Titel: | Die Wärmekraftmaschinen der Jubiläums-Landesausstellung in Nürnberg 1906. |
Autor: | H. Meuth |
Fundstelle: | Band 321, Jahrgang 1906, S. 753 |
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Die Wärmekraftmaschinen der
Jubiläums-Landesausstellung in Nürnberg 1906.
Von Dr.-Ing. H. Meuth,
Karlsruhe.
(Fortsetzung von S. 741 d. Bd.)
Die Wärmekraftmaschinen der Jubiläums-Landesausstellung in Nürnberg
1906.
Dampfkessel.
Textabbildung Bd. 321, S. 753
Fig. 38. Wasserkessel der deutschen Babcock &
Wilcox-Dampfkesselwerke.
Die bayrischen Dampfkesselfirmen sind auf der Ausstellung nicht vertreten mit
Ausnahme der Firma Karl Martin in Schweinau, welche
ausserhalb des Kesselhauses einen nicht in Betrieb befindlichen und nicht
eingemauerten Cornwallkessel mit zwei Wellrohren ausgestellt hat. Die
Ausstellungsleitung hatte den Kesselfirmen die Bedingung gestellt, die zum Betriebe
der Ausstellungsmaschinen erforderlichen Kessel abgesehen von den Fundamenten
kostenlos aufzustellen und zu bedienen; für Wasser und Kohlen sorgte die
Ausstellungsleitung. Auf diese Bedingungen sind nur ausserbayrische Firmen
eingegangen, welche mit sechs Kesseln vertreten sind. Fünf davon sind
Wasserrohrkessel, der sechste ein kombinierter Flammrohr- und Siederohrkessel. Eine
grosse Mannigfaltigkeit in den Kesseltypen ist somit nicht vorhanden, um so weniger,
als drei Kessel gleichen Systems von derselben Firma stammen. Die Vorherrschaft
des Wasserrohrkessels ist nicht bloss eine zufällige. Seine Vorzüge, die seine
Einführung zunächst für elektrische Zentralen bedingten: der geringe Raumbedarf, die
rasche Dampfentwicklung bei hohem Druck, haben diesem Kesselsystem auch in anderen
Betrieben, wo die Dampfentnahme weniger konstant ist als in Elektrizitätswerken,
eine immer grössere Verbreitung verschafft, hauptsächlich durch den Einbau von
Ueberhitzern. Dadurch wird der Nachteil der Wasserrohrkessel, bei starker
Inanspruchnahme infolge der stürmischen Dampfentwicklung nassen Dampf zu liefern,
sehr vermindert; im Ueberhitzer kann das mitgerissene Wasser verdampfen; er bildet
auch, wenn er gross genug ist, ähnlich wie ein:
grosser Wasserraum, einen Wärmewpeicher. Die ausgestellten Kessel sind alle mit
Ueberhitzer ausgerüstet, welche Dampf von durchschnittlich 300° liefern. Bei zwei Wasserrohrkesseln
ist der Ueberhitzer in den Raum zwischen den Wasserrohren und dem Oberkessel
eingebaut, bei den Durr-Kesseln in der Höhe des
querliegenden Oberkessels. Die Ueberhitzerrohre sind zum Zwecke guter Entwässerung
durchwegs wagerecht gelegt.
Textabbildung Bd. 321, S. 754
Fig. 39. Wasserröhrenkessel „System Dürr“.
