Titel: | Die Geschwindigkeit des Treibkolbens bei hydraulischen Hebemaschinen. |
Autor: | Gustav Kull |
Fundstelle: | Band 321, Jahrgang 1906, S. 286 |
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Die Geschwindigkeit des Treibkolbens bei
hydraulischen Hebemaschinen.
Von Gustav
Kull.
Die Geschwindigkeit des Treibkolbens bei hydraulischen
Hebemaschinen.
Im sechsten Abschnitt seines Buches: „Hebezeuge“ gibt Ernst unter der Ueberschrift „Ermittlung der
erforderlichen Durchflussquerschnitts und der Druckhöhenverluste in der
Steuerung“ eine Schaukurve, welche für verschiedene Kolbendrucke x
kg/qcm die
zugehörigen Kolbengeschwindigkeiten c erkennen lässt.
Da nun der Kolbendruck x selber wiederum eine Funktion
von c ist, sofern der in der Steuerung abgedrosselte
Betrag (p – x) der verfügbaren Wasserpressung p proportional ist dem Quadrat der
Wassergeschwindigkeit, und damit gleichzeitig der Kolbengeschwindigkeit, so ist es
wünschenswert, eine Schaukurve zu erhalten, welche die Kolbengeschwindigkeit c in Funktion des Kolbenwegs
s darstellt. Der Zweck der folgenden Ausführungen ist, das Gesetz dieser
Schaulinie zu bestimmen.
Es bezeichnet:
M
die Grösse der in Bewegung zu setzenden Massenin kg (Kolben,
Förderschale, Nutzlast, Gegenge-wicht),
G
das nicht durch Gegengewicht ausgeglichene Ge-wicht der zu hebenden
Last in kg,
W
den Reibungswiderstand in kg,
p
den Wasserdruck im Schieberkasten in kg/qcm,
x
den wechselnden Kolbendruck im Zylinder inkg/qcm,
f
den Durchflussquerschnitt im Schieberspiegel in cm,
F
den Querschnitt des Treibkolbens in cm,
c
die Kolbengeschwindigkeit in m/Sek.,
v
die Geschwindigkeit, mit welcher das Wasser denSpalt f durchfliesst, in m/Sek.,
\frac{\zeta\,v^2}{20\,g}
den Widerstand, den das Wasser beim Durch-strömen der Steuerung
findet, in kg/qcm.
Die Angaben betreffend M und G beziehen sich auf die Fälle, wo der Kolben direkt,
ohne Vorgelege, auf die Last einwirkt, wo also die Lastgeschwindigkeit gleich der
Kolbengeschwindigkeit ist. Ist ein Vorgelege vorhanden, und ist demgemäss die
Lastgeschwindigkeit n . c, so ist an Stelle von M und G zu setzen:
Textabbildung Bd. 321, S. 287
Fig. 1.
Textabbildung Bd. 321, S. 287
Fig. 2.
M'=\frac{M}{n};\ G'=\frac{G}{n},
wobei die Masse der bewegten Vorgelegeteile sinngemäss zu
berücksichtigen ist.
Für die Differentialgleichung der Kolbenbewegung erhält man nun gemäss Fig. 1:
M\,\frac{d\,c}{d\,t}=F\,\left(p-\frac{\zeta\,v^2}{20\,g}\right)-G-W . . . 1)
oder mit Berücksichtigung der Gleichung:
F\,c=f\,v,\ v=\frac{F}{f}\,c: . . . . 2)
M\,\frac{d\,c}{d\,t}+\frac{\zeta\,F^3}{20\,g\,f^2}\,c^2-(F\,p-G-W)=0
oder:
\frac{M\,d\,c}{(F\,p-G-W)-\frac{\zeta\,F^3}{20\,g\,f^2}\,c^2}=d\,t. . . . 3)
Setzt man dieser Gleichung:
\frac{10\,g\,M\,f^2}{\zeta\,F^3}=1/a . . . . . 4)
\sqrt{\frac{(F\,p-G-W)\,20\,g\,f^2}{\zeta\,F^3}}=b, . . 5)
und multipliziert man gleichzeitig beiderseits mit c=\frac{d\,s}{d\,t},
so ergibt sich:
\frac{1}{a}\,\frac{2\,c\,d\,c}{b^2-c^2}=\frac{d\,s}{d\,t}\,d\,t
oder:
\frac{d\,(-c^2)}{b^2-c^2}=-a\,d\,s
woraus durch Integration sich ergibt:
ln (b2 – c2) = –
as + C.
