer
liegt, und ist daher zum Teil der Wirkung der strahlenden Wärme zuzuschreiben.
Ausser dem Einfluss der Heizgastemperatur auf den Durchgangskoeffizienten bringt die
Figur noch besonders deutlich den Einfluss der Wassergeschwindigkeit zum Ausdruck.
So erkennt man an den letzten Teilen der Heizfläche, wie die Kurve für k infolge des kräftigen Wasserumlaufes in den untersten
Rohrreihen allmählich ansteigt, trotz der Abnahme der Rauchgastemperatur.
Es wurde schon erwähnt, dass zur unmittelbaren Bestimmung der beiden
Uebergangskoeffizienten a1 und a2 an
Dampfkesseln noch keine Versuche vorliegen. Indessen lassen sich, wie in der Folge
gezeigt wird, auf Grund von Ueberlegung und von Erfahrungsresultaten diese
Koeffizienten rechnerisch angenähert bestimmen. Das nachstehende Verfahren stellt
keinen Anspruch auf Genauigkeit, sondern bezweckt nur den Nachweis zu bringen, dass
die Werte von a1 und
a2 ganz andere
sind, als bisher vermutet.
Es ist bekannt, dass durch Ablagerung von Kesselstein oder durch Oelansammlung auf
der Heizfläche die Wärmeabgabe des Bleches an das Wasser zum Teil verhindert wird,
so dass eine Wärmestauung in der Blechwand entsteht. Eine solche örtliche
Ueberhitzung des Bleches kann, wenn sie in der Nähe des Feuerraumes stattfindet,
Ausbeulungen verursachen, wozu Temperaturen von 450 bis 500 ° in der Wand
erforderlich sind.
Wie hoch nun unter gewöhnlichen Verhältnissen die Temperaturen in der Wand liegen,
hängt in erster Linie von dem Zustand der wasserberührten Heizflächenwand ab. Wenn
die Fläche rein ist und die Wasserbewegung ausreichend stark, so wird die
Wandtemperatur selbst über dem Feuerraum nur wenig höher sein als die des Wassers.
Anderseits aber genügt erfahrungsgemäss eine nur geringe Schicht von Oelansammlung
oder von Kesselstein, um das Blech bis zur Rotglut zu erhitzen.Nach Versuchen von Morison an einem Flammrohrkessel, veröffentlicht in
„Engineering“ S. 589 und 619 d. J. genügt eine I sehr dünne Haut
von Mineralöl auf dem Flammrohr, um die Temperatur schon bei mittlerer
Beanspruchung der Heizfläche sofort auf 360 ° und höher zu bringen. Morison fügt hinzu, dass diese Tatsache
imstande ist, manche sonst mystische Einbeulung an Flammrohren zu
erklären.
Im praktischen Betrieb ist die Heizfläche nie ganz frei von Verunreinigungen und
allenfalls wird sie an den Stellen, die hier hauptsächlich in Betracht kommen, zum
grossen Teil von Dampf blasen bedeckt sein.
Unter diesen Umständen dürfte man mit der Annahme nicht sehr fehl gehen, dass bei
normalen Betriebsverhältnissen die Wandtemperaturen bei einer Temperatur des Wassers
von etwa 180° an den mehr beanspruchten Stellen der Heizfläche zwischen etwa 200 °
und 300 ° liegen werden.
Im Nachstehenden sollen nun an Hand eines Beispieles für zwei Fälle die
Durchgangskoeffizienten k und die Uebergangszahlen a1 und a2 ausgerechnet werden,
indem einmal ein verhältnismässig reiner Heizflächenteil zugrunde gelegt wird von
220 ° mittlerer Wandtemperatur, und dann bei der gleichen Rauchgastemperatur eine
andere Stelle der Heizfläche, deren Temperatur infolge von Ablagerung auf der
Wasserseite 300 ° beträgt. Ferner soll angenommen werden, dass im ersteren Fall an
der betreffenden Stelle der Heizfläche 35 kg Wasser von etwa 180 W. E.
