Titel: | Der heutige Stand der Motorfahrräder. |
Autor: | Oscar Koch |
Fundstelle: | Band 321, Jahrgang 1906, S. 378 |
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Der heutige Stand der Motorfahrräder.
Von Oscar Koch,
Gross-Lichterfelde, West.
(Fortsetzung von S. 367 d. Bd.)
Der heutige Stand der Motorfahrräder.
III. Motoren.
a. Einzylindermotoren.
In ihrem Gesamtaufbau bieten die Motoren eigentlich nichts Neues, es sei denn,
dass ihre einzelnen Organe besser ausgebildet worden sind. Fig. 81 u. 82
zeigen den neuen Zedel-Motor mit
Akkumulatorenzündung. Die Steuerung der Ventile erfolgt, wie bekannt sein
dürfte, von der Kurbelwelle aus, auf der ein kleines Zahnrädchen a aufgekeilt ist. Dieses Rädchen a dreht das auf der Achse b sitzende, doppelt so grosse Zahnrad k,
mit dem das Exzenter c verbunden ist. Das Oeffnen
der Ventile erfolgt durch Rollen e und e1, die in der Stahlführung d leicht spielen, dadurch, dass sie vom Exzenter angehoben und gegen
die Ventilstössel f und g gedrängt werden. Das Auspuffventil i
wird dabei um 4,8 mm, das Ansaugventil h, weil sein
Ventilstift entsprechend kürzer ist, um 2½ bis 3 mm geöffnet.
Fig. 81
zeigt das Exzenter in der Stellung, wo sich das Auspuffventil mit Hilfe
seiner Spiralfeder soeben geschlossen hat, und die Rollen e das Ansaugventil schon ein wenig anheben.
In Fig.
83 ist der auf Deckel l (Fig. 82)
bewegliche Unterbrecher gezeigt, der abwärts gestossen zur Vorzündung, aufwävts
gezogen zur Nachzündung dient, und ganz gehoben durch Hebel o und p den
Ventilstössel g anhebt und dadurch das
Auspuffventil lüftet.
Dieser 2¾ PS-Motor leistet normal etwa 3 PS. Er hat 75 mm Bohrung, 80 mm Hub,
seine grösste Geschwindigkeit beträgt 2850 Umdrehungen i. d. Minute, sein
Gewicht 19 kg.
Dem vorgenannten ähnlich ist der 3 PS-Motor der Bielefelder Maschinen- and Fahrradwerke, Aug. Göricke in Bielefeld.
Eigenartig ist die Steuerung. Wie Fig. 84 zeigt,
erfolgt sie durch zwei Steuerrädchen a und b, die je einen Nocken tragen. Diese Nocken
arbeiten auf Stösselnocken c und d, die in e schwingen,
und heben so nacheinander die Ventile an. Das Ganze wird in üblicher Weise
durch Rädchen f von der Motorwelle angetrieben.
Zu erwähnen ist noch, dass die Zündkerze statt neben, über dem Ansaugventil
sitzt.
Textabbildung Bd. 321, S. 379
Zedel-Motor für Akkumulatorenzündung.
Textabbildung Bd. 321, S. 379
Fig. 84. Motor der Bielefelder Maschinen- und Fahrradwerke Aug.
Göricke.
Während diese beiden Motoren die Type mit nebeneinanderliegenden Ventilen
veranschaulichte, stellt Fig. 85 diejenige mit
übereinander liegenden Ventilen dar, wie sie z.B. die Diamant-Fahrradwerke, Gebr. Nevoigt in Reichenbrand-Chemnitz
bauen. Die Steuerung erfolgt wie beim N. S.U.-Motor (D. p. J. 1905, 320, S. 314, Fig. 38) mittels Steuerrädchen und
Nocken, die durch Zwischenkugel die Ventilstössel anheben.
