Titel: | Der Wettstreit zwischen Geschütz und Panzer. |
Autor: | W. Treptow |
Fundstelle: | Band 321, Jahrgang 1906, S. 293 |
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Der Wettstreit zwischen Geschütz und
Panzer.
Von W. Treptow,
Charlottenburg.
(Fortsetzung von S. 279 d. Bd.)
Der Wettstreit zwischen Geschütz und Panzer.
3. Lafetten.
Die Lafettierung der Geschütze ist von höchster Wichtigkeit für die Forderung
sicherer Lagerung und schnellen Richtens des Rohres. Ferner fällt der Lafette die
wichtige Aufgabe zu, den Stoss, den das Geschütz beim Abfeuern empfängt, derart auf
den Schiffskörper zu übertragen, dass dieser keine Formänderung erleidet. Wie stark
dieser Stoss ist, geht ja schon aus den oben angegebenen Zahlen über die
Mündungsenergie hervor. Vielleicht aber dient die folgende, von den „Mitteilungen“, November 1905, gebrachte
Tatsache besser als alle Zahlen zur Erläuterung, von welcher Stärke dieser Stoss
ist.
Das niederländische Panzerschiff Hertog Hendrik rannte
am 28. Juni 1905 bei Celebes auf ein Riff. Die von drei Schiffen mit vereinten
Kräften wiederholt unternommenen Abschleppversuche blieben erfolglos, auch nachdem
das gestrandete Schiff durch Ausladung von Kohle und Munition erleichtert
worden war. Da kam man auf den Gedanken, gleichzeitig mit dem Anziehen der Schiffe
das vordere 25 cm-Geschütz mit voller Kriegsladung abzufeuern. Das hatte den
überraschenden Erfolg, dass das Schiff beim ersten Schuss um 30 cm nach hinten
glitt. Ein nochmaliges Abfeuern des Geschützes ergab bei gleichzeitigem Anziehen der
Hilfsschiffe eine Rückwärtsbewegung von 1,8 m, worauf durch nochmaliges Anziehen der
Hertog Hendrik endlich flott wurde.
Es bedarf keiner grossen Erläuterung, dass eine noch so starke Konstruktion auf die
Dauer nicht imstande sein würde, den Stoss beim Abfeuern aufzunehmen, wenn dies
starr geschehen würde. Es muss vielmehr in irgend einer Weise dem Geschütz ein
Rücklauf gestattet werden. Früher geschah dies, indem man das Rohr mit seiner
Lafette zurücklaufen liess. Das Geschütz musste dann jedesmal wieder in Feuerstellung
gebracht werden. Heute lässt man das Rohr allein in oder auf der Lafette, gebremst
oder auf einer schiefen Ebene zurücklaufen und trifft die Einrichtung so, dass es
durch Vorholfedern oder durch sein Eigengewicht wieder selbsttätig in die
Feuerstellung vorläuft.
Textabbildung Bd. 321, S. 293
Fig. 16. 30,5 cm-Geschutz in Turmlafette.
Textabbildung Bd. 321, S. 293
Fig. 17. 19 cm-Geschutz in Mittelpivotlafette.
Bei der Turm-Lafette für Küstenbefestigungen nach Fig.
16 liegt das Rohr in einer „Wiege“, die ihrerseits mit seitlichen
Schildzapfen in den Wänden des Lafettenrahmens gelagert ist. Die Wiege umgibt das
Rohr mantelartig und führt es beim Rücklauf. Dieser wird durch zwei seitlich an der
Wiege liegende hydraulische Bremsen in Verbindung mit zwei Pressluftbremsen gehemmt.
Der in den pneumatischen Bremsen erzeugte Luftdruck bringt das Rohr wieder in die
Feuerstellung vor. Bei diesem Turmgeschütz vom Kaliber 30,5 cm und 40 Kaliber Länge,
das 1902 von Krupp in Düsseldorf ausgestellt war, ist
die Drehvorrichtung für den Turm, die Höhenrichtmaschine, die Munitionsaufzüge und
die Ansetzer für das Einbringen des Geschosses und der Kartusche elektrisch
betrieben. Statt des elektrischen Antriebes wird sowohl für Küsten- wie auch für
Schiffsgeschütze hydraulischer Antrieb gewählt. Als Reserve ist ausserdem für alle
Einrichtungen Handbetrieb vorgesehen. Der ganze Turm, der übrigens vorne einen
Schutzschild aus gehärtetem Nickelstahl von 135 mm Dicke hat, während Decke und
Rückseite gegen Splitterwirkung durch 50 mm starken Nickelstahl geschützt sind,
dreht sich um einen im Fundament gebetteten Pivotzapfen auf einer Drehscheibe, die
auf Stahlkugeln ruht. Für Schiffsartillerie wird der Brustwehrpanzer stärker, 250 mm
und mehr genommen. Die Abbildung lässt noch eine ganze Reihe Einzelheiten, so die
über die Turmdecke hervorragende Haube für den Geschützführer, die Zuführung der
Munition auf kleinen Karren, den Kran zur Entnahme und Ueberführung der Munition ins
Geschützrohr u.a.m. erkennen. Das Geschütz kann bis zu 22° eleviert werden, und
würde bei dieser Erhöhung mit einem Geschoss von 350–445 kg Gewicht und einer
Anfangsgeschwindigkeit von 926–820 m eine grösste Schussweite von 20 km haben, wobei
der Scheitelpunkt der Flugbahn 2860 m hoch liegen würde. Zu diesem Geschütz gehört
übrigens das Trefferbild, das in Fig. 8 gebracht
wurde. Das Gesamtgewicht der Lafettierung beträgt 234200 kg. Das Rohr allein wiegt
mit dem Verschluss 50300 kg.
