Titel: | Schnellbetrieb auf den Eisenbahnen der Gegenwart. |
Autor: | M. Richter |
Fundstelle: | Band 320, Jahrgang 1905, S. 573 |
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Schnellbetrieb auf den Eisenbahnen der
Gegenwart.
Von Ingenieur M. Richter,
Bingen.
(Fortsetzung von S. 138, Bd. 319).
Schnellbetrieb auf den Eisenbahnen der Gegenwart.
Während in den vorausgegangenen Aufsätzen die Entwicklung der vierachsigen
Schnellzuglokomotive durch Vorführung der neuesten Muster gezeigt werden sollte,
werden sich die folgenden Blätter mit der fünfachsigen Bauart befassen, zu der
allmählich sämtliche Bahnen übergehen müssen, um einerseits den grösseren Ansprüchen
an die Zugkraft, anderseits an die Leistung, auf die Dauer möglichst wirtschaftlich
genügen zu können. Die fortwährende Verstärkung der Zuglasten, die Vergrösserung der
Geschwindigkeiten, die von Zeit zu Zeit eintritt, um dem Zug der Zeit zu folgen und
mit dem Ausland Schritt zu halten, und die gleichzeitige Forderung, den teuren
Vorspann zu vermeiden und trotzdem noch etwaige Verspätungen im Interesse der
Verkehrssicherheit durch ausdauerndes Schnellfahren und scharfes Anfahren möglichst
rasch zu beseitigen, alles dies wirkt zusammen, um der vierachsigen Lokomotive den
Boden der Wirksamkeit zu entziehen und der vielachsigen Platz zu schaffen. Als
Nachfolger der ersteren ist deshalb (vgl. D. p. J. 1902, 317, S. 541) zunächst zu besprechen:
β) Die fünfachsige Lokomotive.
Wird von den Tenderlokomotiven abgesehen, so ist die fünfachsige Lokomotive mit
Schlepptender, je nach dem zulässigen Achsdruck, der vierachsigen um ein Gewicht
von 14 bis 25 Tonnen voraus, welches hauptsächlich der Verstärkung des Kessels
zugute kommt. Ein weiterer für das Schnellfahren wichtiger Umstand ist ohne
weiteres vorteilhaft mit der fünften Achse verknüpft, nämlich die Verlängerung
des Radstandes und damit eine Verminderung des Einflusses der störenden
Bewegungen auf den Gang der Maschine, woraus umgekehrt wieder eine grössere
Schonung des Oberbaues abzuleiten ist. Die Möglichkeit und die Zulässigkeit
einer grösseren Geschwindigkeit werden also gleichzeitig durch die fünfte Achse
gewährleistet, ohne Rücksicht darauf, ob die letztere als Triebachse zur
Vermehrung der nutzbaren Last, oder als Laufachse zur toten Last beiträgt. Wie
bei der vierachsigen Lokomotive, so ist auch bei der fünfachsigen eine
Einteilung in bezug auf Entwicklung von Geschwindigkeit oder von Zugkraft
vorzunehmen, und demzufolge die ⅕, ⅖, ⅗ gekuppelte Bauart zu unterscheiden.
1. Die ⅕ gekuppelte Schnellzuglokomotive.
Während die vierachsige Lokomotive mit freier Triebachse als leichter Renner
noch jetzt in England das grösste Ansehen geniesst, ist noch nie der Versuch
gemacht worden, eine fünfachsige, ungekuppelte Lokomotive (mit Schlepptender)
einzuführen; das einzige Beispiel der Bauart ⅕ sind die einigermassen berühmten
Lokomotiven der breitspurigen (2134 mm) englischen Westbahn aus den Jahren 1850
bis 1860, welche mit vorderem und hinterem Drehgestell als Tenderlokomotiven
gebaut waren und deshalb auf ihren fünf Achsen die Vorräte mitschleppten; sie
kommen mit der ⅛ oder 1/9 gekuppelten Lokomotive mit Schlepptender nicht
zum Vergleich. Die Zylinder lagen übrigens innen, und bei der ersten Serie
hatten die Triebräder, welche keinen Spurkranz besassen, bis 2,74 m Durchmesser.
