Titel: | Die Ermittlung und Aufzeichnung der Umwandlungspunkte fester Lösungen. |
Autor: | E. Rasch |
Fundstelle: | Band 321, Jahrgang 1906, S. 761 |
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Die Ermittlung und Aufzeichnung der
Umwandlungspunkte fester Lösungen.
Von E.
Rasch.
Die Ermittlung und Aufzeichnung der Umwandlungspunkte fester
Lösungen.
Die praktische Bedeutung des Studiums der Erstarrungsvorgänge und der
thermischen Umwandlungen von Legierungen ist hinreichend bekanntDie diesbezüglichen älteren Methoden werden
durch den Aufsatz von Kurt Arndt (s. D. p. J.
1905, 31, 33, S. 489 ff.) „Ueber den Schmelzpunkt von Metallen“
beschrieben und als bekannt vorausgesetzt.. Ein grosser Teil der
rasch verlaufenden oder der weniger deutlichen Vorgänge, wie sie sich etwa während
des Härtens und Anlassens von Stahl oder aber bei der Gefügeumwandlung von
Legierungen während des Glühens bei mittleren Temperaturen abspielen, entzieht sich
jedoch den jetzigen Beobachtungsmethoden, die einer Verfeinerung somit bedürftig und
wohl fähig sind.
Bei der gemeinhin angewandten Zeitmethode beobachtet man gewöhnlich die Temperatur
ϑ bezw. Thermokraft e
der untersuchten Legierung in bestimmten, abgemessenen Zeiträumen Δt. Die kritischen Punkte (Umwandlungspunkte)
kennzeichnen sich dann – sofern erheblichere
Wärmetönungen bei der Abkühlung des Gemisches auftreten – in der ϑt-Kurve (s. Fig. 3 S.
637) als mehr oder minder deutlich erkennbare „Haltepunkte“; d.h. die
Abkühlungstemperatur ϑ (bezw. die Thermokraft e) bleibt während eines gewissen Zeitintervalls dt konstant: Die ϑt-Kurve
verläuft hier wagerecht und für diesen Punkt ist der Differentialquotient
\frac{d\,\vartheta}{d\,t}=0.
Die subjektive Zeitbeobachtung der Thermokraft bezw. der Temperatur bringen es mit
sich, dass man die Abkühlungsgeschwindigkeit klein halten muss, um überhaupt den
einzelnen Phasen bezw. dem Zeitkommando mit den Galvanometerablesungen rasch genug
folgen zu können.
Jedoch auch bei den selbstschreibenden Galvanometern machen sich die
Umwandlungspunkte nicht immer mit derjenigen Schärfe erkennbar, die gerade für die
Ermittlung der feineren und rasch verlaufenden Umwandlungsvorgänge erforderlich ist.
Besonders tritt dies dann ein, wenn die untersuchte Metallmasse nicht sehr gross ist
und wenn die Wärmetönungen der reagierenden Substanzen kleine Absolutwerte
besitzen.
Die übliche mechanische Temperaturaufschreibung läuft bei den meisten Systemen darauf
hinaus, dass der über einem Papierstreifen ohne Berührung schwingende
Galvanometerzeiger durch ein Uhrwerk in gemessenen Zeiträumen mit seiner
schreibenden Zeigerspitze senkrecht auf das Diagrammblatt niedergedrückt wird und
hier somit die Temperatur- und Zeitspur vermarkt.
Eine einfache Anordnung dürfte eine weitaus schärfere Markierung der Unstetigkeiten
von Abkühlungskurven, der sogenannten „kritischen Punkte“ ermöglichen.
Textabbildung Bd. 321, S. 761
Fig. 1.
ϑ1 sei das Thermoelement
(s. Fig. 1), dessen heisse Lötstelle die jeweilige
Temperatur ϑ der in Umwandlung begriffenen Metallmasse
besitze und zwischen dessen Kaltlötstellen k1k1 die von der zu messenden Wärme abhängige
elektromotorische Kraft e1 herrscht.
Die Spannung e1 sei an
die Primärwicklung w1
von der Windungszahl S1
eines kleinen Messtransformators a gelegt. Letzterer
besitzt eine zweite um den Eisenkern von a gelegte
Wicklung w2, deren Windungszahl S2 beträchtlich grösser als S1 ist.
