Titel: | Kinetik und Kinetostatik des Schubkurbelgetriebes. |
Autor: | Hermann Meuth |
Fundstelle: | Band 320, Jahrgang 1905, S. 487 |
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Kinetik und Kinetostatik des
Schubkurbelgetriebes.
Von Dr. ing. Hermann Meuth,
Karlsruhe.
(Fortsetzung von S. 469 d. Bd.)
Kinetik und Kinetostatik des Schubkurbelgetriebes.
2. Bewegungsgleichung des Kurbelgetriebes.
Die Bewegung des Kurbelgetriebes geben wir in ihrer Abhängigkeit vom Drehwinkel υ der
Kurbel an; mit dieser Koordinate lautet die Lagrangesche Bewegungsgleichung:
\frac{d}{d\,t}\,\left(\frac{\partial\,L}{\partial\,\dot{\varphi}}-\frac{\partial\,L}{\partial\,\varphi}\right)=Q . . . 1 a)
Q ist hier, da es sich um eine Drehung handelt, die
Summe der Momente aller äusseren Kräfte in bezug auf das Wellenmittel, also der
treibenden und widerstehenden Kräfte und der Gewichte der Getriebeteile. Der nächste
Abschnitt wird sich eingehender hiermit beschäftigen.
Die Lösung der Bewegungsgleichung erfordert die Ausführung der darin bezeichneten
partiellen Differentiationen.
Es ist
\frac{\partial\,L}{\partial\,\varphi}=\frac{1}{2}\,\varphi^2\,\left[2\,r\,l\,(M_2+a\,M_3)\,\mbox{sin}\,(\varphi+\eta)\,\left(1+\frac{d\,\eta}{d\,\varphi}\right)\,\frac{d\,\eta}{d\,\varphi}-2\,r\,l\,(M_2+a\,M_3)\,\mbox{cos}\,(\varphi+\eta)\,\frac{d^2\,\eta}{d\,\varphi^2}+2\,l^2\,(M_2+b\,M_3)\,\frac{d\,\eta}{d\,\varphi}\,\frac{d^2\,\eta}{d\,\varphi^2}\right]
ferner
\frac{\partial\,L}{\partial\,\varphi}=\varphi\,\left[r^2\,(M_1+M_2+M_3)-2\,r\,l\,(M_2+a\,M_3)\,\mbox{cos}\,(\varphi+\eta)\,\frac{d\,\eta}{d\,\varphi}-l^2\,(M_2+b\,M_3)\,\left(\frac{d\,\eta}{d\,\varphi}\right)^2\right]
und durch weitere Differentiation nach der Zeit folgt
\frac{d}{dt}\,\left(\frac{\partial\,L}{\partial\,\dot{\varphi}}\right)=\ddot{\varphi}\,\left[r^2\,(M_1+M_2+M_3)-2\,r\,l\,(M_2+a\,M_3)\,\mbox{cos}\,(\varphi+\eta)\,\frac{d\,\eta}{d\,\varphi}+l^2\,(M_2+b\,M_3)\,\left(\frac{d\,\eta}{d\,\varphi}\right)^2\right]
+\dot{\varphi^2}\,\left[2\,r\,l\,(M_2+a\,M_3)\,\mbox{sin}\,(\varphi+\eta)\,\left(1+\frac{d\,\eta}{d\,\varphi}\right)\,\frac{d\,\eta}{d\,\varphi}-2\,r\,l\,(M_2+a\,M_3)\,\mbox{cos}\,(\varphi+\eta)\,\frac{d^2\,\eta}{d\,\varphi^2}+2\,l^2\,(M_2+b\,M_3)\,\frac{d\,\eta}{d\,\varphi}\,\frac{d^2\,\eta}{d\,\varphi^2}\right]
Diese Ausdrücke lassen sich nun mit Hilfe der geometrischen Beziehungen im
Kurbelgetriebe umformen; es ist nämlich
l sin η =
r sin φ oder mit \frac{r}{l}=\lambda
sin η = λ sin φ und \mbox{cos}\,\eta=\sqrt{1-\lambda^2\,\mbox{sin}^2\,\varphi}
Zur Vereinfachung vernachlässigen wir in dem letzteren Wert das Glied mit λ2, setzen also cos
η = 1. Dem entspricht für ein Verhältnis des
Kurbelradius zur Lenkstangenlänge \lambda=\frac{1}{5} ein Fehler von 4 v. H. Auch im
folgenden werden dann Glieder, die unter der Grösse λ2 bleiben, konsequenterweise
vernachlässigt.
