Titel: | Die Bestimmung der wirtschaftlichsten Dampfanlage für Betriebe mit Bedarf an Heizdämpfen. |
Autor: | G. Marzahn |
Fundstelle: | Band 321, Jahrgang 1906, S. 529 |
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Die Bestimmung der wirtschaftlichsten Dampfanlage
für Betriebe mit Bedarf an Heizdämpfen.
Von Oberingenieur G.
Marzahn.
Die Bestimmung der wirtschaftlichsten Dampfanlage für Betriebe mit
Bedarf an Heizdämpfen.
Hat man ohne Rücksicht auf Heizdampfbedarf zwischen einer sparsam arbeitenden
und einer weniger sparsam arbeitenden Maschine zu entschemden, so wird man der
sparsamer arbeitenden Maschine den Vorzug geben, wenn die mit derselben zu
erzielenden Kohlenersparnisse mindestens die Abschreibung und Verzinsung der
Mehrkosten ihrer Anlage decken. Ebenso liegen die Verhältnisse noch, wenn eine
billigere unwirtschaftlich arbeitende und eine teurere sparsam arbeitende
Auspuffmaschine mit einander zu vergleichen sind, deren Auspuffdampf zu Heizzwecken
Verwendung finden soll, solange nur der Heizdampfbedarf durch den erzeugten
Auspuffdampf gedeckt wird.
Viel schwieriger ist die Bestimmung der wirtschaftlichsten Dampfanlage aber, wenn die
sparsamer arbeitende Maschine eine Kondensationsmaschine ist, und deshalb für die
Deckung des Heizdampfbedarfs nicht herangezogen werden kann. Es kann dann nämlich
sehr leicht der Fall eintreten, dass die Kondensationsmaschine trotz an sich
sparsamsten Betriebes doch für die gesamte Betriebsbilanz ein schlechteres
wirtschaftliches Resultat ergibt, als die an sich viel unwirtschaftlichere
Auspuffmaschine.
Braucht z.B. ein Betrieb bei einem Kraftbedarf von 80 effektiven Pferdestärken
stündlich 1400 kg Heizdampf von einer halben Atmosphäre Ueberdruck, und wird die
notwendige Leistung in einer Einzylinderauspuffmaschine mit 108 indizierten
Pferdestärken erzielt, welche für die indizierte Pferdestärke und Stunde 13 kg Dampf
verbraucht, so stehen stündlich 1400 kg Auspuffdampf zur Verfügung, welche den
Heizdampf bedarf gerade decken. Würde man nun statt der Einzylinderauspuffmaschine
eine noch so sparsam arbeitende Kondensationsmaschine wählen, so würden die
Betriebskosten sich nicht verringern, sondern erstens um die Abschreibungen der
Mehrkosten der besseren Maschine und zweitens um die Kosten des Betriebsdampfes für
die Kondensationsmaschine wachsen. Wenn im Gegensatz zu diesem Beispiel überhaupt
kein Bedarf an Heizdämpfen vorläge, so wäre bekanntermassen die
Kondensationsmaschine die wirtschaftlichere. Zwischen diesen beiden äussersten
Fällen muss also ein Grenzfall liegen, in welchem der für Heizdämpfe verwendbare
Teil des Abdampfes der Auspuffmaschine gerade so gross ist, dass es für dia
Wirtschaftlichkeit des Betriebes gleichgültig ist, ob die billigere schlecht
arbeitende Auspuffmaschine, oder die teurere sparsam arbeitende
Kondensationsmaschine gewählt wird. Da die Untersuchung dieses Grenzfalles für die
Praxis von Wichtigkeit ist, so soll sie im folgenden vorgenommen werden.
Hierbei sei stets angenommen, dass die Heizdämpfe in demselben Kessel erzeugt werden,
aus dem die Dampfmaschine gespeist wird, um dann im Druck reduziert zu werden.
Hierdurch werden die Rechnungen vereinfacht, ohne dass die erhaltenen Ergebnisse für
den Fall der Erzeugung der Heizdämpfe in getrennten Kesseln gleicher Bauart und
geringeren Druckes als der Betriebskessel unbrauchbar werden.
