Titel: | Amerikanische Klappbrücken. |
Autor: | Georg v. Hanffstengel |
Fundstelle: | Band 321, Jahrgang 1906, S. 1 |
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Amerikanische Klappbrücken.
Von Georg v.
Hanffstengel, Cleveland, Ohio.
Amerikanische Klappbrücken.
Bewegliche Brücken werden in Amerika, wenn man von wenigen Ausnahmen absieht,
als Dreh- oder Klappbrücken ausgeführt. Wenn auch erstere heute noch an Zahl weit
überlegen sind, so scheint es doch, dass die Klappbrücke mehr und mehr Boden
gewinnt. Man hat wohl auch Roll- und Hubbrücken gebaut – am bekanntesten ist die
Hubbrücke an Halsted Street in Chicago – doch kommen diese Konstruktionen, wo es
sich um grössere Spannweiten handelt, kaum noch in Betracht.
Neue Typen von Drehbrücken sind in letzter Zeit nicht aufgekommen. Man benutzt zur
Unterstützung während des Drehens allgemein den Rollenkranz auf dem Mittelpfeiler,
der bei eingeschwenkter Brücke durch die landseitigen Auflager teilweise entlastet
wird. Diese bestehen aus Rollen, die auf dem Landpfeiler gelagert sind und auf
welche der schräg abgeschnittene Endquerträger beim Eindrehen aufläuft. Die ganze
Einrichtung ist ziemlich primitiv und zeigt wenig von der sorgfältigen
Durcharbeitung, die man in Deutschland derartigen Bauten angedeihen lässt, sie
erfüllt aber ihren Zweck trotz der grossen Anforderungen, die in den verkehrsreichen
Städten an den grossen Seen an sie gestellt werden. Ungleicharmige Drehbrücken
finden sich selten.
Wie erwähnt, hat die Drehbrücke jetzt einen gefährlichen Konkurrenten in der
Klappbrücke gefunden. Die schiffbaren Wasserwege innerhalb der Städte sind für die
grossen neueren Dampfer meist ohnehin schon recht eng. Wenn jetzt noch mitten in die
Wasserstrasse einer dieser umfangreichen Drehbrückenpfeiler gesetzt wird, so bleibt
für die Schiffe nur noch eben Raum zum Passieren übrig, und Beschädigungen der
Pfeiler kommen infolgedessen häufig vor. Die Klappbrücke lässt den ganzen Wasserweg
frei und sie hat ausserdem den Vorzug, dass sie sich schneller öffnen und schliessen
lässt. Die Kosten sind jedoch nicht unbeträchtlich höher als für eine Drehbrücke.
Wohl aus diesem Grunde hat man ihr auf dem europäischen Kontinent bisher wenig
Interesse entgegengebracht.
Man muss unterscheiden zwischen ein- und zweiflügeligen Klappbrücken. Die erstere Art
bildet, wenn geschlossen, einen an beiden Enden gestützten Balken und wirkt als
Kragträger nur während des Oeffnens. Die zweiflügelige Klappbrücke ist vereinzelt so
ausgeführt worden, dass die beiden Flügel in gesenktem Zustande einen Bogen bilden.
Meist kragen indessen die Brückenhälften von den Landpfeilern her frei aus und sind
in der Mitte lediglich durch Riegel verbunden, welche die beiden Teile verhindern,
sich unabhängig voneinander durchzubiegen. Natürlich federn die Träger unter
schweren Lasten, wie Strassenbahnwagen, ganz bedeutend. Der Vorteil der
Kragträgerkonstruktion liegt wohl darin, dass die Schwierigkeiten der Ausführung und
Instandhaltung der Widerlager fortfallen. Für Eisenbahnbrücken wird die
einflügelige Anordnung wegen ihrer grösseren Steifigkeit in der Regel
vorgezogen.
Im folgenden soll eine Uebersicht über die in Amerika ausgeführten
Klappbrückensysteme mit Skizzen der wichtigeren Konstruktionen gegeben werden. Der
Vollständigkeit wegen wurde auch eine englische Brücke einbezogen. Der grössere Teil
der Angaben und Skizzen ist einem Vortrage von Joseph B.
Strauss entnommen, der am 23. Nov. 1904 vor der „Western Society of
Engineers“ in Chicago gehalten wurde.
Textabbildung Bd. 321, S. 1
Fig. 1. Zugbrücke.
Eine der ältesten Konstruktionen, die man auch heute noch vielfach in den Vereinigten
Staaten findet, ist die in Fig. 1 schematisch
dargestellte Zugbrücke. Der Klapparm a ist auf dem Landpfeiler in Zapfen gelagert und weiter
aussen an Kabeln b aufgehängt. Letztere laufen über
Rollen c auf der Spitze des Turmes g und tragen Gegengewichte d, die auf einer gekrümmten Bahn abrollen. Die Kurve ist so zu bestimmen,
dass die Brücke in jeder Stellung ausbalanziert ist.