1. Wasserrohrkessel der deutschen Babcock &
Wilcox-Dampfkesselwerke in Oberhausen. Der bekannte Kessel dieser Firma, in
Fig. 38 im Längsschnitt dargestellt, besteht aus
zwei durch einen Dampfsammler verbundenen Oberkesseln von je 1220 mm Durchmesser und
mit gewölbten Böden von 19 mm Wandstärke; ferner aus 18 Rohrsektionen zu 10
nahtlosen Mannesmannrohren von 100 mm Durchmesser und 5½ m Länge, die an beiden
Enden in die schmiedeeisernen Sektionskammern eingewalzt sind. Die Rohre können nach
Entfernung der jedem Rohr gegenüberliegenden Deckel gereinigt werden. Unter den
hinteren Sektionskammern befindet sich ein Schlammsammler, welcher sich über die
ganze Breite des Rohrsystems erstreckt; aus diesem können die Verunreinigungen des
Speisewassers im Betriebe abgeblasen werden. Der Kessel, der grösste der
ausgestellten, besitzt eine wasserberührte Heizfläche von 360 qm; er ist für einen
Betriebsdruck von 12 at gebaut und mit der bekannten mechanischen Kettenrostfeuerung
mit einer Rostfläche von 6,94 qm ausgerüstet. Dieser mechanischen Rostbeschickung
verdankt der Kessel von Babcock & Wilcox
hauptsächlich seine hohe Oekonomie; durch Versuche sind Wirkungsgrade bis zu 80 v.
H. festgestellt worden. Der Ausstellungskessel besitzt einen Ueberhitzer von 42 qm
Heizflache, dessen Einbau aus Fig. 38
ersichtlich ist. Er besteht im wesentlichen aus zwei schmiedeeisernen geschweissten
Kästen, die durch ein System ∪-förmig gebogener, nahtloser Rohre von 38 mm äusserem
Durchmesser und 3,8 mm Wandstärke miteinander verbunden sind. Der Dampf des Kessels
wird in einen der Kästen geleitet, durchstreicht das Rohrsystem und wird in
überhitztem Zustand dem anderen Kasten entnommen.
Die Rohre sind in Gruppen zu vieren angeordnet und durch Einwalzen mit den Kästen
verbunden. Vor einer jeden Rohrgruppe befindet sich in der gegenüberliegenden
Kastenwand eine verschliessbare Oeffnung, welche die innere Revision des
Ueberhitzers erleichtert.
Durch eine geeignete Rohrverbindung kann der Ueberhitzer jederzeit mit Wasser aus dem
Kessel gefüllt und dadurch die Ueberhitzung auf einfache Weise ohne Zuhilfenahme von
Klappen, die sich in der Hitze leicht klemmen können, ausgeschaltet werden. Das
Röhrensystem wird dadurch zugleich der Gefahr der Ueberheizung entzogen. Die
Heizfläche des Kessels wird dabei etwas vergrössert im Gegensatz zu Ueberhitzern,
welche bei Betrieb mit gesättigtem Dampf vom Kessel abgeschaltet werden gerade dann,
wenn eine Vergrösserung der Heizfläche wegen des vermehrten Dampfverbrauches infolge
Ausfalles der Ueberhitzung angezeigt wäre. Doch ist bei dem hier angewandten
Verfahren die Gefahr vorhanden, dass sich in den engen Ueberhitzerröhren Schlamm
ablagert.
2. Die Düsseldorf-Ratinger Röhrenkesselfabrik vorm. Dürr
& Co. in Ratingen hat drei Kessel in Betrieb gestellt und zwar zwei
gleiche Wasserrohrkessel von je 180 qm Heizfläche und einen Schiffskessel von 200 qm
Heizfläche.
