Titel: | Die Hebezeuge auf der Weltausstellung in Lüttich 1905. |
Autor: | K. Drews |
Fundstelle: | Band 321, Jahrgang 1906, S. 136 |
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Die Hebezeuge auf der Weltausstellung in Lüttich
1905.
Von K. Drews,
Oberlehrer an der Kgl. höh. Maschinenbauschule in Posen.
(Fortsetzung von S. 103 d. Bd.)
Die Hebezeuge auf der Weltausstellung in Lüttich 1905.
Laufkran der Société Anonyme J. J. Gilain in Tirlemont,
Belgien.
Die Firma Gilain hatte in der englisch-amerikanischen
Maschinenhalle einen 10 t Laufkran ausgestellt.
Diese Firma, gegründet im Jahre 1822, ist eine der ältesten Maschinenfabriken
Belgiens. Sie beschäftigt 550 Arbeiter und baut hauptsächlich Maschinen für Hütten-
und Bergwerke, Hebezeuge, Transportanlagen und Dampfkessel; ferner befasst sie sich
mit Einrichtungen von Zuckerfabriken und Gasanstalten. In Lüttich hatte diese Firma
ausser dem hier zu beschreibenden Lauf- und Drehkran noch eine grosse
Dampffördermaschine für 1500 m TeufeD. p. J.
1905, Bd. 320, S. 625 und 626. und
vier Kompressoren ausgestellt.
Die Daten des ausgestellten Laufkranes sind folgende:
Grösste Nutzlast
10 t.
Spannweite
14,23 m.
Hub
10 m.
Geschwindigkeiten.
Heben
v = 6
m/min.
Katzefahren
v = 30
„
Kranfahren
v = 80
„
Als Erklärung für die Verwendung von Drehstrommotoren bei diesem Kran sei hier gleich
vorausgeschickt, dass er nicht eigentlich für die Ausstellung, sondern für die
eigenen Werkstätten der Firma konstruiert worden ist, denen elektrische Energie
in Form von Drehstrom zur Verfügung steht.
Um nun auch den Kran für die Ausstellung benutzen zu können, deren Netz Gleichstrom
lieferte, musste man entweder die Drehstrommotoren gegen Gleichstrommotoren
auswechseln oder aber den Gleichstrom des Ausstellungsnetzes in Drehstrom umwandeln.
Ersterer Weg wäre mit viel grösseren Schwierigkeiten und Kosten verknüpft gewesen
als der letztere, denn nicht nur die Motoren, sondern auch fast der ganze
mechanische Teil, sowie die Leitungen und Steuerapparate hätten ausgewechselt werden
müssen.
Die Firma Gilain hat daher von zwei Uebeln das kleinere
gewählt, indem sie für die Dauer der Ausstellung auf dem einen Laufsteg des Kranes
einen Gleichstrom-Drehstrom-Umformer untergebracht hatte (A in Fig. 30). Dieser besteht aus einem Nebenschlussmotor, der seinen Strom
vom Ausstellungsnetz erhält, und einem Drehstromgenerator, der Drehstrom von 190
Volt Spannung und 50 Perioden für die Kranmotoren liefert. Beide sind direkt
gekuppelt.
Dass diese ganze Anordnung nur ein Verlegenheitsprodukt ist und nicht etwa
vorbildlich sein soll, braucht wohl nicht erst erwähnt zu werden.
Krangerüst (Fig. 30–33). Die
Hauptträger sind als vollwandige, genietete Blechträger ausgeführt, deren Höhe in
der Mitte 750 mm, an den Enden 320 mm ist. Als Fahrschienen für die Laufkatze dienen
Flacheisen 50 × 40, die mit den oberen Gurtblechen vernietet sind.
Die beiden Hauptträger stossen stumpf gegen die Radkästen, die je aus zwei ⊏ Eisen
von 300 mm Höhe bestehen, und sind mit diesen durch Laschen und Winkeleisen verbunden. Die
Laufstege sind mit Riffelblech in der Höhe der oberen Gurtung abgedeckt.
