Titel: | Schlagversuche mit Flusseisen und Stahl. |
Autor: | A. Reichelt |
Fundstelle: | Band 321, Jahrgang 1906, S. 150 |
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Schlagversuche mit Flusseisen und
Stahl.
(Schluss von S. 141 d. Bd.)
Schlagversuche mit Flusseisen und Stahl.
Auf Grund zahlreicher Versuche ist Seaton zu der
Ueberzeugung gelangt, dass das Verfahren, die Probe durch eine Anzahl Schläge zu
brechen, ebenfalls zum Ziele führt, wenn die einzelnen Schläge massig stark sind,
derart, dass keine Biegung der Probe eintritt. In Tab. 3 sind einige seiner
Versuchsergebnisse angegeben, aus denen hervorgeht, dass die Zugfestigkeit
durchaus keine Schlüsse auf die Brüchigkeit des Materials zulässt.
Textabbildung Bd. 321, S. 149
Fig. 4. Schlagbiegeversuche.
geprüft im Anlieferungszustande;
nach Wärmebehandlung; Zugversuche: Zugfestigkeit a) im Anlieferungszustande, b)
nach Wärmebehandlung; Bruchdehnung a) im Anlieferungszustande, b) nach
Wärmebehandlung.
Die Werte für Bruchgrenze und Bruchdehnung weichen bei den paarweise
zusammengehörigen Proben wenig von einander ab, während die Empfindlichkeit gegen
Stoss bei den einzelnen Proben eine sehr verschiedene ist, also die Brüchigkeit ist zum Teil
überaus gross, während nach den Ergebnissen der Zugversuche das Material als ganz
vorzüglich zu bezeichnen wäre. Daraus geht hervor, dass der Zugversuch nicht
geeignet ist, das Material so zu
Tabelle 3.
Vergleich zwischen Zug- und Schlagfestigkeit.
Proben-nummer
Material
Kohlen-stoff-gehaltv.
H.
Zugversuche
Schlagbiege-versuche
Bruch-grenzekg/qmm
Bruch-dehnungv. H.
Anzahl derSchläge biszum Bruch
12
Kalt-gezogen
0,10
49,048,5
3120
1180
34
–
0,15
43,941,8
3733
175 5
56
–
0,25
56,556,5
3535
5 27
78
weicherGusstahl
0,35
45,243,8
22,731
1 1
charakterisieren, wie es mit Rücksicht auf den
Verwendungszweck gefordert werden muss. Und wenn man früher danach gestrebt hat, die
Zugfestigkeit in die Höhe zu treiben, weil man dadurch die Sicherheit zu erhöhen
meinte, so hat man sich auf einem falschen Weg befunden, die Erhöhung der
Zugfestigkeit kann im Gegenteil eine Verminderung der Betriebssicherheit
bedeuten.
Von diesem Gesichtspunkte aus, erscheint auch der Begriff des
„Sicherheitskoeffizienten“ in sehr zweifelhaftem Licht, wenn der
Konstrukteur seinen Berechnungen nur die Ergebnisse der Zugversuche zugrunde legte,
wie es bisher wohl allgemein üblich war.
Die von diesem Standpunkte des Konstrukteurs aus dann in vielen Fällen rätselhaften
Maschinenbrüche reden hier eine beredte Sprache.
Zum Vergleich mit den Ergebnissen Seaton's sind in Tab.
4 die Resultate von Untersuchungen mitgeteilt, die Fernand
HuillierAnmerkungszeichen zu dieser Fußnote fehlt im Text.3) Fernand Huillier. Observations sur l'emploi des
methodes d'essai par choc pour la determination de la fragilité des
matériaux. Budapest, 1901., Oberingenieur der französischen
Westbahn, mit Materialien angestellt hat, die sich im Betriebe bewährt, und solchen,
die sich als brüchig erwiesen haben. Die Versuchsausführung unterscheidet sich von
der Seaton's dadurch, dass der Bruch durch einen wuchtigen Schlag herbeigeführt und die von der
Probe aufgenommene Schlagarbeit bestimmt wurde. Aus den in Tab. 4 zusammengestellten
Ergebnissen geht hervor, dass die Resultate der Schlagbiegeversuche sich durchaus
mit den Betriebserfahrungen decken, die Ursache der Brüchigkeit kommt entweder in
der geringen Widerstandsfähigkeit gegenüber Stoss oder in der Ungleichmässigkeit des
Materials zum Ausdruck. Namentlich die letztere Eigenschaft sieht Huillier als ein wichtiges Kriterium der Brüchigkeit
an.