Im folgenden bezeichnet:
Ni =
die der verlangten effektiven Leistung Ne entsprechende indizierte Leistung der
Auspuffmaschine,
Ni' = dasselbe für die Kondensationsmaschine,
Ci =
den stündlichen Dampfverbrauch für eine indizierte Stundenpferdestärke der
Auspuffmaschine,
Ci' = dasselbe für die Kondensationsmaschine,
α = den Bruchteil des Abdampfes der
Auspuffmaschine, welcher als Heizdampf Verwendung finden kann,
K = die Jahreskosten für die Erzeugung
von 1 kg Dampf aus der für die Auspuffmaschine bemessenen Kesselanlage,
K' = die Jahreskosten für die
Erzeugung von 1 kg Dampf aus der für den Heizdampfbedarf und den Betriebsdampf der
Kondensationsmaschine bemessenen Anlage,
K0 =
die jährlichen Kohlenkosten für die Erzeugung von 1 kg Dampf i. d. Stunde,
B = die jährlichen Betriebskosten der
Auspuffmaschine ohne die Dampfkosten,
B' = die jährlichen Betriebskosten der
Kondensationsmaschine ohne die Dampfkosten.
Nunmehr können die jährlichen Betriebskosten für eine Auspuffmaschine einerseits und
eine Kondensationsmaschine andrerseits für die gleiche effektive Leistung Ne angegeben werden.
Für den gesuchten Grenzfall müssen die Betriebskosten sich in beiden Fällen gleich
sein:
KNiCi+ B = K'Ni'Ci' + B' + αK'NiCi.
Hieraus ergibt sich:
\alpha=\frac{K}{K'}-\frac{N'_i\,C'_i}{N_i\,C_i}-\frac{B'-B}{K'\,N_i\,C_i}.
Diese Gleichung lässt sich zunächst für den Gebrauch noch vereinfachen: Die Werte von
B und B' setzen sich
zusammen aus den Beträgen für die jährliche Abschreibung und Verzinsung des
Anlagekapitals und für die notwendigen Instandhaltungsarbeiten sowie aus den
Aufwendungen für den Maschinisten und für das Schmier- und Putzmaterial. Die
letzteren Aufwendungen, das ist Löhne, Schmier- und Putzmaterial, sind aber für zwei
gleich starke Anlagen entweder ganz gleich, oder aber doch so wenig von einander
verschieden, dass ihre Differenz sehr klein ist, und in dem Ausdruck B' – B vernachlässigt werden kann. Dieser Ausdruck
stellt alsdann nur noch den jährlichen Betrag für Abschreibung, Verzinsung und
Instandhaltung dar, welcher auf die Mehrkosten der Kondensationsmaschine gegenüber
der Auspuffmaschine entfällt. Bezeichnen wir diesen Wert mit M', so erhalten wir:
\alpha=\frac{K}{K'}-\frac{N'_i\,C'_i}{N_i\,C_i}-\frac{M'}{K'\,N_i\,C_i}. . . 1)
Für die Anwendung dieser Formel sind nun zwei Fälle zu unterscheiden:
Einmal kann die Kesselanlage schon vorhanden, oder auch in ihrer Grösse schon durch
andere Rücksichten bestimmt sein. Alsdann ist ohne weiteres K = K' und es ergibt sich:
\alpha=1-\frac{N'_i\,C'_i}{N_i\,C_i}-\frac{M'}{K\,N_i\,C_i}. . . . 2)
Das andere Mal soll die Kesselanlage gerade so wie die Maschinenanlage neu geschaffen
werden. In diesem Falle fällt die Kesselanlage für die Auspuffmaschine jedenfalls
grösser aus als für die Kondensationsmaschine und den Heizdampfbedarf des
Grenzfalles, denn die grösseren Anlagekosten der Kondensationsmaschine müssen durch
Dampfersparnisse aufgewogen werden. Die Grösse des Kessels für die
Kondensationsmaschine ist aber nicht bekannt, und daher auch nicht die Grösse von
K'. Dieselbe lässt sich jedoch auf Grund
nachfolgender Betrachtungen annähernd bestimmen:
Die Werte K und K'
bestehen
1. aus den jährlichen Kohlenkosten für ein Stundenkilogramm
Dampf, in beiden Fällen K0,
2. aus den Ausgaben für den Kesselheizer, Kh,
3. aus dem Betrage für Abschreibung, Verzinsung und
Instandhaltung der Kesselanlage, A,
jedesmal bezogen auf ein Stundenkilogramm Dampf. Es ist
also:
K=K_0+\frac{K_h}{N_i\,C_i}+\frac{A}{N_i\,C_i}. . . . . . . . . 3)
K'=K_0+\frac{K_h}{N'_i\,C'_i+\alpha\,N_i\,C_i}+\frac{A'}{N'_i\,C'_i+\alpha\,N_i\,C_i} 3a)
Der erste Summand ist für K und K' als gleich gross anzusehen, ebenso der letzte Summand, wenn angenommen
wird, dass die Anlagekosten der Kesselanlage proportional mit der ihren Abmessungen
zugrunde gelegten Dampfmenge wachsen, was mit der Wirklichkeit ganz gut
übereinstimmt, wenn die beiden zu vergleichenden Kessel in der Grösse nicht zu sehr
von einander abweichen und natürlich auch derselben Bauart sind. Um die Grösse des
zweiten Summanden von K' bestimmen zu können, muss eine
Annäherung für den Wert α gesucht werden, welche sich
aus Gleichung 2 ergibt, wenn man die Grösse \frac{M'}{K\,N_i\,C_i}, welche auf die Grösse von α von verhältnismässig kleinem Einfluss ist,
vernachlässigt.
