Titel: | Die Neubauten für die Mechanische Abteilung der Kgl. Sachs. Technischen Hochschule zu Dresden. |
Autor: | M. Buhle |
Fundstelle: | Band 320, Jahrgang 1905, S. 580 |
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Die Neubauten für die Mechanische Abteilung der
Kgl. Sachs. Technischen Hochschule zu
Dresden.Die bei A.
Dressel, Dresden, anlässlich der Einweihung der neuen
Institute am 27. Mai d. J. erschienene Festschrift (3 M.) bietet eine
ausführliche, sehr lesenswerte Beschreibung der
Gesamtanlage.
Von M. Buhle, Professor in
Dresden.
Die Neubauten für die Mechanische Abteilung der Kgl.
Sachs. Technischen Hochschule zu
Dresden.
Aus der Chronik der Kgl. Sachs. Technischen Hochschule zu Dresden geht hervor,
dass bereits im Jahre 1814 im Anschluss an die Akademie der bildenden Künste eine
Industrieschule errichtet wurde. Am 1. Mai 1828 erfolgte gleichzeitig mit der
Begründung einer „Technischen Bildungsanstalt“ ihre Vereinigung mit der
„Industrieschule“; 1851 erhielt die Anstalt den Namen „Polytechnische
Schule“, und 1871 fand ihre Umwandlung in ein „Polytechnikum“ statt.
1872 bis 1875 erbaute der Staat das dafür bestimmte Gebäude am Bismarckplatz nach
den Plänen von Prof. R. Heyn.
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Fig. 1. Neubauten der Technischen Hochschule Dresden.
Der Leiter der Anstalt war bis zum Jahre 1890 der in weiten Kreisen rühmlichst
bekannte, noch heute in Dresden lebende und für die Entwicklung der Industrie
lebhaft interessierte Geheime Rat, Prof. Dr., Dr. Ing. Ehren halber Gustav Zeuner. 1890 wurde der Name des
„Polytechnikums“ in „Technische Hochschule“ verwandelt, und an die
Stelle des Direktors trat ein von den ordentlichen Professoren gewählter Rektor.
Anfang der neunziger Jahre genügten die Räume der Hochschule vor allem infolge des
wachsenden Bedürfnisses nach Laboratorien für Maschinenbau und Elektrotechnik nicht
mehr, so dass die den Technischen Wissenschaften stets förderliche Sächsische
Regierung sich entschloss. umfangreiche, den Anforderungen der Gegenwart im vollsten
Umfange entsprechende Neubauten zu errichten.
Dem Minister des Kultus und öffentlichen Unterrichts, Sr. Exzellenz Herrn Dr., Dr.
Ing. Ehren halber v. Seydewitz und Herrn Geheimen Rat
Dr., Dr. Ing. Ehren halber Waentig, sowie dem damaligen
Rektor der Technischen Hochschule, Geh. Hofrat Prof. H.
Engels hat die Hochschule für die planvolle und tatkräftige Förderung der
Neubauten auf das Wärmste zu danken. Auf Fürsprache der beiden zuerst genannten
Herren genehmigten die hohen Ständekammern den Ankauf eines 121307 qm umfassenden
Grundstücks in der Südvorstadt Dresdens, das vom Hauptgebäude der Technischen
Hochschub am Bismarckplatz in etwa 12 Minuten zu erreichen ist.
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Fig. 2. Lageplan der Neubauten der Technischen Hochschule Dresden.
Die bisher zur Ausführung gelangten Bauten, welche rd. 40400 qm einnehmen, sind
ausschliesslich für die Mechanische Abteilung, d.h. für Maschinen-, Elektro- und
Fabrikingenieure bestimmt. Diese Neubauten (Fig. 1
und 2) umfassen:
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Fig. 3. Konstruktionssaal für Maschinenelemente und Hebe- u.
Transportmaschinen (Techn. Hochschule Dresden).
I. Das Maschinenlaboratorium A (Geh. Hofrat Prof. L. Lewicki [Dampf- und Wassermaschinen]),
II. Das Maschinenlaboratorium B (Prof. Dr. R. Mollier [Kinematik und
Verbrennungsmotoren]),
III. Das Hauptgebäude (ausser den unter I, II und IV genannten
Herren: Prof. M. Buhle [Maschinenelemente,
Hebe- und Transportmaschinen], Prof. M.
Fischer [Allgemeine Maschinenlehre und Eisenbahnmaschinen], Geh.
Hofrat Prof. E. Müller [Mechan.
