Titel: | Die Hebezeuge auf der Weltausstellung in Lüttich 1905. |
Autor: | K. Drews |
Fundstelle: | Band 321, Jahrgang 1906, S. 35 |
Download: | XML |
Die Hebezeuge auf der Weltausstellung in Lüttich
1905.
Von K. Drews,
Oberlehrer an der Kgl. höh. Maschinenbauschule in Posen.
(Fortsetzung von S. 22 d. Bd.)
Die Hebezeuge auf der Weltausstellung in Lüttich 1905.
Die elektrische Ausrüstung des Stuckenholz'schen Kranes ist von den Siemens-Schuckertwerken, Berlin, geliefert worden.
Die Motoren (Fig. 14) sind geschlossene
Hauptstrommotoren mit zweiteiligem Gehäuse. Der Kommutator ist durch Klappen im
Gehäuse leicht zugänglich.
Alle Teile sind so konstruiert, dass sie nach Bedarf ausgewechselt werden
können. Da die Motoren bei allen Belastungen und nach beiden Drehrichtungen
funkenfrei laufen, so konnte auf Verstellbarkeit der Bürsten verzichtet werden.
Die Anschlussklemmen liegen geschützt im Gehäuse. Fig.
15 zeigt die Beziehungen zwischen Tourenzahl und Drehmoment bei der
Selbstregulierung. Auf der senkrechten Achse sind die Tourenzahlen in Prozenten der
normalen Tourenzahl, auf der wagerechten die Drehmomente in Prozenten des normalen
Drehmomentes aufgetragen.
Textabbildung Bd. 321, S. 36
Fig. 14. Motor zum Laufkran von Stuckenholz.
Textabbildung Bd. 321, S. 36
Fig. 15. Drehmoment in v. H. des normalen.
In Fig. 16 ist eine Doppelsteuerwalze mit
Universalantrieb dargestellt. Die eine Walze wird mittels eines Zahnsegments
vom Hebel unmittelbar betätigt, indem dieser in einer senkrechten Ebene schwingt;
schwingt dagegen der Hebel in einer Ebene, die durch die Achse der in Fig. 16 sichtbaren steilgängigen Schraubenspindel
geht, so wird diese durch achsiale Verschiebung ihrer Mutter gedreht, und diese
Bewegung dann mittels eines Kegelräderpaares auf die zweite Steuerwalze
übertragen.
Beide Bewegungen können natürlich gleichzeitig ausgeführt werden, indem der Hebel in
einer Ebene schwingt, die die Schraubenachse unter einem Winkel zwischen 0 und 90°
schneidet.
Fig. 17 zeigt die Steuerschaltung der beiden
Hubmotoren. Die schraffierten Felder bedeuten: Widerstände eingeschaltet.
Wie ersichtlich, liegt der Bremsmagnet im Nebenschluss. In der Nullstellung der
Steuerwalze wird er vom Netz abgeschaltet.
Textabbildung Bd. 321, S. 36
Fig. 16. Doppelsteuerwalze mit Universalantrieb.
Textabbildung Bd. 321, S. 36
Fig. 17. Schaltungsschema der Hubmotoren.
In der Senkstellung I liegt der Motor am Netz und ist
als Nebenschlussmotor geschaltet, um schnell die zur folgenden Generatorwirkung
nötige Tourenzahl zu erreichen. In den Stellungen II
bis V arbeitet der Motor als Hauptstromgenerator auf
Regulierwiderstände. Nach der Figur sind vier Senkbremsstellungen mit entsprechenden
Geschwindigkeitsstufen vorhanden. Der Bremsmagnet liegt hierbei am Netz.
Von der letzten Senkbremsstellung geht die Steuerwalze durch eine Nullstellung in die
beiden letzten Stellungen 1 und 2, worin der Motor zum schnellen Senken des leeren
Hakens sowie kleinerer Lasten wieder Strom aus dem Netz erhält.
In der erwähnten Durchgangs-Nullstellung bleibt der Bremsmagnet eingeschaltet und
hält die Bremse gelüftet.
Als Elektromagnete sind die Kniehebelbremsmagnete D. R. P. 116993 der Siemens-Schuckertwerke verwandt worden (Fig. 18).
