Titel: | Anlage und Betrieb von Fabrikbahnen. |
Autor: | Hans A. Martens |
Fundstelle: | Band 321, Jahrgang 1906, S. 71 |
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Anlage und Betrieb von Fabrikbahnen.
Von Regierungsbaumeister Hans A. Martens.
(Fortsetzung von S. 63 d. Bd.)
Anlage und Betrieb von Fabrikbahnen.
Triebkraft.
Für die Zugkraft zur Beförderung der Lasten kommen in Betracht: menschliche,
tierische und Maschinenkraft, letztere in den beiden Formen als Dampf- oder
elektrische Kraft in Lokomotiven oder Rangier winden. Die Wahl der Triebkraft ist
das schwierigste Kapitel der Fabrikbahnen, für das sich am wenigsten
schematisierende Normalrezepte vorschreiben lassen. Die täglich zu leistende
Fördermenge, die Wege der Förderung, die Beschaffenheit der Förderlasten, welche die
Art der Förderung bestimmen, bilden die Grundlage zur Wirtschaftsberechnung für die
zu wählende Art und Grösse der Triebkraft. Kostenaufstellungen zu Vergleichszwecken
sind zu beurteilen nach den örtlichen Preisen für Arbeitslöhne, Viehfutter, Kohle
und sonstige Heizstoffe und für die im Grossbetriebe erzeugte Energie. Aus den in
der Einleitung gegebenen Vergleichszahlen über Zeit- und Geldaufwand bei Verwendung
menschlicher, tierischer und maschineller Zugkraft, sowie aus der Erfahrung
aller Werke, welche den Kraftbetrieb an Stelle der erstgenannten einführten,
geht seine volle Ueberlegenheit hervor, so dass es keiner weiteren Begründung an
dieser Stelle bedarf für das Bestreben, ihn vorherrschend einzuführen, d.h. die
Betriebsverhältnisse so zu gestalten, dass er eingeführt werden kann: Sind doch in
besonderen Fällen mit Einführung des Kraftbetriebes für Förderzwecke auf
Industriebahnen wirtschaftliche Ersparnisse bis zu 60 v. H. erzielt worden! Im
Durchschnitt gibt Arthur Koppel die Verbilligung durch
Einführung des elektrischen Bahnbetriebes gegenüber Pferdebetrieb zu 40 bis 50 v. H.
und zu 25 bis 35 v. H. gegenüber Dampfbetrieb an.
Die Zwischenstufe zwischen menschlicher und Maschinenkraft, die tierische Zugkraft,
kann wohl als leistungsfähig angesehen werden, ist jedoch wegen ihrer
Unwirtschaftlichkeit nach Möglichkeit durch Maschinenkraft zu ersetzen. Gebraucht
schon jedes Zugtier (bezw. je zwei) einen besonderen Führer, wodurch die
Betriebskosten auf die Lasteinheit recht hoch werden, so kommt der Umstand noch hinzu, dass die
schwersten Zugpferde durch die erhöhte Zugkraft beim Anziehen, sofern dies häufig
vorkommt (bei vorzugsweisem Rangierbetrieb) bald dienstunfähig werden, mithin ihre
Betriebsdauer nur kurz anzusetzen ist.
Textabbildung Bd. 321, S. 71
Fig. 15. Schmalspurlokomotive von Koppel.
Textabbildung Bd. 321, S. 71
Fig. 16. Elektrische Lokomotive von Koppel.
Der Betrieb mit Dampflokomotiven gestattet grösste Freizügigkeit und hat noch überall
seine Vorzüge entfaltet, wo der Betrieb dauernd ohne viele längere Pausen ist. Die
Dampflokomotiven sind wenig empfindlich in der Wartung, leicht in Stand zu halten
durch jeden guten Maschinenschlosser, der gleichzeitig Maschinist ist; es lassen
sich grosse Leistungen durch hohen Dampfdruck und Verwendung aller Achsen als
Kuppelachsen erzielen. Der Heizer als Hilfe des Maschinisten lässt sich in den
meisten Fällen bei flottem Betrieb nicht entbehren. Den üblichen Typus einer
Schmalspurlokomotive, Bauart Arthur Koppel, Berlin,
zeigt Fig. 15.
