Titel: | Anlage und Betrieb von Fabrikbahnen. |
Autor: | Hans A. Wartens |
Fundstelle: | Band 321, Jahrgang 1906, S. 103 |
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Anlage und Betrieb von Fabrikbahnen.
Von Regierungsbaumeister Hans A. Wartens.
(Schluss von S. 95 d. Bd.)
Anlage und Betrieb von Fabrikbahnen.
Eine grosse Gruppe bilden die Plattformwagen, die in zahlreichen Sonderbauarten
zu Förderungen auf dem Fabrikgelände geeignet sind. Abgesehen von der Beschaffenheit
der Lasten bildet die Höhe, von welcher und auf welche Lasten auf- und abzuladen
sind, die Konstruktionsgrundlage, um unnütze Hubarbeit zu vermeiden. Die Wagen
werden für Hand- und Lokomotivbetrieb gebaut; bei einigen Industrien lassen sie sich
unmittelbar als Arbeitstisch (bei Herstellung von Kunststeinen) und Fördermittel
zugleich verwenden. Je nach dem Gewicht der Lasten werden die Wagen leicht und
schwer gebaut. Mehrere übereinander liegende Plattformen nutzen den Wagen besonders
gut aus. Durch einsetzbare Rungen, Quer- und Seitenwände erweitert sich die
Verwendbarkeit eines Plattformwagens beträchtlich. Der Beförderung von Lasten
grösserer Länge (Langholz, Stabeisen, Zuckerrohr) dienen allgemein Drehgestell
wagen, welche aus zwei normalen Untergestellen mit dem entsprechenden
Wagenoberkasten gebildet werden.
Textabbildung Bd. 321, S. 103
Fig. 31. Plattform wagen für Handbetrieb von A. Koppel.
Die Konstruktionen der Plattformwagen sind aus den Fig.
31–37 ersichtlich: Plattformwagen für
Handbetrieb, Plattformwagen mit aufsteckbaren Seitenwänden und Hebelbremse. Fig. 36 zeigt einen mit abnehmbaren Seitenrungen
aufgerüsteten Plattformwagen zur Beförderung langer Lasten, Fig. 37 einen Drehgestell wagen mit eingesteckten,
quergestellten Gitterwänden, die sich auch an den Seiten in die vorgesehenen
Rungenösen einsetzen lassen. Fig. 38–40 stellen Plattformwagen für schwere Lasten dar zum
Verfahren von Rohguss, Eisenknüppeln innerhalb des Werkstättengeländes. Der Wagen
Fig. 40 ist mit besonderem Fahrantrieb, gebildet
aus Handrad mit Schneckenvorgelege, ausgerüstet. Durch diese Beispiele ist auf den
Formenreichtum der Fabrikbahnwagen genügend hingewiesen.vergl. D. p. J. 1904, Bd. 319, S. 173.
Textabbildung Bd. 321, S. 103
Fig. 32. Plattformwagen für Handbetrieb von Glassing & Schollwer.
Für Hängebahnen nehmen die Wagen die durch diese Bahnen gekennzeichnete
Grundform an und bieten in den bisherigen bekannten Ausführungen nichts neues. Es
lassen sich alle Formen der Standbahnwagen auf die Hängebahnwagen übernehmen. Immer
mehr Verbreitung gewinnt der elektromotorische Einzelantrieb von Hängebahnwagen, der
gegenüber dem Seilantrieb für eine schwierige Bahnführung seine Vorteile hat und wie
keine andere Fabrikbahn geeignet ist, die selbsttätige Förderung zu ermöglichen.
Einen weiteren Fortschritt bedeutet die Ausrüstung der elektrischen Hängebahnwagen
mit einem elektrischen Windwerk.
Textabbildung Bd. 321, S. 104
Fig. 33. Plattformwagen für Handbetrieb von Glassing & Schollwer.
Betrieb.
Textabbildung Bd. 321, S. 104
Fig. 34 und 35. Plattformwagen von A. Koppel.
Anlage und Betriebsmittel sollen so gewählt sein, dass eine möglichst ununterbrochene
Förderung stattfindet, um jene wirtschaftlich gut auszunutzen. Die
Fördergeschwindigkeit soll möglichst gross gewählt werden, erfährt jedoch aus
praktischen Gründen der Betriebssicherheit und Gefahrlosigkeit häufig
Einschränkungen. Wo das Gleis nicht gegen den andern Fabrikverkehr abgeschlossen
ist, sollte man grundsätzlich nur Schrittgeschwindigkeit, etwa 5–7 km/Stde., der
Fahrzeuge zulassen. Je nach der Oertlichkeit sind für den Verkehr auf grössere
Entfernung Geschwindigkeiten bis 30 km i. d. Stde. zulässig und zweckmässig.
Textabbildung Bd. 321, S. 104
Fig. 36. Plattformwagen mit abnehmbaren Seitenrungen von Glassing &
Schollwer.
