Titel: | Amerikanische Klappbrücken. |
Autor: | Georg v. Hanffstengel |
Fundstelle: | Band 321, Jahrgang 1906, S. 23 |
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Amerikanische Klappbrücken.
Von Georg v.
Hanffstengel, Cleveland, Ohio.
(Schluss von S. 3 d. Bd.)
Amerikanische Klappbrücken.
Fig. 6 gibt eine der ersten amerikanischen
Zapfenbrücken, die Brücke an Clybourn Place, Chicago, wieder. Das Prinzip ist
dasselbe wie bei der Londoner Brücke, doch ergibt die Form der Träger eine
natürlmchere Anordnung für den Antriebszahnkranz. Die Brücke hat drei Hauptträger,
welche die 5,5 m breiten Fahrwege zwischen sich nehmen und je einen
Stahlgusszahnkranz d von 150 mm Teilung tragen. Die
zugehörigen Ritzel e sitzen auf einer gemeinsamen
Welle. Für jeden Flügel sind zwei Motoren von 38 PS vorgesehen. Die 380 mm starken
Drehzapfen, die für jeden Träger einzeln ausgeführt sind, sind mit dem
Brückenuntergurt verkeilt und drehen sich in Stahlgusslagern mit Bronzeschalen.
Rollenlager sind bei amerikanischen Ausführungen nie zur Anwendung gekommen.
Pneumatische Buffer begrenzen den Weg des kurzen Armes nach oben und nehmen die von
der Verkehrslast herrührenden Vertikalkräfte auf. Ein besonderer Motor, der an dem
einen Flügel aufgehängt ist, verriegelt die Brücke in der Mitte, indem er einen
gusseisernen Balken in eine Aussparung des anderen Flügels schiebt.
Die Brücke wird von zwei einander diagonal gegenüberliegenden Führerhäusern aus
gesteuert. Die beiden Wärter verständigen sich mit Hilfe von Signalen, die durch ein
versenktes Kabel übertragen werden.
Als ein weiteres Beispiel für normale Zapfenbrücken ist in Fig. 7 eine New-Yorker Brücke skizziert. Es ist dies eine einflügelige
Strassenbrücke von geringer Spannweite mit sieben vollwandigen Trägern, von denen
aber nur die drei mittleren zur Aufnahme des Gegengewichtes a über den Drehpunkt hinaus verlängert sind. Da bei der geringen
Trägerhöhe die übliche Antriebsform wohl nicht gut auszuführen war, so hat man einen
festen Zahnkranz d, der in diesem Falle den Quadranten
eines Kegelrades bilden muss, in die Grube für das Gegengewicht a gelegt. Auf ihm rollt sich das auf dem kurzen Arm
gelagerte Ritzel e ab. Ein Motor von 25 PS öffnet die
Brücke in zwanzig Sekunden.
Wenn auch das Prinzip der normalen Zapfenbrücke sich in der Praxis aufs beste bewährt
hat, so sind doch im Vergleich mit der Drehbrücke die Kosten ziemlich hoch. Der oben erwähnte
Chicagoer Ingenieur, Joseph B. Strauss, sucht die
Brücken dadurch zu verbilligen, dass er durch gelenkige Aufhängung des
Gegengewichtes und Verkürzung des Gegengewichtsarmes die tiefe Grube, welche zur
Aufnahme des letzteren bei allen bisher skizzierten Zapfenbrücken notwendig war,
überflüssig macht. Die Grube verteuert den Unterbau wesentlich, auch ist es kaum
möglich, sie vollständig wasserdicht zu machen, so dass sie von Zeit zu Zeit
ausgepumpt werden muss.
Textabbildung Bd. 321, S. 23
Fig 6. Clybourn Place-Brücke, Chicago.
a = Gegengewicht.
Textabbildung Bd. 321, S. 23
Fig. 7. Mott Haven Canal-Brücke, New-York.
Strauss unterscheidet zwei Typen seines Systems, nämlich
Brücken mit unten- und solche mit obenliegendem Gewicht. Der kurze Arm einer Brücke
der ersten Art mit Auflager und Antrieb ist in Fig.
8 wiedergegeben. Das Gewicht wird durch einen flachen rechteckigen, mit
Beton gefüllten Kasten e gebildet, der im Punkte b mittels auskragender Zapfen an dem Hauptträger
aufgehängt ist und durch eine Stange cd, die bei c mit dem Brückenauflagerpfosten, bei d mit dem Gegengewicht e
verbunden ist, geführt wird. Die Gelenkpunkte bdc
bilden mit dem Drehpunkte a der Brücke ein
Parallelogramm, in dem bd stets parallel mit der festen
Linie ac bleibt, so dass das Gewicht nicht seitlich
schwingen kann. In der tiefsten Stellung hat das Gegengewicht noch etwas Spielraum
gegenüber der Pfeileroberkante. Der tiefste Punkt des Hauptträgers liegt bei
geschlossener Brücke ungefähr in derselben Höhe wie das Gegengewicht in seiner
niedrigsten Stellung, so dass dasselbe keine Vergrösserung der Konstruktionshöhe
erforderlich macht. Das Gewicht fällt bei der Kürze des Hebelarmes natürlich
ziemlich schwer aus. Die Form des Trägers erlaubt es, den Zahnkranz f unten anzubringen, so dass ein besonderer
Aufbau, wie bei der Londoner Brücke, nicht nötig ist. Der Antrieb besteht für jeden
Hauptträger aus einem 50pferdigen Motor mit vier Stirnradvorgelegen, von denen nur
das letzte in der Skizze angegeben ist.