Diese haben vor den gewöhnlichen Topfmagneten den Vorzug, dass ihre Zugkraft in bezug
auf den Bremshebel unabhängig von dem jeweiligen Luftweg zwischen Anker und
Polschuhen viel weniger veränderlich ist.
Dies ist durch Kniehebelwirkung und geeignete veränderliche Hebelübersetzung zwischen
Anker und Bremsgewicht erreicht.
Textabbildung Bd. 321, S. 37
Fig. 18. Kniehebelbremsmagnet.
Ausserdem bewirkt die Zwangläufigkeit und die Anordnung dieses Hebelsystems in sich
eine gute mechanische Dämpfung des herabfallenden Bremsgewichtes beim Unterbrechen
des Stromes und ebenso ein sanftes Anheben.
In dem Diagramm Fig. 19 stellen die Ordinaten der
Kurve K die Zugkräfte gemessen an dem Angriffspunkte
des Bremsgewichtes P dar, die Abszissen die Wege
desselben.
l ist der Hub des Bremsgewichtes, und zwar
entgegengesetzt der Pfeilrichtung gemessen. Das schraffierte Rechteck stellt somit
die Hubarbeit dar. Beim Anheben des Bremsgewichtes ist demnach ein grosser
Kraftüberschuss vorhanden, der gegen Hubende immer geringer wird. Bei einem
gewöhnlichen Topfmagneten liegen die Verhältnisse gerade umgekehrt.
Textabbildung Bd. 321, S. 37
Fig. 19.
Die in Fig. 18 sichtbare Feder dient zum Ausgleich
des Ankergewichtes.
Diese Bremsmagnete dürften besonders dann vorteilhaft sein, wenn sie, wie es bei dem
vorliegenden Krane der Fall ist, im Nebenschluss liegen.
Der Laufkran ist in Lüttich mit dem „Grand Prix“ ausgezeichnet worden.
Der deutsche Kranbau war ja in Lüttich nur durch die Firma Stuckenholz vertreten, allerdings, wie ich vorn schon betont habe, in.
durchaus mustergültiger Weise. Die Verdienste dieser Firma auf dem Gebiete des
Hebezeugbaues sind zu bekannt, als dass ich sie hier von neuem aufzählen sollte.
Der normale schnellaufende elektrische Laufkran hat in den letzten zehn Jahren von
sehen der deutschen Hebezeugfirmen in seiner konstruktiven Durchbildung eine kaum
noch zu übertreffende Vollkommenheit erhalten.
So ist denn auch der Lütticher Laufkran der Firma Stuckenholz in seiner Art ein Meisterwerk moderner Technik und
zugleich ein Musterbeispiel für den innigen Zusammenhang von Theorie und Praxis in
unserem Maschinenbau. Er bietet in seiner konstruktiven Durchbildung, der auch das
kleinste Detail noch wichtig genug erscheint, schlechtweg ein Muster, von dem aus
man ein Augenmass für die Beurteilung ähnlicher Konstruktionen gewinnt.
Ohne die grossen Gesichtspunkte aus den Augen zu verlieren, ist gerade auf manches
scheinbar Nebensächliche grosser Wert gelegt worden.
So ist z.B. die Ausgestaltung des Führerkorbes durchaus als gelungen zu bezeichnen.
Der Führer hat von seinem Stand aus einen vollkommen freien Ausblick über das ganze
Arbeitsfeld des Kranes. Ohne Platzverschwendung ist die Grundfläche des Korbes so
bemessen, dass der Führer sich frei bewegen kann; ich habe bequem neben ihm Platz
gehabt, ohne ihn im mindesten in seinen Handhabungen zu behindern. Die reichliche
Bemessung des Führerkorbes erhöht die Betriebssicherheit in sofern, als der Arbeiter
sehr leicht ermüdet, wenn der Raum so eng ist, dass er fast nur die Arme bewegen
kann. Auch der bequeme Zugang der Laufstege vom Führerkorb aus ist zu loben.
Weiter ist das Geländer an der Hauptträgerseite eine Zutat, die derjenige wohl zu
schätzen weiss, der auf einem Laufkran gestanden hat, namentlich beim Fahren.
Man könnte hier einwenden, dass man die Vorsicht nicht zu weit zu treiben
braucht.
