Titel: | Der Wettstreit zwischen Geschütz und Panzer. |
Autor: | W. Treptow |
Fundstelle: | Band 321, Jahrgang 1906, S. 325 |
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Der Wettstreit zwischen Geschütz und
Panzer.
Von W. Treptow,
Charlottenburg.
(Fortsetzung von S. 312 d. Bd.)
Der Wettstreit zwischen Geschütz und Panzer.
2. Kartuschen.
Textabbildung Bd. 321, S. 325
Fig. 23. Kartuschensammlung.
Die grosse Menge von Pulvereinheiten, die in einer Ladung zusammengefasst werden
muss, erfordert eine gemeinsame Hülle. Sind doch in den in Fig. 24 dargestellten Kartuschen der 17 cm-Kanone (links) 154 Röhren von
23 kg Gesamtgewicht und in der 21 cm-Kartusche (rechts) 600 Prismen von zusammen
26,5 kg Gewicht enthalten. Ein 30,5 cm-Geschütz aber verfeuert mit jedem Schuss
über 100 kg Röhrenpulver. Derartige Kartuschen, auch die verschiedensten
Pulversorten – selbstredend als Atrappen – waren in Düsseldorf 1902 ausgestellt.
Als solche Hüllen wurden früher allgemein Kartuschbeutel
verwendet. Der Beutel soll beim Schuss möglichst vollkommen mitverbrennen. Dieser
Forderung entsprach beim Schwarzpulver am besten reine, rohe Seide. Trotzdem musste das Rohr
nach jedem Schuss ausgewischt werden, einerseits wegen der festen Rückstände des
Pulvers, andererseits weil etwa zurückgebliebene, glimmende Kartuschbeutelreste die
nächste Kartusche zur Entzündung gebracht hätten. Solche Unfälle sind trotz allen
Wischens nur zu oft vorgekommen. Es ist auch nicht ausgeschlossen, dass der oben
erwähnte Unglücksfall an Bord des Missouri statt auf
einen Nachflammer auf solche glimmenden Kartuschbeutelreste zurückzuführen ist.
Jedenfalls ist ein wirkliches Schnellfeuer nicht möglich, wenn das Rohr nach jedem
Schuss gereinigt werden muss. So kam man darauf den Seidenstoff des Kartuschbeutels
zum Zweck vollständiger Verbrennung mit Pulverlösung zu tränken, oder man stellte
den Beutel aus einem Gewebe her, das mit Pulverfäden durchwebt war und schliesslich
nahm man reines Pulvergewebe. Auch zum Zubinden der Beutel wird eine aus Pulverfäden
geflochtene Schnur benutzt.
Textabbildung Bd. 321, S. 326
Fig. 24. Kartusche.
Als äussere Hülle aber verwendet man in der deutschen Marine durchweg
Metallkartuschen (s. Fig. 24, in der Mitte, Fig. 25 und 23).
Diese werden auf dem bekannten Wege des Topfens und Ziehpressverfahrens oder mittels
des Kugelwalzverfahrens (Polte in Magdeburg) auf das
genaueste in allen Massen kalibriert. Der Mantel c
(Fig. 25) ist zylindrisch und verläuft vorne
mehr oder weniger konisch, je nachdem er bei kleineren Kalibern das Geschoss
aufnimmt (Einheitsmunition) oder nicht. Der ziemlich kräftig gehaltene Boden b nimmt bei a die
Zündglocke auf und dient im Verein mit dem Verschlusskeil, wie bei der Besprechung
der Geschützverschlüsse erläutert wurde, mit seinem äusseren Rande als Dichtung,
wodurch jede andere Liderung überflüssig wird. Die Vorteile der Metallkartuschen
bestehen ausserdem in der grossen Sicherung der in ihnen enthaltenen Ladung gegen
eine Reihe von Zufälligkeiten, z.B. auch gegen die mehrfach erwähnten Nachflammer,
die dann höchstens die nächststehenden Bedienungsmannschaften verletzen können,
während die auf der Ladeschale befindliche oder etwa schon ins Rohr geschobene
Metallkartusche aller Voraussicht nach nicht mit entzündet würde. Ihr einziger
Nachteil ist das vermehrte Gewicht und der hohe Preis.
Textabbildung Bd. 321, S. 326
Fig. 25. Metallkartusche.
Zur Erläuterung der Fig. 23 sei noch folgendes
nachgetragen: Die Zahlen 1, 2 und 3 bezeichnen 28 cm-Haubitzkartuschen, wobei die
letztere sieben Teilladungen in Pulvergewebe enthält; 4
und 5 sind 7,5 cm-Einheitspatronen mit Tellerpulver;
6, 7, 8 und 9 sind
Einheitspatronen verschiedenen Kalibers von 12 cm abwärts; 10 ist eine 12 cm-Shrapnellpatrone mit Röhrenpulver: 11 ist eine 15 cm-Halbpanzergranatpatrone ebenfalls mit
Röhrenpulver; 12 eine gleiche aber von 12 cm Kaliber,
das Geschoss (im Schnitt) ist mit Kappe ausgerüstet; 13
und 14 sind Metallkartuschen für 24 cm- und 30,5
cm-Geschütze; 15 und 16
sind Kartuschen in Pulvergewebe für 24 und 12 cm-Geschütze. Zu vergleichen ist auch die folgende
Fig. 26 wegen der vielen Einheitsmunition
kleinerer Kaliber.
