Titel: | Ein neues Verfahren zur graphischen Bestimmung der Stabkräfte in Fachwerkslaufkranbrücken. |
Autor: | A. Baumann |
Fundstelle: | Band 321, Jahrgang 1906, S. 545 |
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Ein neues Verfahren zur graphischen Bestimmung
der Stabkräfte in Fachwerkslaufkranbrücken.
Von A. Baumann,
Zwickau.
Ein neues Verfahren zur graphischen Bestimmung der Stabkräfte in
Fachwerkslaufkranbrücken.
1. Parallelgitterträger.
Die Verfahren, nach denen die Stabkräfte in Fachwerken, über die sich veränderliche
Lasten bewegen, graphisch bestimmt werden, sind im allgemeinen längst bekannt. Der
Zweck der vorliegenden Arbeit ist es deshalb nicht, in dieser Beziehung neues zu
bringen, sie beschränkt sich vielmehr darauf, diese allgemeinen Verfahren auf den
genannten besonderen Fall anzuwenden und die Vereinfachungen, die sich für diesen
Sonderfall ergeben, so auszunutzen, dass sich eine wesentliche Abkürzung der
einschlägigen Untersuchungen ergibt.
Textabbildung Bd. 321, S. 545
Fig. 1.
Es ist von Haus aus einleuchtend, dass der einfache Belastungsfall, der bei einer
Laufkranbrücke mit nur zwei wandernden Lasten vorliegt, eine viel einfachere Lösung
ergeben wird als das allgemeine Problem. Trotzdem begnügt sich selbst ein so
ausführliches Spezialwerk wie „die Hebezeuge“ von Ernst den Fall mehr allgeiein zu behandeln und das allgemeine graphische
Verfahren nur für einen Parallelfachwerksträger anzugeben und auch das ohne die bei
dem Sonderfall möglichen und empfehlenswerten Vereinfachungen zu berühren.
Zunächst seien die der Aufgabe zugrunde liegenden allgemeinen Gesichtspunkte in
Erinnerung gebracht.
Die in einem Brückenbalken auftretenden Kräfte rühren erstens von dem Eigengewicht
des Balkens her und zweitens von der sich über die Brücke bewegenden Verkehrslast.
Während bei einem Fachwerksbalken die vom Eigengewicht herrührenden Stabkräfte
mühelos und in bekannter Weise durch Aufzeichnung des Kräfteplanes gefunden werden
können, sind zur Bestimmung der durch die wandernde Verkehrslast hervorgerufenen
Kräfte nicht ohne eine Reihe weiterer Ueberlegungen aufzustellen.
Zwar ist es klar, dass für eine bestimmte Laststellung hervorgerufene Stabkräfte
genau wie die vom Eigengewicht hervorgerufenen bestimmt werden könnten, man hat aber
dann den Kräfteplan für eine ganze Anzahl verschiedener Laststellungen zu
verzeichnen, um für einen jeden Stab diejenige Laststellung zu finden, bei der
die Beanspruchung im Stab den Höchstwert erreicht. Damit würde die Lösung der
Aufgabe zwar nicht schwierig, aber mühsam und zeitraubend.
Nun kann unschwer ganz allgemein diejenige Laststellung bestimmt werden, für die in
dem einen oder anderen Stab die Stabkraft ein Höchstwert wird und die der Bemessung
des Stabes zugrunde zu legen ist. Das werde an Hand des skizzierten
Parallelgitterträgers (Fig. 1) gezeigt.
Zur Untersuchung der Stabkräfte On, Un
Vn werde das bekannte
Rittersche Schnittverfahren angewendet, wie in der
Zeichnung angedeutet. Die Last Q1 stehe dicht vor dem Stab Vn in Laststellung I. Mit Hil&e der
Gleichgewichtsbedingungen findet sich:
Summe der senkrechten Kräfte gleich Null:
Vn= Auflagerdruck A.
Summe der wagerechten Kräfte gleich Null:
U
n
= O
n
.
Summe der Momente gleich Null:
Ax1 =
On . h = Un . h.
Bewegt sich die Last Q1
nach links, so nimmt A und damit Vn als abhängig von A zu, bis Q1 in Laststellung II über der Mitte von Vn steht. Wird diese
Mitte überschritten und die Stellung zwischen II und III erreicht, so ist nach den
gleichen Bedingungen wie zuvor:
V
n
= A – Q
1
d.h. kleiner; schliesslich in Laststellung III wird Vn gleich dem
gegenüberliegenden Auflagerdruck:
Vn =
B = A – Q1
= Q2.
