Titel: | Untersuchungen über die Feuerschwindung. |
Fundstelle: | Band 320, Jahrgang 1905, S. 751 |
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Untersuchungen über die
Feuerschwindung.
Untersuchungen über die Feuerschwindung.
Feuerfeste Massen pflegen sich bei starkem Glühen erheblich zusammenzuziehen.
Diese bekannte Erscheinung ist von LucasZeitschr. für physikalische Chemie
1905, 52, S.
327–342. an verschiedenen reinen Oxyden durch genaue
Messungen verfolgt worden. Er untersuchte Kobaltoxyd, Kaolin (aus Zettlitz, sehr rein), Magnesia und Zirkonoxyd.
Die feingepulverte Substanz wurde durch Zusatz von ein
wenig Wasser und, wenn nötig, etwas Klebstoff bildsam gemacht und in einer
Strangpresse zu Fäden verwandelt. Diese Fäden wurden an der Luft und in der Wärme
getrocknet und in kleine Stäbe zerschnitten. Die Grundfläche der Stäbchen wurde mit
Schmirgelpapier eben gerichtet und dann die Länge wie die Dicke der Stäbchen mit
einem Schraubenmikrometer gemessen.
Zur Erhitzung der Stäbchen diente ein elektrisch heizbarer Platinwiderstandsofen, die
Temperatur wurde mit einem Le Chatelier Pyrometer
gemessen. Für sehr hohe Temperaturen stand ein Kohlenrohrofen und ein Iridiumofen
zur Verfügung. Der Kohlenrohrofen bestand aus einem 200 mm langen Kohlenrohr, mit 20
mm äusserem Durchmesser und 3 mm Wandstärke; dies Rohr war von einem Gemisch aus
Magnesia und Kohle umgeben und der ganze Ofen mit Asbest bedeckt. Mit diesem
Kohlenrohrofen wurden namentlich Versuche mit Magnesia angestellt; die Stäbe wurden,
durch ein weiteres Magnesiarohr geschützt, in das Innere des Kohlenrohres
eingeführt, das durch den elektrischen Strom zur Weissglut erhitzt wurde. Die
Temperatur wurde hier photometrisch gemessen, indem vor
die Oeffnung des geheizten Rohres ein Nernstscher
Glühkörper gestellt und dessen Lichtstärke durch Regelung des durchgeleiteten
Stromes so lange verändert wurde, bis der glühende Stift scheinbar verschwand.
Hält man ein blaues Glas vor das Auge, so lässt dich dieser Punkt gleicher
Helligkeit genau bestimmen. Die Stärke des Stromes, der den Glühkörper dann
durchfliesst, gibt einen Anhalt für die Höhe der im Kohlenrohr erreichten
Temperatur.
Der glühende Stift aus Nernstscher Masse strahlte bei
0,09 Ampere Stromstärke 0,71 Hefnerkerzen aus; da seine Fläche 17,6 qmm betrug,
entspricht dies 0,040 Kerzen auf den Quadratmillimeter; indem auch für andere
Stromstärken die zugehörige Helligkeit bestimmt wurde, ergab sich folgende
Aufstellung:
0,040
Kerzen
auf
1
qmm
bei
0,09
Ampere
0,195
„
„
„
„
„
0,13
„
0,31
„
„
„
„
„
0,15
„
0,57
„
„
„
„
„
0,19
„
Die Linie A
Fig. 1 zeigt den Verlauf dieser Beziehungen. Die
Linie B stellt ferner nach Versuchen von RotmundDiese
Tabelle ist (nach Messungen von Lummer und
Pringsheim) extrapoliert worden und
macht keinen Anspruch auf besondere Genauigkeit. die
Kerzen dar, die der schwarze Körper mit steigender Hitze aussendet. Aus dem
Vergleich beider Linien ergaben sich folgende Verhältnisse zwischen der Stromstärke
und Temperatur im Kohlenrohr:
bei
0,09
Ampere
eine
Temperatur
von
1395°
im
Kohlenrohr
„
0,13
„
„
„
„
1570°
„
„
0,15
„
„
„
„
1625°
„
„
0,19
„
„
„
„
1710°
„
Gehen wir nun zu den Versuchen selber über! Es ist bekannt, dass nicht nur die Höhe der
Glut, sondern auch die Schnelligkeit und die Dauer der Erhitzung auf den Grad der
Schwindung Einfluss hat. Setzt man den ursprünglichen Durchmesser (etwa 1,4 mm) des
Stäbchen = 100, so ergeben sich bei Kobaltoxyd für
rasche und für langsame Erhitzung in Mittel folgende Unterschiede:
Textabbildung Bd. 320, S. 751
Fig. 1.