Textabbildung Bd. 321, S. 71
Fig. 17. Lokomotive von Koppel mit Anordnung des Motors auf der
Plattform.
Mehr und mehr führt sich auf Fabrikbahnen die elektrische Lokomotive ein, da die ihr
zugeführte, in grossen Maschineneinheiten des Werkes erzeugte Energie billiger als
die in kleinen Einheiten erzeugte Energieform als gespannter Dampf zu beschaffen
ist. Die Ausrüstung der Strecke mit der Zuführungsleitung des Arbeitsstromes ist
zwar eine unangenehme Zugabe, kann aber wirtschaftlich nutzbar gemacht werden, wenn
sie zur Stromfortführung und -Abgabe für andere Zwecke mitverwendet wird. Der
Betrieb mit der dritten Schiene ist wegen der mit ihr verbundenen Lebensgefahr und
Verkehrshinderung ausgeschlossen, so dass nur die Oberleitung verwendbar st. Die
reine Akkumulator-Lokomotive wird wegen ihrer Unwirtschaftlichkeit nur dort benutzt,
wo Rauch und Funkenwurf (Bleichereien, Tunnelbahnen, Innenräume, Pulverfabriken)
streng vermieden werden müssen und wo die Stromabnahme von der Arbeitsleitung und
der Uebergang des Stromes vom Rad zur Schiene wegen der Feuersgefahr unzulässig
erscheint. Bei dem System mit Oberleitung wird der Stromabnehmer zweckmässig als
Bügel konstruiert. Die räumlichen Abmessungen der elektrischen Lokomotive lassen
sich für besondere Verwendungszwecke (Grubenbetrieb) sehr gering halten, worin eine
weitere Ueberlegenheit gegenüber der Dampflokomotive liegt. Die Lokomotiven sind
zweiachsig. Wo ein Motor ausreicht, empfiehlt sich die Kupplung beider Achsen durch
Kurbel und Kuppelstangen zur Erhöhung des Reibungsgewichts. Eine elektrische
Lokomotive, deren eine Hälfte als Plattformwagen zur Lastenförderung eingerichtet
ist, in der Bauart Arthur Koppel, Berlin, zeigt Fig. 16. Bei Spurweiten von 460 bis 600 mm lassen
sich Motoren von 4 bis 12 PS noch bequem auf den Achsen einbauen. Motoren grösserer
Leistung müssen auf die Plattform der Lokomotive gestellt werden und durch
Stirnrädervorgelege mit der Treibachse verbunden werden, eine Bauart, die immer nur
als Notbehelf angesehen werden kann und wegen der Verringerung des Wirkungsgrades
vermieden werden sollte. Fig. 17 zeigt eine solche
Lokomotive in der Ausführung von Arthur Koppel, Die
Bedienung der elektrischen Lokomotive ist bei weitem einfacher als die der
Dampflokomotive; zur Führung genügt ein Mann. Beschädigungen am elektrischen Teil
können unliebsame plötzliche Betriebsstörungen hervorrufen, wenn nicht Aushilfsteile
in genügender Anzahl vorrätig gehalten werden.
Textabbildung Bd. 321, S. 72
Fig. 18. Rangierwinde der Rheiner Maschinenfabrik.
Die Bemessung der Maschinengrösse spielt eine wichtige Rolle. Geschickte Verteilung
der Tagesförderung auf einen längeren Zeitraum, gleichbedeutend mit dem Streben nach
ununterbrochener Förderung, d.h. Ausnutzung der Betriebskraft ohne Pausen, die
Linienführung in möglichster Annäherung an die Wagerechte erlauben die
Maschinenkraft wirtschaftlich richtig zu bemessen, wobei die Rücksicht auf zu
erwartende Leistungssteigerung nicht vergessen werden darf. Wie häufig entwickelt
sich ein Fabrikbetrieb in nicht erwarteter Weise und muss sich dann nach kurzer Zeit
mit unzureichenden Beförderungsmitteln behelfen, wenn bei der Anlage an unrichtiger
Stelle gespart worden ist!