Da für s = 0 auch c = 0, so ergibt sich:
ln b2 = C,
also:
\mbox{ln}\,\frac{b^2-c^2}{b^2}=-a\,s . . . . . 6)
Damit ist s in Funktion von c ausgedrückt. Um umgekehrt c in Funktion von s zu erhalten, ist noch
folgende Umwandlung nötig:
\frac{b^2-c^2}{b^2}=e^{-as}
c=b\,\sqrt{1-e^{-as}} . . . . . 7)
Durch Wiedereinsetzung der Ausdrücke (4) und (5) für die Konstanten a und b erhält man:
c=\frac{f}{F}\,\sqrt{\left(p-\frac{G+W}{F}\right)\,\frac{20\,g}{\zeta}}\,\sqrt{1-e^{-\frac{\zeta}{10\,g}\,\frac{F}{M}\,\left(\frac{F}{f}\right)^2\,s}} . . . . 8)
Mit Benutzung dieser Gleichung kann für einen beliebigen Kolbenweg s die entsprechende Kolbengeschwindigkeit ermittelt und
die Betriebskurve für ein hydraulisches Hebezeug aufgezeichnet werden. Nimmt man an,
für einen bestimmten Aufzug sei a = 1 und b = 1, so erhält man
c=\sqrt{1-e^{-s}} . . . . . . 9)
Die dieser Gleichung entsprechende Kurve ist in Fig. 2 ausgezogen gezeichnet. Die Geschwindigkeit c wächst mit dem Kolbenweg 5 rasch und erreicht bald,
praktisch genügend genau, den schliesslichen Maximalwert 1 m/Sek.,
(theoretisch erst mit s = ∾).
Würde man den Widerstand, den das Wasser in der Steuerung findet, vernachlässigen,
d.h. würde man annehmen, dass die Pressung unter dem Kolben während des ganzen
Bewegungsvorgangs den Wert p beibehält, so erhielt
man:
M\,\frac{d\,c}{d\,t}=F\,p-G-W.
Multipliziert man diese Gleichung beiderseits mit c=\frac{d\,s}{d\,t},
so ergibt sich:
Mcdc = (Fp – G
– W) ds
und durch Integration;
\frac{M}{2}\,c^2=(F\,p-G-W)\,s
Die Integrationskonstante wird hier null, wie leicht
einzusehen. Man erhält:
c=\sqrt{\frac{2}{M}\,(F\,p-G-W)}\,\sqrt{s} . 10)
Um die dieser Gleichung entsprechende Schaulinie mit der zu
Gleichung 9 gehörigen Schaulinie vergleichen zu können, ist die Konstante sinngemäss
zu bestimmen.
Es wurde oben festgesetzt (Gleichung (2) und (3)):
a = 1; b = 1;
also
auch
1/a =
1
b2=
1
und
1/a =
b2;
damit erhält man:
\frac{10\,g\,M\,f^2}{\zeta\,F^3}=(F\,p-G-W)\,\frac{20\,g\,f^2}{\zeta\,F^3}
oder
\frac{M}{2}=F\,p-G-W . . . . 11)
oder
1=\frac{2}{M}\,(F\,p-G-W)
Soll sich also die bei Vernachlässigung der Drosselung im Steuerkanal erhaltene
Gleichung 10 auf dieselbe Maschine beziehen, wie Gleichung 9, so muss in Gleichung
10 die Wurzelkonstante ebenfalls = 1 sein, d.h. man erhält:
c_0=\sqrt{s}, . . . . . . 12)
Die Schaulinie für diese Kurve ist in Fig. 2 fein ausgezogen; sie stellt eine gemeine
Parabel dar, welche im Mullpunkt dieselbe Krümmung besitzt, wie die stark
ausgezogene Kurve.
Es dürfte nicht uninteressant sein, die Gleichung 8 bezw. 7 einer weiteren
Betrachtung zu unterziehen. Wie aus Gleichung 7 zu ersehen, beeinflusst der
Koeffizient a den Grad der Anschmiegung der Kurve an
die Asymptote; b bestimmt die Höhenlage der Asymptote.
Es wird also beispielsweise die Grösse von M, d.h. die
Masse aller bewegten Teile, auf den Grad der Anschmiegung der Kurve an ihre
Asymptote von Einfluss sein, während G, das Gewicht
eines Teiles dieser bewegten Masse, für die Höhenlage der Asymptote bestimmend ist.
Das Verhältnis \frac{f}{F} ist sowohl in a wie in b enthalten. Es zeigt sich, dass, wenn bei sonst
gleichbleibenden Verhältnissen der Spaltquerschnitt f
vergrössert wird, die Asymptote der Kurve höher zu liegen kommt, dass aber die Kurve
sich dieser höher liegenden Asymptote langsamer nähert. Verdoppelt man
beispielsweise die Schieberöffnung f, so wird aus
Gleichung 9:
c'=2\,\sqrt{1-e^{-0,25\,s}}
und man erhält die gestrichelte
Schaulinie.