Hiermit wird
\frac{d\,\eta}{d\,\varphi}=\lambda\,\mbox{cos}\,\varphi und \frac{d^2\,\eta}{d\,\varphi^2}=-\lambda\,\mbox{sin}\,\varphi,
ferner
sin (φ + η) = sin φ (1 + λ cos φ)
und cos (φ + η) = cos φ – λ sin2φ
Nach Einführung dieser Werte lautet die Bewegungsgleichung:
\frac{d^2\,\varphi}{dt^2}\,\left[\left(M_1+\frac{M_2}{2}+M_3\,\left(1-a+\frac{b}{2}\right)\,r^2\right\right
+\frac{r^2\,\lambda}{2}\,(M_2+a\,M_3)\,\mbox{cos}\,\varphi-\frac{r^2}{2}\,\left(M_2+(2\,a-b)\right)
\leftM_3\,\mbox{cos}\,2\,\varphi-\frac{r^2\,\lambda}{2}\,\left((M_2+a\,M_3)\,\mbox{cos}\,3\,\varphi\right)\right]
+\frac{1}{2}\,\left(\frac{d\,\varphi}{d\,t}\right)^2\,\left[-\frac{r^2\,\lambda}{2}\,(M_2+a\,M_3)\,\mbox{sin}\,\varphi\right
+r^2\,\left((M_2+(2\,a-b)\,M_3)\,\mbox{sin}\,2\,\varphi\right
\left\left+\frac{3\,r^2\,\lambda}{2}\,(M_2+a\,M_3)\right)\,\mbox{sin}\,3\,\varphi\right]=Q 1 b)
Betragen die Massen der rotierenden Teile, auf dem Kurbelzapfen reduziert, mehr als
das Dreifache der hin- und hergehenden Massen, so können die Glieder mit cos φ und cos 3 φ mit
Rücksicht auf die Vernachlässigung: der Glieder mit λ2 weggelassen werden.
Schreibt man die Bewegungsgleichung in der Form
\frac{d^2\,\varphi}{d\,t^2}\,\Theta'+\frac{1}{2}\,\left(\frac{d\,\varphi}{d\,t}\right)^2\,\Theta''=Q,
so erkennt man leicht die darin aus der Lehre für die Drehung
eines starren Körpers bekannten Ausdrücke. Die Klammerwerte [] sind in Analogie zu
den dort auftretenden Grössen als Trägheitsmomente der reduzierten bewegten.! Massen
zu deuten, die aber wegen der darin vorkommenden variabeln Glieder als veränderlich
anzunehmen sind.
Man hat darnach in der Bewegungsgleichung eine Gleichgewichtsbedingung zwischen den
Momenten der äusseren Kräfte und der durch die Bewegung entstehenden Massenkräfte,
nämlich einmal der tangentialen Trägheitskräfte, welche infolge der
Geschwindigkeitsschwankungen im Kurbelkreis entstehen, ausgedrückt durch das 1.
Glied mit \frac{d^2\,\varphi}{d\,t^2} dessen Klammerfaktor erkennen lässt, dass alle bewegten Massen
zu diesen Trägheitskräften einen Beitrag liefern. Das 2. Glied ergibt alsdann das
Moment derjenigen Trägheitskräfte in bezug auf das Wellenmittel an, welche infolge
der dem Kurbeltrieb eigentümlichen absetzenden Bewegung in wagerechter und
senkrechter Richtung auftreten.
