Titel: | Der heutige Stand der Motorfahrräder. |
Autor: | Oscar Koch |
Fundstelle: | Band 321, Jahrgang 1906, S. 409 |
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Der heutige Stand der Motorfahrräder.
Von Oscar Koch,
Gross-Lichterfelde, West.
(Fortsetzung von S. 395 d. Bd.)
Der heutige Stand der Motorfahrräder.
b) Mehrzylindrige Motoren.
Textabbildung Bd. 321, S. 409
Fig. 100. Motor von Göricke.
Während im Vorjahre die Zweizylindermotoren meist automatische Ansaugventile
besassen, sind viele Fabriken jetzt wie bei den Einzylindermotoren auf gesteuerte
übergegangen. Die frühere Abneigung gegen gesteuerte Ansaugventile entstand aus der
Annahme, dass sehr verwickelte Gestänge nötig wären. Dass sie recht wohl vermieden
werden können, zeigt Fig. 100 an einem 4½
PS-Motordvon Göricke, Die beiden Steuerrädchen tragen
je zwei Nocken, von denen c und b die Ansaugventile, a und
d dagegen die Auspuffventile betätigen, und zwar
erstere mit Hilfe der Stösselnocken e und f, letztere durch Stösselnocken g und h. Diese Nocken e, f, g und h schwingen um die Achsen i und k und heben
abwechselnd die Stössel l, m, n und o.
Noch einfacher bilden Gebr. Nevoigt die Steuerung ihres
5 PS-Motors aus, bei dem die Ventile übereinander liegen. Hier kommt (Fig. 101) nur ein
Steuerrad a in Anwendung, dessen Achse zwei Nocken b und c trägt.
Nocken b arbeitet unter Vermittlung der beiden
Stösselnocken g und h auf
die Auspuffventile, während Nocken c durch
Stösselnocken e und f auf
die Ansaugventile wirkt. Sämtliche Stösselnocken sind mit Rollen e1 und h1 versehen, und
schwingen auf der gemeinsamen Achse i.
Fig. 102 zeigt den 5½ PS-Zedel-Motor mit automatischen Ansaugventilen. Die Steuerung der
Auspuffventile erfolgt durch den auf dem Kegelrade a
sitzenden Nocken b, der abwechselnd unter Vermittlung
der Rollen c und d die
Auspuffventile öffnet. Diese Steuerung hat vor den letztgenannten den Vorzug, dass
hier die gelenkigen Stösselnocken fehlen und die Ventile ohne Zwischenglied betätigt
sind.
Der Antrieb des Zündapparates erfolgt ebenfalls durch das Kegelrad a in derselben Weise wie beim Einzylindermotor (Fig. 91, S. 381). Die Zylinder haben 75 mm Bohrung
und 80 mm Hub.
Textabbildung Bd. 321, S. 410
Fig. 101. Motor von Nevoigt.
Der zweizylindrige 5 und 6 PS-Puch-Motor (Fig. 103) ist nach denselben Prinzipien wie der
einzylindrige (Fig. 86, S. 380) gebaut, nur ist bei
dem zweizylindrigen der ganze Vor- und Nachzündungsmechanismus vollständig
staubdicht in einem Gehäuse eingeschlossen, und auf einer Platte so angebracht, dass
er bei vorkommenden Reparaturen vollständig aus dem Gehäuse genommen werden kann.
Zum Verstellen des Zündzeitpunktes dient der Hebel a
(Fig. 104), der auf seiner Drehachse das
Zahnrädchen b trägt, und von dessen freiem Ende ein
Gestänge zur Lenkstange führt (s. Fig. 57 S. 348).
Durch Auf- oder Abwärtsbewegen dieser Stange in üblicher Weise mittels Handhebel
wird durch Zahnrädchen b das auf der Steuerwelle d sitzende Zahnsegment e
und mit ihm das Abreissexzenter c verstellt, so dass es
die. Zündung früher (Fig. 106) oder später
(Fig.
107) einleitet. Im ersteren Falle gleitet der Nocken des Exzenters c früher an den in i
schwingenden Abreisswinkeln f1 und f2
vorbei, wodurch, wie in Fig. 106
bei Zylinder I ersichtlich, der Abreisshammer g
den Funken durch Vermittlung der Abreissstange h
abschlägt schon ehe der Kolben seinen höchsten Stand erreicht hat. Im zweiten Falle
tritt das umgekehrte ein (Fig. 107 Zylinder
I).