Um nun noch den wechselnden Kolbendruck x
kg/qcm in Funktion
von s zu erhalten, verfahren wir folgendermassen: Durch
Quadrieren erhält man aus Gleichung 8 bezw. 7 für den veränderlichen
Druckverlust:
\frac{\zeta}{20}\,\left(\frac{F}{f}\right)^2\,c^2=p-x=\left(p-\frac{G+W}{F}\right)\,\left(1-e^{-a\,s}\right)=p-p\,e^{-a\,s}-\frac{G+W}{F}\,\left(1-e^{-a\,s}\right);
daraus ergibt sich für x:
x=p\,e^{-a\,s}+\frac{G+W}{F}\,\left(1-e^{-a\,s}\right) . . 13)
wo für die Konstante a der
Ausdruck \frac{\zeta\,F^3}{10\,g\,M\,f^2} gemäss Gleichung 4 einzusetzen ist.
Zum Zwecke der Aufzeichnung dieser Kurve setzen wir auch hier wiederum fest, dass für
das von uns betrachtete Hebezeug a = 1 und b = 1 sei und erhalten damit aus Gleichung 11:
\frac{G+W}{F}=p-\frac{M}{2\,F}
Damit ergibt sich aus Gleichung 13:
\begin{array}{rcl}x&=&p\,e^{-s}+\left(p-\frac{M}{2\,F}\right)\,\left(1-e^{-s}\right)\\&=&p-\frac{M}{2\,F}\,\left(1-e^{-s}\right),\end{array}
woraus unter der weiteren Voraussetzung, dass für unser
Hebezeug auch \frac{M}{F\,p}=1, sei, sich ergibt:
\begin{array}{rcl}\frac{x}{p}&=&1-1/2\,\left(1-e^{-s}\right)\\&=&1/2\,\left(1+e^{-s}\right),\end{array} . . . . . 14)
Die dieser Gleichung entsprechende Schaulinie ist in Fig.
2 strichpunktiert eingezeichnet. Wie ersichtlich, nähert sich auch diese
Kurve, wie die für c gefundene, ihrer Asymtote rasch.
Hat c praktisch den schliesslichen Maximalwert
erreicht, so bleibt auch x so gut wie konstant, wie ja
zu erwarten ist.
Verdoppelt man wiederum den Schieberspalt f, so erhält
man für das Verhältnis \frac{x'}{p}:
\frac{x'}{p}=1/2\,(1+e^{-0,25\,s}) . . . . 15)
Die Schaulinie dieser Gleichung hat einen ganz ähnlichen Verlauf wie die
strichpunktierte Schaulinie der Gleichung (14); sie schmiegt sich der Asymtote (y = ½) weniger rasch an als diese.
Für hydraulische Hebezeuge, deren Hub verglichen mit der Lastgeschwindigkeit so klein
ist, dass der (sogenannte) schliessliche Beharrungszusand erst gegen Ende des Hubes
oder gar nicht erreicht wird, kann noch von Interesse sein das Verhältnis zwischen
der aufgewendeten Arbeit F . p . s und dem Teilbetrag F\,\int_0^s\,x\,d\,s, welcher als Nutzarbeit
bezeichnet werden kann; derselbe fällt naturgemäss um so kleiner aus, je kleiner der
Schieberspalt f gewählt wird. Schreibt man die
Gleichung 13 in der Form:
x=\frac{G+W}{F}+\left[p-\frac{G+W}{F}\right]\,e^{-as},
so ergibt sich:
F\,\int_0^s\,x\,d\,s=(G+W)\,s-\left[F\,p-G-W\right]\,^1/_a\,\left(e^{-a\,s}-e^0\right)
und mit gleichzeitiger Berücksichtigung der Gleichung 4:
\frac{F\,\int_0^s\,x\,d\,s}{F\,p\,s}=\frac{G+W}{F\,p}-\left[1-\frac{G+W}{F\,p}\right]\,\frac{10\,g}{\zeta}\,\frac{M}{F}\,\left(\frac{f}{F}\right)^2\,^1/_s\cdot
\left(e^{-\frac{\zeta}{10\,g}\,\frac{F}{M}\,\left(\frac{F}{f}\right)^2\cdot s}-1\right)
Die Auswertung dieses Ausdrucks ist umständlich. Einfacher ist das graphische
Verfahren. Man vergleicht die Rechteckfläche F . p . s
mit der Fläche unter der strichpunktierten Kurve (Fig.
2), durch welche der Wert des Integrals \int_0^s\,\frac{x}{p} ausgedrückt wird, und
welche daher ein Mass für die ausgenutzte Arbeit \int_0^s\,F\,x\,d\,s vorstellt. Die
ausgenutzte Arbeit wire um so grösser sein müssen, je grösser die
Schieberspaltöffnung ist, eine Anforderung, welche mit dem oben, nach Gleichung
(15), Gesagten übereinstimmt, dass nämlich die Kurve für \frac{x}{p} um so langsamer
ihrer Asymptote sich anschmiegt, je grösser das Verhältnis \frac{f}{F} gemacht
wird.