Fig. 39 zeigt die Vorderansicht der beiden
Wasserrohrkessel; Fig. 40 den Querschnitt durch
einen dieser Kessel. Wie hieraus ersichtlich, besteht derselbe aus einem zur
Kesselfront parallel liegenden Oberkessel von 1200 mm Durchmesser und 4000 mm Länge,
an den sich eine
ebenso lange Wasserkammer anschliesst. In diese Wasserkammer, die ohne Nietnaht,
ganz geschweisst hergestellt und durch Stehbolzen versteift ist, sind die
Wasserrohre in etwas geneigter Lage eingewalzt. Die Verbindung ist im einzelnen aus
Fig. 41 zu ersehen. An ihrem hinteren Ende sind
die Wasserrohre etwas eingezogen und in einer schmiedeeisernen Gitterwand frei
aufliegend gelagert, so dass sie sich ungehindert ausdehnen können. Das ist ein
Hauptvorzug dieses Kessels. Es sind durchwegs zum Verschliessen der Rohre
Ueberwurfmuttern verwendet, nicht die in der Figur auch dargestellten
Innenverschlüsse. In die Wasserkammer ist eine Scheidewand eingesetzt und in dieser
sind Rohre aus dünnem Eisenblech befestigt, welche in die Siederohre bis kurz an das
Ende derselben hineinragen. Durch diese unter dem Namen Fieldrohre bekannte
Einrichtung wird eine ausserordentlich gute Wasserzirkulation erreicht. Wie aus der
schematischen Darstellung in Fig. 42 hervorgeht,
tritt das vor der Scheidewand eingeführte Speisewasser durch die an ihrer Mündung
trichterförmig erweiterten Zirkulationsrohre in die Siederohre zum Ersatz des
erhitzten und in Dampf verwandelten Wassers, welches, der ansteigenden Richtung der
Siederohre folgend, in den hinteren Teil der Wasserkammer abgeströmt und als Dampf
in den Oberkessel gelangt ist.
Textabbildung Bd. 321, S. 755
Fig. 40. Wasserröhrenkessel „System Dürr“.
Der Ueberhitzer besteht aus einer grossen Zahl von Rohrschlangen, die in der Höhe des
Oberkessels parallel zu diesem liegen und mit ihren Enden in zwei Kammern münden;
der unteren wird der Kesseldampf zugeführt und nach Durchströmen der Rohrschlangen
der oberen im überhitzten Zustand (300°) entnommen. Die Ueberhitzerheizfläche
eines Kessels beträgt 92 qm.
Die Feuerung ist mit einem mechanisch betriebenen Kettenrost von 6,67 qm Rostfläche
für jeden Kessel ausgerüstet.
Textabbildung Bd. 321, S. 755
Fig. 41.
Ueber dem mittleren der drei Dürr-Kessel ist ein
Vorwärmer aufgebaut, durch welchen die Abgase von allen drei ziehen. Er besteht aus
je fünf querliegenden oberen und unteren Kammern, welche durch ein System von Röhren
verbunden sind, in denen das Speisewasser zirkuliert. Wie aus Fig. 39 u. 40
ersichtlich ist, wird durch den Vorwärmer die Grundfläche des Kessels nicht
vergrössert; wohl aber hat jetzt der Kessel eine sehr beträchtliche Höhe. Die Grösse
der Heizfläche des Vorwärmers beträgt 233 qm.
Textabbildung Bd. 321, S. 755
Fig. 42. Wasser- und Dampfführung beim Schiffskessel „System
Dürr“.
Der dritte ausgestellte Dürr-Kessel ist für die
Aufstellung in einem Dampfer bestimmt und hat eine Heizfläche von 200,25 qm. Er ist
im allgemeinen von der gleichen Bauart wie die vorbeschriebenen Landkessel und
zeichnet sich wie diese durch kurze Baulänge aus. Abgesehen von der von Hand
beschickten Feuerung (mit 5,08 qm Rostfläche) ist nur die Anordnung des Ueberhitzers
von der vorigen Bauart verschieden. Wie aus Fig. 43 u. 44
hervorgeht, sind die Ueberhitzerrohre in den Mantel des Oberkessels eingesetzt. Im
Oberkessel ist eine besondere Kammer mit Scheidewand eingebaut, von welcher aus
ebensolche Zirkulationsrohre in die Ueberhitzerrohre hineinragen, wie es im
Unterkessel bei den Siederohren der Fall ist. Durch diese innenliegenden Rohre wird
der Kesseldampf geleitet, der dann durch die Ueberhitzerrohre zurückströmt und aus
der in Fig.
