Titel: | Spannungen in prismatischen Röhren und Gefässen mit vierseitigem Querschnitt. |
Autor: | Wehage |
Fundstelle: | Band 320, Jahrgang 1905, S. 469 |
Download: | XML |
Spannungen in prismatischen Röhren und Gefässen
mit vierseitigem Querschnitt.
(Schluss von S. 451 d. Bd.)
Spannungen in prismatischen Röhren und Gefässen mit vierseitigem
Querschnitt.
In der folgenden Tabelle sind die nach obigen Formeln berechneten
Biegungsmomente M1M2M3M4 und Mφx, ausgedrückt durch
pn2,
zusammengestellt, und zwar für die Seitenverhältnisse \frac{m}{n}=1, 1,5, 2, 3, 5 und 10 und für die
Abrundungswerte \frac{r}{n}=0, 0,1, 0,2, 0,3, 0,5 und 1. Der Wert des absolut grössten Momentes ist immer
fett gedruckt.
Tabelle der Biegungsmomente, ausgedrückt durch pn2.
\frac{r}{n}
\frac{m}{n}=
1
1,5
2
3
5
10
O
M
1
M
2
Mφ
x
M
3
M
4
– 0,167 0,333 – 0,333– 0,167
0,083 0,583 – 0,583– 0,542
0,500 1,000 – 1,000– 1,000
1,823 2,333 – 2,333– 2,167
6,50 7,00 – 7,00– 5,50
29,83 30,33 – 30,33– 19,67
0,1
M
1
M
2
Mφ
x
M
3
M
4
– 0,159 0,246 0,283–
0,246– 0,159
0,095 0,500 0,526 0,450– 0,530
0,2
M
1
M
2
Mφ
x
M
3
M
4
– 0,149 0,171 0,237
0,171– 0,149
0,107 0,427 0,472 0,327– 0,518
0,532 0,852 0,886 0,652– 0,968
1,887 2,207 2,229
1,807– 2,113
0,3
M
1
M
2
Mφ
x
M
3
M
4
– 0,137 0,108 0,195
0,108– 0,137
0,121 0,366 0,423 0,216– 0,504
6,66 6,91 6,93
5,71– 5,34
30,20 30,44 30,45
27,74– 19,30
0,5
M
1
M
2
Mφ
x
M
3
M
4
– 0,109 0,016 0,120
0,016– 0,109
0,156 0,281 0,340 0,031– 0,469
0,595 0,720 0,760 0,220– 0,905
1,983 2,108 2,133
1,108– 2,017
1
M
1
M
2
Mφ
x
0
0,277
0,739
2,186
7,11
31,14
M
3
M
4
00
– 0,223– 0,348
– 0,261– 0,761
0,186– 1,814
3,11– 4,89
22,14– 18,36
Die Lage der Punkte in den langen Seiten, in welchen das Biegungsmoment Null
wird (das sind auch die Wendepunkte der elastischen Linie) ist nach Gleichung 2) zu
bestimmen aus
0=M_3-\frac{1}{2}\,p\,(b^2-{z_0}^2),
wenn z0 die Entfernung jener Punkte von den Seitenmitten bezeichnet. Man
erhält
\frac{z_0}{m}=\frac{n}{m}\,\sqrt{\left(\frac{m}{n}-\frac{r}{n}\right)^2-\frac{2\,M_3}{p\,n^2}} . . . 21)
Diese Formel, welche nur gültig ist, so lange z0 < m – r, oder
so lange \frac{z_0}{m}\,<\,1-\frac{r}{n}\,\frac{n}{m}, liefert die folgenden Werte von \frac{z_0}{m}
\frac{r}{n}
\frac{m}{n}=1
1,5
2
3
5
10
0
0,577
0,694
0,707
0,693
0,663
0,627
0,1
0,564
0,687
0,2
0,546
0,679
0,695
0,687
0,3
0,524
0,669
0,653
0,621
0,5
0,467
0,646
0,675
0,670
1
–
–
–
0,635
0,626
0,606
Für \frac{m}{n}=1 gelten die Werte von \frac{z_0}{m} selbstverständlich für alle
Seiten.