Der Koeffizient der gegenseitigen Selbstinduktion (M)
ist dann
M=4\,r\,S_1\,S_2\,\frac{A\,\mu}{L}
wobei \frac{L}{A\,\mu} den magnetischen Widerstand des
Weicheisenkernes a darstellt, der im vorliegenden Falle
ohne Schwierigkeit hinreichend klein gehalten werden kann. Es bietet somit keine
konstruktive Schwierigkeit, dem Uebersetzungsverhältnis \frac{S_2}{S_1} des
Messtransformators hinreichend grosse Werte zu erteilen.
An die Klemmen der Sekundärspule w2 sei das – zweckmässig mit Selbstschreibung
ausgerüstete – Galvanometer G gelegt.
So lange nun das Thermoelement ϑ1 gleichbleibende Temperatur ϑ besitzt und somit Gleichstrom konstanter Spannung e1 liefert, bleibt das
Galvanometer unbeeinflusst und ohne Ausschlag.
Anders dagegen, wenn die elektromotorische Kraft e1, oder – was das
Gleiche ist – die Temperatur ϑ des Thermoelementes sich
ändert und rasch ändert.
In diesem Falle ist bekanntlich
e_2=-M\,\frac{d\,i_1}{d\,t}
wobei \frac{d\,i_1}{d\,t} die Aenderung des Primärstromes i1 in dem Zeitintervall
dt beträgt.
Da nun der Primärstrom
i_1=\frac{e_1}{R_1}
der Thermokraft e1 proportional, dem konstanten Ohmschen Widerstände R1 des Primärkreises umgekehrt proportional ist, und
da ferner die Thermokraft e1 mit der Temperatur der erhitzten Lötstelle angenähert proportional
anwächst, so wird
e_2=-\frac{M}{R}\,\frac{d\,\vartheta}{d\,t}.
Das heisst also, in dem sekundären Stromkreis wird eine Spannung e2 induziert und von
dem Galvanometer angezeigt, die der Abkühlungsgeschwindigkeit
\frac{d\,\vartheta}{d\,t} proportional ist und weiter durch Vergrösserung des Faktors \frac{M}{R}=C
konstruktiv hinreichend gross gemacht werden kann.
Die Galvanometerausschläge im Sekundärstromkreis liefern somit unmittelbar den
Differentialquotienten der gewöhnlichen Zeitkurve (Fig.
3 S. 637) und sind dem Neigungswinkel
\mbox{tg}\,\alpha=\frac{d\,\vartheta}{d\,t}
der Abkühlungskurve proportional.
Liefe etwa die Abkühlungskurve von H bis H geradlinig (s. Fig. 3
S. 637), so ist die Galvanometeranzeige e2
= – C . tg α. Nimmt sie
jedoch bei dem kritischen Punkte H für ein kurzes
Zeitintervall wagerechten Lauf (Haltepunkt), so wird plötzlich der
Galvanometerausschlag nach Null sinken, da hier bei Punkt...
\frac{d\,e_1}{d\,t}\,\sim\,\frac{d\,\vartheta}{d\,t}=\mbox{tg}\,\alpha=0
ist.
Sinkt weiter aus irgend welchen Gründen die Temperatur sehr schnell, so fällt die
Kurve senkrecht oder nahezu senkrecht ab, und es wird
e_2=\frac{d\,\vartheta}{d\,t}=\infty,
das heisst, das Galvanometer erhält einen rapiden Ausschlag
bezw. Stromstoss.
Die typische Form der mit Hilfe eines Induktionsrelais seitens Dejeane an Kupfer-Kupferoxydullösungen gewonnenen
Kurven zeigt Fig. 1 S. 636, welche das Auftreten der
charakteristischen Spitzminima deutlich erkennen lässt.
Das Induktionsrelais stellt somit eine empfindliche elektrische Uebersetzung von
augenblicklicher Wirksamkeit dar, bei der Massenbeschleunigungen und Massenträgheit
in sinnreicher Weise ausgeschlossen sind.Wie
eine erst jetzt erfolgte Beschreibung (Septemberheft der „Revue de
Metallurgie“ S. 701 ff.) erweist, benutzt Dejeane eine wesentlich kompliziertere als die oben angedeutete
Anordnung insofern, als bei ihm das Spulenpaar w1w2 (Fig.