Bei den Hängebahnen bestimmen Linienführung, Art der Entladung
usw. in gleicher Weise die Fördergeschwindigkeit, die zweckmässig nicht über 10 km/Std. gewählt
wird. Ein Fahrplan wird in den meisten Fällen den Fahrten der Fabrikbahnzüge nicht
zugrunde gelegt. Um schnelle Zu- und Abfuhr der Wagen zur anschliessenden Fernbahn
zu sichern, finden die Fahrten zum Anschlussbahnhof nach Massgabe der dort
verkehrenden Fernzüge statt. Lässt man diesen Einfluss auf das Rangiergeschäft sowie
auf das Ent- und Beladen der Wagen innerhalb des Werkes sich geltend machen, so
bildet sich doch ein nützlicher Plan in der Behendlung der Wagen heraus, der
rückwirkend auch auf den gesamten Fabrikbetrieb sich teils günstig, teils störend
äussern kann. Durch eine geschickte Disposition in den Verschubarbeiten lassen sich
nicht selten Ersparnisse in Lokomotiven erzielen, indem die Rangierarbeiten an
verschiedenen Stellen des Werkes in ein zeitliches Nacheinander eingereiht werden.
Auch die Fahrten zur Bedienung der Magazine lassen sich auf bestimmte Zeiträume in
festgelegter Anzahl beschränken, was wiederum dem Geschäftsgang im Magazin zugute
kommt. Wenn auch daneben noch viele Fahrten mit Einzelfahrzeugen oder geschlossenen
Zügen gewissermassen ausserplanmässig nach Bedarf stattfinden, so wird es das
Bestreben sein müssen, auch diese dem allgemeinen Betriebs- und Verkehrsplan
einzureihen. Der geordneten Durchführung des Fabrikverkehrs gesellen sich
mannigfache Vorteile hinzu, wie Erhöhung der Wirtschaftlichkeit der Fahrzeuge,
Uebersichtlichkeit der geförderten Mengen, erleichterte und richtige Aufstellung der
Stücklöhne für Förderungen sowie ihre Nachprüfung und nicht in letzter Reihe
wirtschaftliche Ausnutzung der Arbeitskräfte. Die Hängebahnen weisen in ihrer ganzen
Anlage auf den ununterbrochenen Verkehr zahlreicher
Textabbildung Bd. 321, S. 105
Fig. 37. Plattformwagen von Glassing & Schollwer.
Textabbildung Bd. 321, S. 105
Plattformwagen für schwere Lasten von Koppel.
Textabbildung Bd. 321, S. 105
Fig. 40. Transportwagen mit Schneckenvorgelege für schwere Lasten von
Freudenstein & Co.
Fördereinheiten hin, den die heutige Spezialtechnik in
vielen Fällen fast gänzlich selbsttätig auszugestalten verstanden hat. Dass die
Anlage so zu bemessen ist, dass auch tatsächlich während der ganzen Arbeitsschicht
die Förderung vor sich geht, ist schon an anderer Stelle besprochen worden.
Hiermit sind die leitenden Gesichtspunkte beim Betrieb von Fabrikbahnen aufgestellt
worden. Besondere Vorschriften lassen sich in Rerallgemeinerung der Besprechung
nicht geben: Das Prinzip, Förderungen aller Art nicht willkürlich zu bewirken,
sondern systematisch einzurichten, wird klar zu erkennen sein.
Von Wichtigkeit für einen flotten Verkehr besonders schwerer Lasten ist die
Forderung, dass die Hebezeuge auch die Fabrikbahngleise bestreichen, so dass Lasten
an einer Stelle angehoben und unmittelbar an anderer Stelle auf die Wagen abgesetzt
werden können, eine Forderung, die so selbstverständlich ist, dass es an Stelle
weiterer Ausführung nur dieses Hinweises zur Vervollständigung bedarf.
Schlusswort.
Die Aufgabe, welche bei Anlage und Betrieb von Fabrikbahnen zu lösen ist,
kennzeichnet sich durch folgende Punkte:
A. Für die Anlage:
1. Richtige Wahl der Linienführung im Anschluss an die
Oertlichkeit und an den Arbeitsgang der Fabrik.
2. Passende Auswahl des Bahnsystems und zweck-massiger
Oberbau.
3. Bemessung der Triebkraft nach der täglichen Förderleistung
unter Berücksichtigung der Betriebsvergrösserung.
4. Beschaffung von Fahrzeugen nach Massgabe der Art der
Förderung und der Beschaffenheit des Fördergutes unter Wahrung möglichst
selbsttätiger Be- und Entladung.
B. Für den Betrieb:
1. Anstreben eines regelrechten Verkehrsplanes und einer
möglichst gleichmässigen Förderung ohne Pausen mit passend gewählter
Geschwindigkeit.
2. Handinhandarbeiten der Fabrikbahnen mit den
Hebezeugen.