Aus der Bewegungsgleichung kann die Grösse der Winkelbeschleunigung der Drehbewegung
in Abhängigkeit von der Winkelgeschwindigkeit aus dem Drehwinkel angegeben werden. Die
Beschleunigung könnte als ein Mass für die Gleichförmigkeit der Drehbewegung
betrachtet werden. Es ist indessen üblich, unter dem Ungleichförmigkeitsgrad das
Verhältnis der Differenz der maximalen und minimalen Geschwindigkeit zur mittleren
Geschwindigkeit zu verstehen. Als mittlerer Wert der Geschwindigkeit wird gewöhnlich
nicht das arithmetische Mittel der Grenzgeschwindigkeiten, sondern der mittlere Wert
der Geschwindigkeit während einer Umdrehung gesetzt. Dagegen ist solange nichts
einzuwenden, als an der einmal angenommenen Definition festgehalten wird. Die auf
den Ungleichförmigkeitsgrad bezüglichen später folgenden Stellen sind als Fälle von
Inkonsequenz nach dieser Richtung zu bezeichnen.
Wie sich aus der Bewegungsgleichung 1 b) ersehen lässt, hängt die
Winkelbeschleunigung der Drehbewegung der Kurbel von dem Drehmoment der äusseren
Kräfte Q, von den oben an zweiter Stelle bezeichneten
Trägheitskräften und von dem Trägheitsmoment Θ' der
bewegten Massen ab. Der konstante Teil von Θ' enthält
die einer bestimmten Geschwindigkeitsschwankung entsprechende Schwungradmasse
einschliesslich der übrigen rotierenden Teile. \left[\frac{M_2}{2}+\left(1-a+\frac{b}{2}\right)\,M_3\right] gibt den konstanten Betrag
an, mit welchem die Masse der Lenkstange und der hin- und hergehenden Teile an der
Schwungradwirkung beteiligt sind. Dieser Betrag ist in den meisten Fällen belanglos.
Wichtiger dagegen ist die Wirkung der Triebwerksmassen auf das Drehmoment an der
Kurbel, welche in dem Gliede mit \left(\frac{d\,\varphi}{d\,t}\right)^2 zum Ausdruck kommt und gerade bei
höheren Geschwindigkeiten hervortritt.
Es ist das Verdienst Radingers, in seinem Werke:
„Dampfmaschinen mit hoher Kolbengeschwindigkeit“, im Gegensatz zu den
bisherigen mehr kinematischen Behandlungen des Kurbelgetriebes mit allem Nachdruck
auf die Massenwirkungen des Gestänges in ihrem Einfluss auf die Bewegung des
Getriebes, auf das Glied mit \left(\frac{d\,\varphi}{d\,t}\right)^2 der Bewegungsgleichung, hingewiesen zu
haben.
Radinger kombiniert in einem äusserst anschaulichen
graphischen Verfahren den Dampfdruck mit dem wagerechten Massendruck des Gestänges,
um hieraus die Drehkraft im Kurbelkreis zu bestimmen. Das Moment des Massendrucks in
bezug auf das Wellenmittel, einschliesslich des von dem transversalen Ausschwingen
der Lenkstange herrührenden Anteiles, wird aber durch unser Glied der
Bewegungsgleichung mit \left(\frac{d\,\varphi}{d\,t}\right)^2 dargestellt. Dieses erscheint bei Radinger nur auf die rechte der Gleichung gesetzt und
dort mit dem Moment der äusseren Kräfte Q vereinigt,
wodurch das Verständnis für die Wirkung der Massen auf das Drehmoment sehr gefördert
wird. Man hat Radinger vielfach als den Entdecker des
Massendrucks bezeichnet; nicht mit Recht. Die Wirkung der Massen auf die Bewegung
der Maschinengetriebe und auf die Reaktionen in denselben ist vor Radinger in der Literatur,s. Bach:
Maschinenelemente. 9. Aufl., S. 677. insbesondere von Poncelel und Le Chatelier
behandelt worden, jedoch in einer Form, die bei den Ingenieuren wenig Eingang fand.
