Titel: | Nordamerikanische Eisenbauwerkstätten. |
Autor: | H. Reissner |
Fundstelle: | Band 321, Jahrgang 1906, S. 231 |
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Nordamerikanische
Eisenbauwerkstätten.
Von Dr.-Ing. H.
Reissner, Berlin.
(Schluss von S. 218 d. Bd.)
Nordamerikanische Eisenbauwerkstätten.
Boston Brückenbauanstalt, Boston
Mass.Engineering Recd.
1905, S. 40 ff.
Die Leistungsfähigkeit der Anlage berechnet auf Grund des Neunstundenarbeitstages ist
15000 t, die in Anspruch genommene Bodenfläche 40500 qm bei einer grössten
Ausdehnung von 230 m. Empfang und Versand von Rohstoff bezw. fertiger Arbeit werden
bewirkt hauptsächlich mit Hilfe von Gleisanschlüssen und Weichen einer Bostoner
Lokalbahn, die alle daselbst einlaufenden Linien verbindet und deren Hauptgleise an
einer Langseite des Grundstückes entlanglaufen. Die Verteilung dieser Gleise und die
allgemeine Anlage zeigt Fig. 66.
Das Hauptgebäude 61 m × 94 m ist in Eisenfachwerk mit Ziegel- und Betonausfüllung und
mit Kies-Pappedeckung gebaut. Es zerfällt in vier Querschiffe von 17,1 m und zwei
Querschiffe von 12,8 m Breite. In der südwestlichen Ecke desselben, getrennt durch
feuersichere Wände, liegen Werkzeugmaschinenräume und Kraftversorgung. In diese Ecke
führt ferner ein Normalspurgleis, auf dessen Aussenseite noch ein zweistöckiges
Ziegelgebäude, enthaltend: Bureau, Zeichensäle, Lagerräume und Kohlenkeller sich
befindet.
Die Dachausbildung dieses Hauptgebäudes ist durch die Erfordernisse der Unterbringung
letzterer Abteilungen und der Schablonenabteilungen im zweiten Stockwerk, weiter mit
Rücksicht auf die Lichtzuführung sehr gegliedert. Die Schablonenwerkstatt ist als
erstes Stockwerk auf das Querschiff am Eintrittsende (Osten) der Werkstatt in deren
ganzer Breite aufgesetzt, das Schablonenlager erstreckt sich im zweiten und dritten
Querschiff als erstes Stockwerk nur über einen Teil der Breite von 61 m. Der
Schablonenwerkstattraum empfängt von den vier Seiten und durch eine aufgesetzte
Laterne Licht, ist vollständig frei von Mittelstützen, hat einen ⅞ Zoll
Ahornfussboden gelegt auf 2 Zoll starken, harten Fichtenholzboden, so dass
komplizierte Konstruktionen in natürlicher Grösse aufgerissen werden können. Fig. 67 und 68 geben
Schnitte durch den Binderaufbau.
An den Wänden der Schablonenwerkstatt stehen Schablonentische und
Holzbearbeitungsmaschinen. Die Heizung erfolgt durch eine Sturtevant-Heissluftanlage. Der Zugang geschieht vom Erdgeschoss aus durch
eine feuersichere Treppe in der Südostecke der Haupthalle (Fig. 67). Diese Abteilung hat eigene Wasch- und
Bedürfnisräume.
Der Lagerhof am Eingangsende der Hauptwerkstatt wird in der einen Richtung von vier
Schmalspurgleisen, in der anderen von elektrischen Laufkränen auf Hochbahn laufend
durchzogen. Die drei Abteilungen für Bauträger Bleche und Winkel sind auch im
Lagerhof durchgeführt. Auf demselben befinden sich eine Blechrichtmaschine und eine
Trägerschere.
Der Gang der Arbeit in der Werkstatt ist etwa der folgende:
Winkel kommen auf Schmalspurwagen herein, werden auf die Körnbänke vor den
Winkelscheren 16 (Fig.
67) mit Hilfe von Flaschenzügen F2, die an
Deckenträgern hängen, oder eines 2 t-Handlaufkrans HK2,
der an den Binderuntergurten läuft, abgeladen. Dort werden sie auf Länge
angezeichnet, in den Winkelscheren 16 geschnitten, dann
wieder auf den Bänken angekörnt und durch seitlichen Transport unter die Lochwerke
gebracht, die paarweise angeordnet sind, um ein Herumschwenken der Winkel unnötig zu
machen. Nach dem Lochen werden die Winkel mit Flaschenzügen oder auf Rollentischen
in das Zwischenlager und den Verteilungsraum in der Mitte der Werkstatt
gebracht.
