Titel: | Zwei englische „Rateau-Anlagen“ zur Ausnutzung von Auspuffdampf. |
Autor: | F. Mbg. |
Fundstelle: | Band 321, Jahrgang 1906, S. 653 |
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Zwei englische „Rateau-Anlagen“ zur
Ausnutzung von Auspuffdampf.
Zwei englische „Rateau-Anlagen“ zur Ausnutzung von
Auspuffdampf.
Textabbildung Bd. 321, S. 653
Druckschwankungen im Akkumulator; Fig. 1. Stillstand der Reversierstrasse;
Fig. 2. Oeffnung des Frischdampfventils; Fig. 3. Ventilbewegung von Hand
gehemmt.
Seit in „D. p. J.“ zuerst über das von Rateau ausgegebene Verfahren der Ausnutzung von Auspuffdampf in
Niederdruckturbinen eingehend berichtet ist,D. p.
J. 1903, 318, S. 660. sind
verschiedene Veröffentlichungen erschienen, aus denen hervorgeht, welche bedeutende
Entwicklung dieses Verfahren inzwischen auch in Deutschland genommen hat.siehe z.B. Z. d. V. d. I., 1906, S. 355.Zeitschr. f. Dampfkessel u. Maschinenbetrieb 1906, No. 12, 16, 17, 18,
20. Indem wir den Inhalt dieser Aufsätze im grossen und ganzen
als bei unseren Lesern bekannt voraussetzen, glauben wir doch, dass die folgenden
Ausführungen ein gewisses Interesse finden werden, in denen wir an Hand des
EngineeringEngineering, 29.
Juni 1906. zwei englische Anlagen dieser Art schildern.
Die erste befindet sich auf den Hallside-Werken der „Steel Company of Scotland“. Sie arbeitet mit dem Abdampf einer
Reversierstrasse mit zwei Zylindern von rund 1000 mm Durchmesser und 1500 mm Hub
einer Fertigstrasse von etwa 1050 mm Zylinderdurchmesser und 1500 mm Hub, zwei
kleineren Walzenzugmaschinen, die Walzen von etwa 350 und 460 mm treiben, einem 10 t
und zwei 4 t Hämmern. Die gesamte, nach Abzug der Kondensationsverluste in den
Leitungen usw. an der Turbine zur Verfügung stehende Dampfmenge wurde bei
Projektierung der Anlage zu rund 18 500 kg in der Stunde berechnet. Die zu
gewinnende Elektrizität sollte in der mannigfachsten Weise Verwendung finden: zur
Beleuchtung, zum Betrieb von Rollgängen, Kalt- und Heissägen, Sandstrahlgebläsen und
anderen Werkzeugmaschinen, sodann namentlich auch einer ganzen Reihe von
Hebezeugen. Unter diesen Umständen wurde naturgemäss Strom von der Art und Spannung
gewählt, wie er schon auf dem Werke in Verwendung war, nämlich Gleichstrom von 230
Volt, obgleich dadurch manche Schwierigkeiten hervorgerufen wurden. Die genannte
Dampfmenge genügt zur Erzeugung von 900 Kilowatt'; da aber auf eine ganz bedeutende
Steigerung in der Inanspruchnahme der an die Anlage anzuschliessenden Maschinen für
die Zukunft gerechnet werden konnte, so wurden für den vollen Ausbau drei
Generatoren von je 450 Kilowatt vorgesehen, von denen zunächst einer bestellt
wurde.
Textabbildung Bd. 321, S. 654
Fig. 4. Thermodynamischer Wirkungsgrad.
E = Wirkungsgrad 0–0,8 links; J =
Verbrauch in kg i. d. Stunde 0–900 links; K = Verbrauch in kg f. 1 PSel/Std. 0–40 rechts.