Gewiss; in der Regel betritt der Kranführer nur die Laufstege und die Gewohnheit
macht ihn sicher. Aber trotzdem kann durch ein solches Geländer wohl manchmal ein
Unglück verhütet werden. Jedenfalls ist die Gefahr des Herabstürzens durch
Anbringung des Geländers in viel höherem Masse vermindert, als dieses den Preis des
Kranes erhöht.
Die Laufkatze weist einen sehr klaren Grundriss und eine treffliche Platzausnutzung
auf. Auch auf den leichten Ein- und Ausbau aller Triebwerkteile ist grosser Wert
gelegt worden.
Durch die Wahl einer zweirolligen anstatt einer dreirolligen Flasche für die grosse
Winde hat man wohl eine Verminderung des Massenwiderstandes der rotierenden Teile
bezweckt. Die Massen selbst sind ja durch die grössare Uebersetzung grosser, aber
dafür ihre Winkelgeschwindigkeiten kleiner geworden. Zugleich hat man auch durch
diese Anordnung an Platz gespart.
Der Gesamteindruck, den der Beschauer von dem Kran erhält, ist ein ausserordentlich
guter. Trotz seiner kräftigen Konstruktion entbehrt er doch nicht einer gewissen
Eleganz.
Gerade die grossen Feldweiten der Fachwerkträger nehmen dem Kran alles Schwerfällige;
auch lässt die glücklich gewählte Linie des Untergurts das Gerüst in der Mitte
niedriger erscheinen, als es wirklich ist. Man kann diese Bemerkung auch an anderen
Konstruktionen der Firma machen.
Wer z.B. die Oder bei Stettin hinunterfährt, sieht auf dem Hofe des Vulkans den von Stuckenholz gelieferten Portallaufkran,Z. d. V. d. I. 1903, S. 1739. der
trotz seiner verhältnismässig grossen Tragfähigkeit und grossen Spannweite infolge
der zweckmässigen Gliederung des Gerüstes auf den Beschauer den Eindruck einer
ausserordentlich grossen Leichtigkeit und Beweglichkeit macht.
Man hat hier das Gefühl, dass der Konstrukteur seiner Sache durchaus sicher ist und
dass er die Massen beherrscht; der Materialaufwand ist der durchaus nötige und nicht
mehr. Es tritt dies besonders klar hervor, wenn man das Eigengewicht des Stuckenholzschen Laufkranes mit denjenigen der andern
ausgestellten Krane von gleicher Tragfähigkeit und Spannweite vergleicht, wobei man
aber seine fast doppelt so grossen Geschwindigkeiten in Betracht ziehen muss.
Unsere neueren grossen Kranbauten mit ihren gewaltigen Eisenkonstruktionen stellen an
den Hebezeugkonstrukteur nicht allein grosse Ansprüche in bezug auf seine
praktischen Erfahrungen, sondern verlangen auch weitgehende Kenntnisse in der Statik
der Baukonstruktionen und Sicherheit im Rechnen.
Man könnte sich auch auf unseren Hochschulen in dieser Beziehung den jetzigen
Forderungen der Praxis besser anpassen. Bisher war der Studierende des
Maschinenbaues immer Gast bei den Brückenbauern. Gerade der moderne Hebezeug- und
Transportanlagenbau drängt darauf, für den Maschineningenieur ein selbständiges
Colleg über Eisenkonstruktionen, aber mit einem Maschineningenieur als
Dozenten, einzurichten, das den Bedürfnissen des modernen Hebezeugbaues Rechnung
trägt. An Anregung hierzu hat es die Praxis wahrlich nicht fehlen lassen.
Der Fachmann wird beim Anblick des Stuckenholzschen
Kranes ein gewisses technisch-ästhetisches Wohlbehagen empfinden, wenn wir die
ästhetische Wirkung eines Werkes der Technik in seiner Anpassung an die Gesetze der
Statik und Festigkeitslehre, in der richtigen Materialbehandlung und in der
Zweckmässigkeit aller seiner Teile suchen.
Alles in allem gibt uns der beschriebene Laufkran ein schönes Beispiel von dem hohen
technischen Können und von der Gründlichkeit der deutschen
Hebezeugkonstrukteure.
(Fortsetzung folgt.)