Wo die Oertlichkeit zur Anlage zahlreicher Drehscheiben geführt hat oder mehrere
getrennt liegende Gleisgruppen nur durch wenige Drehscheiben verbunden sind, ist der
Betrieb mit Lokomotiven sehr erschwert, da es nicht immer tunlich sein wird, alle
Gleisgruppen durch eine besondere Lokomotive zu bedienen. Bei einer teilweisen
Bedienung der Drehscheibengleise durch Maschinenkraft können leicht Stockungen im
Verkehr eintreten, zum wenigsten Förderpausen, welche die wirtschaftliche Ausnützung
der Maschinenkraft herabdrücken. Wo derartige Verhältnisse vorliegen oder der
Lokomotivbetrieb noch nicht geeignet erscheint, Menschen- und Tierkraft aber
schon zu kostspielig sin , verwendet die Rheiner
Maschinenfabrik mit vielem Erfolg die von ihr gebaute Rangierwinde mit
Riemenantrieb von irgend einer in der Nähe laufenden Welle oder mit selbständigem
Dampf oder elektrischem Antrieb. Sie erfordert einen Mann zur Bedienung und zum
Anhängen der Wagen an das Seil bis 150 m; bei grösseren Verhollängen wird ein
zweiter Mann zum Anhängen der Wagen erforderlich. Die allgemeine Anordnung einer
elektrischen Rangierwinde zeigt Fig. 18. Die Winde
ist auf einer Platte fertig zusammengebaut und braucht an Ort und Stelle nur auf das
Grundgemauer aufgesetzt werden. Die Achse der Winde liegt parallel zum Gleis, so
dass Wagen von beiden Seiten bequem angezogen werden können.
Textabbildung Bd. 321, S. 72
Fig. 19. Rangieren der Wagen zur Drehscheibe der Rheiner
Maschinenfabrik.
Durch Vermittlung von Umlenkrollen an passenden Stellen auf dem Bahngelände werden
die Wagen von der Winde fortgezogen. Die Winde arbeitet mit Schwungrad, welches 10 PS aufnehmen
kann und diese im Augenblick des Anziehens abgibt. Die Fahrgeschwindigkeit der Wagen
beträgt 90 m i. d. Minute, ist aber beliebig veränderlich.
Textabbildung Bd. 321, S. 73
Fig. 20. Rangieren der Wagen von der Drehscheibe der Rheiner
Maschinenfabrik.
Gewöhnlich können etwa 4 bis 6 beladene 10 t-Wagen,
zugleich bewegt werden. Es ist bekannt, dass die Rangierwinde unter Umständen auch
zweckmässig mit dem Triebwerk einer Schiebebühne zusammen gebaut werden kann. Der
Betrieb mittels Rangierwinde ist in Fig. 19 und 20 dargestellt und ohne weitere Erläuterung
verständlich. Ein Vorteil der Rangierwinde liegt noch darin, dass die Gleise nicht
mit Lokomotiven befahren werden, mithin der Oberbau entsprechend leichter und daher
in den Anlage- und Unterhaltungskosten billiger gehalten werden kann.
Der Antrieb für schiefe Ebenen (Bremsberge) wird durch Seiltrieb, Dampf oder
Elektrizität, je nach den gegebenen Verhältnissen bewirkt.
Hängebahnen wurden anfangs durch ein endloses Seil, mit dem die Wagen zur Förderung
zeitweis verbunden sind, betrieben. Der Uebergang zum Einzelantrieb der Wagen
mittels Elektromotor hat sich längst vollzogen und dadurch eine grosse Beweglichkeit
in der Linienführung herbeigeführt. Die Stromschaltung für Fahren und Anhalten
geschieht bei jedem Fahrzeug meist selbsttätig.
(Fortsetzung folgt.)