Technologie]),
IV. Die Kgl. Sachs. Mechanisch-Technische Versuchsanstalt (Geh.
Hofrat Prof. H. Scheit),
V. Das Elektrotechnische Institut (Prof. J. Görges [Vorstand], Geh. Baurat Prof. Dr. R. Ulbricht [Telegraphie und Signalwesen], Prof.
W. Kübler [Elektro-Maschinenbau und Elektrische
Bahnen]),
VI. Das Elektrizitäts- und Heizwerk. (Direktor: Prof. W. Kübler).
Bei der Disposition der ganzen Anlage ist grosser Wert darauf gelegt worden, dass den
Studierenden bei ihrem täglichen Verkehr im Konstruktionssaal und Laboratorium in
der unmittelbaren Anschauung in möglichst vielseitiger Weise die unerlässliche
Grundlage und Ergänzung des theoretischen Unterrichts geboten werden kann. So gewinnen sie schon
vor dem Eintritt in die Praxis ein gewisses Urteil und eine gewisse Erfahrung und
werden vor Einseitigkeit bewahrt. Namentlich das Letztere ist wichtig.
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Fig. 4. Mechanisch-technologische Sammlung: Fabrikationszweige der
Textilindustrie (Techn. Hochschule Dresden).
Bekanntlich gehen die Aufgaben der Ingenieure längst über die
engeren Grenzen des technischen Spezialfaches hinaus, weil technisches Wissen und
Können im Dienste des öffentlichen Lebens nirgends mehr zu entbehren sind. Aber
nur wirklich und vielseitig gebildete Ingenieure können sie erfüllen, und an solchen
herrscht – im Gegensatz zu den Technikern von weniger weitgehender Ausbildung – kein
Ueberfluss. Daher ist eine Ausgestaltung der Hochschulen, wie sie in Dresden
stattfand, von weitgehender Bedeutung für die Allgemeinheit und von dieser lebhaft
anzuerkennen.
I. Das Maschinenlaboratorium A umfasst im wesentlichen
ausser der Hauptversuchsanlage mit liegender Dreizylinder-Verbunddampfmaschine und
stehender Zweizylinder-Verbundmaschine von je 150 Pferdestärken zum Antrieb einer
Dynamomaschine, eine Dampfturbine, vier verschiedene Kessel, mehrere Kompressoren,
Dampfpumpen und Zentrifugalpumpen, sowie eine sehr ausgedehnte hydraulische
Abteilung (Hochdruck-, Spiral-, Francis-,
Jonval-Turbinen und mehrere Wassersäulenmaschinen).
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Fig. 5. Maschinensaal der Kgl. Sachs. Mechanisch-Technischen Versuchsanstalt
(Techn. Hochschule Dresden).
Im südlichen Hof ist neben dem Wasserturm, der auch zu Kondensationszwecken gebraucht wird, eine
Herrn Baron C. v. Knorring gehörende Versuchsanlage
(100-pferdige Heissdampfturbinen-Lokomobile mit Regeneratorkessel) aufgestellt, die
neben den Dampfmaschinen bereits mit Vorteil zur Erzeugung von Strom für Licht- und
Kraftzwecke benutzt worden ist und bemerkenswerte wirtschaftliche Aussichten
bietet.
II. Das Maschinenlaboratorium B umfasst etwa 1000 qm
Maschinen- und Versuchsräume und 500 qm Unterrichts- und Verwaltungsräume. Es teilt
sich in die Anlagen zur Untersuchung von: 1. Verbrennungsmotoren, 2. Kältemaschinen,
3. Luftpressmaschinen und 4. Dampfmaschinen.
Die Prüfung von den Grundlagen der technischen Thermodynamik bildet einen weiteren
Hauptzweck des Laboratoriums.
III. Das Hauptgebäude besteht aus vier im rechten Winkel
zusammenstossenden Flügeln, die einen unbedeckten Hof in der Mitte bilden; der
nördliche und südliche Flügel hat je 15, der östliche und westliche je 13 Fenster
Front. Dabei sieht der Grundplan eine derartige künftige Vergrösserung voraus, dass
der jetzige Südflügel durch Anbau von noch einem Gebäudeviereck zum Mittelbau wird.