Flüssigkeitswärme f. d. qm und Stunde verdampft werden. Mit einem Wärmeaufwand
f. d. kg Dampf von 480 W. E. gehen folglich durch die Heizfläche 16300 W. E. f. d.
qm und Stunde. Da für Kesselbleche ein Wärmeleitungskoeffizient λ = 50 gesetzt werden kann, so wird bei einer
Wandstärke δ = 0,013 m nach Gleichung 2) das
Temperaturgefälle in der Wand
t:1-t_2=Q\cdot \frac{\delta}{\lambda}=16300\cdot \frac{0,013}{50}\,\overset{\infty}{=}\,4^{\circ}.
Nach ausgeführten Versuchen an Dampfkesseln darf zur Uebertragung einer Wärmemenge
von 16300 W. E. f. d. qm und Stunde durch Berührung und Leitung unter normalen
Verhältnissen ein Temperaturunterschied zwischen Gas und Wasser von rund 500 ° als
erforderlich angesehen werden. Mit 180 ° Wassertemperatur würden unter diesen
Umständen die Heizgase an der betreffenden Heizflächenzone eine Temperatur von etwa
680 ° besitzen.
In beiden Fällen wird vorausgesetzt, dass die gasberührte Heizflächenwand von
Flugasche und Russablagerung frei ist.
Im ersteren Fall werden nun mit dem gefundenen Temperaturgefälle die Temperaturen der
Heizflächenwand auf der Gasseite t1 = 222° und auf der
Wasserseite t2 = 218°,
und die entsprechenden Temperatursprünge 680 – 222 = 458 ° und 218 – 180 = 38 °.
Nach den Gleichungen 1) und 3) lassen sich hiernach die Wärmeübergangskoeffizienten
a1 und a2 berechnen. Es
wird:
\alpha_1=\frac{Q}{t_g-t_1}=\frac{16300}{458}=35,6 W.E.
und
\alpha_2=\frac{Q}{t_2-t_w}=\frac{16300}{38}=430 W.E.
Nach Gleichung 7) findet sich dann der Wärmedurchgangskoeffizient zu
k=\frac{1}{\frac{1}{35,6}+\frac{1}{430}}=33.
Bei der nach dem zweiten Fall angenommenen mittleren Wandtemperatur von 300 ° werden
die beiden Temperaturen auf der Gas- und Wasserseite der Wand ohne grossen Fehler
t1' = 302 ° und t2' = 298 °. Die
entsprechenden Temperatursprünge sind 680 – 302 = 378 ° und 298 – 180 = 118°.Von Rechts wegen ist die Bezeichnung
Temperatursprung hier nicht ohne weiteres zutreffend, da zwischen Metallwand
und Wasser eine wenn auch geringe Körperschicht von schlechtem
Wärmeleitungsvermögen vorhanden ist, in welcher sich der Temperaturabfall
hauptsächlich vollzieht.Um, wie hier angenommen, eine Temperatur von 300° in der Wand hervorzurufen,
ist, wie gesagt, eine starke Verschmutzung der Heizfläche keineswegs
erforderlich. Dies geht noch aus der Tatsache hervor, dass die Rohre
einzelner Wasserrohrkessel beim angestrengten Betrieb oft so erhitzt werden,
dass sie sich krümmen. Diese Erscheinung, die in besonderer Verschmutzung
der Rohre keineswegs ihre Ursache hat, rührt vielmehr von ungenügender
Wasserbewegung her und daraus folgender Ansammlung von Dampf in den Rohren.
Bei anderen Dampfkesseln wird natürlich aus dem gleichen Grunde anstellen
mit lebhafter Verdampfung infolge der sich fortwährend bildenden und
fortwährend anhaftenden Dampfblasen eine Temperaturerhöhung der Wand
entstehen, die je nach der Stärke der Wasserbewegung verschieden ist. Es
verdient in Zusammenhang hiermit erwähnt zu werden, dass bei
Ueberhitzeranlagen Temperatursprünge zwischen Wand und Dampf von 120° und
mehr bei etwa 500 ° Rauchgastemperatur gemessen worden sind.
Da sich auf der Gasseite der Heizfläche ausser dem Temperatursprung nichts geändert
hat, so wird auch in diesem Fall der Wärmeübergangskoeffizient a1 den vorhin
ermittelten Wert a1 =
35,6 behalten können. Nach Gleichung 1) berechnet sich dann die jetzt übergehende
Wärmemenge zu
O' = 35,6 (680 – 302) = 13460 W.
E.