Für \frac{m}{n}=1,5 und \frac{m}{n}=2 wird mit \frac{r}{n}=1 der Wert von \frac{z_0}{m}\,>\,1-\frac{r}{n}\,\frac{n}{m}, d.h. es fällt der
Schnitt, in welchem das Biegungsmoment das Zeichen wechselt, in die Abrundung
hinein. Seine Lage ist daher nach Gleichung 16) zu bestimmen aus
0=M_2+\left\{\left(1-\frac{r}{n}\right)\,\mbox{sin}\,\varphi_0-\left(\frac{m}{n}-\frac{r}{n}\right)\,(1-\mbox{cos}\,\varphi_0)\right\}\,\frac{r}{n}\,p,n^2
wenn φ0 den Winkel bezeichnet, unter dem der betreffende Schnitt gegen die
Endfläche B geneigt ist (Fig. 3). Mit \frac{m}{n}=1,5 und
\frac{r}{n}=1 ergibt dies
0 = M2
– 0,5 (1 – cosφ0) pn2
oder
\mbox{cos}\,\varphi_0=1-\frac{2\,M_2}{p\,n_2},
also, da in diesem Falle nach der Tabelle M2 = 0,277 pn2 ist,
cos φ0
= 0,446
φ0 = 63° 30'.
Ebenso erhält man für \frac{m}{n}=2 und \frac{r}{n}=1
φ0 =
74 ° 50'.
Bei einer Herstellung des Rohres oder Gefässes durch Schweissen würde die
Schweissnaht an die hiernach ermittelten Stellen zu legen sein, wo das
Biegungsmoment zu Null wird.
Textabbildung Bd. 320, S. 470
Fig. 5.
Textabbildung Bd. 320, S. 470
Fig. 6.
Textabbildung Bd. 320, S. 470
Fig. 7.
Textabbildung Bd. 320, S. 470
Fig. 8.
In den Fig. 5 bis 10
sind die Momentenflächen, wie sie sich nach obiger Tabelle für ein Viertel des
Rohrquerschnitts ergeben, dargestellt, und zwar sind die positiven Momente nach
aussen, die negativen nach innen aufgetragen. Der Masstab für den Querschnitt
ist in den Fig. 9 und 10 halb so gross wie in den Fig. 5 bis
8. Der Masstab für die Momente beträgt in Fig. 7 und 8 nur ¼
von dem in Fig. 5 und 6 und in Fig. 9 und 10 nur 0,1 von dem in Fig.
7 und 8, also 1/40 von dem in Fig. 5 und 6. Der grösste Wert des
Momentes ist jedesmal durch ein Kreuz und der Punkt, in welchem das Moment Null
wird, durch einen kleinen Kreis bezeichnet.
Aus der Tabelle und den Figuren ist nun folgendes zu entnehmen:
Negativ (einwärts drehend) ist das Biegungsmoment immer im mittleren Teil der langen
Seiten, d.h. es wird dieser Teil immer nach aussen konvex gebogen, wie auch ohne
Rechnung einzusehen ist. In der Mitte der kurzen Seiten aber wird das Biegungsmoment
nur dann negativ, wenn sie nur wenig kürzer als die anderen oder im Grenzfalt ihnen
gleich sind \left(\frac{m}{n}=1\right). Schon für \frac{m}{n}=1,5 wird das Biegungsmoment in der Mitte
der kurzen Seiten positiv, und zwar um so grösser, je stärker die Abrundung ist. Das
grösste aller Biegungsmomente abgesehen vom Vorzeichen, findet sich fast in allen
Fällen an den Ecken; wenn diese scharf sind, stets. Sind die Ecken abgerundet, so
ist für \frac{m}{n}=1,5 und \frac{m}{n}=2 der Absolutwert des Momentes M4 in der Mitte der
langen Seiten noch etwas grösser, als das grösste Moment Mφx an den Ecken. Für \frac{m}{n}\,\geq\,3 aber
tritt M4 wieder gegen
Mφx zurück, und für
\frac{m}{n}=10 wird Mφx
ungefähr 1,5 mal so gross als M4.
Bezüglich der mehr oder weniger langgestreckten Form der Querschnitte gestattet die
obige Tabelle der Biegungsmomente unmittelbar einen Vergleich zwischen
Rohrquerschnitten von. gleichen Breiten 2 n und
verschiedenen. Höhen 2 m, da die Momente durch pn2 ausgedrückt sind.
Wichtiger wird in vielen Fällen der Vergleich zwischen Querschnitten von gleichem
Inhalt sein. Um diesen zu ermöglichen, sind die Werte der Tabelle mit \frac{m}{n} zu
multiplizieren. Man erhält dann die Momente ausgedrückt durch pmn . mn ist aber, abgesehen von den Abrundungen und
der Wanddicke, der Flächeninhalt des Querschnittes. Z.B. für die nicht abgerundeten
Querschnitte \left(\frac{r}{n}=1\right) ergibt sich hiernach
mit \frac{m}{n}
= 1
1,5
2
M
max
= 0,333
0,389
0,500
mit \frac{m}{n}
= 3
5
10
Mmax
= 0,778
1,40
3,03 pmn.
Der günstige Einfluss der Abrundung tritt besonders
hervor beim quadratischen Querschnitt, für welchen das grösste Biegungsmoment bei
einer Abrundung mit r = 0,5 n nur noch 0,120 pn2 beträgt gegenüber 0,333 pn2 beim nicht abgerundeten Querschnitt.