Der Motor von Puch vertritt die Type mit
selbsttätigem Ansaugventil und wird in Stärken von 2½, 2¾, 3, 3½ und 5 PS
hergestellt. Wie Fig. 86 zeigt, zeichnet er sich
durch seine seitwärts ziemlich weit vorstehende Ventilkammer vorteilhaft aus,
die bei der gewählten Anordnung von der atmosphärischen Luft allseitig gut
bestrichen wird, so dass bei geringer Fahrgeschwindigkeit selbst in gebirgigen
Gegenden Ueberhitzen nicht zu befürchten ist, also auch die Leistungsfähigkeit
des Motors nicht sinkt.
Die Zündung ist magnet-elektrisch mit Abreissvorrichtung und gestattet Vor- und
Nachzündung in jedem gewünschten oder durch das Terrain erforderlichen Grad zu
regeln und gleichzeitig den veränderlichen Zündzeitpunkt selbsttätig
festzuhalten, so dass durch Erschütterungen während der Fahrt unbeabsichtigte
Verstellung desselben ausgeschlossen ist. Die Einstellung erfolgt mittels Hebels
a (Fig. 87)
dadurch, dass derselbe durch die Stange b, die zur
Lenkstange führt (s. auch Fig. 46 S. 329), unter
Vermittlung der beiden Glieder c und d im Zahnsegment e die
Stellungen 1–2 einnehmen kann. Ausgeschaltet ist
die Zündung, sobald Hebel a in Stellung 2 gebracht wird, wobei Anschlag f den Hebel g und mit
ihm die Abreisstange n hochhebt, so dass die Rolle
h nicht mehr über das Abreissexzenter i gleiten kann. Um den
Textabbildung Bd. 321, S. 380
Fig. 85. Motor der Diamant-Fahrradwerke Gebr. Nevoigt.
Textabbildung Bd. 321, S. 380
Fig. 86. Puck-Motor.
Zündzeitpunkt in noch weiteren Grenzen zu verstellen,
wird das Abreissexzenter i nach Lockern der Mutter
k verdreht und zwar für mehr Vorzündung um 1–2
mm nach links (l) oder für mehr Nachzündung um 1–2
mm nach rechts (r).
Textabbildung Bd. 321, S. 380
Fig. 87. Zündungsregelung zum Puch-Motor.
Der Antrieb des Magnetapparates erfolgt durch Zahnrad m mittels Kette von der Motorwelle aus.
Fig. 88 zeigt den 3½ PS-Motor der Progress-Motoren- und Apparatebaugesellschaft m. b.
h. Im Gegensatz zum Puch-Motor ist bei ihm
auch das Ansaugventil gesteuert, und der Abschlag für die Abreisszündung sitzt, wie schon beim
zweizylindrigen Fahrzeug (Fig. 56, S. 348)
erwähnt ist, nicht mehr wie beim vorjährigen Modell (D. p. J. 1905, 320, S. 331, Fig. 51) innerhalb, sondern wie beim Puch-Motor ausserhalb des Motors.
Textabbildung Bd. 321, S. 381
Fig. 88. Progress-Motor.
Während dort die Abreisstange auf Druck beansprucht wird, beansprucht sie Progress auf Zug, was ausser geringerem
Kraftverbrauch auch weniger Materialverschleiss bedeutet. Die Zugstange kann
dabei dünner sein als die auf Stauchung und Knickung beanspruchte Stosstange.
Vorteilhaft lässt sich eine starke Radspeiche verwenden, deren Kopf auf dem
Abreisshebel aufliegt. Um festes Anliegen des Zugstangenkopfes am Abreisshebel
zu ermöglichen, ist eine Druckfeder auf die Zugstange aufgesteckt, die sich
gegen den Abreisshebel stützt.
Textabbildung Bd. 321, S. 381
Motor der Motorenfabrik „Magnet“.
Die Motorenfabrik „Magnet“ G. m. b. H. in
Berlin-Weissensee ist die einzige Fabrik, die den Innenabschlag beibehalten hat.
Der Strom wird dabei durch ein Kabel vom Magnetinduktor zum Zündstift geleitet,
der in dem aussen am Zylinderkopf befestigten Zündflansch a (Fig. 89)
angeordnet ist. Die Zündung erfolgt nun dadurch, dass der oben angekommene
Kolben den in Fig. 90
ersichtlichen Nocken vom Zündstift abhebt, wobei der Funke überspringt.
