Titel: | Arbeitsdiagramme der Flachform-Maschinen. |
Autor: | August König |
Fundstelle: | Band 321, Jahrgang 1906, S. 588 |
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Arbeitsdiagramme der
Flachform-Maschinen.
Von August König,
Würzburg.
(Fortsetzung von S. 574 d. Bd.)
Arbeitsdiagramme der Flachform-Maschinen.
II. Abschnitt.
Arbeitsdiagramme von Zweitourenmaschinen.
1. Kapitel: Theorie.
§. 1. Arten von
Zweitourenmaschinen und deren Unterschiede hinsichtlich ihrer
Bewegung.
Ein wesentlicher Unterschied dieser Maschinengattung gegenüber den
Schnellpressen mit Kurbelbewegung besteht zunächst darin,
dass der Druckzylinder kontinuierlich umläuft
und sowohl für den Hingang wie für den Rückgang des Karrens je eine
Umdrehung macht, im ganzen also zwei
Umdrehungen für einen Druckbogen, weshalb man auch
Flachformmaschinen dieser Art den Namen
„Zweitouren-Maschinen“
gegeben hat.
Da der Karren einerseits eine hin- und hergehende Bewegung auszuführen hat,
anderseits aber während der Druckperiode gleiche Geschwindigkeit mit dem
Zylinder haben muss, so folgt hieraus, dass der Antrieb des Karrens nicht
mehr mittels einer Kurbel. möglich ist und daher die Verwendung eines
besonderen Bewegungsmechanismus erforderlich wird. Auch kann der
Druckzylinder wegen der kontinuierlichen Drehung nicht mehr vom Karren aus
angetrieben werden, sondern muss seine Bewegung von der Vorgelegewelle aus
erhalten. Die Antriebe von Karren und Zylinder sind demnach vollständig
unabhängig voneinander.
Je nach der Art und Weise, wie der Karren bewegt wird, kann man folgende drei
typische Konstruktionen unterscheiden (vergl. Fig. 47a–c).
a)
Doppelrechenbewegung, System Koenig &
Bauer,
b)Century-Bewegung, System Campbell &
Co.
c)
Miehle-Bewegung, System Miehle.
Diese drei Bewegungsarten sollen nun hinsichtlich ihres Prinzips soweit
erläutert werden, als für die Aufstellung der Kräfte- und Arbeitsdiagramme
erforderlich ist.
zu a) Doppelrechenbewegung.
Bei der Zweitourenmaschine, System Koenig &
Bauer, wird die Bewegung des Karrens durch Anwendung eines
Doppelrechens erreicht, in den ein kontinuierlich nach derselben Richtung
sich drehendes Zahnrad wechselweise oben und unten eingreift und hierdurch
dem Rechen eine periodisch wechselnde Bewegungsrichtung erteilt, welche
Bewegung durch die mechanische Verbindung von Rechen und Karren auch auf
letzteren übertragen wird (vergl. Fig.
47a).
Am Ende dieser Bewegung erhält eine am Doppelrechenrad befestigte kleine
Rolle Führung in einer kreisförmigen Rinne des Rechens (dem sogen. Halbring
oder Halbmond). Wenn sich nun der Karren so weit verschoben hat, dass das
Rad nur mehr mit dem letzten Zahn des Rechens in Eingriff steht, so muss das
sich stets weiter drehende Rad infolge dieser Führung in dem Halbzirkel auf-
bezw. niedersteigen, wobei der letzte Zahn des Rechens in fortwährendem
Eingriff mit dem Zahnrad bleibt (dieser letzte Zahn ist sehr stark und
zugleich als Rolle ausgeführt), so dass sich das Rad gleichsam um jenen Zahn
herumschwingt.
Während nun aber das Rechenrad in einem Schlitzlager senkrecht auf- bezw.
niedersteigt, wird die Zahnstange genau um den Radius r dieses Rades fortgeschoben, womit der Rechen
und dadurch der Karren selbst an seinem toten Punkt angelangt ist. In diesem
Augenblick steht das Zentrum des Zahnrades in der Mittellinie des Rechens.
Bewegt es sich weiter, so greift das Rad von der anderen Seite in den Rechen
ein und bewegt denselben nach der entgegengesetzten Richtung.