Auch wenn die Höhe das 1,5 fache der Breite beträgt, ist noch eine Abnahme des
grössten Momentes von 0,583 pn2 bei r = 0 auf 0,469
pn2 bei r = 0,5 n und auf 0,348
pn2 bei r = n festzustellen. Für m
= 2 n und m = 3
n wird durch die Abrundung mit r = 0,5 n nur eine
unerhebliche Verminderung der Momente bewirkt; erst für die vollständig abgerundeten
Enden (r = n) sinkt das Maximalmoment von 1,000 auf
0,761 pn2, bezw. von
2,333 auf 2,186 pn2.
Bei den langgestreckten Querschnitten (m = 5 n und m = 10 n) ändern sich durch die Abrundung die Momente fast gar
nicht mehr, und zwar sind für die an den Enden ganz gerundeten Querschnitte (r = n) die Momente sogar
etwas grösser, als für die nicht abgerundeten Querschnitte. Für diese
langgestreckten Formen ist daher die Abrundung wertlos oder gar ungünstig.
Textabbildung Bd. 320, S. 471
Fig. 9.
Textabbildung Bd. 320, S. 471
Fig. 10.
Aus den Biegungsmomenten berechnen sich nun die grössten Biegungsspannungen σb in der äusseren oder
inneren Wandfläche für die geradlinigen Teile nach der gewöhnlichen Formel
\sigma_b=\frac{M}{W}=\frac{6\,M}{\delta^2} . . . . . . . 22)
unter W das Widerstandsmoment des
rechteckigen Ringquerschnittes verstanden, dessen Breite = 1 genommen wurde, und
dessen Höhe gleich der Wanddicke δ ist.
Für den gekrümmten Teil BC ist diese Formel nicht genau;
sie kann aber ohne erheblichen Fehler auch für diesen Teil benutzt werden, wenn
der Krümmungsradius r der Mittellinie gross ist im
Vergleich mit der Wandstärke δ. Ist r jedoch nur wenig grösser als δ, so ist die genauere, für stark gekrümmte Körper geltende Biegungsformel
anzuwenden, nach welcher
\sigma_b=-\frac{M}{r\,f}\,\left(1+\frac{1}{k}\,\frac{e}{r+e}\right) . . . 23)
zu setzen ist. Darin bezeichnen f
den Querschnitt und e den Abstand seiner äussersten
Punkte von seiner zur Kraftebene senkrechten Schwerpunktsachse. Das Moment M ist positiv zu setzen in dem oben angegebenen Sinne
(nach aussen drehend) und e ist positiv nach aussen zu
rechnen. Ein positiver Wert von a bedeutet eine
Zugspannung, ein negativer eine Druckspannung. Die Grösse k endlich ist eine Funktion des Querschnittes, nämlich
k=-\frac{1}{f}\,\int\,\frac{\eta}{1+\eta}\,d\,f,
wenn η den Abstand eines
beliebigen Flächenelementes df von jener
Schwerpunktsachse bedeutet und das Integral über den ganzen Querschnitt ausgedehnt
wird. Insbesondere für den hier in Betracht kommenden rechteckigen Querschnitt
erhält k hiernach mit e=\frac{\delta}{2} den Wert
k=\frac{r}{\delta}\,l_n\,\frac{2\,\frac{r}{\delta}+1}{2\,\frac{r}{\delta}-1}-1 . . . . . . 24)
z.B. für \frac{r}{\delta}=
1
1,5
2
2,5
3
ergibt sich \frac{1}{k}=
10,1
25,3
46,3
73,0
105,3
Berechnet man hiermit nach Gleichung 23) den Biegungszug an der Innenfläche, also mit
e=-\frac{\delta}{2}, und zwar für r = δ, so erhält man, wenn
ausserdem f = 1 . δ
gesetzt wird
\sigma_b=-\frac{M}{\frac{r}{\delta}\,\delta^2}\,\left(1+10,1\,\frac{-1}{2\,\frac{r}{\delta}-1}\right)
d. i.
\sigma_b=9,1\,\frac{M}{\delta^2},
während sich auf der äusseren mit e=+\frac{\delta}{2} ein Biegungsdruck
ergibt:
\sigma_b=-\frac{M}{\frac{r}{\delta}\,\delta^2}\,\left(1+10,1\,\frac{1}{2\,\frac{r}{\delta}+1}\right)
d. i.
\sigma_b=-4,37\,\frac{M}{\delta^2}.