Die Richtung von Vn dreht sich gleichzeitig um, während in Vn zwar Druckspannungen
herrschen, treten an deren Stelle nunmehr Zugspannungen. Hat die Last die
Balkenmitte überschritten, so ist stets B < A. Die Belastung in Vn nimmt also zu, wenn sich das vordere Rad de
Laufkatze dem Stab Vn
nähert und erreicht einen Höchstr. wert, wenn die Last über dem Stab steht, um mit dem
Ueberschreiten dieser Stellung unvermittelt beträchtlich kleiner zu werden und
nachdem das Hinterrad über Vn hinweg ist, in der Richtung umzuspringen. Un und On erreichen einen Höchstwert für jene Stellungen der
Last, in denen das Biegungsmoment Ax2 in der Angriffsebene von On und Un ein Höchstwert wird. Um dieses grösste Moment zu
bestimmen, ist im allgemeinen die Verzeichnung der Einflusslinie notwendig. Es
ergibt sich ohne weiteres und leuchtet auch unmittelbar ein, dass im vorliegenden
Fall das Moment gleichfalls in jener Stellung, in der der Höchstwert von Vn erreicht wird, am
grössten ausfällt. Dn
findet sich durch Zerlegen von Vn in Richtung Dn und wagerecht, Dn wird also gleichfalls in jenen Stellungen, in
denen Vn am grossten
ist, einen Höchstwert erreichen.
Textabbildung Bd. 321, S. 546
Fig. 2.
Textabbildung Bd. 321, S. 546
Fig. 3.
Textabbildung Bd. 321, S. 546
Fig. 4.
Textabbildung Bd. 321, S. 546
Fig. 5.
Wie schon gesagt, ist (Vn)max gleich dem Auflagerdruck A. Es lässt sich aber Vn auch in anderer Weise bestimmen: In dem
Knotenpunkt TV muss Gleichgewicht herrschen, d.h. Vn, Dn, Un und Un – 1 müssen einen
geschlossenen Kräftepolygon ergeben, oder auch es muss der Unterschied von Un und Un – 1 mit Dn und Vn im Gleichgewicht
sein. Also zerlegt man zur Bestimmung von Vn und Dn (Un
– U'n – 1) nach den
Richtungen Vn und Dn. Der Unterschied Un
– U'n – 1 ist, wie
gleich gezeigt werden wird, sehr schnell zu bestimmen. Zuvor aber werde die
Verzeichnung der Einflusslinie besprochen.
Man versteht bekanntlich unter der Einflusslinie denjenigen Linienzug, der die
grössten Momente angibt, die bei beliebiger Laststellung in den Querschnitten eines
mit wandernder Last belasteten Balkens auftreten. Man findet sie, indem man für eine
Anzahl Laststellungen die Momentenflächen verzeichnet, sämtliche Momentenflächen
übereinander legt und die Umhüllende für diese Flächen zeichnet. Hier ist eine
grosse Vereinfachung möglich. Linienzug M1,
Fig. 2, stellt die Momentenfläche für die mittlere
Laststellung, Linienzug M2 für die gezeichnete Laststellung dar. Dreieck CDE
Fig. 3 ist der zugehörige Kräfteplan. Für die
mittlere Laststellung wird natürlich, wenn die beiden Lasten Q gleich sind, die Schlusslinie der Momentenlinie wagrecht. Nicht so für
M2. Sollte die
Schlusslinie für M2 gleichfalls wagrecht werden, so müsste E
(Fig. 3) nach E'
verschoben werden, wobei EE' = EE'' und EE'' parallel G'H sein
müsste. Damit würden die Schlusslinien für M1 und M2 zusammenfallen, und an Stelle von M2 würde M'2 treten. Man kann
nun ebenso auch E gegenüber CD oder, was dieselbe Wirkung ergibt, ferner CD gegenüber E verschieben, um zu erreichen,
dass die Schlusslinie der weiteren Momentenlinien wagrecht wird. Dabei ist zu
beachten, dass unter diesen Umständen nur der Strahl HK
der Momentenlinien, von dem für die rechte Balkenhälfte die grössten Momente
bestimmt werden, interessiert. Man kommt am schnellsten zum Ziel, wenn man ferner
CD gegenüber E'
verschiebt, die Last in jene Stellung zu bringen, in der das Vkrderrad der Katze
über einem der mittleren senkrechten Stäbe steht. Sind die einzelnen Felder des
Gitterträgers gleich gross, was meist zutreffen wird, und sollen die Momente in den
Angriffspunkten der einzelnen senkrechten Stäbe bestimmt werden, so wird CD gegenüber E' immer um
denselben Betrag zu verschieben sein. Die schon vorgenommene Verschiebung von E nach E' entspricht einer
Strecke, deren Grösse im Kräftemasstab, in dem CD
gezeichnet ist, leicht bestimmt werden kann. Es ist CF = FD
= Q1
= Q2. Die Verschiebung
EE' hat bewirkt, dass die Schlusslinie für die
gezeichnete Laststellung wagrecht wurde, die Gleichlaufende zu dieser wagrechten
Schlusslinie ist E'F', sie muss CD nach den Auflagerdrücken wie bekannt teilen, wobei F'D = B, F'C = A sein muss. Nun ist A nach der Zeichnung
A=\frac{Q_2\,(l-(x+a))+Q_1\,(l-x)}{l}=F'\,C
F\,F'=F'\,C-F\,C=Q_2\,\frac{(l-(x+a))+Q_1\,(l-x)}{l}-Q_1=\frac{Q_2\,(l-(x+a))-Q_1\,x}{l}.