Auch der ausführende Maschinenbau hatte, wo es sich um die Beanspruchung rasch
bewegter Teile handelte, lange vorher mehr oder weniger zielbewusst die
Massenwirkungen berücksichtigt, Es bleibt jedoch das unbestreitbare, grosse
Verdienst Radingers, durch seine äusserst klare und
ursprüngliche Darstellung der Massenwirkungen deren Kenntnis zum Gemeingut der
Ingenieure gemacht, oder wie es Sommerfeld an
einer StelleSommerfeld: Naturwissenschaftliche Ergebnisse
der neueren technischen Mechanik. Z. d. V. d. I. 1904, S. 634.
treffend bezeichnet, das dynamische Gewissen des Technikers geweckt zu haben.
Die vollständige Lösung der Bewegungsgleichung, d.h. die Darstellung des
Beschleunigungsprozesses bei der Drehbewegung im Kurbelkreis in seiner Abhängigkeit
vom Kurbelwinkel allein, erfordert noch die Bestimmung der Winkelgeschwindigkeit
\frac{d\,\varphi}{d\,t} als Funktion des Kurbelwinkels.
Die Winkelgeschwindigkeit im Kurbelkreis ist die Folge des gesamten
Energieaustausches im Getriebe. Die in dasselbe durch die Triebkraft eingeleitete
Energie samt der potentiellen Energie der Triebwerksgewichte überwindet die
Widerstände. Ist aber in einem Augenblick die Triebkraft ± Schwerkraft der bewegten
Massen grösser oder kleiner als die Widerstände, so bewirkt deren Differenz die
Zunahme bezw. Abnahme der Geschwindigkeit, also der lebendigen Kraft der Maschine.
Mit anderen Worten:, die Aenderung der kinetischen und potentiellen Energie im
Getriebe von einer Anfangslage aus muss nach dem Gesetz von der Erhaltung der
Energie gleich der Arbeitsleistung der treibenden und widerstehenden Kräfte in dem
betrachteten Abschnitt der Bewegung sein.
Als Anfangslage ist der innere Totpunkt der Kurbel gewählt. Die Arbeitsleistung der
äusseren Kräfte – der Triebkraft, des Widerstandes und der Schwerkraft der bewegten
Massen – bei der Drehung der Kurbel aus der inneren Totlage um den Winkel φ
=\int_o^{\varphi}\,Q\,d\,\varphi;
die Grösse Q wird im nächsten
Abschnitt behandelt. Diese Arbeit ist der Aenderung der kinetischen Energie oder der
lebendigen Kraft von der inneren Totlage bis zur Drehung um Winkel φ gleichzusetzen, also
L-L_o=\int_o^{\varphi}\,Q\,d\,\varphi . . . . . 3)
wenn L die lebendige Kraft bei
Stellung φ und Lo diejenige in der Totlage φ
= o bedeutet. Wir führen jetzt in den früher gefundenen Ausdruck für die
lebendige Kraft des Kurbelgetriebes die auf 486 bezeichnete Vereinfachung mit cos
η = 1 ein und erhalten
L=\frac{1}{2}\,\left(\frac{d\,\varphi}{d\,t}\right)^2\,\left[\left(M_1+\frac{M_2}{2}+M_3\,\left(1-a+\frac{b}{2}\right)\right)\,r^2\right
\left-\left(\frac{M_2}{2}+\left(a-\frac{b}{2}\right)\,M_a\right)\,r^2\,\mbox{cos}\,2\,\varphi-\frac{r^2\,\lambda}{2}\,(M_2+a\,M_3)\,(cos\,\varphi-\mbox{cos}\,3\,\varphi)\right] . . . . . . . . . . 2 a)
Das letzte Glied in der Klammer [] ist in den meisten Fällen
gegenüber dem konstanten Gliede von der Grössenordnung λ2 und kann vernachlässigt werden.