Es ergibt sich dann:
\frac{K_h}{N'_i\,C'_i+\alpha\,N_i\,C_i}=\frac{K_h}{N'_i\,C'_i+\left(1-\frac{N'_i\,C'_i}{N_i\,C_i}\right)\,N_i\,C_i}=\frac{K_h}{N_i\,C_i}
Damit ist erwiesen, dass man ohne einen bedenklichen Fehler zu begehen K' = K setzen kann.
Man erhält also auch für den Fall, dass die gesamte Anlage neu geschaffen werden
muss, Gleichung 2.
Der Beweis dafür, dass die vorgenommenen Vereinfachungen keine zu grossen Fehler
verursachen können, lässt sich bei der Untersuchung gegebener Fälle, zu der
jetzt übergegangen werden soll, führen.
In den folgenden Tabellen sind zwei Einzylindermaschinen nach der oben erhaltenen
Gleichung 2 verglichen. Die Auspuffmaschinen sind kräftige Schiebermaschinen mit
Präzisionsdoppelschiebersteuerung, die Kondensationsmaschinen sind Ventilmaschinen
bester Ausführung. Die Dampfspannung beträgt 8 at vor dem Einlassorgan, 8,5 at im
Kessel. Die Dampf Verbrauchsziffern wurden mit Berücksichtigung praktisch erreichter
Ergebnisse im folgenden stets nach den von Hrabak
gegebenen Grundsätzen berechnet. Da der nutzbare Dampfverbrauch für einen Gegendruck
von 0,5 at von Hrabak nicht angegeben ist, so wurde
diese Berechnung für den vorliegenden Zweck ergänzt. Die Höhe der Kosten für
Abschreibung, Verzinsung und Instandhaltung ist im folgenden für Dampfmaschinen und
Kessel stets mit 15 v. H. des Wertes der fertig aufgestellten Anlage, für Mauerwerk
mit 8 v. H. des Wertes angenommen. Die Preise der Dampfmaschinen und Kessel
verstehen sich also immer betriebsfertig aufgestellt.
Um die Grösse von K bestimmen zu können (siehe Gleichung
3) sind der Wert Kh
sowie die zur Bestimmung von A dienenden Grössen der
Kesselanlage in die folgenden Tabellen mit aufgenommen worden. Zur Bestimmung der
Grösse von K0 ist einem
in der Industrie sehr häufig anzutreffenden Betriebszustande entsprechend ein
Betrieb an 300 jährlichen Arbeitstagen mit je zehn Betriebsstunden angenommen
worden. Für das Anheizen des Kessels und für Kondensationsverluste in der Leitung
zur Dampfmaschine soll zu der zur Erzeugung des Maschinendampfes aufzuwendenden
Kohlenmenge ein Zuschlag von 16 v. H. gemacht werden. Wird dann der Preis für ein
Doppelwaggon (10000 kg) Kohle, vor das Kesselhaus gefahren, mit P, die Verdampfungsziffer mit x bezeichnet, so ist:
K_0=\frac{300\cdot 10\cdot 1,16}{10000}\cdot \frac{P}{x}=0,348\,\frac{P}{x}
Nimmt man, mittleren Verhältnissen entsprechend, den Preis eines Doppelwaggons Kohle,
vor das Kesselhaus gefahren, mit 150 M., die Verdampfungsziffer gleich 7,5 an, so
erhält man K0 7. Dieser
Wert ist im folgenden zur Anwendung gebracht worden.
Tabelle 1.
Textabbildung Bd. 321, S. 530
Abmessungen des Zylinders;
Durchmesser mm; Hub mm; verlangt; Preis der Kondens.-Masch.; Preis der
Auspuffmasch.; Kesselanlage (Cornwallkessel 8,5 at); Heizfläche; Preis fertig
aufgestellt; Einmauerung; Schornstein
Aus diesen Werten folgt:
für
100
PSe
α
= 1 – 0,741 – 0,038 = 22,1
v. H.