Es wurden mit den damaligen Zügen von 50 bis 80 t L. T. auf leichten Gefällen
Geschwindigkeiten bis 130 km/St. erreicht, wobei eines Tages, nebenbei
bemerkt, eine folgenschwere Entgleisung stattfand.
Von Interesse mag es sein zu erwähnen, dass, als in Deutschland die
Schnellfahrfrage vor mehreren Jahren auftauchte und es sich vor allem darum
handelte, dem elektrischen Schnellwagen Berlin–Zossen eine ebenbürtige
Dampflokomotive entgegen zu stellen, ein Entwurf von v.
Borries (Glasers Annalen 15. Juni 1901) ebenfalls eine ⅕ gekuppelte
Tenderlokomotive zugrunde legte, welche ziemlich genau dem alten englischen
Vorbild sich anschloss, dabei aber mit sämtlichen Errungenschaften des heutigen
Lokomotivbaues ausgestattet war: Verbundsystem, Ueberhitzung, Luftschneiden usw.
waren vorgesehen. Von dem Gesamtgewicht von 64 t sollten 16 t auf die Triebachse
kommen, – und das bricht in Deutschland jeder ungekuppelten Lokomotive den Hals,
mag sie im übrigen noch so ideal sich erweisen; denn 16 t ist eben zu wenig,
wenn schwere Züge zu befördern oder mit leichteren Zügen lange Steigungen von
über 1 : 100 zu überwinden sind. Für die Würdigung eines solchen Entwurfs müsste
das Betriebsprogramm in betreff der Zuglast als streng eingehalten vorausgesetzt
werden, und ferner sind auch dann noch beste Geländeverhältnisse (Berlin-Hamburg
usw.) Bedingung. Für das Anfahren wäre ein sparsamer, aber sehr wirksamer
Sandstreuer anzubringen, und ein Zugkraftverstärker, welcher durch Aenderung der
Federspannungen bezw. Armverhältnisse der Ausgleichshebel vorübergehend die
Laufachsen entlastete und die Triebachslast auf 18 bis 20 t
brächte, – wie gesagt, nur für die Dauer des Anfahrens; auch in Deutschland
könnte eine solche Vorrichtung riskiert werden, ohne Schaden für den Oberbau,
dem man zu wenig zutraut. Mit verhältnismässig einfachen Lokomotiven, die nicht
teuer, nicht zu schwer und weder im Verbrauch noch in der Unterhaltung zu
kostspielig sind, liesse sich dann ein Schnellverkehr auf günstigen Strecken
einrichten. Da die geringe Zugkraft der freien Triebachse, vielleicht \frac{1}{6}\cdot 18t=3000\mbox{ kg}
durchschnittlich, erst bei Geschwindigkeiten über 90 km/st. die volle
Kesselleistung von 900 bis 1000 PS verzehrt, so ist eine ungekuppelte Lokomotive
für geringere Dauergeschwindigkeiten nicht brauchbar; bei grösseren Kesseln, bis
1500 PS, wie sie auf fünf Achsen untergebracht werden (⅕ mit Schlepptender),
müsste zur Tilgung der grossen Kesselleistung die Geschwindigkeit sogar
mindestens 120 bis 130 km/St. auf die Dauer betragen, während beim
Anfahren und bei schärferen Steigungen künstliche Mittel aushelfen müssten, wie
Nachschub, Zugkraftverstärker usw.
Mit vorderem und hinterem Drehgestell versehen, wobei die Triebachse mit nicht zu
hohen Rädern (weil über ihnen der grosse Kessel
Platz finden muss) in die Mitte genommen wird; mit breitem, über dem hinteren
Gestell liegendem Rost in einer tiefen Feuerkiste; mit Luftschneiden, inneren
Verbundzylindern, gutem Dampftrockner, und endlich mit leichtem Tender, der mit
Wasserschöpfvorrichtung versehen und mit der Maschine möglichst steif gekuppelt
ist, so dass sein Radstand und Gewicht demjenigen der Maschine zuzurechnen sind
und den Ausgleich der hin- und hergehenden Massen bedeutend erleichtern, – eine
solche Maschine lässt sich unbedenklich für die höchsten Geschwindigkeiten
verwenden und kann den Kampf mit der Elektrotechnik am wirksamsten aufnehmen.