Temperatur
I
II
700°
95,9
97,7
800°
90,4
94,7
900°
87,4
91,8
1000°
86,3
90,2
1100°
84,0
87,8
1200°
81,6
85,2
1300°
78,9
81,5
Die unter I verzeichneten Werte des Durchmessers wurden erhalten, indem die Stäbchen
sofort der Ofentemperatur ausgesetzt und darin 10 Minuten belassen wurden, während
bei II die Temperatur langsam (in 10 Minuten um 100°) gesteigert wurde. Es zeigt
sich, dass die Schwindung bei langsamer Erhitzung geringer ist, ferner dass der
Unterschied bis zu etwa 950° zunimmt, wo er ungefähr 4 v. H. beträgt. Bei höheren
Hitzegraden nimmt der Unterschied zwischen rascher und langsamer Erwärmung wieder ab
(bei sehr hohen Temperaturen verschwindet er).
Vergleicht man mit der Abnahme des Durchmessers die Schwindung in der Längsrichtung
des Stabes, so ergibt sich letztere stets als geringer. Setzt man wieder den
ursprünglichen Durchmesser und die ursprüngliche LängeDie Länge der Stäbchen betrug etwa 2
cm. (nach dreistündigem Erhitzen auf 235°) = 100, so ergibt sich für
Kaolin (ohne Klebstoff angerührt):
TemperaturGrad
Dauer derErhitzung
Längecm
Durchmessercm
235
3 Stunden
100
100
700
10 Minuten
99,1
98,8
990
„
96,4
95,8
1000
„
96,1
95,1
1100
„
93,5
91,7
1175
„
89,7
85,6
1220
„
88,1
82,4
1260
„
87,1
80,7
Der Unterschied der Schwindung wird in den beiden Richtungen um so grösser, je
höher die Temperatur steigt. Wie beim Kobaltoxyd tritt auch beim Kaolin eine
Verzögerung des Schwindens zwischen 900 und 1000° ein, über 1000° eine
Beschleunigung.
Fig. 2 zeigt den Zusammenhang zwischen Länge und
Temperatur in Form einer Kurve. Ueber 1000° fällt die Kurve steil ab; bei 1250°
liegt die Kurve nach rechts um. Ueber 1260 konnten keine Messungen angestellt
werden, weil der Kaolin zu weich wurde.
Bei Magnesia und Zirkonoxyd
konnten die Beobachtungen bis zu weit höherer Temperatur geführt werden:
Magnesia
Zirkonoxyd
TemperaturGrad
Länge
TemperaturGrad
Längecm
Brenndauer
1000
88,5
Lufttrocken
100
–
1100
88,3
110
99,4
1 Stunde
1200
85,8
650
98,2
15 Minuten
1300
78,7
750
96,7
„
1425
68,5
840
94,4
„
1565
64,6
950
90,8
„
1730
64,5
1040
86,6
„
1170
82,1
10 Minuten
1220
80,9
„
1275
80,2
„
1330
78,7
„
1950
73,8
–
Was den Einfluss der Brenndauer anlangt, so ziehen sich
die Stäbe unter der Einwirkung der Hitze zunächst schnell zusammen, erfahren dann
aber nur noch eine verhältnismässig geringe Aenderung bei gleich gehaltener
Temperatur. Erhitzte man dasselbe Magnesiastäbchen wiederholt und verschieden lange
Zeit auf dieselbe Temperatur, so erhielt man in drei Versuchsreihen die in
umstehender Tabelle angegebenen Werte.
Textabbildung Bd. 320, S. 751
Fig. 2.
Während also eine Brenndauer von 62 Minuten bei 1170° die Länge eines Kaolinstäbchens
um 19,6 v. H. verminderte, wurde sie durch eine gesamte Brenndauer von 817 Minuten
nur um 0,7 v. H. weiter verkürzt. Die Abhängigkeit der Schwindung von der Zeit,
während der die Masse auf einer bestimmten Temperatur gehalten wurde, lässt sich
durch eine logarithmische Gleichung gut wiedergeben.
Ist ein Stab sehr lange bei 1000° gebrannt worden, so ist sein Schwindungsvermögen
für 1100° geringer geworden; diese Unterschiede verschwinden bei sehr hohen
Temperaturen, wie schon früher erwähnt wurde.
Infolge der Schwindung erhöht sich die Festigkeit des Gefüges. Um einen Einblick zu
gewinnen, in welchem Masse die Festigkeit mit steigender Temperatur wächst, wurden
bei verschiedenen Temperaturen gebrannte Stäbe auf ihre Bruchfestigkeit geprüft. Der
zu untersuchende Stab wurde auf zwei Stahlschneiden gelegt, die einen Abstand von
0,70 cm von einander hatten. In der Mitte des Stabes wurde ein kleiner Stahlanker
eingehakt, an dessen unterem Ende eine Stahlfeder befestigt war. Die Feder wurde
durch Anziehen soweit gestreckt, bis der Stab brach. Vorher war die Feder durch
Anhängen von verschiedenen Gewichten geeicht worden.