Später machte man Versuche mit Faltbrücken. Einen
derartigen Typ, Bauart Schenke, skizziert Fig. 2. Der Gedanke, der allen Faltbrücken im
weiteren Sinne zugrunde liegt, ist der, die beweglichen Glieder der Brücke so zu
führen, dass ihr Schwerpunkt einen wagerechten Weg beschreibt, wodurch Gegengewichte
überflüssig werden. Die Frückenhälfte (Fig. 2) ist
durch eine Strebe ab gestützt, die sich beim Aufklappen
um Punkt a dreht, während das landseitige Ende des
Brückenflügels mit der Rolle c in einem Schlitz des
Anfahrtträgers geführt wird. Die zum Antrieb dienende Zahnstange ef hat, da der Schwerpunkt sich wagerecht bewegt, nur
Winddruck und Reibungswiderstände zu überwinden. Im geschlossenen Zustande ist die
Brücke am Landende sicher abzustützen, damit sie sich nicht unter einseitiger
Verkehrslast von selbst öffnet.
Man kann dieser Konstruktion vorwerfen, dass sie aus zu vielen Teilen besteht,
dass die Herstellung des gekrümmten Schlitzes einige Schwierigkeiten macht und dass
die Gefahr selbsttätigen Oeffnens, im Falle die Verriegelung versagen sollte,
ziemlich gross ist. Die schrägen Streben sind dem Verkehr kleiner Fahrzeuge bei
geschlossener Brücke hinderlich, machen die Brücke indessen sehr steif. In den
letzten zehn Jahren ist dieses System nicht zur Ausführung gekommen.
Textabbildung Bd. 321, S. 2
Fig. 2. Faltbrücke an der 16. Strasse in Milwaukee. Bauart Schenke
A = Angriffspunkt der Zahnstange; P
= Pfeiler; R = Ritzel; U = Unterbrechung der Fahrbahn.
Eine andere Art von Faltbrücken ist in Chicago und Milwaukee mehrfach gebaut, doch
ist nur noch eine von diesen Brücken in Betrieb. Jede Brückenhälfte besteht, wie die
schematische Skizze Fig. 3 zeigt, aus zwei gelenkig
miteinander und mit dem Landpfeiler verbundenen Teilen ac und cd, die an einem Kabel ed am Turm g aufgehängt
sind und beim Oeffnen der Brücke zusammenklappen. Der Systemschwerpunkt bewegt sich
auf einer Kurve, die bei richtiger Wahl der Armlängen nicht allzuweit von der
Horizontalen abweicht.Vergl. Barkhausen, Zeitschr. d. Ver. deutsch. Ing.
1894, S. 1147. Zum Antrieb dient eine Kette f, die mit Hilfe von Rollen auf einem Kreisbogen
geführt ist und am Ende des bei b gelagerten Armes
angreift.
Textabbildung Bd. 321, S. 2
Fig. 3. Faltbrücke.
Unter Faltbrücken im weiteren Sinne des Wortes gehört auch eine neuere Brücke, Bauart
Page, die an Ashland Avenue über den Chicago River
führt und aus dem Jahre 1902 stammt. Fig. 4 gibt das
Schema einer Brückenhälfte. Dieselbe besteht aus zwei beweglichen Teilen F1 und F2, die sich in
Zapfen a und b drehen.
Letztere sind durch eine feste Strebe miteinander verbunden. Der Träger F2, in der Skizze durch Schraffur hervorgehoben, besteht
aus zwei Blechtafeln, zwischen denen der Hauptträger F1 sich bewegt, und trägt eine gusseiserne
Rolle, welche sich beim Aufklappen an der gekrümmten Bahn des Trägers F1 führt. Sie überträgt
einen Teil des Gewichts von F2 als Gegengewicht auf F1. Die Kurve ist so geformt, dass in jeder Stellung
Gleichgewicht herrscht. Ein besonderes Gegengewicht ist also hier erspart, doch
musste der Flügel F2
entsprechend der geringen Weglänge, die sein Schwerpunkt gegenüber dem von F1 zurücklegt,
bedeutend schwerer konstruiert werden, als sonst nötig gewesen wäre.
Textabbildung Bd. 321, S. 2
Fig. 4. Brücke an Ashland Avenue, Chicago. Bauart Page.
A = Angriffspunkt der Triebstange
„n“; O = Oberkante Fahrbahn.
Die beiden Hauptflügel werden in geschlossenem Zustande durch eine pneumatische
Vorrichtung miteinander verriegelt und wirken als Bogen, dessen Schub durch die
Streben ab auf die Landpfeiler übertragen wird.
Textabbildung Bd. 321, S. 2
Fig. 5. Tower-Brücke, London.