Bleche machen einen ähnlichen Gang in der Mittelreihe der Werkstatt durch, der auf
Fig. 67 zu verfolgen ist.
Auch der Arbeitsgang der Bauträger ist dort in der oberen rechten Ecke zu ersehen.
Derselbe unterscheidet sich von den andern dadurch, dass er erheblich kürzer ist.
Schneiden wird schon auf dem Lagerhof erledigt. Stosswagen bringen dann die Träger
auf die Arbeitsstände. Träger, die geklinkt werden müssen, werden herausgenommen,
zur Klinkmaschine herumgeschwenkt und kommen auf demselben Wege wieder zurück. Dann
geht das ganze Material zum Lochwerk, von dort seitlich mit Hilfe eines 2
t-Handlaufkranes zur pneumatischen Nietpresse, wird dann auf den Arbeitsbänken
gestrichen und geht schliesslich entweder auf kleinen Wagen durch die Werkstatt nach
dem Verladehof oder unmittelbar durch eine Wandöffnung seitlich aus der Werkstatt
heraus auf die Güterwagen.
Die Schablonen für das Ankörnen der Werkstücke kommen aus dem oberen Stockwerk auf
einer Rutsche in der Mitte der Werkstatt. Antriebskraft für Scheren, Lochwerke usw. wird teils
durch Einzelmotoren, teils durch einen grossen, zentralliegenden Motor und
Riementrieb geliefert, wobei natürlich auf den unbehinderten Lauf der Kräne zu
achten war.
Textabbildung Bd. 321, S. 231
Fig. 66. Boston Bridge Works. Uebersichtsplan.
Verteilungsraum und Zwischenlager in der Mitte der
Textabbildung Bd. 321, S. 232
Fig. 67. Boston Bridge Works. Maschinenaufstellung in der
Hauptwerkstatt.
Bedeutung der Abkürzungen und
Zahlen in der Fig. 67.; D. K. 2. Drehauslegerkran von 2 t Tragkraft; F. 2.
Flaschenzug von 2 t Tragkraft; F. 2. S. Flaschenzug von 2 t Tragkraft in
Schablonenwerkstatt; H. K. 2. Handlaufkran von 2 t Tragkraft; K. S.
Kranschienen; H. K. 15. Handlaufkran von 15 t Tragkraft; H. K. 6. 6 t; H. K. 4.
4 t; E. K. 6. Elektr. Laufkr. 6 t; E. K. 8. 8 t; E. K. 30. 30 t; B. L.
Bogenlampe; B. 61. Holmbänke 61 cm hoch; 1. Richt- und Biegewalzen, 2,18 m
breit; 2. Trägerklinkmaschine; 3. Kaltsäge; 4. Lochwerk von 760 mm Fassung; 5.
Nietpresse von 1372 × 508 mm Oeffnung; 6. Nietofen; 7. Blechschere von 610 ×
1220 mm Oeffnung, mit 1514 mm langer Schneide; 8. Tisch zum Anzeichnen von
Knotenblechen; 9. Lochwerk für Knotenbleche; 10. Lochwerk von 760 mm Oeffnung;
11. Lochwerk für Stegbleche mit 1070 mm Oeffnung; 12. Richtpresse; 13. Lochwerk
für Bleche; 14. Lochwerk für Winkel; 15. Lochwerk für kleine Profile; 16.
Drehbare doppelte Winkelschere für Winkel bis 20 × 20 × 2,5; 17. Lochwerk für
schwere Profile; 18. Lagerständer für Profileisen; 19. Schrottkasten; 20.
Stempelrichtpresse; 21. Warmbiegepresse; 22. Amboss; 23. Schmiedefeuer; 24.
Wassertonnen; 25. Dampfhammer; 26. 100 mm Bolzenschneidemaschine; 27.
Stauchmaschine; 28. Nietherstellungsmaschine; 29. Glühofen für Nietrundeisen;
30. Nietschneider; 31. Nietkästen; 32. Schmirgelrad; 33. Radialbohrmaschinen;
34. Nietofen; 35. Dampfnietpresse; 36. Fräser m. einges. Messerköpfen von 122 mm
Durchm.; 37. Horizontalbohrmaschine; 38. Vertikalbohrmaschine; 39. 15 t-Wage;
40. Drehbänke; 41. Arbeitstisch; 42. 1½'' Bolzenschneidmaschine; 43.
Vertikalbohrmaschine; 44. Schleifstein; 45. Hobelbank; 46. Stossmaschine; 47.
Dampfmaschine 150 PS; 48. 120 V. Dynamo; 49. 526 V. Dynamo; 50. Schalttafel; 51.
Luftkompressoren; 52. Dampfmaschine für Heizungs- und Hilfszwecke; 53.