Die Zugversuche lassen zwar bei dem als brüchig erwiesenen Material geringere
Festigkeit und Dehnungen erkennen, immerhin treten die Unterschiede zwischen dem
Tabelle 4.
Vergleichende Zag- und Schlagversuche von Huillier.
Textabbildung Bd. 321, S. 150
Material; Betriebserfahrungen;
Zugversuche; Bruchgrenze; Bruchdehnung; Schlagbiegeversuche an eingekerbten
Stäbchen von 30 × 10 × 8 mm; längs zur Walzrichtung; Proben; Schlagarbeit;
Mittel; quer zur Walzrichtung; grösster Unterschied zwischen zwei benachbarten
Proben; Flusseisen von erwiesenermassen guter Qualität und sehr gleichmässiger
Beschaffenheit; Nach dieser Reihe soll zunächst die Zuverlässigkeit des
Prüfungsverfahrens beurteilt werden; bezw.; Kesselblech; als gut erwiesen;
Probestäbchen; als spröde erkannt und ausser Betrieb gesetzt; Achsenhalter; als
spröde erwiesen; im Betriebe schadhaft geworden
bewährten und nichtbewährten Materiale nicht im entferntesten so deutlich
hervor, wie bei den Schlagbiegeversuchen.
Die in Tab. 4 zusammengestellten Werte bezogen sich auf Material in derselben
Beschaffenheit, wie es im
Handel vorkommt. Tab. 5 und Fig. 4 zeigen, welche
Vorteile eine geeignete Wärmebehandlung bieten kann. Den Schlagbiegeproben stehen
wieder Zugversuche gegenüber. Ein Teil der Proben wurde im Anlieferungszustande
geprüft, der andere, nachdem die Proben bis über 800° erhitzt und in Oel
abgeschreckt waren. Die Glühtemperatur wurde mittels Pyrometer gemessen. Leider ist
nicht angegeben, welchen Wärmegrad das Oel besass und besonders hohe Wärmegrade
dürften hier von erheblichem Einfluss auf die Versuchsergebnisse sein.
Tabelle 5.
Einfluss der Wärmebehandlung auf die Schlagfestigkeit.
Textabbildung Bd. 321, S. 151
No.; Material; Chemische Analyse;
C; P; S; Mn; Si; geprüft: im Anlieferungszustande; Schlagbiegeversuche. Anzahl
der Schläge bis Bruch; Zugversuche; Festigkeit; Bruchdehnung; geprüft: nach
erfolgter Wärmebehandlung; Bemerkungen; Flusseisen m niedrigem
Kohlenstoffgehalt, saures Verf.; Flusseisen m niedrigem Kohlenstoffgehalt,
basisches Verf.; Flusseisen mit mittlerem Kohlenstoffgehalt für Schiffbauzwecke;
Geringere Qualität; Bright rolled bar; bis; Durchmesser des angelieferten
Materials; Durchmesser der Proben; Wärmebehandlung ist an den fertigen Proben
vorgenommen; Dicke der Probe; a) aus Kern entnommen, b) und c) aus Rand
entnommen; Kleingefüge bei Kern und Rand gleich; Wärmebehandlung am ganzen Stück
vorgenommen vor Probenentnahme; Proben aus 70 mm stark in Oel gehärteten fertig
bezogenen Bolzen entnommen
Die Versuche erhärten zunächst die schon oft bewiesene Tatsache, dass keine Beziehung
zwischen Zugfestigkeit und Widerstandsfähigkeit gegenüber Stössen besteht. Die
Stossfestigkeit ist sehr verschieden, und zum Teil sehr gering, während die
Ergebnisse der Zugversuche durchweg befriedigen. Der Einfluss der
Wärmebehandlung äussert sich in einer geringen Erhöhung der Zugfestigkeit und in
einer erheblichen Steigerung der Stossfestigkeit, gleichzeitig scheint die
Wärmebehandlung eine gewisse ausgleichende Wirkung zu haben, denn die Ergebnisse der
Schlagbiegeprobe weisen nach der Wärmebehandlung eine grössere Gleichmässigkeit auf,
als vor derselben. Das vorliegende Material reicht zur Beurteilung dieser Frage
noch nicht aus. Sollte sich aber diese Erscheinung bestätigen, so wäre es lohnend
genug, alle im Betriebe hoch zu beanspruchenden Teile einer solchen Wärmebehandlung
zu unterwerfen, wenn dadurch der wirkliche Sicherheitskoeffizient gegenüber Stoss
erhöht werden kann.
A. Reichelt.