Die mechanische Verbindung der Antriebwelle mit der auf- und niedersteigenden
Achse des Doppelrechenrades geschieht unter Anwendung des Hookschen Schlüssels, dessen praktische
Bedeutung hier keiner weiteren Erwähnung bedarf.
Textabbildung Bd. 321, S. 588
Bewegungsmechanismus für Zweitourenmaschinen.
Fig. 48 lässt die Abbildung einer
Zweitourenmaschine mit Doppelrechenbewegung erkennen, während Fig. 49 eine Schön- und Widerdruckmaschine
mit gleicher Bewegungsart veranschaulicht.
zu b) Century-Bewegung.
Bei dieser Bewegung tritt an Stelle des Doppelrechens ein endloser, nach
innen verzahnter Rechen, in welchen ein Zahnrad durch Ansteigen und Abfallen
abwechselnd eingreift. Während aber bei der Doppelrechenbewegung das Rad um
dessen Durchmesser senkrecht im Schlitzlager verschoben werden musste, ist
hier nur eine sehr geringe Bewegung des Rades in senkrechter Richtung
erforderlich, nämlich um nur soviel, dass das Rad( wenn es z.B. in den
oberen Rechen eingreift, ausser Berührung mit dem unteren Rechen steht.
Solange das Rad in den oberen bezw. unteren Rechen eingreift, bewegt sich der
Karren mit gleichförmiger Geschwindigkeit weiter (gleich der
Umfangsgeschwindigkeit des Rades). Die verzögernde Bewegung wird nun dadurch
erreicht, dass in den zwei Halbzirkeln, welche die beiden Zahnstangen
verbinden, nicht das eigentliche Rechenrad, sondern ein halb so grosses Rad
eingreift, welches mit dem Rechenrad fest
verbunden ist. Die beiden Halbringe müssen daher gegen die Zahnstangen um
die Breite des Rades versetzt sein. In Fig. 47b ist
der am Karren befestigte Rahmen mit den beiden Halbringen aus einem Stück
gedacht, während die beiden Zahnstangen mittels Schrauben daran befestigt
werden sollen. Dadurch, dass das grosse Rechenrad das kleine Rad mitnimmt,
wird der Karren um den Radius des grossen Rades verschoben. Auch hier muss
für eine entsprechende Führung Sorge getragen werden, was durch Anbringung
von Rollen geschieht, von denen eine am kleinen Rad und die Gegenrollen am
Rahmen sitzen (vergl. auch die beiden Fig.
50 und 51).
Textabbildung Bd. 321, S. 589
Fig. 48. Zweitourenmaschine mit Doppelrechenbewegung u. selbsttätigem
Bogenanlegeapparat.
zu c) Miehle-Bewegung.
Diese Konstruktion unterscheidet sich von der Century-Bewegung nur dadurch,
dass an Stelle der Halbzirkel jetzt gerade Kulissen treten. Zu diesem Zweck
ist aussen am Rechenrad eine Rolle angebracht, welche im selben Moment, in
welchem der Rechen das Rad verlässt, in die Kulisse einschwingt. Kulisse und
Rechen müssen daher seitlich versetzt sein (vergl. Fig. 47c). Um
das Eintreten der Rolle in die Kulisse zu ermöglichen, sind die inneren
Führungen beweglich angeordnet (vergl. auch
Patentschrift No. 119908 Klasse 15d: „Bewegungsvorrichtung für den
Karren von Zylinderschnellpressen).
Für die Bewegung des Karrens hat man sonach bei allen drei Konstruktionen
zwei verschiedene Geschwindigkeiten zu unterscheiden: eine gleichmässige
Geschwindigkeit auf der ganzen Länge des Rechens und eine ab- bezw.
zunehmende Geschwindigkeit während des kurzen Laufes des Zahnrades im
Halbzirkel (bezw. der Rolle in der Kulisse). Infolge des raschen Ueberganges
von einer Geschwindigkeit zur anderen muss auch der Stoss beim Wechsel der
Bewegungsrichtung ein viel grösserer sein, als- bei den Maschinen mit
Kurbelbewegung, bei welchen sich der Uebergang zum toten Punkt
verhältnismässig langsam vollzieht. Für Erzielung eines möglichst ruhigen
Ganges der Maschine sind deshalb die besprochenen Bewegungsarten
weniger günstig. Auf die Güte des Druckes hat jedoch dieser Nachteil der
Zweitourenmaschine (gegenüber den Kurbelmaschinen) keinen Einfluss, da die
Druckperiode stets während der gleichmässigen Bewegung von Karren und
Zylinder stattfindet, so dass die beim Geschwindigkeitswechsel auftretenden
(und durch Luftpuffer auszugleichenden) Stösse zwar zu kleinen
Erschütterungen der Presse Veranlassung geben, den Druck selbst aber nicht
beeinträchtigen können.