Selbstredend muss sie noch anderen Bedingungen nachkommen: durch weite Kanäle
muss die Dampfdrosselung vermindert, durch gute Entlastung, Kolbenschieber usw.
die Schieberreibung verkleinert werden; durch Vergrösserung der schädlichen
Räume und passende Wahl der negativen inneren Deckung wird einer allzu hohen
Kompression vorgebeugt und der Gang stossfrei gemacht; die Verfeuerung flüssiger
Brennstoffe oder die selbsttätige Beschickung, sowie die Speisewasservorwärmung
ist einzurichten und trägt nicht nur zur Schonung von Maschine und Mannschaft,
zur Ersparnis an Unterhaltung, sondern auch zur Erhöhung der Wirkungsgrade
bei.
Der Ausbau einer solchen Lokomotive wäre für eine wirkliche Schnellbahn mit häufig fahrenden, selten haltenden, nicht zu
schweren Zügen ein dankbarer Gegenstand.
Für den gegenwärtigen Eisenbahnbetrieb kommt nun
freilich eine solche Lokomotive im allgemeinen nicht in Betracht. Die
Längenprofile, vielfach auch die Querprofile (Neigungs- und
Krümmungsverhältnisse) der meisten Bahnen sind zu ungünstig, die Züge zu selten
und deshalb zu schwer, und die Fahrgeschwindigkeiten schon aus diesen Gründen
nicht hoch genug, als dass die freie Triebachse sich bezahlt machen würde. So
sieht man überall, wo bisher die ungekuppelte Lokomotive ihre Fähigkeiten
entwickeln durfte, die zweifach und gar dreifach gekuppelte erscheinen, um die
erstere, die sich eben nur für ein Schnellbahnprogramm eignet, zu vertreiben; so
in England, wo bis in die neueste Zeit die freie Triebachse den Boden
behauptete. Auch in Amerika, wo der Achsdruck bis 25 t zu betragen pflegt,
greift man trotzdem lieber zu 3/6 mit 70 t als zu ¼ mit 25 t Adhäsionsgewicht.
Dies beweist gar nichts gegen die freie Triebachse, wohl aber deutet es eben
darauf hin, dass die Dampflokomotive in des Wortes wahrer Bedeutung „im alten
Gleise“ weiterfährt und sich noch nicht auf das Schnellbahngleis
hinaufwagt, wenn auch ab und zu, da und dort Versuche in dieser Beziehung
stattfinden; der Fahrplan zeigt wenigstens in Deutschland nichts davon.
2. Die ⅖ gekuppelte Schnellzuglokomotive.
Im Jahre 1895 bildete man zum ersten Male, und zwar gleichzeitig in Amerika (Atlantic Coast line) und in Europa (Kaiser Ferdinands-Nordbahn) eine ⅖ gekuppelte
Gattung aus, indem man an das Hinterende der bisherigen 2/4
gekuppelten Maschine noch eine Laufachse legte, und zwar zu dem Zweck, um das
Dienstgewicht der Lokomotive entsprechend dem grösseren Kessel erhöhen zu
können, ohne die zulässigen Achsdrücke überschreiten oder das Drehgestell
übermässig belasten zu müssen. In zweiter Linie gewann man dadurch eine Reihe
von Vorteilen, die die Verwendbarkeit der Lokomotive für das Schnellfahren
steigerten:
Zunächst ergab sich eine Verlängerung des Radstandes, durch welche dem inneren
Schlingern der Maschine in besserer Weise entgegengewirkt wird als durch
Gegengewichte, wenn man nämlich die freien Fliehkräfte der letzteren nicht in
Kauf nehmen will; auch das äussere (eigentliche) Schlingern wird günstig
beeinflusst; durch die grössere Masse der fünfachsigen Lokomotive wird ebenfalls
der Einfluss der störenden Bewegungen (inneres Schlingern und Zucken)
verringert.