Der Antrieb des Magnet-Apparates l erfolgt auch hier
mittels Kette und Zahnrad m von der Steuerwelle
aus.
Aehnlich ist die Zündungseinrichtung beim Progress-Motor
(Fig. 105), bei dem auch noch die Ansaugventile
gesteuert sind. Trotzdem sich hier die Steuerung für jeden Zylinder auf drei Teile
erstreckt, ist dennoch die Anordnung derselben so getroffen, dass von komplizierten
Hebeln nicht die Rede sein kann.
Fig.
108–111 zeigenden 4½ PS-Vierzylinder-Motor der Bielefelder Maschinenfabrik vorm. Dürkopp & Co. Er hat 52,5 mm
Bohrung, 60 mm Hub und unterscheidet sich in der Hauptsache von dem der Fabrique Nationale in Herstal bei Lüttich (D. p. J.
1905, 320, S. 346 u. ff.) dadurch, dass sowohl die
Auspuff- als auch die Ansaugventile gesteuert sind, und dass er für jeden Zylinder
einen besonderen Vergaser besitzt. Die vier Vergaser h
haben ein gemeinschaftliches Schwimmergehäuse q, mit
dem sie durch Rohrleitung r verbunden sind (s. Fig.
111).
Der Drosselhahn ist als überflüssig in Fortfall gekommen, da die Füllungen der
einzelnen Zylinder durch die Steuerwelle geregelt werden.
Die Einrichtung zum Regeln der Zusatzluft ist so getroffen, dass die auf den
Vergasern sitzenden Lufthähne i gemeinsam mit der
Stange s verbunden sind, so dass durch Verstellen
dieser Stange alle vier Vergaser die gleiche Luftmenge erhalten.
Der Grund, vier Vergaser anzuordnen, besteht darin, jedem Zylinder die gleiche
Gasmenge zuzuführen; bei Anwendung von nur einem Vergaser würde der erste Zylinder
leicht zu viel Gas, der letzte dagegen fast keines bekommen.
Die vier Auspuffrohre k münden in den gemeinschaftlichen
Auspufftopf l. Zur Erhöhung der Kühlung des Motors ist der
Ventilator o vorgesehen, dessen Antrieb durch
Reibungszünder m n vom Schwungrad aus erfolgt. Der beim
F. N.-Motor am Kurbelgehäuse sitzende Magnet-Apparat kommt hier in Fortfall, an
seiner Stelle sind wie bei der Einzylindertype (Fig. 93, S. 382)
kräftige Stahlmagnete in die Schwungscheiben eingebaut. Die vier Auspuffventile
werden durch die gemeinsame Steuerwelle e, bewegt, die
vier Ansaugventile durch gemeinsame Steuerwelle f, so
dass ihre Takte in genauen Zeiträumen erfolgen. Steuerwelle f ist jedoch in ihrer Längsrichtung durch einen am oberen Rahmenrohr
drehbar gelagerten kleinen Hebel verschiebbar, und trägt dieser Verschiebung
entsprechend gestaltete Steuerdaumen g, so dass der Hub
und die Oeffnungsdauer der Ansaugventile entsprechend der Verstellung der
Steuerwelle verändert werden können. Durch diese Anordnung, die Dürkopp auch bei seinen Wagenmotoren verwendet, wird
die Regulierung des Motors recht einfach, indem seine Tourenzahl in den weitesten
Grenzen ohne Drosselhahn verändert werden kann.
Der Antrieb beider Steuerwellen erfolgt mittels der Zahnräder a, b, c und d (Fig. 108 und 110), von
denen a auf der Kurbelwelle sitzt und durch Zwischenrad
b, c und d
antreibt.
Die Kurbelwelle ist wie beim F. N.-Motor vierfach gekröpft, besitzt aber dem F.
N.-Motor gegenüber den Vorteil, dass sie auf Kugeln läuft.
Textabbildung Bd. 321, S. 411
Fig. 102. Zedel-Motor.