Textabbildung Bd. 321, S. 136
10 t-Laufkran der Société Anonyme J. J. Gilain.
Ein Geländev ist nur an dem Laufsteg vorhanden, der den Fahrmotor trägt. Es wird
durch die nach oben verlängerten Vertikalen des zugehörigen Seitenträgers und zwei
horizontale Winkeleisen gebildet (Fig. 32). Die ganze
Länge des Gerüstes beträgt 14,535 m, seine ganze Breite 3,532 m und der Radstand 2,6
m.
Das Fahrtriebwerk besteht aus einem Drehstrommotor von
15 PS normaler Leistung, der in Kranmitte seinen Platz hat und in üblicher Weise
durch eine Längswelle und Stirnrädervorgelege zwei Laufräder antreibt.
Sämtliche Laufräder von 500 mm Durchmesser laufen lose auf ihren Achsen. Die beiden
angetriebenen sind mit ihren Stirnrädern zusammengegossen.
Auf der Motorwelle sitzt eine Backenbremse, die durch einen Elektromagneten betätigt
wird.
Laufkatze (Fig. 34–36). Der
Rahmen ist aus Profileisen hergestellt. Der Radstand beträgt 950 mm, die Spurweite
1,52 m.
Die Last hängt mittels einer zweirolligen Unterflasche an vier Strängen eines
Stahldrahtseiles, von denen zwei auf die Trommel laufen.
Das Drahtseil von 15 mm Durchmesser hat 6 Litzen zu je 37 Drähten von 0,7 mm Stärke.
Die Bruchfestigkeit ist mit 18000 kg/qcm angegeben.
Die Hubwinde besteht aus einem Drehstrommotor mit vier
Stirnrädervorgelegen und der Seiltrommel.
Der Motor leistet normal 18 PS bei 940 Umdrehungen.
Die drei Vorgelegewellen sind in zwei gusseisernen Böcken gelagert; sie lassen sich
leicht nach oben aus ihren Lagern herausnehmen.
Die gusseiserne Trommel von 400 mm Durchmesser hat rechts- und linksgängige
Spiralnuten und läuft mit ihren ausgebuchsten Naben lose auf der Achse.
Das Hubwerk hat zwei Bremsen: eine elektromagnetische Bandbremse, deren Scheibe auf
der Motorwelle sitzt, zum Halten der Last, und eine selbsttätige Lamellensperrbremse
auf der ersten Vorgelegewelle zum Regeln der Senkgeschwindigkeit. Der Elektromagnet
hat eine Zugkraft von 30 kg bei 50 mm Hub.
Textabbildung Bd. 321, S. 137
Laufkatze zum 10 t-Laufkran von J. J Gilain.
Rädertabelle der Hubwinde.
Vorgelege
Teilungin mm
Zähnezahl
Teilkreis-durchm.in mm
Zahn-breitein mm
erstes
TriebRad
8π8π
1980
152640
8080
zweites
TriebRad
11π11π
1744
187484
110110
drittes
TriebRad
11π11π
1550
165550
120120
viertes
TriebRad
18π18π
1335
234630
155155
Die Hubgeschwindigkeit beträgt demnach rechnerisch:
v=940\cdot \pi\cdot 0,4\cdot \frac{1}{2}\cdot \frac{19}{80}\cdot \frac{17}{44}\cdot \frac{15}{50}\cdot \frac{13}{35}=\sim\,6\mbox{
m}/\mbox{min}.
Das Fahrwerk der Katze besteht aus einem Motor von 3 PS
normaler Leistung bei 880 Umdrehungen und drei Stirnräderpaaren.
Rädertabelle des Fahrtriebwerkes.
Vorgelege
Teilungin mm
Zähnezahl
Teilkreis-durchm.in mm
Zahn-breitein mm
erstes
TriebRad
6π6π
2080
120480
5050
zweites
TriebRad
7π7π
1751
119357
6060
drittes
TriebRad
8π8π
1648
128384
8080
Die Laufräder haben einen Durchmesser von 400 mm.