„
140
„
= 1 – 0,740 – 0,035 = 22,5
„
„
190
„
= 1 – 0,733 – 0,033 = 23,4
„
oder in Worten: Wenn bei der betrachteten 100pferdigen
Dampfanlage der Heizdampfbedarf mindestens 22 v. H. des Dampfverbrauches der in
Betracht kommenden Auspuffmaschine beträgt, so ist die Auspuffmaschine die
wirtschaftlichere.
Der. für α gefundene Wert ist nun noch daraufhin zu
untersuchen, ob die vorgenommenen Vereinfachungen nicht zu grosse Ungenauigkeiten
bedingen. Für die oben betrachtete Anlage von 140 effektiven Pferdestärken wurde der
Wert α zu 22,5 v. H. ermittelt. Die Kesselanlage der
Kondensationsmaschine müsste also 1587 + 0,225 . 2146 = 2070 kg Dampf entwickeln
oder eine Heizfläche von 103,5 qm gegenüber 107 qm Heizfläche des Kessels der
Auspuffanlage erhalten. Bei einem so geringen Unterschied der Heizflächen ist aber
die Annahme der Proportionalität zwischen dem Preise der Kessel und ihrer Heizfläche
ohne weiteres zulässig.
Für einen Kessel von 103,5 qm ist der Preis 9300 M., die Kosten der Einmauerung
betragen 1450 M., die des Schornsteines 3700 M., so dass sich A= 1807 M. ergibt. Hiermit erhält man nach Gleichung
3a:
(K'N1'C1' + αN1C1) = 1200 + 1807 + 7 .
2070= 17497,
woraus sich K' = 8,45 ergibt,
während nach Tab. 1 für 140 effektive Pferdestärken K =
8,43 ist. Berechnet man nun mit Hilfe dieser Werte die Grösse α nach Gleichung 1, so erhält man α = 22,3 v. H., womit der Beweis geführt ist, dass die
vorgenommenen Vereinfachungen zulässig sind.
Im folgenden soll nunmehr die Anwendung der gefundenen Gleichungen erläutert
werden:
Soll für einen Betrieb mit Heizdampfbedarf die wirtschaftlich günstigste
Dampfanlage bestimmt werden, so ist für den gegebenen Fall zunächst die
Wirtschaftlichkeit der Auspuffmaschinen zu prüfen. Vorausgesetzt, dass nach Deckung
des Heizdampfbedarfes noch eine so grosse Kohlenersparnis gegenüber der nächst
schlechteren Anlage übrig bleibt, dass hierdurch die Abschreibung und Verzinsung der
höheren Anschaffungskosten gedeckt werden, ist diejenige Maschine die
wirtschaftlichste, welche den geringsten Dampfverbrauch aufweist. Uebersteigt z.B.
der Heizdampfbedarf die Abdampfmenge einer Verbundauspuffmaschine nur
verhältnismässig wenig, so wird der Unterschied zwischen dem grösseren
Kohlenverbrauch der Einzylinderauspuffmaschine und dem Kohlenverbrauch zur Erzeugung
des Heizdampfes, welche in diesem Falle die überhaupt möglichen Ersparnisse
darstellt, so gering, dass die Mehrkosten der Verbundmaschine im Vergleich zur
Einzylindermaschine hierdurch nicht mehr verzinst und abgeschrieben werden können.
Hier wäre also die Einzylinder-Auspuffmaschine ohne weiteres auch die
wirtschaftlichste Maschine, denn bei Wahl einer Kondensationsmaschine würden die
Kohlenkosten für die gesamte Dampferzeugung noch grösser werden, als bei der
Einzylinderauspuffmaschine, da alsdann der gesamte Dampfbedarf sich aus dem
Heizdampfbedarf und dem Arbeitsdampf für die Maschine zusammensetzt, wogegen die
Menge des nicht zu Heizzwecken verwendbaren Auspuffdampfes der
Einzylinderauspuffmaschine nur verhältnismässig gering ist.
Bleibt der Heizdampfbedarf aber noch hinter demjenigen der denkbar besten
Auspuffdampfmaschine (d. i. gewöhnlich die Verbundmaschine) zurück, so ist dieselbe
mit der bestmöglichen Kondensationsmaschine zu vergleichen, und wenn dann der
Heizdampfbedarf einen höheren Prozentsatz des Auspuffdampfes darstellt, als der Wert
a angibt, so ist die Auspuffmaschine die
wirtschaftlichere Anlage, andernfalls ist es die Kondensationsmaschine.
(Schluss folgt.)