Die Verstellung des Zündzeitpunktes erfolgt durch Verschieben des Zündnockens mittels
eines am Rahmenrohr drehbaren Hebels in bekannter Weise.
Um gute Schmiarung der Lager und der Zylinder zu erzielen, ist der Benzinbehälter mit
zwei Oelpumpen ausgerüstet, die ihrerseits wieder wie auch beim Einzylinder-Motor
mit je einem Dreiweghahn versehen sind. Diese Anordnung ermöglicht, das Oel an zwei
Stellen dem Kurbelgehäuse zuzuführen, wo es durch die Kurbelwelle in die Zylinder,
die Lager und an die Ventile usw. geschleudert wird.
Die Kraftübertragung erfolgt durch Cardan-Welle (Fig.
112), die in einem öldichten Gehäuse v das
Hinterrad durch konisches Zahngetriebe t, u
antreibt.
Textabbildung Bd. 321, S. 412
Fig. 103. Puch-Motor.
Textabbildung Bd. 321, S. 412
Fig. 104. Steuerimg der Zündung zum Puch-Motor.
Auch hier ist für reichliche Schmierung gesorgt dadurch, dass auf dem Gehäuse
v eine Stauferbuchse aufgesetzt ist. Durch
allmähliches Nachstellen des mit Gewinde versehenen randerierten Buchsendeckels wird
dem konischen Getriebe tu konsistentes Fett zugeführt.
Durch die grosse Umdrehungszahl dieses Getriebes wird nun das Fett bald flüssig, und
fliesst allmählich vom Getriebe aus durch das die Transmissionswelle w umgebende Rohr x zu dem
etwas tiefer gelegenen Cardan-Gelenk p.
Textabbildung Bd. 321, S. 412
Fig. 105. Progress-Motor.
Textabbildung Bd. 321, S. 412
Fig. 106 und 107. Zündungsschema zum Puch-Motor Fig. 103Fig. 106.
Vorzündung Zündmoment im Zylinder I; Fig. 107. Nachrundung Zündmoment im
Zylinder I.
Die Bremsvorrichtung ist in die Hinterradnabe z, die den
Freilauf aufnimmt, eingebaut und besteht aus sechs kleinen und sechs grösseren
seitlich verschiebbaren Bremsscheiben yy1. Die grösseren Scheifen y drehen sich mit der Nabe z, während die
kleineren y1 durch die
Lagerschale 4 an der Drehung verhindert werden. Beim
Rückdruck der Tretkurbeln wird der Bremskonus 1 durch
Schneckenmutter 2
Textabbildung Bd. 321, S. 413
Vierzylinder-Motor von Dürkopp.
Textabbildung Bd. 321, S. 413
Fig. 112. Antriebswelle mit Hinterradachse.
und Antriebsschnecke 3 gegen die Scheiben gedrückt,
so dass sie sich dem auf die Tretkurbeln ausgeübten Druck entsprechend mehr oder
weniger stark gegeneinander pressen.
Textabbildung Bd. 321, S. 414
Fig. 113. Kühlvorrichtung von Robisch.
Sobald die Tretkurbeln freigegeben werden, wird der
Bremskonus 1 durch das Schneckengetriebe 2 3 in seine Ruhestellung zurückgezogen, so dass ein
Berühren der feststehenden Scheiben y1 mit den sich drehenden y ausgeschlossen ist.
Zu dem oben erwähnten Vierzylindermotor der Fabrique
Nationale ist nachzutragen, dass bei dem neuen Modell die Kolben unterhalb
der Ringe etwas verjüngt sind, um die Reibung zwischen Kolben und Zylinder zu
vermindern.
Um bei Motoren, die angestrengt arbeiten, Ueberhitzung zu vermeiden, dürfte der
Rapid-Kühler von G. Robisch in München vorteilhafte
Verwendung finden. Er besteht (Fig. 113) aus zwei
rechts und links des Zylinders angebrachten Flügeln mit einer Gesamtoberfläche von
224 qcm. Da die Flücel in beliebiger Richtung eingestellt werden können, so kann
auch die Luft dahin geleitet werden, wo sie am notwendigsten ist, also gegen die
Explosionskammer, sei es, dass dieselbe in der Mitte von dem Zylinder oder seitlich
sich befindet.
(Fortsetzung folgt.)