1) das drehbare System eines besonderen, dritten Galvanometers
bildet, so dass diese Anordnung einen umständlicheren „und kostspieligen
Apparat darstellt, dessen Anwendung sich leider auf wenige Laboratorien
beschränken dürfte“.
Es scheint, dass dieses Messprinzip eines weiteren Ausbaues fähig ist und eine
erhebliche Verfeinerung in dem Verfolg der Gefügeumwandlungen zuzulassen
verspricht.
Da die erläuterte Methode Abkühlungsgeschwindigkeiten misst, so ist es erforderlich –
als zweite Ordinate – die zeitlich zugehörigen Temperaturen der untersuchten
Legierung festzulegen, wie dies Dejeane mit Hilfe einer
photographischen Registriervorrichtung getan hat.
Während die photographische Auszeichnung sich in der praktischen Technik keiner
besonderen Beliebtheit erfreut, scheint sie für die vorliegenden Zwecke nicht
entbehrt werden zu können.
Jedenfalls findet sie hier mehr und mehr Beachtung und EinführungRevue de Metallurgie 1904, I, S. 134 f. Revue
de Metallurgie 1905, II, S. 701 f. Stahl und Eisen 1906 (12) S. 732
ff..
Der von Dejeane benutzte photographische
Schaulinienzeichner ist von Saladin, Oberingenieur der
Creusotschen Stahlwerke, und von Le Chatelier ausgebildet und von Pellin, Paris gebaut.
Die Schwierigkeit der Aufgabe liegt in folgendem. Es sind die Ausschläge zweier Galvanometer isochron auf die photographische
Platte zu projizieren und zwar so, dass diese Galvanometerausschläge senkrecht
zueinander sich bewegen. Die Resultante beider Bewegungen stellt dann die gesuchte
Kurve dar, deren Ordinate etwa der Abkühlungsgeschwindigkeit und deren Abszisse der
zugehörigen Temperatur entspricht.
Bei den gemeinhin benutzten d'Arsonvalschen
Spiegelgalvanometern schwingt das bewegliche Torsionssystem jedoch um eine lotrechte
Achse (Torsionsfaden). Es wird also notwendig, die eine Spiegelbewegung so
anzuordnen, dass sie senkrecht zu der Drehbewegung des zweiten Spiegels
verläuft.
Saladin hat diese Bedingung dadurch erfüllt, dass er
einen unter 45° zur Wagerechten geneigten Spiegel – bezw. ein total reflektierendes
Prisma – in den Strahlengang der Spiegelbilder der beiden Galvanometer einschaltete,
wodurch die eine wagerechte Linie lotrecht aufgerichtet wird.
Der Strahlengang wird durch das Schema (Fig. 2)
verdeutlicht.
Textabbildung Bd. 321, S. 762
Fig. 2.
G1 ist das Galvanometer,
das mit einem Induktionsrelais verbunden ist, somit die Abkühlungsgeschwindigkeit
als Drehbewegung um die senkrechte Achse des Torsionsfadens wiedergibt. G2 ist das zweite
Galvanometer, das durch die Temperatur des zweiten Thermoelements in gleicher Weise
beeinflusst ist. Zwischen beiden Spiegeln
G1G2 befindet sich das
unter 45 v. H. gegen die Horizontalebene geneigte, total reflektierende Prisma P.
Der von der Lichtquelle J ausgehende wagerechte
Lichtstrahl fällt auf den Spiegel G1 gelangt in das Prisma P, wird hier lotrecht weitergeleitet und beschreibt auf dem Spiegel G2 einen senkrechten
Weg.
Da nun der Spiegel G2
entsprechend der zu messenden Temperatur um eine senkrechte Achse gedreht wird, so
erhält der von ihm reflektierte Lichtstrahl G2E die Resultante
beider Bewegungen, die er auf der photographischen Platte verzeichnet.
Da die Justierung der beiden Spiegelsysteme nicht ohne Umstände ist, so hat Le Chatelier die beiden Galvanometer in einem
gemeinsamen Gehäuse und zwar auf einem gemeinsamen Magnetsystem montiert.
Die photographische Kamera ist durch einen lichtdichten Kasten mit dem
Galvanometergehäuse verbunden. Als Lichtquelle dient eine Nernstlampe, deren
Lichtbündel durch Linsen auf die Galvanometerspiegel G1G2 geworfen werden.