In konstruktiver Beziehung wirkt die Lage der Laufachse am Hinterende befreiend
auf die Ausbildung des Rostes der Breite nach, und in gesundheitlicher Beziehung
endlich ist sie für die Mannschaft von Vorteil, welche das Stossen der
Kuppelachsen gern vermisst. Die neue Bauart wurde in Amerika ihrer ersten
Zugehörigkeit wegen als „Atlantic type“
bezeichnet.
Die durch das Mehrgewicht der Lokomotive gewonnene Mehrleistung wird nun in
Deutschland in den meisten Fällen nicht ausgenutzt, und die ⅖ gekuppelte
Lokomotive bedeutet deshalb für Deutschland einen kommerziellen Rückschritt, da
eben auf Kosten der Nutzlast die tote Last von zwei auf drei Achsen vermehrt
ist, abgesehen von der Grösse des Tendergewichts. Ausgenommen sind solche Fälle,
wo die ⅖ gekuppelte Lokomotive im Betrieb zeigt, dass sie vorübergehenden
Mehrbelastungen besser gewachsen ist, als die dauernd aufs höchste beanspruchte
2/4
gekuppelte Lokomotive, dass sie also für Notfälle eine Kraftreserve zur
Verfügung hat und deshalb ohne Zuhilfenahme des früher so häufigen Vorspanns
auch bei überlasteten Zügen Fahrzeit zu halten oder noch besser auch
Verspätungen einzuholen imstande ist. Kann sie dies aber nicht, so hat sie ihren
Zweck verfehlt, und die Ursache davon ist zu bescheiden gewählte Grösse der
Abmessungen. Mit diesen darf nicht gegeizt werden, da der Eigenwiderstand
solcher Lokomotiven mit der fünften Achse, dem schweren Tender (und den vier
Zylindern) bedeutend grösser ist als derjenige der einfachen 2/4
gekuppelten Lokomotive. So leistet anscheinend die de
Glehnsche ⅖ der Preussischen Staatsbahnen (von der älteren Bauart)
infolge zu mässiger Abmessungen nicht mehr als die bisherige 2/4 Verbund,
wohl aber häufig weniger als diese, während die freigiebig bemessene ⅖ der
Badischen Staatsbahnen in jeder Beziehung den Erwartungen gerecht wird.
In Amerika sind auffallenderweise die Verhältnisse ziemlich dieselben, obwohl die
hohen Achsdrücke auch für die vierachsige Lokomotive das Verwendungsgebiet sehr
stark erweitern. Infolge der verhältnismässig grösseren Ansprüche musste auch
hier das Gewicht noch um 10 bis 20 t hinaufgeschoben werden, um Zugkraft und
Leistung zu steigern.
Hinsichtlich der Bauarten der ⅖ gekuppelten Lokomotive ist die Einteilung
dieselbe wie bei der vierachsigen, und es sind daher zu besprechen:
A. Zwillingslokomotiven.
Die alten Vorteile der Zwillingsmaschine: einfaches Triebwerk, einfache Steuerung,
geringer Schmierstoffverbrauch, guter maschineller Wirkungsgrad, sicheres, rasches
Anfahren, geringere Anlage- und Unterhaltungskosten, verhältnismässig geringes
Dienstgewicht, sorgen dafür, dass auf gewissen Bahnen bis jetzt die
Vierzylinder-Verbundmaschine unbekannt geblieben ist, so auf den meisten englischen
und sehr vielen amerikanischen Bahnen. Die ⅖ gekuppelte Lokomotive mit
Zwillingswirkung verdient daher in vielen Fällen dieselbe Beachtung, wie die durch
günstigen Massenausgleich ausgezeichnete Maschine mit vier Zylindern, und sie hat
auch tatsächlich so viele Erfolge aufzuweisen, dass es nicht so bald gelingen wird,
an ihre Stelle etwas besseres zu setzen.