Der Akkumulator, als „reiner Wasserakkumulator“ mit der von Rateau angegebenen Zweiteilung durch eine wagerechte
Scheidewand ausgeführt, hat eine Länge von 10,3 m bei einem Durchmesser von 3,5 m
erhalten. Er ist so berechnet, dass zwei; Turbinen für volle Belastung aus ihm
genügend Dampf entnehmen können, so lange die Stillstände der Hauptmaschine 45
Sekunden nicht überschreiten. Die Erfahrung hat gelehrt, dass eine Arbeitspause der
Hauptmaschine bis zu sechs Minuten noch zulässig ist, wenn nur eine Turbine unter
voller Belastung arbeitet. Ueber die Schwankungen des Drucks im Innern des Apparates
geben die Diagramme (Fig. 1–3) Aufschluss. Ueber
dem Akkumulator liegt der mit zwei Sicherheitsventilen versehene, gleichzeitig auch
als Oelabscheider dienende Dampfsammler, in den die verschiedenen Abdampfleitungen
einmünden und der den ersten heftigen Anprall der einströmenden Dampfmassen
aufzunehmen hat. Von dem Akkumulator leitet ein Rohr von rund 530 mm Weite zu den
Turbinen, von denen jede 70p Bremspferdestärken zu entwickeln vermag und nach den
Vorschlägen Rateaus ausgeführt ist. Elf Räder von rund
1000 mm Durchmesser drehen sich mit etwa 1500 Umdrehungen i. d. Minute. Der
Admissionsdruck beträgt selbst bei 10 v. H. Ueberlastung nie mehr als 0,83 kg/qcm absolut bei
einer Luftleere von 93 v. H. des Barometerstandes von 760 mm. Die Turbine ist mit
einem Siemens-Generator unter Zwischenschaltung einer
biegsamen Kupplung nach Rateaus Konstruktion
unmittelbar gekuppelt. Der Kommutator ist mit Kohlenbürsten ausgerüstet und
ungewöhnlich lang gehalten. Es war das notwendig, da die Abnahme von fast 2000
Ampere bei so geringer Spannung und 1500 Umdrehungen bekanntlich mit grossen
Schwierigkeiten verbunden ist. Auch so musste noch zu einem ganz ungewöhnlichen
Hilfsmittel gegriffen werden, um einen ungestörten Betrieb zu ermöglichen: der
Kommutator wurde in zwei Teile geteilt, seine einzelnen Stäbe hohl ausgebildet und
kleine Ventilatorflügel an jedem Stab angebracht, durch die ein kräftiger, kühlender
Luftstrom durch die Kanäle in den Stäben hindurchgetrieben wurde, biegsame
Verbindungsleitungen ermöglichen ein Uebertreten des Stromes von einem Teile des
Kommutators zum anderen. Auf diese Weise wurde erreicht, dass die Temperatur des
Kommutators, nachdem die Turbine ununterbrochen 120 Stunden mit voller Belastung
gearbeitet hatte, nur um etwa 28° C gestiegen. Trotz aller dieser
Vorsichtsmassregeln machte der Kommutator übrigens im Anfang doch Schwierigkeiten,
die aber inzwischen behoben sind, so dass die Anlage die sehr schweren
Abnahmeversuche zur vollen Zufriedenheit überstanden hat. Sie hatte bei diesen unter
anderen zwei Wochen hintereinander, Tag und Nacht ohne Pause mit Ausnahme des
Sonntags bei voller Belastung zu laufen; bei plötzlicher Entlastung bis auf
Leerlaut schwankte die Geschwindigkeit momentan um nicht mehr als 5 v. H., während
eine dauernde Geschwindigkeitsänderung überhaupt nicht zu beobachten war. Es ist das
dem bekannten „Dennis-Kompensator“ zu verdanken,
der mit dem Regulator der Rateau-Turbinen verbunden
ist. Einige Ergebnisse von Versuchen bei verschiedener Belastung sind der folgenden
Tabelle und der bildlichen Darstellung (Fig. 4) zu
entnehmen. Leider gibt unsere Quelle nichts näheres darüber an, wie diese Versuche
angestellt wurden, so dass es auch nicht möglich ist, sich ein wirkliches Urteil
über die Zuverlässigkeit der Ergebnisse zu bilden.
Belastungin KW
Druck absolut in kg/qcm
Dampfverbrauch in kg
vor
hinter
insgesamtfür 1 Stunde
für 1 KW/Std.
der Turbine
69
0,205
0,041
2080
30,2
161
0,318
0,052
3250
20,2
196,5
0,379
0,052
3760
19,1
212,5
0,399
0,052
3970
18,6
241
0,432
0,052
4300
17,8
267
0,463
0,052
4500
16,8
278
0,473
0,045
4650
16,7
299
0,513
0,045
5050
16,9
322
0,553
0,045
5480
17,0
345
0,583
0,048
5800
16,8
368
0,583
0,052
5800?