Textabbildung Bd. 321, S. 589
Fig. 49. Schön- u. Widerdruckmaschine mit Doppelrechenbewegung und
Frontbogenausgang.
Der eigentliche Druckprozess vollzieht sich in der Weise, dass mittels eines
Kniehebelmechanismus der Druckzylinder während des Hinganges des Karrens
(also während der Druckperiode) herabgedrückt und während des Rückganges
mittels starker Federn entsprechend gehoben wird, so dass die Form unter dem
Zylinder frei hindurchgehen kann. Nachdem der von den Greifern erfasste und
während der ganzen ersten Umdrehung des Zylinders festgehaltene Bogen wieder
oben angelangt ist, überschlagen sich die Greifer vollständig, lassen den
Bogen los und dieser schiesst auf die Auslegestäbe heraus, welche ihn wenden
und auf den Auslegetisch hinlegen. Diese Art des Auslegens bezeichnet man
mit Frontbogenausgang.
§. 2. Zusammenhang zwischen
Karrenweg und Zylinderdurchmesser.
Für die Aufzeichnung des Kräfte- und Arbeitsdiagramms muss der vom Karren
zurückgelegte Weg bekannt sein. Im Folgenden sollen daher Formeln
aufgestellt werden, nach welchen der Karrenweg s (bei gegebenem Druckzylinderdurchmesser D) für die einzelnen Systeme berechnet werden kann.
Textabbildung Bd. 321, S. 590
Fig. 50. Antriebmechanismus einer Zweitourenmaschine mit
Centurybewegung (Längsansicht).
Der Unterschied der Doppelrechenbewegung gegenüber den beiden anderen
Bewegungsarten liegt in der Grösse des Rechenrades bezw. in dessen
Umdrehungszahl im Vergleich zum Druckzylinder. Während nämlich beim System
Koenig & Bauer die Verhältnisse so
gewählt wurden, dass auf eine Umdrehung des
Zylinders zwei Umdrehungen des Rechenrades treffen, legt man der
Century- und Miehle-Bewegung nur 1½ Umdrehungen
zugrunde. Diese Annahmen sind zwar willkürlich, werden aber wegen
ihrer praktischen Bedeutung von allen Schnellpressenfabriken
eingehalten.
Sei also der Durchmesser D des Druckzylinders
bei den drei Bewegungsarten als gleich gross vorausgesetzt, so ist der
Durchmesser d bezw. der Radius r des Rechenrades auszuführen mit:
Textabbildung Bd. 321, S. 590
Fig. 51. Antriebmechanismus einer Zweitourenmaschine mit
Centurybewegung (Queransicht).
System Koenig & Bauer: d
= ½D bezw. r = ¼D.
System Century & Miehle: d'
= ⅔D bezw. r' = ⅓D.
Mit Angabe des Druckzylinderdurchmessers D ist
auch der Karrenweg s festgelegt, und zwar lässt
sich dieser aus folgender Ueberlegung berechnen:
Da das Rechenrad bei System Koenig & Bauer
für jede Zylinderumdrehung zwei Umdrehungen macht und von diesen beiden je ¼
Umdrehung auf die Bewegung im Halbzirkel entfällt, so bleiben demnach für
den geradlinigen Teil des Rechens noch 1½ Umdrehungen übrig. Der Weg am
Umfang des Rechenrades ist aber hierfür:
1½ . 2rπ = 3rπ.
Ebenso lang ist auch der Rechen selbst; denn nur dann ist die Bedingung
erfüllt, wenn das Rad bei 1½ Umdrehungen die Strecke ab zurückgelegt hat. Die Verschiebung des Rechens, während das Rad
im Halbzirkel läuft, ist ausserdem für jede Seite gleich dem Radius r des Rades, so dass sich der gesamte Weg s des Karrens damit ergibt zu:
s = r + 3rπ + r = r . (1
+ 3π + 1)
oder:
s = 11,42 . r = 5,71 . d =
2,855D.