Eine andere Lagerung und zwar für ein 19 cm-Schiffsgeschütz von ebenfalls 40 Kaliber
Länge zeigt die Fig. 17. Die für Kasemattaufstellung
an Bord gedachte Lafette hat einen Stahlschild von 100 mm Stärke, der den Ausschnitt
in der Wandung der Kasematte ausfüllt. Das Rohr gleitet wieder in einer Wiege gegen
hydraulische Bremsen, die unter dem Rohr sichtbar sind, zurück. Das Vorholen in die
Feuerstellung geschieht durch Federsäulen, die beim Rücklauf gespannt werden. Die
Wiege ruht, mit auf der Zeichnung nicht sichtbaren Schildzapfen in einer Pivotgabel, die in dem
Mittelpivotbock drehbar gelagert ist. Der Schütze steht auf einem Auftritt, der sich
mit dem ganzen Geschütz um den Mittelpivotzapfen dreht. Das Drehen des Geschützes
geschieht für die feine Seitenrichtung langsam von der Hand des Schützen von der
linken Seite des Rohres aus. Für schnelles Schwenken des Geschützes ist das auf der
rechten Seite des Rohres liegende, auf dem Bilde sichtbare Handrad bestimmt. Die
grösste Schussweite beträgt bei 20° Erhöhung mit einem Geschoss von 85–107 kg
Gewicht bei einer Anfangsgeschwindigkeit von 807–720 m 13,7 km.
Textabbildung Bd. 321, S. 294
Fig. 18. 28 cm-Haubitze in Rahmenlafette.
Erhebliche Abweichungen in der Gesamtanordnung zeigt die in Fig. 18 dargestellte Mittelpivot-Küstenlafette für eine 28 cm-Haubitze
von 12 Kaliber Länge. Das Feuer dieser Wurfgeschütze ist nicht gegen den Gürtel-
oder Turmpanzer sondern gegen die Turmdecken und das verhältnismässig schwache
Panzerdeck gerichtet, das aus mehrfachen im ganzen 50–75 mm dicken Lagen von
Stahlblechen besteht. Der Vertikalpanzerschutz soll mit dem Steilfeuer also
gewissermassen umgangen werden; das Geschoss soll im Bogenwurf zum Ziele gelangen,
d.h. Maschine und Kessel zerstören oder nach Durchschlagen der schwachen
Zwischendecks möglichst auch noch den Schiffsboden durchschlagen. Die Wurfgeschütze
finden ihre beste Verwendung bei der Verteidigung schmaler Hafeneinfahrten. Sie
selbst sind gegen das Flachbahnfeuer der Kriegsschiffe gedeckt, da sie hinter
Brustwehren aufgestellt sind. Sie bedürfen deshalb nur eines Schutzschildes, der die
Bedienungsmannschaften gegen die Granatsplitter deckt, die ein etwa über der
Haubitze explodierendes Geschoss nach unten streut. Der Schutzschild besteht im
vorliegenden Falle aus 60 mm starkem Stahlblech. Der Betrieb der gesamten
maschinellen Einrichtung für Schwenken, Höhenrichten usw. ist elektrisch, mit leicht
einschaltbarem Handbetrieb als Reserva.
Die Haubitze ist in einer Oberlafette gelagert, mit welcher sie auf Schienen des
Unterrahmens zurückläuft, wobei der Rücklauf durch Flüssigkeitsbremsen begrenzt
wird. Der Vorlauf der Oberlafette erfolgt selbsttätig durch die Neigung der
Laufschienen des Rahmens. Dieser wird mit den gesamten Höhenrichteinrichtungen, dem
Geschützführerstand usw. von einer Drehscheibe getragen, die auf einer Kugelbahn
läuft. Durch einen an der Oberlafette befestigten Schartenschild wird die Scharte in
dem Deckschild auch während des Rücklaufes des Rohres abgeschlossen.
Die Haubitze kann bis zu 65° eleviert werden; ihre grösste Schussweite bei 43° ist 11
200 m mit einem Geschossgewicht von 215–345 kg bei einer Anfangsgeschwindigkeit von
425–335 m. Das Gesamtgewicht der Lafettierung beträgt 62520 kg, wovon 28800 auf
Oberlafette und Rahmenlafette, 15720 kg auf den Panzerschild und 18000 kg auf die
Pivotierung entfallen.
Sämtliche in Fig. 16–18 abgebildeten Rohre sind nach der Mantelringkonstruktion gebaut. Als
Verschluss dient der Kruppsche Leitwell-Keilverschluss.
Das Material der Rohre ist Spezialtiegelgusstahl.
(Fortsetzung folgt.)