Vergleicht man hiermit den nach Gleichung 22) sowohl für den Zug innen als auch für
den Druck aussen sich ergebenden Wert \sigma_b=6\,\frac{M}{\delta^2} so erkennt man, dass die genauere
Gleichung 23) einen um reichlich 50 v. H. grösseren Wert für die Zugspannung
liefert, während die Druckspannung aussen erheblich kleiner ausfällt. Auch für r = 2 δ erhält man für den
Biegungszug noch einen wesentlich grösseren Wert, nämlich \sigma_b=7,7\,\frac{M}{\delta^2} und erst M für r = 3 δ wird derselbe \sigma_b=6,6\,\frac{M}{\delta^2}, der Unterschied also
gering, so dass für r > 3 δ in der Regel die einfachere Gleichung 22) zulässig sein wird.
Zu diesen Biegungsspannungen σb treten dann noch die von dem Längszug – er möge
mit Z bezeichnet sein – herrührenden Zugspannungen
\sigma_z=\frac{Z}{1\cdot \delta}
hinzu, so dass sich auf der gezogenen eine Gesamtzugspannung
= σb
+ σz ergibt. Die
Zugkraft Z ist in den langen Seiten (wie bereits oben erörtert wurde)
Z = p (a + r
0
)
und in den kurzen Seiten
Z = p (b +
r0)
zu setzen. Meist wird es genügen, dafür pn bezw. pm zu nehmen.
In einem beliebigen Schnitt des Kreisbogenstückes, Fig. 3, der unter einem
Winkel φ gegen die Endfläche B geneigt ist, ist der genaue Wert der Zugkraft
Z = {p (b +
r0) – pr0 (1 – cos φ)} cos φ
+ {pa + pr0 sin φ} sin φ
d. i. Z = {r0 + a sin φ + b cos φ} p,
oder mit a = n – r und b = m – r
Z=\left\{\frac{r_0}{n}+\left(1-\frac{r}{n}\right)\,\mbox{sin}\,\varphi+\left(\frac{m}{n}-\frac{r}{n}\right)\,\mbox{cos}\,\varphi\right\}\,p\,n . 25)
das gibt insbesondere für \frac{m}{n}=1 und φ = 45 °
Z=\left\{\frac{r_0}{n}+1,414\,\left(1-\frac{r}{n}\right)\right\}\,p\,n . . . 26)
Beispiel: Es sei für einen quadratischen Querschnitt des
Rohres die halbe m = n =
10 cm, die Wanddicke δ = 1 cm. Der Querschnitt des
herausgeschnitten gedachten Ringes von 1 cm Breite bildet dann auch ein Quadrat von
1 cm Seite, dessen Widerstandsmoment mithin W=\frac{1}{6}\cdot 1\cdot 1^2=0,167 zu setzen ist.
Sind nun zunächst die Ecken scharf, so ist nach der Tabelle das grösste
Biegungsmoment an den Ecken 0,333 pn2 = 33,3 p,
folglich
\sigma_{\mbox{b max}}=\frac{33,3\,p}{0,167}=200\,p kg/qcm.
Die Zugkraft Z würde etwa = 10 p kg und, da der
Querschnitt 1 qcm beträgt, auch die zugehörige Zugspannung σz = 10 p
kg/qcm zu setzen
sein. Die Gesamtspannung an der Innenfläche wäre also σb + σz = 210 p
kg/qcm, wonach
schon mit einer Pressung von p = 6 at eine Spannung von
σmax = 1260 kg/qcm erreicht
würde.
Rundet man die Ecken ein wenig ab, etwa so, dass der Krümmungsradius der Mittellinie
2 cm beträgt, also \frac{r}{n}=0,2 ist, so wird das grösste Biegungsmoment in der Mitte
der Abrundung (s. Tabelle) 0,237 pn2 = 23,7 p, womit
sich eine Biegungsspannung σb = 142 p
kg/qcm ergibt. Ein
genauer Wert der Zugkraft an dieser Stelle würde nach Gleichung 26) mit r0 = 1,5 cm zu
berechnen sein und sich zu Z = 1,28 pn = 12,8 p kg und σz = 12,8 p
kg/qcm ergeben.
Die grösste Gesamtspannung wäre also in diesem Falle σb + σz = 154,8 p
kg/qcm, d.h. erst
für 8 at knapp so gross (= 1238 kg/qcm) wie für den nicht abgerundeten Querschnitt bei
6 at.
Werden aber die Ecken noch stärker abgerundet, etwa mit r
= 5 cm, so dass \frac{r}{n}=0,5, so findet man in gleicher Weise σb = 70 p
kg/qcm, σz = 11,6 p
kg/qcm, mithin σmax = 81,6 p
kg/qcm. Damit
würde also erst bei p = 15 at eine etwa gleich hohe
Spannung (= 1224 kg/qcm) wie in dem nicht oder nur schwach abgerundeten Querschnitt bei 6
bezw. 8 at erreicht werden.
Wehage.