Bei den anderen beiden Systemen (Century &
Miehle) macht das Rechenrad nur 1½ Umdrehungen bei jeder
Druckzylinderumdrehung, so dass, da für die Bewegung des Rades im Halbzirkel
wieder je ¼ Umdrehung erforderlich ist, auf den geradlinigen Teil nur eine
Umdrehung des Rades trifft, was sonach einer Länge entspricht von:
1 . 2r'π = 2r' . π.
Der Karrenweg s' würde sonach in diesem Falle
werden:
s' = r' + 2r'π + r' = r' . (1 + 2π +
1)
oder:
s' = 8,28r' = 4,14d' =
2,76D.
Unter Zugrundelegung gleicher Druckzylinderdurchmesser würde sonach bei der
Century- und Miehle-Bewegung der Karrenweg etwas kleiner ausfallen (2,76D statt 2,855D)
oder umgekehrt beim gleichen Karrenweg s der
Zylinderdurchmesser entsprechend grösser!
Führt man auch den geradlinigen Teil (= ab) des
Rechens auf den Zylinderdurchmesser D zurück,
so erhält man für:
System Koenig &
Bauer: ab = 3rπ = ¾Dπ
System Century & Miehle:
a'b' = 2r'π = ⅔Dπ,
während auf die Bewegung des Rechenrades im Halbzirkel
eine Verschiebung des Karrens kommen würde von:
System Koenig & Bauer: ac =
bd = r= ¼D
System Century & Miehle: a'c' =
b'd' = r' = ⅓D,
was zur Kontrolle wieder die bereits berechnete
Weglänge ergeben muss:
s = cd
= ¼D + ¾Dπ + ¼D = 2,855D
und:
s' = c'd' = ⅓D + ⅔Dπ + ⅓D = 2,76D,
somit auch:
bezw.
s = 1,035s's' = 0,967s.
§ 3. Kräftewirkungen und
Geschwindigkeitsverhältnisse von Karren und Rechenrad.
Da der Zylinder unabhängig vom Karren angetrieben wird, so kommen für die
Aufstellung des Arbeitsdiagramms nur die durch die hin- und hergehende
Bewegung des Karrens bedingten Kräftewirkungen in Betracht.
Die zur Bewegung des Karrens erforderliche Kraft sei wieder mit P bezeichnet und als konstant vorausgesetzt.
Das Rechenrad dreht sich mit kontinuierlicher Geschwindigkeit und verharrt
so lange in seiner Höhenstellung, bis sich der Rechen um seine ganze Länge
verschoben hat. Während dieser Zeit kommt die Karrenkraft P auch am Umfang des Rades in ihrer vollen
Grösse (als Tangentialkraft T) zur Wirkung. Es
muss also für die Zeitdauer dieser Bewegung sein:
T = P.
Sobald das Ende von dem Rechen (bezw. der Zahnstange) unter das Rad gelangt
ist, beginnt die Verschiebung des Karrens um den Radius r des Rades. Wie man nun leicht nachweisen
kann, sind die hierbei auftretenden Kräftewirkungen dem Sinusgesetz
unterworfen; also:
T = P . sin α,
wobei α den Winkel
bedeutet, unter welchem das Karrenbewegungsrad mit dem Rechen (bezw. der
Zahnstange) in Eingriff steht.
Aehnlich liegen die Verhältnisse für die auftretenden Geschwindigkeiten.
So lange nämlich der Karren mit Druckzylindergeschwindigkeit bewegt wird, so
lange also das Rad in den Rechen (bezw. in die Zahnstange) eingreift, muss
die Karrengeschwindigkeit (v) von gleicher
Grösse sein wie die Umfangsgeschwindigkeit (u)
des Rades. Somit:
v = u.
Beim Eintritt des Rades in den Halbzirkel (bezw. in die Kulisse) ändert sich
dagegen die Karrengeschwindigkeit und zwar, wie sich ohne weiteres
nachweisen lässt, dem Sinusgesetz entsprechend. Man erhält also:
v = u . sin α.
(Fortsetzung folgt.)