15,8
391
0,623
0,055
6170
15,8
414
0,674
0,058
6580
16,0
414
0,710
0,065
6980
16,9
437
0,756
0,069
7400
16,9
389
0,673
0,069
6580
17,0
420
0,703
0,069
6950
16,5
450
0,806
0,069
7480
16,6
In normaler Weise wurde die Anlage mit einem selbsttätig arbeitenden
Frischdampfventil ausgerüstet, das dann in Wirksamkeit tritt, wenn nicht genügend
Abdampf vorhanden ist. Das Ventil kann aber auch von Hand geöffnet werden und dient
dann dazu, die Turbine zunächst mit gedrosseltem Frischdampf soweit zu betreiben,
dass genügend Elektrizität zum Inbetriebsetzen der Kondensation vorhanden ist, eine
Massregel die deshalb ausführbar sein muss, weil keine andere Quelle von
Elektrizität auf dem Werke vorhanden ist. Selbstverständlich tritt bei dem
Herunterdrosseln der Kesselspannung auf fast Atmosphärendruck eine Ueberhitzung des
Dampfes ein und diese hat zur Veranlassung, dass der Verbrauch an gedrosseltem
Frischdampf um 5 bis 8½ v. H. geringer ist als der von Abdampf gleicher
Spannung.
Die Kondensation hat eine bei Turbinen etwas ungewöhnliche Ausbildung erfahren: es
ist eine Mischkondensation mit barometrischer Entwässerung gewählt. Auspuffrohre von
je 600 mm Durchmesser führen zu einem senkrecht aufsteigenden Sammelrohr von 840 mm
Durchmesser; zwei Zentrifugalpumpen, die eine zum Heben des kalten, die andere zur
Förderung des warmen Wassers werden gemeinschaftlich durch einen 100 PS-Motor
angetrieben, während die Luft durch eine zweizylindrige trockene Schieberluftpumpe
stehender Konstruktion abgesaugt wird, auf die ein 35 PS-Motor mit Zahnradvorgelege
arbeitet. Die Rückkühlung des Wassers geschieht auf einem Kaminkühler, der für eine
Wassermenge von rund 900 cbm gebaut ist. Da, wie bereits bemerkt, der erste
Turbogenerator zur vollen Zufriedenheit arbeitet, so ist der zweite inzwischen
bestellt worden.
Erheblich primitiver ist die zweite Anlage, auf der „Hucknall Torkard
Colliery“ bei Nottingham ausgeführt. Hier dient zum Betriebe der Turbine
etwa ein Viertel des Abdampfes einer Zwillingsfördermaschine von 915 mm
Zylinderdurchmesser und 1830 mm Hub, bei der einer Arbeitszeit von 12 Sekunden eine
Pause von rund 40 Sekunden zu folgen pflegt. Der Akkumulator besteht in diesem Falle
einfach aus einem Kessel, in den man etwa 50 t alte Eisenbahnschienen gepackt hat,
die auf der Zeche gerade in Masse zur Verfügung waren. Die Turbine leistet 175 PSe bei 3000 Umdrehungen i. d. Minute und ist
unmittelbar mit einem Drehstromgenerator von 500 Volt und 50 Perioden gekuppelt. Die
Anlage arbeitet durchaus zufriedenstellend, trotzdem sie unter recht ungünstigen
Bedingungen läuft: wohl 50 mal in der Stunde wechselt die Belastung zwischen 130 und
15 v. H. der angegebenen normalen Leistung. Der in ihr erzeugte Strom dient nämlich
zum Antrieb einer alten Transportvorrichtung unten in der Grube, welche bisher durch
eine besondere alte Dampfmaschine getrieben wurde. Diese wurde von drei ebenfalls
unterirdisch liegenden Dampfkesseln mit Dampf versorgt und brauchte nicht nur
sehr viel Kohlen, sondern verursachte auch die mannigfachsten Schwierigkeiten im
Betriebe, da die ganze Anlage recht alt war. Die Niederdruckturbine arbeitet mit
einem der bekannten Einspritzkondensatoren der Worthington-Pumpen-Gesellschaft, London, der das warme Wasser in einen
Teich ausgiesst. Aus dem anderen Ende dieses Teiches saugt er sich das
Einspritzwasser an. Trotzdem also die Kühlung nur eine sehr geringe sein kann, ist
das Vakuum nach unserer Quelle nicht schlecht. Jedenfalls erfüllt die Anlage ihren
Zweck durchaus.
F. Mbg.