Soll die Momentenlinie für die äusserste Laststellung eine wagerechte Schlusslinie
haben, so muss über F' nach D zu noch nach der
Verschiebung von CD eine Strecke liegen, die im
Kräftemasstab dem Auflagerdruck B für die äusserste
Laststellung entspricht. Dieser Auflagerdruck ist aber
B=\frac{Q_2\,a}{l};
ferner
B=\frac{Q_2\,(l-x)-Q_1\,x}{l}-\frac{Q_2\,(l-(x+a))-Q_1\,x}{l}
=\left(Q_2-\frac{x}{l}\,Q_2-\frac{Q_1\,x}{l}\right)-F\,F'
=Q_2-\frac{x}{l}\,(Q_1+Q_2)-F\,F'=F\,D-\frac{x}{l}\,C\,D-F\,F'.
Textabbildung Bd. 321, S. 547
Man findet den Punkt C', in den
C zu verschieben ist, um für diese Momentenfläche
eine wagrechte Schlusslinie zu erhalten, also einfach durch Teilung von CD im Verhältnis \frac{x}{l}. Um ebensoviel ist D nach D' zu verschieben.
Ist z.B. \frac{x}{l}=\frac{3}{8}, wobei x diejenige Stellung, in der
nach früherem das Vorderrad der Katze über dem mittleren Stab steht, so teilt man
DC in acht gleiche Teile und verschiebt C zwei Mal um je ⅛ CD nach
oben in die Punkte C'' und C', verbindet diese Punkte mit E' und zieht
von H aus zu diesen Verbindungslinien gleichlaufende
Strahlen, so stellen diese Strahlen den Anfang der Momentenlinien für die
Laststellungen 1. 2 dar. Schliesslich trägt man CD noch
einmal nach C''' ab und verfährt ebenso für die
mittlere Laststellung 4. Das grösste zu diesen Laststellungen gehörige Moment ist
gegeben durch die zwischen HG und dem Schnittpunkt der
Strahlen mit den senkrechten aus 1 . 2 . 3 . 4 liegenden Strecken.
Um nochmals das ganze Verfahren zu wiederholen: Man verzeichnet den Kräfteplan
CDE (Fig. 3) und
die Momentenlinie M1
für die mittlere Laststellung, sodann die Momentenlinie für die Laststellung bei der
das Vorderrad der Katze bis zum nächsten Knotenpunkt rechts gerückt ist, M2. Man erhält so die
Schlusslinie HG'. Zieht zu HG' die Gleichlaufende FE'' und EE' = EE'' senkrecht FE,
teilt FC in so viel Teile, als Felder von Mitte Balken
bis Ende vorhanden und trägt diese Teile von C aus nach
oben und unten an. Man verbindet die Punkte dieser Teilstrecken mit E' und zieht zu den so gewonnenen Strahlen
Gleichlaufende durch H und bringt sie der Reihe nach
mit den Senkrechten 0, 1, 2, 3, 4 zum Schnitt. Die
Stücke dieser Senkrechten, die zwischen diesen Schnittpunkten und der wagerechten
Schlusslinie liegen, sind dann proportional zu den in diesen Querschnitten
auftretenden grössten Momenten. Misst man diese Strecke y in Millimeter und stellt im Kräfteplan 1 mm K kg dar, ist der Polabstand a cm und der
Längenmasstab der Zeichnung 1 : l, so ist dieses Moment
bekanntlich M_{b_{\mbox{max}}}=y\cdot K\cdot l\,a
kg/cm. Macht man
a gleich der Trägerhöhe h im gleichen Längenmasstab l, so ist
M_{b_{\mbox{max}}}=y\cdot k\,l\,\frac{h}{l}.