Textabbildung Bd. 320, S. 575
Zwilling; Verbund; Kais.
Ferdinand-Nordbahn; Pfalzbahn; Holländ. Staatsbahn; Lancashire–Yorkshire; Engl.
Nordbahn; Engl. Nordostbahn; Französ. Staatsbahn; New York Zentralbahn; Chicago
Rock Island & Pacific; Zentralbahn von New Jersey; Ungarische Staatsbahn;
Pfalzbahn; Zylinderdurchmesser d; Kolbenhub s;
Triebraddurchmesser D; Kesseldruck p; Innere
Heizfläche H; Rostfläche R; Dienstgewicht; ohne Tender; Reibungsgewicht Qa; Vorräte; Kohlen; Wasser;
Tourenzahl (min.) n; Leistung N; Maschinenzugkraft; Reibungszugkraft;
Kraftziffer; Gewichtsziffer; Ladeziffer des Tenders; Kraftwert;
Geschwindigkeitswert.
Eine Reihe hervorragender Muster ist in der folgenden Tabelle enthalten, in welcher
für die Berechnung der Zugkraft und Leistung wieder die früheren Annahmen I gelten
sollen (D. p. J. 1904, 319, S. 55), nämlich:
Maschinenzugkraft Z_1=0,5\,\frac{d^2\,p\,s}{D}
Reibungszugkraft Z2 = 0,15 Qa
Leistung N=0,1\,\left(6,5-\frac{n}{100}\right)\,\sqrt{n}.
Bei den Wertziffern ist wieder das Tendergewicht durch die Zahlen in Klammern
berücksichtigt. Die feuerberührte (innere) Heizfläche ist mit 0,9 der
wasserberührten angesetzt. –
In bezug auf die Anordnung des Triebwerkes sind zwei Bauarten zu
unterscheiden:
Textabbildung Bd. 320, S. 575
Fig. 1. Achsverteilung der ⅖ gek. Lokomotiven.
a. Atlantic-Type; b. Europäische
Type.
Aus Amerika („Atlantic type“) stammt die auch in England meist übliche Bauart,
die zweite Triebachse antreiben zu lassen und die erste als Kuppelachse auszubilden
(Fig. 1 a). Es bedingt dies sehr lange
Pleuelstangen (bis 3,5 m lang!), also geringen Kreuzkopfdruck und ruhigen Gang in
bezug auf Wanken und Nicken, vergrössert aber die hin- und hergehenden Massen nicht
nur infolge der grossen Stangenlänge an sich, sondern auch wegen der aus
Knickfestigkeitsrücksichten verstärkten Abmessungen des Querschnitts der Stangen, um
das „Peitschen“ derselben bei grosser Tourenzahl zu verhindern, und
verursacht deshalb entsprechend hohen Massenausgleich mit seinen üblen Folgen, über
die man nur in Amerika und England gleichgültig hinwegsieht.
Auf dem europäischen Festland pflegt man dagegen allgemein die vordere Triebachse als
Hauptachse, die hintere als Kuppelachse anzunehmen, wodurch der feste Radstand (bis Drehgestellzapfen
gemessen) verlängert, die Stangenlänge verkürzt wird (Fig.
1 b). Dieser Anordnung ist deshalb der Vorzug zu geben.
Im übrigen sind noch Verschiedenheiten im Bau der Feuerbüchse vorhanden. In Europa
wird dieselbe häufig noch aus Gründen der Lastverteilung in alter Weise zwischen die
Rahmen, oder doch über denselben zwischen die Triebräder eingepfercht, so dass sie
bei nur 1,0 m bezw. höchstens 1,2 m lichter Rostbreite bei einigermassen bedeutender
Rostfläche eine grosse Länge erhält, deshalb ohne Schrägrost überhaupt nicht mehr
richtig zu bedienen und in betreff ihrer Funktion als „Lunge“ des Ganzen
ernstlich geschädigt ist. Nach amerikanischer Anschauung ist deshalb nur die
„breite“ Feuerbüchse von etwa quadratischer Grundfläche, welche über die
Rahmen und günstigerweise niedrigen Hinterräder bequem seitlich ausgebildet werden
kann und so die verfügbare Breite der Maschine richtig ausnutzt, das zu erstrebende
Ideal; auch für die Zugänglichkeit bei Besichtigung und Reparatur ist ohne weiteres
dadurch gesorgt, während die Beschickung und Entschlackung ebenfalls bequem
ausfällt. Dabei ist abgesehen davon, dass nur die breite Feuerbüchse eine beliebige
Steigerung der Kesselleistung in Abhängigkeit von der Grösse des Rostes zulässt.