Es gehen also in der Stunde 16300–13460 = 2840 W. E. f. d. qm weniger über als
vorhin.
Nach Gleichung 3) wird nun
a'_2=\frac{O'}{298-180}=\frac{13460}{118}=114 W.E.
Wonach sich der neue Durchgangskoeffizient berechnet zu
k'=\frac{1}{\frac{1}{35,6}+\frac{1}{114}}=\frac{1}{0,0368}=27,2 W.E.
Durch die Erhöhung der mittleren Wandtemperatur von 220 ° auf 300 ° infolge
vermehrten Wärmewiderstandes der wasserseitigen Heizfläche ist also der
Wärmedurchgangskoeffizient von 33 auf 27,2, d.h. um rund 17 v. H.
zurückgegangen.Nach ausgeführten
Versuchen soll z.B. eine Kesselsteinschicht von nur 1,5 mm genügen, um den
Kohlenverbrauch um 15 v. H. zu erhöhen.
Textabbildung Bd. 320, S. 455
In den Fig.
3a und 3b ist der Verlauf der Temperatur bei der Wärmeübertragung in beiden
Rechnungsfällen veranschaulicht. Unter der Voraussetzung, dass die Wand aus
homogenem Material von gleichem Wärmeleitungsvermögen besteht, darf eine
gleichmässige Abnahme der Temperatur in der Wand angenommen werden, so dass das
betreffende Kurvenstück geradlinig wird. Man erkennt aus den Figuren deutlich die
Einwirkung der Verunreinigung auf die Wandtemperaturen.
Aus dem angeführten Beispiel geht deutlich hervor, dass eine Veränderung des
Uebergangskoeffizienten a2 ganz erheblich den Durchgangskoeffizienten k bezw. die Wärmeübertragung beeinflussen kann.
In ähnlichem Sinne wie die Verunreinigung der wasserseitigen Heizfläche beeinflusst
eine mangelhafte Wasserbewegung den Uebergangskoeffizienten a2 bezw. den Durchgangskoeffizienten k. Bei ausreichend starker Bewegung des Wassers wird
selbst bei sehr lebhafter Verdampfung die Heizfläche mehr von Wasser und weniger von
Dampf bedeckt sein, wodurch der Wärmewiderstand vermindert wird.
Da nun an den verschiedenen Heizflächenstellen die Wasserströmung verschieden ist,
und da ferner die Ablagerung von verunreinigenden Bestandteilen ganz ungleichmässig
erfolgt, so ergibt sich in Zusammenhang mit dem Vorstehenden, dass
Heizflächenstellen, selbst wenn sie in gleichen Temperaturzonen liegen, in sehr
verschiedenem Masse an der Wärmeübertragung beteiligt sein können.
Für eine Verunreinigung der äusseren Heizfläche etwa durch Ablagerung von Flugasche
würde die Rechnung eine Erhöhung des Temperatursprunges zwischen Heizgasen und Wand
ergeben. Da die Temperatur der Gase von der Flugaschenschicht als unbeeinflusst
angesehen werden kann, wenn es sich um einen kleinen Teil der Heizfläche nur
handelt, so wird sich hier im Gegensatz zu der Verunreinigung der Innenheizfläche
die Wandtemperatur vermindern. In beiden Fällen wirkt aber die Verunreinigung
wärmeisolierend, so dass stets weniger Wärme hindurchgeht.
Im Vorstehenden ist ein Thema behandelt worden, welches berufen ist, für den modernen
Dampfkesselbau von grösster Bedeutung zu sein; denn ohne Zweifel sind die
Dampfkessel nach der wärmetechnischen hin noch entwicklungs- und
verbesserungsfähig.
Der vielfach gehegte Glaube, dass die Wärmeübertragung der Kesselheizflächen nicht
beschleunigt werden kann, dass es mit anderen Worten keine Mittel und Wege gibt, den
Wärmedurchgangskoeffizienten zu erhöhen, ist deshalb irrig.
Sehr wahrscheinlich wird sich die Entwicklung der Dampfkessel gerade auf diesem Wege
früher oder später bewegen. Hierzu ist aber in erster Linie erforderlich, Klarheit
darüber zu erhalten, welche Einflüsse in günstigem und welche in ungünstigem Sinne
auf den Wärmedurchgangskoeffizienten einwirken.