Da andererseits
(U_n)_{\mbox{max}}=(O_n)_{\mbox{max}}\,h=M_{b_{\mbox{max}}}
ist, so ergibt sich:
(U_n)_{\mbox{max}}=(O_n)_{\mbox{max}}=\frac{M_{b_{\mbox{max}}}}{h}=y\cdot k\cdot kg.
Man hat damit ein einfaches Mittel, mit Hilfe der
angegebenen Konstruktion unmittelbar die höchstwertigen Stabkräfte der Wagerechten
aufzuzeichnen. Die Strahlen von H, die zur Ermittlung
der höchsten wagerechten Stabkräfte dienen, schneiden gleichzeitig auch die
Senkrechten des um ein Feld weiter rechts liegenden Stabes. Z.B. schneidet in Fig. 2
HJ in L die Senkrechte 1.
Es stellt dann LN die Stabkraft U'1 dar, die gleichzeitig im Stab U1 wirkt, wenn die
Stabkraft U2 in Stab
U2 wirkt. Zieht man
die Wagerechte LP, so schneidet sie auf der Senkrechten
2 das Stück JP = U2
– U'1 ab. Wie zuvor
erläutert, muss dieser Unterschied U2 – U'1, um (V2)max und (O2)max zu erhalten,
nur noch nach den Richtungen V2 und D2 zerlegt werden, wie in Fig. 2 angedeutet. Man schreitet so von Senkrechter zu Senkrechter fort
und erhält auf übersichtlichem und überaus mühelosem Weg im Verlauf von wenigen
Minuten sämtliche höchstwertigen Stabkräfte, soweit sie von der Verkehrslast
herrühren. Für einen bestimmten Fall ist diese Untersuchung in den Fig. 6a und 6b
durchgeführt.
Ganz auf gleiche Art kann man für die Bestimmung der Stabkräfte herrührend vom
Eigengewicht verfahren. Nur ist hierbei zu beachten, dass die Zerlegung an der
Momentenlinie, wie sie in Fig. 4 und 5 angedeutet ist, die senkrechten Stabkräfte
wiedergibt, soweit sie nicht von dem auf den betr. Knotenpunkt entfallenden
Teilbetrag des Eigengewichts herrühren, Es ist also zu der gefundenen senkrechten
Kraft die Knotenpunktsbelastung q hinzuzufügen und dann
die Zerlegung vorzunehmen.
Sowohl für die Verkehrslast wie für das Eigengewicht nehmen die senkrechten
Stabkräfte von der Mitte aus nach den Enden in gleichem Verhältnis zu. Von dieser
Erwägung aus lassen sich die senkrechten Stabkräfte auch so darstellen, dass man in
Trägermitte senkrecht unter der mittleren Senkrechten den Auflagerdruck aufträgt,
der der Laststellung: Vorderrad der Katze über der mittleren Senkrechten und
senkrecht unter der äussersten Senkrechten den Auflagerdruck für die äusserste
Katzenstellung: Vorderrad der Katze über dieser Senkrechten entspricht, aufträgt.
Die Endpunkte beider Strecken verbindet man durch eine Gerade. Auf ihr liegen dann
die Endpunkte für die zwischenliegenden senkrechten Kräfte.
Man könnte diese Auflagerdrücke rechnen, einfacher sind sie zeichnerisch zu finden,
indem man die Mitte der Katze über den Mittelstab resp. bei ungerader Felderzahl
über die Mitte des Mittelfeldes stellt und unter dem Vorderrad der Katze Q aufträgt. Sodann schiebt man die Mitte der Katze über
den Endstab und trägt senkrecht unter dem Vorderrad 2Q
ab. Verbindet man dann die Endpunkte der Strecken, die Q resp. 2Q darstellen, so schneidet diese
Verbindungslinie auf den Senkrechten, die durch die einzelnen Senkrechtstäbe gezogen
sind, die Auflagerdrücke ab, die den Laststellungen: Vorderrad der Laufkatze über
dem betreffenden senkrechten Stab entsprechen und die dann gleichzeitig wie bekannt
die grösste in dem betreffenden senkrechten Stab selbst unter dem Einfluss der
Verkehrslast auftretende Kraft darstellen (vgl. Fig. 6).
(Schluss folgt.)