Die Gebäude bestehen aus einem, die Dienstwohnungen mit zwei Bädern, Speise und
Baderäume für Studenten usw. enthaltenden Sockelgeschoss in Sandsteinquadern,
einem Erd- und einem Obergeschoss in dunkelroten Verblendziegeln. Die
Fensterüberdeckungen, Gesimse und die Attika bestehen aus Sandstein. Der südliche
Flügel enthält noch ein aufgebautes Dachgeschoss, während bei den anderen Flügeln
der Dachraum durch grosse liegende Dachfenster und architektonisch ausgestaltete
Fensteraufbauten nutzbar gemacht ist. Die Dächer sind mit schwarzblauem Schiefer
gedeckt; die kraftvolle Architektur wird somit durch verschiedene wirksame
Farbengegensätze unterstützt und belebt. – Der Haupteingang liegt an der
Helmholtzstrasse (im künftigen Mittelbau); er führt in die Vorhalle und zu einer
stattlichen, dreiarmigen Treppe ausserdem führen zwei bequeme Nebentreppen vom
Sockel- bis zum Dachgeschoss. Die rings um den Hof laufenden, breiten, hellen Flure
führen zu den Vortrags- und Zeichensälen, den Sammlungen, deren Inhalt grossenteils
von aussen gesehen werden kann, den Professorenzimmern usw.
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Fig. 6. 150 PS Turbodynamo, Bauart De Laval-Siemens-Schuckert (Techn.
Hochschule Dresden).
Hervorgehoben sei, dass besondere Sorgfalt auf die Beleuchtung der Hör- und
Zeichensäle verwendet wurde; in dieser Beziehung bemerkenswert ist namentlich der im
zweiten Stock gelegene Zeichensaal (Fig. 3), der
durch seine Oberlichtfenster ein sehr gleichmässiges und helles Tageslicht bekommt;
für den Abend bewährt sich die indirekte Bogenlichtbeleuchtung als beste und weitaus
billigste.
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Fig. 7. Heizkanal (Techn. Hochschule Dresden).
Als Zeichentische wurden die gewöhnlichen mit Schublade
beibehalten; jedoch wurde für jeden Platz ein leicht festzuklemmendes
Reissbrettgestell beigegeben, das den üblichen Reissbrettern der Studierenden drei
verschiedene Schräglagen zu geben gestattet.
Das ebenfalls im zweiten Stock gelegene mechanischtechnologische Institut (Fig. 4)
umfasst das mechanischtechnische Laboratorium mit der zugehörigen Sammlung, die eine
der reichhaltigsten des Festlandes und hinsichtlich des Faserstoffgewerbes wohl die
reichhaltigste ist. Die Sammlung ist begründet von dem verstorbenen Geh.
Regierungsrat Prof. Dr. Hartig.
IV. Das Gebäude der Mechanisch-Technischen
Versuchsanstalt besteht aus einem viergeschossigen Hauptgebäude und zwei
eingeschossigen Seitenflügeln. Das Sockelgeschoss des ersteren enthält die Abteilung
für Prüfung von Baustoffen, wie Zement, Kalk, Steinen, Ziegel,
Kunststeinerzeugnissen aller Art usw. Im Erdgeschoss liegen die Verwaltungsräume,
ein grosser Maschinensaal (Fig. 5) sowie ein
Feinmess- und Wägezimmer. Im grossen Maschinensaal sind die grösseren, mit
Druckwasser betriebenen Material – Prüfungsmaschinen aufgestellt, die
Kraftäusserungen bis zu 1000000 kg zulassen. Ein zweiter Maschinensaal im
Obergeschoss enthält kleinere Material-Prüfungsmaschinen zur Erprobung von Drähten,
Faserstoffen usw. Ausserdem liegen in diesem Geschoss die Abteilung für
Schmiermitteluntersuchung und die Chemisch-technische Abteilung, während im zweiten
Obergeschoss die Abteilung für Metallographie sowie eine photographische Anstalt
untergebracht sind.
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Fig. 8. Anstalt zur Prüfung von Schiffswiderständen und hydrometrischen
Instrumenten (Techn. Hochschule Dresden).
Die Versuchsanstalt übernimmt als öffentliche Untersuchungsstelle auf Antrag die
Prüfung von Baustoffen und Bauverbänden jeder Art und stellt über den Befund
amtliche Prüfungszeugnisse aus.
V. Das den Lehrstühlen für Elektrotechnik
bestimmte, zuletzt fertiggestellte Gebäude, in welchem der Festakt am 27. Mai
stattfand, besitzt eine bebaute Grundfläche von 1842 qm. Der in der Mitte
befindliche, zugleich als Maschinenraum dienende Lichthof ist in allen Stockwerken
von breiten Fluren umgeben. Während sich im Erdgeschoss die Hauptlaboratoriumsräume
befinden, sind im Obergeschoss hauptsächlich die Räume der Lehrstühle für
Elektro-Maschinenbau sowie für Telegraphie und Signalwesen untergebracht. Von den im
Dachgeschoss vorgesehenen Anlagen sind vor allem die Einrichtungen für drahtlose
Telegraphie zu erwähnen.