Im einzelnen ist über die in der Tabelle aufgeführten Lokomotiven folgendes zu
bemerken:
Textabbildung Bd. 320, S. 576
Fig. 2. Kaiser Ferdinand-Nordbahn.
1. Die Schnellzuglokomotive der Kaiser
Ferdinand-Nordbahn (Oesterreich), gebaut 1895 in grösserer Anzahl bei Sigl, Wiener Neustadt, ausgestellt in Paris 1900, ist
die erste auf europäischem Boden entstandene ⅖-gekuppelte Lokomotive,
vielleicht die erste überhaupt. Sie gleicht noch sehr der 2/4-gekuppelten
Maschine, als deren Abkömmling sie zu betrachten ist (Fig.
2).
Da der Achsdruck von 14 t nicht überschritten werden durfte, so erforderte die
Unterbringung des „grossen“ Kessels eine fünfte Achse, die ihren Platz nahe
bei der Kuppelachse am Hinterende fand, so dass die schmale Feuerkiste von zwei
Achsen gestützt ist; immerhin wurde durch Aussenrahmen dafür gesorgt, dass die volle
Breite zwischen den Rädern verfügbar blieb. Der Rahmenbau ist alt
österreichisches-süddeutsches Muster: „alles aussen“, nur das Drehgestell hat
Innenrahmen. Die Breite der Maschine an den Zylindern ist entsprechend gross, und
ebenso der Massendruckhebelarm, so dass das innere Schlingern an sich stark sein
muss. Die hintere Achse ist als freie Achse mit 10 mm Verschiebbarkeit nach jeder
und 32 mm in der Längsrichtung ausgebildet.
Der Kessel, dessen Mitte die für Europa im Jahre 1895 hohe Lage von 2,52 m über S. O.
hat, trägt zwei unabhängige Dome, deren vorderer den Regler mit äusserer Zugstange
enthält, während der hintere zwei Pop-Ventile trägt. Infolge Ausgleichs der
Triebachsbelastungen durch Längshebel ist das Ganze in fünf Punkten gestützt.
Diese Lokomotive befördert die Schnellzüge Wien–Krakau, und ist gebaut, um Züge von
150 bis 180 t h. T. im Flachland mit 90, und Züge von 200 t h. T. mit 80 km/St. grösster
Geschwindigkeit zu führen. Im Fahrplan wird von dem schnellsten Zug die 413 km lange
Strecke Wien–Krakau in 6 St. 53 Min. mit achtmaligem Anhalten von zusammen 29 Min.
Zeitverlust zurückgelegt, so dass die Reisegeschwindigkeit (einschliesslich
Aufenthalte) genau 60 km/St., die reine Fahrgeschwindigkeit 64,6 km/St. beträgt.
Die Teilstrecke Lundenburg–Prerau 100 km, wird von diesem Zug in 1 St. 26 Min., also
mit durchschnittlich 70 km/St. durchfahren.
Mit 203 t h. T. gelang es dieser Gattung, eine 8 km lange Steigung von 1 : 375 mit 80
km/St., zu
erklimmen, wobei die Füllung nur 18 bis 23 v. H. betrug. Die dabei ermittelte
Höchstleistung war 1027 PS, während nach der Tabelle nur 950 PS auf die Dauer zu
erwarten sind. Bei Probefahrten wurde eine Höchstgeschwindigkeit von 126 km/St.
erreicht.
(Fortsetzung folgt.)