Mit φ = o erhält man die
lebendige Kraft im Totpunkt
L_o=\frac{r^2}{2}\,[M_1+M_3\,(1-2\,a+b)]=\left(\frac{d\,\varphi_o}{d\,t}\right)^2\,\frac{\Theta_o}{2}
Hierin ist \frac{d\,\varphi_o}{d\,t} die Geschwindigkeit im toten Punkt.
Diese setzt man in der Regel gleich dem Werte der mittleren Geschwindigkeit während
einer Umdrehung
=\frac{d\,\varphi_m}{d\,t}-\frac{2\,\pi\cdot n}{60}
wenn n die Anzahl der Umdrehungen in der Minute
ist. Für geringe Schwankungen der Geschwindigkeit ist dies mit grosser Annäherung
zutreffend. Man erhält jedoch einen genaueren Wert für die Totpunktgeschwindigkeit
durch die Betrachtung des Ausdruckes
\left(\frac{d\,\varphi}{d\,t}\right)^2=\frac{\left(\frac{d\,\ddot{\varphi_o}}{dt}\right)^2\,\frac{\Theta_c}{2}+\int_o^{\varphi}\,q\,d\,\varphi}{\frac{1}{2}\,\Theta'}
(dessen Glieder sich aus konstanten und periodischen Faktoren
zusammensetzen). Die vollständige Entwicklung ergibt, wie das ein Beispiel an
späterer Stelle noch näher zeigen wird, eine periodische Reihe. Die konstanten
Glieder derselben, die auch die Totpunktgeschwindigkeit enthalten, können im
Beharrungszustand der Maschine dem Quadrat der mittleren Geschwindigkeit gleich
gesetzt werden, da die mit dem Kurbelwinkel φ
periodischen Glieder im Verlaufe einer vollen Umdrehung verschwinden. Es muss noch
auf eine Ungenauigkeit hingewiesen werden, welche der Bestimmung der Geschwindigkeit
aus der Energiegleichung bei dem hier eingeschlagenen Wege anhaftet. Der Verlauf der
Geschwindigkeit während einer Umdrehung ist in Beziehung gebracht worden mit ihrem
mittleren Wert \frac{2\,\pi\,n}{60}\cdot \frac{60}{n} ist aber die Zeit einer Umdrehung in Sekunden, wenn n die Zahl der Umdrehungen in der Minute ist; es sollte
daher als unabhängige Variable die Zeit und nicht der Kurbelwinkel eingeführt
werden. Der Ausdruck von Q ist jedoch, wie aus dem
nächsten Abschnitt hervorgeht, auf der Basis des abgewickelten Kurbelkreises
gegeben, enthält also φ als Variable. Mit der
Einführung des auf den Kurbelwinkel bezogenen Momentes der äusseren Kräfte in die
Energiegleichung ist stillschweigend die Voraussetzung gemacht worden, dass gleichen
Zeiten auch gleiche zurückgelegte Drehwinkel entsprechen. Das ist natürlich nur für
konstante Umdrehungsgeschwindigkeit der Fall. In Anbetracht einer Durchführung der
Aufgabe mit einfachen Mitteln wird man diese Ungenauigkeit, die erst bei
beträchtlichen Geschwindigkeitsschwankungen hervortritt, in Kauf nehmen.In Kürze sei noch ein Weg angedeutet, der bei
starken Geschwindigkeitsschwankungen einzuschlagen wäre und darauf
hinausläuft, die äusseren Kräfte in Abhängigkeit von der Zeit darzustellen.