Die vorliegende Brücke ist zweiflügelig und hat 57 m Spannweite von Mitte zu Mitte
Zapfen. Die Höhe der Fahrbahn über dem Wasserspiegel beträgt 6,7 m.
Wo die verfügbare Konstruktionshöhe so gering ist, dass die Träger nach oben gelegt
werden müssen, bringt Strauss das Gegengewicht in
passender Höhe über der Fahrbahn an. Die Fig. 9 und 10 zeigen
schematisch einen Entwurf dieser Art, der für eine Eisenbahnbrücke in Cleveland zur
Ausführung angenommen ist.
Textabbildung Bd. 321, S. 23
Fig. 8. Klappbrücke nach Strauss mit untenliegendem Gegengewicht.
Textabbildung Bd. 321, S. 23
Klappbrücke nach Strauss mit obenliegendem Gegengewicht.
Bei geschlossener Brücke kommt die Last des Gegengewichts, das in dieser Stellung das
Eisenbahnprofil freigibt, im Punkte b voll zur Wirkung.
Während des Aufklappens wird das Gewicht durch die Stange cd parallel geführt und verliert mit der abnehmenden Entfernung vom
Drehzapfen a der Brücke und der zunehmenden
Schrägstellung der Lenkerstange allmählich an Wirkung, bis bei voller Oeffnung (Fig. 10)
die Stange cd die halbe Last und der jetzt senkrecht
unter a liegende Gelenkpunkt b1 die andere Hälfte aufnimmt, so dass das
Gewicht unwirksam ist.
Zur Bewegung des Flügels dient, da ein Zahnkranz nicht wohl anzubringen ist, eine bei
e gelenkig langeschlossene Zahnstange f, die durch ein auf dem festen Gerüst gelagertes Ritzel g bewegt wird. Das Gerüst dient zur Lagerung des
Drehzapfens a, der Lenkerstange cd, des Führerhauses und des Antriebes.
Textabbildung Bd. 321, S. 24
Fig. 11. Klappbrücke Bauart Scherzer in Bridgeport.
Für Strassenbrücken will Strauss statt eiserner Gerüste
leichte Türme aus Betoneisenkonstruktion anwenden, die bei geschlossener Brücke mit
dem ornamental ausgeführten Gegengewicht zusammen ein Portal bilden. Das Gewicht
kann beim Oeffnen über Kopfhöhe belassen oder so tief gesenkt werden, dass es eine
Sicherheitsschranke bildet.
Textabbildung Bd. 321, S. 24
Fig. 12. Klappbrücke Bauart Scherzer an State Street, Chicago.
Die Unterbrechung der Fahrbahn liegt, von der Anfahrt aus gesehen, jenseits des
Drehzapfens, so dass freiwilliges Oeffnen durch die Verkehrslast ausgeschlossen ist.
Der kurze Arm legt sich bei zweiflügeligen Brücken oben gegen die mit Eisenklötzen
armierten Anfahrtträger. Ein selbsttätiger Riegel besorgt den Schluss in der
Mitte.
Der Zapfenbrücke kommt an Beliebtheit ungefähr gleich die Rollklappbrücke (rolling lift bridge) Bauart Scherzer (Fig. 11). Dieser Konstruktion
liegt offenbar der Gedanke zugrunde, dass man bei der Stützung so grosser Lasten
sich möglichst auf genietete Konstruktionen beschränken und Achsen, Zapfenlager und
dergl. vermeiden will.
Das landseitige Ende des Hauptträgers hat einen viertelkreisförmig gekrümmten
Untergurt, der sich auf einem auf dem Mauerwerk ruhenden Spurträger abwälzt.
Letzterer hat Zähne, die in entsprechende Vertiefungen der Gurtplatte eingreifen und
verhindern, dass die Brücke unter dem Einflüsse des Winddrucks oder der Triebkraft
gleitet. Alle Punkte der Brücke beschreiben bei der Bewegung Zykloiden. Damit die
Brücke in jeder Stellung ausbalanziert ist, muss der Schwerpunkt einen wagerechten
Weg beschreiben, also im Mittelpunkte des Wälzkreises liegen.
In diesem Punkte greift am zweckmässigsten die Zahnstange d an. Dieselbe liegt, wie aus Fig. 11 zu
ersehen, wagerecht und verschiebt sich nur in ihrer eigenen Richtung, ohne sich
schräg zu stellen. Der Antriebsmechanismus besteht aus Stirnrädern und bietet keine
Besonderheiten. Für das Gegengewicht muss eine Grube b
vorgesehen werden.