Speisewasservorwärmer; 54. Speisewasserpumpe; 55. Vertikaler Wasserröhrenkessel
150 PS; 56. Aschkasten; 57. Wacheinrichtung; 58. Bohrmaschine i. d.
Schablonenwerkstatt; 59. 35 PS-Motor 850 Umdrehungen i. d. Minute; 60.
Widerstand; 61. Säge in der Schablonenwerkstatt; 62. Sägetisch; 63.
Druckluftbehälter.
Werkstatt (Fig. 67) haben die Aufgabe, für die
Lagerung der gelochten Stücke und deren Verteilung in die verschiedenen
Nietabteilungen zu sorgen, Ferner wird dort auch die Zulage und Zusammensetzung von
Drehbrückentrommeln, End- und Mittelquerträgern von Drehbrücken, Drehscheiben,
Kränen usw. besorgt, deren Probeaufstellung in der Werkstatt gefordert wird. An
einem Ende dieses Zulageraumes sieht man einen Satz Radialbohrer, am anderen ist
eine Schmiede eingerichtet. Der Krandienst ist aus Fig.
67 erkenntlich.
Textabbildung Bd. 321, S. 233
Fig. 68. Boston Bridge Works. Schnitt A–B durch Hauptwerstatt.
Textabbildung Bd. 321, S. 233
Fig. 69. Boston Bridge Works. Schnitt C–D durch Hauptwerkstatt.
Jenseits des Verteilungsraumes, neben der Schmiede, ist die Niet- und
Bolzenfabrikation und die Presschmiede eingerichtet, darauf folgt, getrennt durch
feuersichere Wände, der Werkzeugmaschinenraum. Die übrige Breite der Werkstatt
nehmen die Nietabteilungen für die verschiedenen Arbeitsklassen ein, die in ihrer
ganzen Fläche mit Holmbänken für die Zulage, den Anstrich und die zeitweilige
Lagerung von Werkstücken versehen sind. Der Mittelteil dieses Bezirks ist für
Fachwerkglieder wie Binder, Säulen, Gurtungen, Fahrbahnträger usw. bestimmt. Die
Nietmaschinenausrüstung besteht hier aus einer Bement
Miles-Dampfnietpresse für schwere Arbeit und zwei pneumatischen
Allennietpressen, die an Handlaufkran hängen. Nach dem Nieten gehen die Glieder nach
dem Ende der Werkstatt, um, wenn nötig, Lagerflächen abzufräsen, Bolzenlöcher
auszubohren und Lagerstühle und Säulenfüsse abzuarbeiten. Daselbst findet auch der
Anstrich statt, worauf die fertigen Stücke auf Schmalspurwagen auf den Lagerhof
geschafft werden.
Die schwersten Fachwerkglieder werden in der dem Maschinenhaus abgewandten Seite mit
Hilfe der auf Fig. 67 ersichtlichen Kranausrüstung
fertiggestellt.
Von den kleineren Handlaufkränen dort hängen ebenfalls pneumatische, ausbalancierte
Nietpressen von Pedrick & Ayers Bauart (Siehe S.
99) herab. Ferner durchlaufen diese Abteilung zwei Vollspurgleise mit Gleiswagen zum
Abwiegen und Versenden der fertigen Arbeit.
Die Heizung der Werkstatträume erfolgt durch Dampf von einem System von Radiatoren
von der Decke aus, die künstliche Beleuchtung durch Bogenlampen, deren Verteilung
auf Fig. 67 angegeben ist und Glühlampen an
einzelnen Maschinen, die natürliche Beleuchtung durch hohe, mit geripptem Glas
versehene Seiten- und Oberlichtfenster.
Die ganze Werkstattanlage ist auf seitliche Erweiterung eingerichtet.
Das Verladegeschäft auf dem Abfuhrhof wird von einem elektrischen Laufkran von etwa
23 m Spannweite mit zwei Katzen von je 15 t Tragfähigkeit besorgt. Die Bewegung
beider geschieht von einem hochgelegenen Korb an einem Ende. Die Geschwindigkeiten
dieser und der anderen elektrischen Kräne ist die in amerikanischen Werkstätten
übliche und schon bei früheren Beschreibungen angegebene.
Von der Arbeitsmethode des Werkes möge hier noch angegeben werden, dass
Drehscheibenbahnen auf Hobelmaschinen in geraden Schnitten hergestellt, Kopfplatten
ohne Ankörnen mit Hilfe von angezeichneten Holzleisten gelocht (siehe S. 727 d. vor.
Jahrg.) und Versteifungswinkel auf einer dazu hergerichteten Blechschere zum
Einpassen abgearbeitet werden. Das Eisengewicht des Hauptwerkstattbaues beträgt etwa
800 t.