Der Zündzeitpunkt kann natürlich nicht verändert werden. Da aber die
Abreisszündung einen kräftigen Funken liefert, so kann die Geschwindigkeit durch
die Zylinderfüllung geregelt werden. Bei starker Drosselung und daher kleiner
Tourenzahl kann nur ein schwacher Funken entstehen, der das Gemisch etwas später
zur Explosion bringt als der entsprechend stärkere und daher auch heissere Funke
bei geringer Drosselung also auch höherer Tourenzahl. Wirtschaftlich kommt dabei
auch noch geringer Benzinverbrauch in Betracht.
Textabbildung Bd. 321, S. 381
Fig. 91. Zedel-Motor für magnet-elektrische Zündung.
Der Magnetapparat wird durch vier Stirnräder angetrieben, von denen die beiden
mittleren gleichzeitig zum steuern des Ansaug- und Auspuffventils dienen.
Fig. 91 zeigt den Zedel-Motor mit magnet-elektrischer Zündung. Er hat
dieselbe Stärke und Abmessungen wie derjenige für Akkumulatorenzündung (Fig. 81
u. 82), nur wird er durch den Zündapparat, der sich auf das mittlere
Horizontalrahmenrohr a stützt, um 1 kg schwerer als
ersterer. Die Bauart des Motors sowie der Zündung ist schon (D. p. J. 1905, 320, 330) beschrieben; es soll hier nur die
Uebertragung des Antriebes für den Magnetapparat gezeigt werden, die bei Fig. 41 u. 59, S.
313 und 349 in Anwendung gebracht ist.
Zu bemerken ist noch, dass das Kegelrad b, das den
Zapfen c zur Aufnahme der Uebertragungswelle d trägt, gleichzeitig zur Steuerung der Ventile
dient, (s. S. 331, Bd. 320, Fig. 48.)
Textabbildung Bd. 321, S. 382
Dürkopp-Motor.
Während der Magnetapparat bei vorstehenden Motoren vor, hinter oder über ihnen
sitzt, liegt er beim Dürkopp-Motor (Fig. 92 u. 93)
innerhalb des Kurbelgehäuses und bildet einen Teil der Schwungräder dadurch,
dass die in Messingteller b (Fig. 93)
eingebauten Stahlmagnete a vollständig eingekapselt
sind, und somit gleichzeitig als Schwungmassen dienen. Die beiden Anker c sind dabei auf der Innenseite der beiden
Gehäusehälften feststehend angeordnet. Sobald der Motor angedreht wird,
entstehen durch Drehung der Schwungscheiben zwischen den Polschuhen e und den Ankern c
Kraftlinien, die sich in bekannter Weise auf die Wicklung übertragen.
Beide Anker sind nun ihrerseits wieder durch Kabel d
(Fig.
92) miteinander verbunden, während das Kabel f die Verbindung zwischen den Ankern und dem Unterbrecher darstellt.
Der erzeugte Niederspannungsstrom führt, bevor er zur Zündkerze gelangt, zu
einer im Benzinkasten befindlichen Induktionsspule, wo er verstärkt wird.
Die Steuerung der Ventile erfolgt durch Steuerräder g und h mittels der Steuerhebel i und k, die durch den
am Steuerrädchen h sitzenden Nocken l abwechselnd gehoben werden. Um leichten Gang des
Motors zu erzielen, sind an allen beweglichen Teilen Kugellager vorgesehen, die
keiner Nachstellung bedürfen.
Diese ganze Anordnung, die sich durch Einfachheit auszeichnet, bringt trotz
Verwendung schwerer Magnete eine Gewichtsersparnis mit sich, und es sind
ausserdem alle Antriebsmechanismen und Lagerstellen für den Zündapparat in
Fortfall gekommen. Gleichzeitig ist der Apparat vollständig gegen Verschmutzung
geschützt, und gegen Schadhaftwerden bei eventuellem Sturz gesichert.
(Fortsetzung folgt.)