43 sichtbaren Kammer im Oberkessel entnommen wird. Die Heizfläche des
Ueberhitzers beträgt nur 11,75 qm; es ist damit auch nur eine Trocknung des Dampfes
bezweckt. Durch den eigentümlichen Einbau des Ueberhitzers in den Kessel selbst wird
er ein nicht ausschaltbarer Bestandteil des letzteren; die Rohre werden immer vom
Dampf durchströmt und sind daher der Gefahr des Verbrennens entzogen. Dieser Dürr-Kessel gehört zu den besten vorhandenen Schiffskesseln und
hat namentlich in der Marine eine grosse Verbreitung.
Textabbildung Bd. 321, S. 756
Fig. 43 und 44. Wasserröhrenschiffskessel „System Dürr“.
3. Ein weiterer Kessel von 303 qm Heizfläche stammt von der Dampfkesselfabrik von Jaques Piedboeuf in Düsseldorf und ist der
bekannte kombinierte Flammrohr- und Siederohrkessel dieser Firma. Der Unterkessel
von 2,5 m Durchmesser besitzt drei Wellrohre, der Oberkessel ebenfalls von 2,5 m
Durchmesser 148 Siederohre. Ober- und Unterkessel haben getrennte Dampfräume,
während der Wasserraum gemeinschaftlich ist; es ist daher nur ein Wasserstand zu
beobachten. Durch eine eingebaute Querwand von 500 mm Höhe wird auch im Unterkessel
ein Dampfraum geschaffen. Der Dampfdruck beträgt 12 at.
Textabbildung Bd. 321, S. 756
Fig. 45. Wasserrohrkessel von Jaques Piedboeuf, Aachen.
Die Heizgase steigen nach Verlassen der Flammrohre zunächst an der Rückwand des
Kessels nach aufwärts, bestreichen hierbei die Ueberhitzerrohre, strömen nach vorn
durch die Heizrohre des Oberkessels und darauf an dem Oberkessel und Unterkessel
aussen vorbei, um unter dem Unterkessel nach dem Schornstein abzuziehen.
Der eingebaute Ueberhitzer hat eine Heizfläche von 31 qm und besteht aus einer Anzahl
nahtloser Rohrschlangen in wagerechter Lage. Die Rohre sind in die Sammelkammern
eingewalzt, welche ebenfalls aus Schmiedeeisen und ganz geschweisst sind. Die
Sammelkammern liegen ausserhalb des Kessels, so dass alle Dichtungs- und
Einwalzstellen der Einwirkung der Heizgase entzogen und leicht zugänglich sind. Die
Rohrschlangen sind in dem feuerfesten Mauerwerk so angeordnet, dass die Heizgase,
welche die entgegengesetzte Strömungsrichtung wie der Dampf haben, nur die geraden
Teile und keine Biegungsstellen der Rohre treffen. Die Höhe der Ueberhitzung beträgt in
normalem Betrieb 300°. Mit Hilfe von Klappen können die Rohrschlangen leicht ganz
oder teilweise aus dem Strom der Heizgase ausgeschaltet und damit kann die Höhe der
Ueberhitzung geregelt werden.
Der Kessel besitzt eine mechanisch bediente Feuerung, Patent Münckner. Die vorher in den trichterförmigen Kasten vor den Flammrohren
zerkleinerte Kohle fällt in kleinen Mengen vor eine mechanisch bewegte Klappe,
welche durch die Kraft einer gespannten Feder zurückschnellt und das Brennmaterial
auf dem Roste verteilt.
4. Das Aachener Werk von Jaques Piedboeuf hat einen ebenfalls mit Ueberhitzer ausgerüsteten
Wasserrohrkessel von 300 qm Heizfläche ausgestellt, der im wesentlichen die gleiche
Konstruktion aufweist wie der Kessel von Babcock &
Wilcox. Der Ueberhitzer ist wie bei dem zuvor beschriebenen Piedboeufschen Kessel durch Klappen aus dem Strom der
Heizgase ausschaltbar; seine Dichtungen liegen ebenfalls ausserhalb der Feuerzüge.
Einzelheiten des Kessels sind aus Fig. 45
ersichtlich.
(Fortsetzung folgt.)