VI. Durch das als unabhängiges Krafthaus ausgeführte
Elektrizitätswerk unterscheidet sich die Dresdener Hochschule grundsätzlich
von allen anderen deutschen Hochschulen, welche die Strom- und Wärmelieferung den
Maschinenlaboratorien überlassen haben. Mit der getrennten Anlage wird zugleich der
Vorteil erreicht, dass den Studierenden eine neuzeitliche vollständige
Betriebsanlage üblicher Art mit allen der Betriebssicherheit
und Wirtschaftlichkeit entsprechenden Einrichtungen dauernd vor Augen
geführt wird. Besonderer Wert wurde darauf gelegt, die elektrischen Einrichtungen
mustergültig und so anzuordnen, dass auch dem Nichtfachmann die Grundsätze klar
werden, nach denen elektrische Anlagen zu einer Sicherheit gebracht werden können,
die auch nicht im entferntesten von irgend einer Art sonstiger Betriebseinrichtungen
zu erreichen ist.
Im Maschinenhaus sind vorläufig aufgestellt: eine 200pferdige Turbodynamo, Bauart Brown, Boveri & Co., Parsons und eine 150pferdige
Turbodynamo De Laval-Siemens-Schuckert (Fig. 6).
Die Heizdampfleitungen sind nach den einzelnen Anstalten in begehbaren Kanälen (Fig. 7) untergebracht, ebenso die Rücklaufleitungen
für das aus der Heizung kommende Kondenswasser.
An der im Verein mit den einzelnen Fachprofessoren durchgeführten Ausgestaltung der
gegen 5½ Millionen Mark kostenden Gesamtanlage hat sich ein ganz hervorragendes
Verdienst der leider kurz nach der Einweihung seiner Hochschulbauten verstorbene
entwerfende Architekt, Geh. Hof rat Prof. K Weissbach
erworben, dem an erster Stelle der Baumeister R. Kummer
als vortrefflicher Mitarbeiter zur stand. Mit der Bauleitung war Landbauinspektor
Lang betraut, während die Heizungs- und
Beleuchtungsanlagen vom Regierungsbaumeister Hofmeister bearbeitet wurden.
Zum Schluss sei noch kurz bemerkt, dass die oben genannte Festschrift im Anhang die
Beschreibung der Anstalt zur Prüfung von Schiffswiderständen
und hydrometrischen Instrumenten in Dresden-Uebigau enthält. Diese Anlage
(Fig. 8)Zentralblatt der Bauverwaltung 1905, S. 272 u. f. ist auf
dem Grundstück der „Kette“ von dieser unter
Mitwirkung des eingangs erwähnten Geh. Hofrates Prof. H.
Engels und des Prof. W. Kübler erbaut. Von den
Schwesteranstalten in Bremerhaven und Charlottenburg unterscheidet sie sich zunächst
durch die geringe Länge des Versuchsbeckens, 88 m, welche durch die zur Zeit des
Neubaues beschränkten Verhältnisse des Bauplatzes bedingt war. Der Anstalt ist in
vorteilhafter Weise eigentümlich die Anordnung von vertieften Seitengängen, so dass
man von diesen aus den Wasserspiegel des Versuchskanals in bequemer Augenhöhe hat.
Endlich ist sie die einzige aller bestehenden Anstalten, die vermöge in der Mitte
des Kanals angebrachter und tief hinabreichender seitlicher Glasfenster sowie durch
Vermittlung eines quer unter den Kanal geführten und mit Deckfenstern versehenen
Dückers die Beobachtung und photographische Festlegung der Bewegungsvorgänge im
Innern des Wasserkörpers während der Vorüberfahrt eines Modells ermöglicht. Der
Versuchswagen ist zur Erzielung einer kurzen Anfahr- und Bremsstrecke so leicht als
möglich (nur 4,5 t) aus eisernem Gitterwerk erbaut und ist einteilig und zweiachsig
ausgeführt.
Da begründete Hoffnung vorhanden ist, dass auch die Uebigauer Anstalt der weiteren
Entwicklung unseres Schiffbaues und unserer Wasserstrassen dienen wird, so liefern
die Neubauten der Technischen Hochschule zu Dresden
wohl zweifellos einen greifbaren und umfassenden Beweis für die Richtigkeit der allgemein gültigen (von Engels stammenden) Ausführungen:
„In der Entwicklungsgeschichte der deutschen Technischen Hochschulen hat das
verflossene Jahrzehnt deshalb eine besondere Bedeutung gewonnen, weil in ihm
sich die Erkenntnis Bahn brach, dass eine wesentliche weitere Förderung der
Wissenschaft und Kunst des Ingenieurs ohne die Unterlage experimenteller
Forschung nicht zu erwarten ist.“