Die rechnerische Fahrgeschwindigkeit beträgt:
v=880\cdot \pi\cdot 0,4\cdot \frac{20}{80}\cdot \frac{17}{51}\cdot \frac{16}{48}=30\mbox{ m}/\mbox{min}.
Sämtliche Zahnräder des Krans haben gefräste Zähne und sind aus Stahlguss mit
Ausnahme der Triebe auf den Motorwellen, die aus Bronze sind.
Die Laufräder der Katze sowohl wie diejenigen des Krans sind aus Hartguss
nach dem Griffin-Verfahren hergestellt.
Das FührerhausDie Fig. 30 und
32 stimmen bezüglich des Führerhauses nicht mit der Ausführung in
Lüttich überein. Das Führerhaus befand sich nicht links unter dem vorderen,
sondern rechts unter dem hinteren Laufstege. hängt an dem einen
Kranende; sein unterer Teil ist mit Holz verkleidet. Es enthält die Steuerapparate
mit den Anlass- und Regulierwiderständen sowie ein Schaltbrett mit den
Messinstrumenten.
Die blanken Leitungen der Stromzuführung für die beiden Motoren der Laufkatze sind an
den beiden Innenseiten der Hauptträger entlang gezogen.
Um zu vermeiden, dass bei Unaufmerksamkeit des Führers die Unterflasche zu hoch
gehoben wird oder der Kran gegen die Mauer fährt, sind selbsttätige
Stromunterbrecher angeordnet, die den Strom rechtzeitig ausschalten.
Die gesamte elektrische Ausrüstung nach dem System Garbe-Lahmeyer ist von der Firma Force et
Eclairage in Brüssel geliefert worden.
Der Laufkran zeigt ein recht gefälliges Aeussere, wozu nicht wenig die Linienführung
der Untergurtung beiträgt.
An dem hinteren Laufstege dürfte sich gleichfalls ein Geländer empfehlen, aus
Gründen, die schon bei dem Laufkran von Stuckenholz
erörtert worden sind. Ebenso wird der Führerkorb nach den an der genannten Stelle
aufgestellten Grundsätzen hinsichtlich seiner Konstruktion zu beurteilen sein.
Die Laufkatze weist recht gute Grundrissanordnung und Platzausnutzung auf.
Allerdings hätte man durch Wahl eines Schneckengetriebes als Uebersetzungsmittel
eine gedrängtere Anordnung erzielt. Bei den hohen Umdrehungszahlen der Motoren kann
die Wahl von reiner Stirnräderübersetzung in Hinblick auf die grossen
Massenwiderstände beim Anfahren und Bremsen überhaupt als verfehlt bezeichnet
werden; jedenfalls ist das Bestreben, die Widerstände der rotierenden Massen durch
geeignete Anordnung der Vorgelege und Bremsscheiben zu vermindern, nicht deutlich
erkennbar.
Eine Verschlechterung des Wirkungsgrades wäre wenigstens beim Hubwerk durch Wahl
eines Schneckengetriebes bei richtigen Abmessungen und guter Ausführung nicht zu
befürchten gewesen, ganz abgesehen von seinem sanften und geräuschlosen Gang.
Der enge Radstand der Katze will mir nicht als Vorteil erscheinen; jedenfalls sind
die Laufräder unter den Motoren stärker belastet als die beiden anderen. Eine
Vergrösserung des Radstandes ohne Verminderung des wagerechten Hakenweges und ohne
Verlängerung des Rahmens hätte sich ganz gut machen lassen.
Aber abgesehen von diesen Ausstellungen legt der Kran doch ein gutes Zeugnis von der
Leistungsfähigkeit dieser alten belgischen Firma ab.
Die Manöver des Krans, soweit man sie bei Leerlauf beurteilen konnte, vollzogen sich
in exakter Weise.
Auch die Erschütterungen, denen der Kran beim Laufen des Umformers recht fühlbar
ausgesetzt war, dürften wohl später mit diesem unwillkommenen Gaste
verschwinden.
(Fortsetzung folgt.)