Die folgende Tabelle zeigt die Ergebnisse für Kobaltoxyd und Kaolin:
Magnesia
I
II
III
TemperaturGrad
ZeitdauerMinuten
Durchmessercm
TemperaturGrad
ZeitdauerMinuten
Durchmessercm
TemperaturGrad
ZeitdauerMinuten
Durchmessercm
210
–
100
210
–
100
210
–
100
910
3
92,3
1000
3
89,5
1100
4
85,5
900
4
91,7
1000
5
88,5
1100
4
85,2
900
14
91,1
1000
10
88,4
1100
10
84,75
900
19
90,9
1000
20
88,1
1100
20
84,75
900
17
90,4
1000
22
87,9
Kaolin.
I
II
III
IV
TemperaturGrad
ZeitdauerMinuten
Durchm.cm
TemperaturGrad
ZeitdauerMinuten
Durchm.cm
TemperaturGrad
ZeitdauerMinuten
Durchm.cm
TemperaturGrad
ZeitdauerMinuten
Durchm.cm
240
–
100
240
–
100
240
–
100
ungebrannt
–
100
1100
5
94,3
1200
4
84,7
1300
5
78,3
1170
62
80,4
1100
8
93,2
1200
6
82,4
1300
4
78,1
1170
84
80,3
1100
16
91,6
1200
10,5
81,4
1300
10
77,5
1170
183
80,0
1100
20
90,3
1200
10
81,2
1333
10
77,5
1170
141
80,0
1000
18
89,7
1200
14,5
81,0
1170
129
79,7
1100
40
88,9
1170
228
79,7
––––
1100
30
88,4
insgesamt
817
Die Kaolin- und Kobaltoxydstäbe hatten die gleichen Abmessungen und waren unter
gleichen Verhältnissen gebrannt worden, indem sie langsam (100° in 10 Minuten) auf
die fragliche
Brenn-temperaturGrad
Bruchfestigkeit
Kobaltoxyd
Kaolin
600
–
150
700
10
230
800
10
330
900
55
410
1000
130
500
1100
210
635
1200
245
1210
1300
375
1530
Temperatur gebracht und dann der Endhitze 10 Minuten lang
ausgesetzt wurden. Die Zahlen für die Bruchfestigkeit sind das Mittel aus je drei
Versuchen.
Wie lässt sich nun erklären, dass diese besprochenen Körper durch Erhitzen eine so
starke Schrumpfung erfahren? Die Antwort lautet, dass alle diese Körper sehr porös sind und dass ihre Hohlräume durch das Glühen verkleinert werden.
Der Inhalt dieser Hohlräume wurde aus dem Wasseraufnahmevermögen in bekannter Weise
ermittelt. Die poröse Masse wurde unter Wasser gebracht und mit der Luftpumpe die
Luft aus den Poren ausgetrieben; dann wurde wieder Atmosphärendruck hergestellt, so
dass sich die Poren mit Wasser füllten. Die Gewichtszunahme des Körpers ergab sein
Hohlvolumen.
Für einen bei 1000° gebrannten Kaolinstab, dessen Raumverdrängung (äusseres Volumen)
0,831 ccm betrug, ergab sich derart das Hohlvolumen zu 0,322 ccm (= 39 v. H. des
Gesamtvolumen); bei höherer Brennhitze nahm das Hohlvolumen und das äussere Volumen
(aus Länge und Querschnitt berechnet, dieses Stabes folgendermassen ab:
Die Uebereinstimmung der Endwerte in den beiden letzten Spalte zeigt, dass die Grösse
der Schwindung durch die Grösse der Porosität bedingt wird.
Durch das Erhitzen wird der schwindende Körper in einen Zustand versetzt, der
ihn befähigt, Spannungskräften zu folgen die seine Oberfläche zu verkleinern
streben; seine innere Reibung wird durch Temperaturerhöhung stetig vermindert.
Solche stetige Abnahme der inneren Reibung zeigen nur amorphe (nicht krystallinische Stoffe. Umgekehrt kann man also folgern,
dass nur amorphe Stoffe Feuerschwindung zeigen.
TemperaturGrad
AeusseresVolumen
Hohl-volumen
Abnahme des
äusserenVolumens
Hohl-volumens
1000
0,831
0,322
1100
0,793
0,287
0,038
0,036
1200
0,627
0,138
0,204
0,185
1250
0,589
0,086
0,242
0,236
1320
0,564
0,061
0,267
0,261
Diese Behauptung lässt sich an dem Zettlitzer Kaolin prüfen, weil er bei gewöhnlicher
Temperatur Krystallwasser besitzt (seine Formel ist Al2O3 . 2 SiO3 . 2 H2O). Erhitzt man diesen
Ton, so zeigt er bis 400° nur eine sehr geringe Gewichtsabnahme; zwischen 400° und
500° aber nimmt sein Gewicht rasch um etwa 12 v. H. ab. Andererseits setzt auch die
Schwindung erst bei etwa 500° merklich ein:
TemperaturGrad
Brenndauer
Länge desStabescm
Lufttrocken
8 Tage
100,00
130
2 Stunden
100,00
180
2 „
99,95
260
2 „
99,90
400
½ „
99,95
520
½ „
99,21
700
½ „
98,60
Die Schwindung tritt also erst ein, wenn der Kaolin sein Krystallwasser und damit die
Krystallform verloren hat.
Arndt.