Zu diesem Zwecke bildet man nach den obigen Ausführungen einen ersten Wert
für das Quadrat der Winkelgeschwindigkeit. Die erste Potenz jeder Ordinate
derselben auf der Basis des abgewickelten Kurbelkreises aufgetragen, gibt
den Verlauf der Geschwindigkeit selbst; nach dessen Analyse nach dem später
angegebenen Verfahren erhält man \frac{d\,\varphi}{d\,t}=f\,(\varphi) und mit Hilfe der Beziehungt=\int_o^{\varphi}\,\frac{1}{\frac{d\,\varphi}{d\,t}}\cdot d\,\varphidie Abhängigkeit des Kurbelwinkels von der Zeit. Es
wird jetzt ein neues Tangentialdruckdiagramm gebildet, dessen gleiche
Abszissenabschnitte gleichen Zeitteilen entsprechen. Die Ordinaten des neuen
Diagramms erscheinen gegenüber dem ersteren an einigen Stellen
zusammengedrängt, an anderen auseinander gezogen. Damit erhält man nach
vorgenommener Analyse in erster AnnäherungQ = F(t)und nach Einführung in die Energiegleichung 3) einen
zweiten Näherungswert für die Geschwindigkeit. Wenn nötig, müsste dieses
Verfahren in alternierender Weise fortgesetzt werden.
Eine weitere Einschränkung ist bei der Aufstellung der Energiegleichung gemacht
worden, nämlich die Voraussetzung starrer Getriebeteile oder doch solcher, deren
elastische Deformation von untergeordneter Grösse ist.
Bei grösseren Formänderungen der die Energie übertragenden Teile, z.B. der
langen Propellerwellen der Schiffsmaschinen, muss zur Bestimmung der
Bewegungsverhältnisse noch die Formänderungsarbeit als weiteres Glied in die
Energiegleichung eintreten.
Die Geschwindigkeit als Funktion des Kurbelwinkels wird nun in die Bewegungsgleichung
1 b eingesetzt, welche jetzt als einzige unabhängige Variable nur noch den
Kurbelwinkel enthält. Somit können jetzt alle für die Bewegung des Systems
massgebenden Grössen, die lebendige Kraft, die Winkelgeschwindigkeit und
-beschleunigungStatt die
Beschleunigung der Drehbewegung aus der Lagrangeschen Bewegungsgleichung zu bestimmen, hätten wir diesen
Wert auch durch die weitere Bearbeitung der Energiegleichung 3), durch
Differentiation des aus dieser gewonnenen Ausdruckes für die Geschwindigkeit
nach der Zeit, finden können. Die Lagrangesche
Methode ist aber noch weiter verwendbar, zur Ermittlung der vollständigen
Reaktionen und Spannungen im Kurbelgetriebe in ihrer Abhängigkeit von der
jeweiligen Kurbelstellung, wie es in Abschnitt B gezeigt wird, unter diesem
Gesichtspunkte kann ihre vorherige Anwendung bei dem kinetischen Teil dieser
Arbeit zur Vorbereitung für den folgenden kinetostatischen Teil
dienen. für jeden Punkt des Kurbelkreises angegeben werden, auch die
Bewegungsverhältnisse der einzelnen Glieder des Kurbelgetriebes auf Grund ihres
geometrischen Zusammenhanges, z.B. die in der Radingerschen Darstellung besonders wichtige Grösse der Beschleunigung in
Richtung des Kolbenlaufes. Diese folgt aus dem Kolbenweg (Ausweichung aus der
Hubmitte)
x=r\,\mbox{cos}\,\varphi-\frac{\lambda}{2}\,r\,\mbox{sin}^2\,\varphi
durch zweimalige Differentiation nach der Zeit
\frac{d^2\,x}{d\,t^2}=-r\,\left(\frac{d\,\varphi}{d\,t}\right)^2\,(\mbox{cos}\,\varphi+\lambda\,\mbox{cos}\,2\,\varphi)-r\,\frac{d^2\,\varphi}{d\,t^2}\,\left(\mbox{sin}\,\varphi+\frac{\lambda}{2}\,\mbox{sin}\,2\,\varphi\right)
Hier werden \left(\frac{d\,\varphi}{d\,t}\right) und \left(\frac{d^2\,\varphi}{dt^2}\right) eingesetzt. In vielen Fällen genügt es, die
Kurbelgeschwindigkeit konstant, also \frac{d^2\,\varphi}{d\,t^2}=0 zu setzen. Das ergibt für die
Kolbenbeschleunigung einen graphisch leicht zu behandelnden Ausdruck. Für
beträchtliche Geschwindigkeitsschwankungen im Kurbelkreis ist diese Vereinfachung