Der Umriss des gehobenen Flügels ist in Fig. 11
punktiert gezeichnet und lässt erkennen, dass sich die Fahrbahn um eine gewisse
Strecke dem Lande zu bewegt. Offenbar muss die Unterbrechungsstelle in oder vor den
Punkt gelegt werden, in dem die Fahrbahnlinien der gehobenen und der gesenkten
Brücke einander schneiden. Im Verkehrszustande kragt somit die Fahrbahn vom
Stützpunkt aus nach links über, und man muss daher der Gefahr unbeabsichtigten
Aufklappens durch eine sicher wirkende Verriegelung begegnen. Die Firma Scherzer benutzt dazu ein Hängeglied, das am
Anfahrtträger befestigt ist und unter den kurzen Arm geschoben wird, oder ein
Sperrad auf einer der Vorgelegewellen.
Die vorliegende Ausführung (Fig. 11) gibt eine in
Bridgeport, Conn., gebaute Eisenbahnbrücke von etwa 27 m Spannweite wieder. Es
liegen hier zwei doppelgleisige, voneinander vollständig unabhängige Flügel
nebeneinander. Das Gegengewicht besteht aus Gusseisenblöcken, die an die Träger
geschraubt sind.
Textabbildung Bd. 321, S. 24
Fig. 13. Eisenbahnbrücke Bauart Scherzer m in Cleveland.
Die Brücke in Bridgeport ist ästhetisch nicht besonders gut durchgebildet. Einen sehr
viel besseren Eindruck macht die zweiflügelige Klappbrücke über den Chicago river an
State Street, Chicago (Fig. 12). Die Figur zeigt
recht deutlich, wie viel Mauerwerk zur Auflagerung des Spurträgers und zur
Herstellung der Gegengewichtsgrube erforderlich ist. Die Verriegelung in der Mitte
wird hier durch einen an dem einen Brückenteil starr befestigten Zahn besorgt, der
in eine Lücke am anderen Flügel eingreift. Damit die Teile richtig ineinander fassen,
wird in einer bestimmten Stellung kurz vor dem Schluss der eine Flügel angehalten,
um dann von dem anderen mitgenommen und in die Schlusstellung gebracht zu werden.
Mit Hilfe einer Bandbremse auf einer Welle des Triebwerks beherrscht der Führer die
Bewegung der Brücke mit Sicherheit.
Textabbildung Bd. 321, S. 25
Fig. 14. Klappbrucke Bauart Scherzer in Barking, England.
T = Trommel; S = Seilrolle.
Textabbildung Bd. 321, S. 25
Fig. 15. Klappbrucke Bauart Scherzer in Marseilles, Illinois.
Fig. 13 gibt eine einflügelige, doppelgleisige
Eisenbahnbrücke mit obenliegenden Trägern wieder, die in Clevelend in Betrieb
ist.
Weitere eigenartige Ausführungen von Brücken nach demselben Prinzip geben Fig. 14 und 15. In
Fig. 14 ist die Rollbahn ein Teil eines
vollständigen Rades, von dessen höchstem Punkte ein wagerechtes Kabel a abläuft, an welchem das auf einer gekrümmten Bahn
geführte Gegengewicht b angreift. In Fig. 15 ist das Gewicht gelenkig aufgehängt und der
Antrieb geschieht durch eine Gallsche Kette k und hydraulischen Zylinder.
Strauss wirft in dem erwähnten Vortrag der
Rollklappbrücke vor, dass der durch die Bewegung des Schwerpunktes
hervorgerufene Wechsel in der Beanspruchung das Mauerwerk angreift und daher
besonders starke Pfeiler notwendig macht, und dass ferner die Gegengewichtsgrube
tiefer ist als bei der normalen Zapfenbrücke und sich mit Schmutz füllt, der beim
Oeffnen von der Brücke herunterfällt. Weiter tadelt er die hohe Lage des
Schwerpunktes über dem Auflager. Dass der Ersatz der Zapfenreibung durch den
Rollwiderstand eine Verminderung des Kraftverbrauches zur Folge habe, sei kaum zu
erwarten, weil die Laufbahn nicht so gut instandgehalten und geschmiert werden
könne, wie ein Zapfen, und sei auch durch Ablesungen am Amperemeter nicht
nachgewiesen.
Textabbildung Bd. 321, S. 25
Fig. 16. Klappbrucke Bauart Cowing.
Zum Schluss ist in Fig. 16 noch die Zeichnung eines
von J. P. Cowing vorgeschlagenen Systems gegeben. Cowing umgeht den Zapfen, indem er dem kurzen Arm eine
halbkreisförmige Gurtung gibt, die sich, von Rollen gestützt, in einem fest
gelagerten Kreisbogenträger dreht. Im Prinzip ist dieses System mit der Zapfenbrücke
identisch, doch ist die Ausführung offenbar beträchtlich schwieriger.