Textabbildung Bd. 321, S. 327
Fig. 26. Geschoss-Sammlung. (Geschosse verschiedenen Kalibers.)
3. Geschosse.
Als Geschosse kommen zur Anwendung: 1. Shrapnells, 2.
Panzergeschosse, 3. Granaten.
Die Geschosse werden heute fast allgemein im Rohre dadurch geführt, dass hinten ein
eingedrehter Kupferring sich in die Züge einpresst und damit die Abdichtung und die
Uebertragung der Drehung auf das Geschoss übernimmt. Der vordere Führungsring fällt
meist fort, das Geschoss führt sich vorne glatt zwischen den Feldern der Züge.
Textabbildung Bd. 321, S. 327
Panzergeschosse.
Das Shrapnell, so genannt nach seinem Erfinder, einem englischen Obersten gleichen
Namens, kommt mit seiner Füllung von vielen kleinen Kugeln (s. besonders Fig. 26, von links an dritter Stelle) nur gegen
ungeschützte Teile, hauptsächlich gegen lebende Ziele in Frage. Es soll so wirken,
dass es durch Zeitzünder kurz vor dem Ziel und in passender Höhe explodiert und
vermöge der im Boden angeordneten Ladung die Kugelfüllung als Streukugel nach vorne
und unten wirft. Im Seekriege spielt das Shrapnell keine ausschlaggebende Rolle.
Die Panzergeschosse sollen den Panzer durchdringen und die durch ihn geschützten
wichtigsten Teile des Schiffes (Maschinen, Kessel, Kommandoelemente) zerstören. Es
sind entweder Vollgeschosse (reine Panzergeschosse Fig. 27 und 28) oder
sehr starkwandige Hohlgeschosse (Panzergranaten Fig. 29, 30 und 32). Gegen den
alten Eisenpanzer wurden mit Erfolg Granaten aus Hartguss verwendet. Mit der
wachsenden Widerstandsfähigkeit des Panzers genügte die Festigkeit des
Hartgussgeschosskörpers nicht mehr.
Textabbildung Bd. 321, S. 327
Fig. 30. Französische Halbpanzergranate.
Textabbildung Bd. 321, S. 327
Fig. 31. Panzergeschoss mit zentraler Stützung der Spitze.
Textabbildung Bd. 321, S. 327
Fig. 32. Halbpanzergranate innen durch Rippen verstärkt.
Die heutigen Panzergeschosse bestehen aus geschmiedetem und an
der Spitze gehärtetem Stahl, dessen Festigkeitseigenschaften wohl noch durch Zusätze
von Nickel, Wolfram oder Chrom verbessert sind. Das Panzergeschoss hat nur Aussicht,
die Panzerplatte zu überwinden, wenn es beim Auftreffen auf die Platte im
Geschosskörper keine wesentliche Stauchung erleidet und an der Spitze ganz bleibt,
andernfalls wird die Energie nur zum völligen Zertrümmern des Geschosskörpers
verwendet. Der Panzer ist nur durch die mechanische Energie der bewegten Masse des
Geschosses zu überwinden, nicht etwa mit irgend welchen Sprengladungen, das haben
Versuche der letzten Zeit, die später angeführt werden sollen, wieder einmal
überzeugend dargetan. So ist man denn bestrebt gewesen, die Stosskraft des
Geschosses dadurch zn erhöhen, dass ein starkwandiger Geschosskörper a in einem Ringraum b mit
möglichst schwerem Metall ausgefüllt ist (Fig. 31,
Panzergeschoss der „Rheinischen Metallwaren- und
Maschinenfabrik“). Die Sprengladung der Panzergranate (Fig. 29 und
30) soll ihre zerstörende Wirkung erst
entfalten, nachdem sie von dem Geschoss unverletzt durch die Panzerwand
hindurchgetragen ist. Dazu ist nur ein Sprengstoff geeignet, der nicht schon bei dem
furchtbaren Stoss, den das Geschoss beim Abfeuern und dann beim Auftreffen
erleidet, sondern erst durch einen Zünder nebst Detonator kurze Zeit nach dem
Auftreffen zur Explosion bezw. Detonation gelangt. Dieser Forderung genügen die
neuerdings verwendeten Sprengstoffe, wie z.B. Pikrinsäure, Melinit usw. Damit die
Panzergranate Aussicht hat, durch den Panzer hindurch zu kommen, darf der Hohlraum
nicht zu gross sein (Fig. 29), besonders
muss die Spitze so kräftig wie möglich bleiben, also ist die Grösse der Sprengladung
sehr beschränkt und die Sprengwirkung wird noch durch den kräftigen Geschosskörper
beeinträchtigt. Um daher die Spitze gut zu stützen und den Raum für die Sprengladung
doch nicht zu klein zu erhalten, hat die amerikanische „Bethlehem Steel Co.“ vorgeschlagen, den Geschosskörper innen
durch Rippen zu verstärken (Fig. 32; vergl. dazu
auch die Stützung der Spitze bei dem Geschoss Fig.
31). Im übrigen ist vielfach die Ansicht vertreten, dass auf die geringe
Sprengwirkung der Panzergranate ganz verzichtet werden kann, weil ein wirklich
durchschlagendes Vollgeschoss mit den aus dem Panzer und den darunterliegenden
Konstruktionsteilen mitgerissenen Stücken eine granatähnliche Wirkung entfalte.
(Fortsetzung folgt.)