nicht mehr zulässig.s. Frahm, Neue Untersuchungen über die dynamischen
Vorgänge in den Wellenleitungen von Schiffsmaschinen. Z. d. V. d. I. 1902,
S. 883.
Interessiert es, den Anteil zu kennen, der vom äusseren Moment bezw. vom treibenden
Druck am Kolben aufgewendet werden muss, um die Lenkstange allein zu
beschleunigens. Mollier, Der Beschleunigungsdruck der
Schubstange. Z. d. V. d. I. 1903, S. 1638. – Eine erschöpfende Behandlung
des Lenkstangenproblems findet sich in einem Aufsatze von Dunkerley im Juniheft des „Engineering“,
Jahrgang 1899, S. 695. – für die in der Richtung des Kolbenlaufes
bewegten Massen ist der Anteil gleich dem Produkt aus diesen Massen und der
Kolbenbeschleunigung – so führt zur Entscheidung dieser Frage sehr leicht die
Anwendung der Lagrangeschen Methode. Die zur
Beschleunigung der Lenkstange allein erforderliche Drehkraft sei Tb; das Moment Tb . r tritt auf die
rechte der Lagrangeschen Gleichung. Als Koordinate des
Systems nehmen wir wieder den Drehwinkel der Kurbel φ.
Dann lautet die Bewegungsgleichung (für die gewichtslose Stange)
\frac{d}{d\,t}\,\left(\frac{\partial\,L_e}{\partial\,\frac{d\,\partial}{d\,t}}\right)-\frac{\partial\,L_e}{\partial\,\varphi}=T_b\cdot
r
Die lebendige Kraft der Lenkstange Le entnehmen wir dem Ausdruck der lebendigen Kraft
für das ganze Getriebe 2), indem wir darin die Massen M1 und M2
= o setzen; wir haben dann in gleicher Weise wie früher
die Differentiationen auszuführen, um die Grösse Tb zu erhalten. Ist der am Kolben oder Kreuzkopf
angreifende Druck P' gesucht, so benutzen wir die
später entwickelte Beziehung desselben zum Tangentialdruck
P'=\frac{T_b\,\mbox{cos}\,\eta}{\mbox{sin}\,(\varphi+\eta)}
Zur Beantwortung der Frage nach der vom Kolbendruck zur Beschleunigung der Lenkstange
aufzuwendenden Kraft mit Hilfe der synthetischen Methode ist die Lenkstange als
aus dem Zusammenhange des Getriebes gelöst zu betrachten. Die
Gleichgewichtsbedingung der an der bewegten Lenkstange angreifenden Kräfte d. s. der
gesuchten Kraft P', der Trägheitskräfte der Lenkstange
und der Ersatzkraft für die Reaktion an der Trennungsstelle vom übrigen Getriebe,
also am Kurbelzapfen, ergibt das gewünschte Resultat, in welchem jedoch noch die
Grösse der Reaktion am Kurbelzapfen unbekannt ist. Es bedarf noch einer weiteren
Beziehung, des Gleichgewichtes gegen Drehung um einen beliebigen Punkt durch die an
der Lenkstange angreifenden Kräfte, um die unbekannte Reaktion, die bei der
Betrachtung der Bewegung des ganzen Systems entfällt, eliminieren zu können.
(Fortsetzung folgt.)