L. Sekundäres Lager.
Zum Antrieb dienen für jede Brückenhälfte zwei 50pferdige Motoren, die an dem kurzen
Flügel aufgehängt sind. Sie arbeiten mit Hilfe verschiedener Zwischenwellen auf
Schrauben, welche die in Fig. 4 eingezeichneten, in
Führungen am Träger F2
laufenden Muttern m und die damit verbundenen
Triebstangen n bewegen. Gegen diese Brücke lassen sich
dieselben Einwände erheben wie gegen die Bauart Schenke, doch ist die Gefahr zufälligen Oeffnens in der vorliegenden
Ausführung durch die selbstsperrende Schraube aufgehoben. Strauss hebt als Fehler der Konstruktion besonders hervor, dass bei der
Schwierigkeit, die Kurven in der Werkstatt genau auszuführen, nicht darauf zu
rechnen ist, dass die Rollen auf beiden Seiten gleichmässig anliegen. Da es sich
hier um Uebertragung
sehr grosser Kräfte handelt, so ist diesem Punkte gebührende Beachtung zu schenken.
Die Anordnung hat unverkennbare Vorteile, vor allem den, dass trotz geringer Bauhöhe
alle Teile der Brücke oberhalb des Wasserspiegels bleiben, doch ist sie etwas zu
kompliziert. Die Schraube scheint mit Rücksicht auf die schlechte Wartung, die
solchen Vorrichtungen in Amerika in der Regel zu teil wird, nicht besonders am
Platze zu sein.
In einem andern Entwürfe, der für eine Eisenbahnbrücke bestimmt ist, ordnet Page, statt einen Teil der Brücke als Gegengewicht
auszunutzen, oberhalb des freien Profils einen besonderen Gegengewichtsträger an,
der an einem Ende gelenkig aufgehängt ist und am anderen Ende eine Rolle trägt. Zum
Antrieb dient ein auf die Rollenachse gesetztes Ritzel, das von dem am
Gegengewichtskasten aufgehängten Motor getrieben wird und in eine neben die Rollbahn
gelegte gekrümmte Zahnstange eingreift. Die Ausführungsschwierigkeiten sind hier
wegen der unregelmässig geformten Zahnstange jedenfalls noch grösser, doch ist die
Gefahr zufälligen Oeffnens beseitigt.
Die beschriebenen Brückensysteme verkörpern zum Teil recht interessante und
theoretisch richtige Ideen, doch sind sie alle ihrer Kompliziertheit wegen nicht
mehr imstande, mit den neueren, einfacheren Konstruktionen zu konkurrieren. An der
Spitze der modernen Ausführungen steht die normale Zapfenbrücke (trunnion bridge), die im Prinzip nichts weiter ist als ein
doppelarmiger Hebel. Als der klassische Repräsentant dieses Typs ist in Fig. 5 die Towerbrücke in London, die grösste bisher
ausgeführte Klappbrücke, skizziert. Die Entfernung von Mitte zu Mitte Drehzapfen ist
rd. 69 m, die Gesamtbreite 15 m.
Jeder der beiden Flügel besteht aus vier Fachwerksträgern, die von einer
durchlaufenden Achse von 530 mm Durchmesser und 14 m Länge getragen werden. Die
Achse dreht sich in Rollenlagern auf Stahlgussböcken, die sich auf die
verlängerten Zufahrtträger und damit auf die äusseren Fundamente stützen. Die
Zufahrtträger nehmen die Fahrbahn bis zur Unterbrechungsstelle auf.
Der Gegengewichtsarm ist verhältnismässig länger als bei den amerikanischen
Ausführungen, so dass eine ziemlich tiefe und weite Grube erforderlich ist, um ihn
beim Oeffnen der Brücke frei ausschwingen zu lassen. Das Gegengewichte für jeden
Flügel besteht aus 145 t Blei und 37½ t Gusseisen. Die Unterbrechung der Fahrbahn
liegt in unmittelbarer Nähe des Drehzapfens, so dass die Verkehrslast fast
ausschliesslich auf den langen Arm wirkt, also die Brücke zu schliessen strebt. Die
hierdurch hervorgebrachte aufwärts gerichtete Kraft am Ende des kurzen Armes wird
durch Buffer c an die Zufahrtträger übertragen.
Der Drehzapfen liegt im Schwerpunkt der Brücke, so dass der Antrieb nur für
Lagerreibung, Winddruck und Massenwirkungen zu berechnen ist. Zur Bewegung dienen
bei der Londoner Brücke zwei Ritzel b, die in den auf
einem besonderen Eisengerüst montierten viertelkreisförmigen Zahnkranz d eingreifen. Letzterer besteht aus Stahlguss und hat
eine Teilung von 150 mm bei 12,8 m Teilkreishalbmesser. Der ganze Antrieb geschieht
durch Druckwasser, auch sind hydraulische Buffer und Riegel vorgesehen.
43 m über dem Hochwasserspiegel führt eine feste Fussgängerbrücke, die durch Aufzüge
zugänglich ist, von Turm zu Turm, doch wird dieselbe selten benutzt, weil Oeffnen
und Schliessen der Brücke kaum drei Minuten in Anspruch nehmen.
Die Brücke hat sich vorzüglich bewährt und soll seit ihrer Erbauung im Jahre 1894
ausser gelegentlicher Reinigung der Lager keine Reparaturen erfordert haben.
(Schluss folgt.)