Titel: | Die Entwicklung der Steinkohlengaserzeuger für den Hüttenbetrieb. |
Autor: | Gille |
Fundstelle: | Band 322, Jahrgang 1907, S. 7 |
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Die Entwicklung der Steinkohlengaserzeuger für
den Hüttenbetrieb.
Von Ingenieur Gille.
Die Entwicklung der Steinkohlengaserzeuger für den
Hüttenbetrieb.
Gaserzeuger, in welchen ein fester kohlenstoffreicher Brennstoff durch
unvollständige Verbrennung unter Zuführung von Luft in Heizgas umgewandelt wird,
bestehen, abgesehen vom Hochofen, bei welchem ein brennbares Gas als Nebenerzeugnis
auftritt, seit ungefähr 50 Jahren. Sie sind eine Erfindung der Gebrüder Siemens und werden von ihnen Generatoren
genannt, das darin hergestellte Gas entsprechend Generatorgas. Ihre Entstehung und
Entwicklung ist so eng mit derjenigen des ebenfalls von den Gebrüder Siemens erfundenen Regenerativofens verknüpft, daß es nicht zu
umgehen ist, auch auf diesen einen kurzen Rückblick zu werfen. Der Regenerativofen
entstand bei dem Betreben, aus Roheisen unter Zusatz von Eisenerzen Stahl zu
erzeugen. Die hierfür erforderliche hohe Temperatur, welche keine bis dahin bekannte
Feuerung zu erzeugen imstande war, wird in ihm dadurch erzielt, daß das Heizgas und
die zur Verbrennung desselben nötige Luftmenge durch die Abhitze des Ofens
hocherhitzt werden, indem abwechselnd die Verbrennungsprodukte und das Gas bezw. die
Luft durch mit feuerfesten Steinen gitterförmig ausgesetzte Kammern geleitet werden.
Der Regenerativofen wurde in den Jahren 1861–1862 als Stahlschmelzofen erfolgreich
in die Praxis eingeführt. Welche hervorragende Bedeutung er in der Stahlindustrie
einnimmt, geht daraus hervor, daß ihm zur Zeit mehr als ein Drittel der
Gesamtproduktion an Stahl entstammt. Eine gewinnbringende Stahlerzeugung im
Regenerativofen ist aber nur bei Verwendung eines billigen, im Generator erzeugten
Gases möglich.
Aus jedem festen Brennstoff lässt sich durch unvollständige Verbrennung ein Heizgas
erzeugen, Vorbedingung ist aber immer eine genügende Schichthöhe. Die sich dabei
abspielenden chemischen und physikalischen Umsetzungen sind im wesentlichen
dieselben, sei der Brennstoff Steinkohle, Koks, Braunkohle oder Holz. Bei der
Vergasung von Steinkohle im Generator sind zwei zum Teil zeitig zusammenfallende
Vorgänge zu unterscheiden, die trockene Destillation der Kohle und die Verbrennung
des Kohlenstoffs. Die erstere geht hauptsächlich in den oberen Zonen der
Brennstoffschicht vor sich und wird durch die von unten aufsteigenden heissen Gase
bewirkt. Sie wird mit der Verdampfung des hygroskopischen Wassers eingeleitet und
umfaßt die Austreibung der schweren teerbildenden Kohlenwasserstoffe (Cn H2n), des Methans (CH4), des chemisch gebundenen Wassers und des
disponiblen Wasserstoffs der Kohle, Die Verbrennung des Kohlenstoffs erfolgt
entweder durch den Sauerstoff der Luft oder gleichzeitig mit diesem durch
Wasserdampf, wobei eine Zerlegung des letzteren stattfindet. Bei Zuführung von
Luft allein in den Gaserzeuger verbindet sich der Kohlenstoff mit dem Sauerstoff
zunächst zu Kohlensäure nach der Formel C + O2
= CO2, welche dann in
der glühenden Koksschicht zu Kohlenoxyd reduziert wird, CO2
+ C = 2 CO. Wird mit der
Luft dem Gaserzeuger Wasserdampf zugeführt, so ergeben sich gleichzeitig folgende
Reaktionen: C + 2 O =
CO2, C + O = CO,
C + 2 H2O = CO2 + 4 H, CO + H2O = CO2 + 2 H, C + H2O = CO + 2 H. Nach den
Untersuchungen von Wendt (Z. d. V. d. I. vom 26.
November 1904) scheinen die Reaktionen, welche Kohlensäure ergeben, die
vorherrschenden zu sein.
Die bei der Verbrennung des Kohlenstoffs zu Kohlensäure freiwerdende Wärme wird
hauptsächlich zur Reduktion der Kohlensäure zu Kohlenoxyd und zur Zerlegung des
Wasserdampfes aufgewandt, der Rest dient teils zur Erwärmung des Gases, teils geht
er durch Ausstrahlung oder mit der Asche verloren. Da die Kohlenoxydbildung am
günstigsten bei hoher Temperatur erfolgt, und die Zerlegung des Wasserdampfes große
Wärmemengen erfordert, wodurch die Temperatur im Gaserzeuger erniedrigt wird, so ist
der Kohlensäuregehalt der Gase wesentlich von der Menge des eingeführten
Wasserdampfes abhängig. Die in der Kohle enthaltenen geringen Mengen Schwefel
verbrennen teils zu Schwefeldioxyd und Schwefeltrioxyd, teils gehen sie in die
Schlacke. Der Stickstoffgehalt der Kohle findet sich als Ammoniak in den Gasen
wieder. Die letztgenannten Verbindungen werden ihrer geringen Menge wegen bei
Gasuntersuchungen vernachlässigt. Geschieht die Vergasung der Kohle nur durch Luft,
so wird das erzeugte Gas „Luftgas“ genannt, wird der Luft noch Wasserdampf
beigemicht, so heißt es „Mischgas“. Die Temperatur, mit welcher die Gase den
Erzeuger verlassen, schwankt je nach der Betriebsweise zwischen 400 und 800° C. Der
Wirkungsgrad eines Gaserzeugers ergibt sich aus der Menge der in die Gase
übergetretenen brennbaren Bestandteile des Brennstoffes und dem Wärmewert der
abziehenden Gase bezw. aus den ausgestrahlten Wärmemengen und dem Wärmewert der
Asche. Im allgemeinen ist eine hohe Temperatur der abziehenden Gase nicht erwünscht,
da der Verlust durch Abkühlung in den Leitungen um so größer ist, je höher die
Temperatur der Gase.
Die ersten Gaserzeuger arbeiteten noch ziemlich unwirtschaftlich und erforderten zu
ihrer Bedienung ein großes Personal. Die Steigerung der Kohlenpreise und der Löhne
machten es für den rationellen Hüttenbetrieb jedoch zur Bedingung, den Brennstoff so
weit wie möglich auszunutzen und die menschliche Arbeit bei der Gaserzeugung auf ein Mindestmaß zu
beschränken. Infolgedessen sind im Laufe der Zeit eine Anzahl Generatorformen
entstanden, welche erkennen lassen, wie aus dem ersten primitiven Gaserzeuger ein
fast selbsttätig arbeitender Apparat wurde.
Der ursprüngliche von Siemens konstruierte Gaserzeuger
hatte die in Fig. 1 dargestellte Form. In
Hüttenbetrieben ist er kaum noch anzutreffen, in der keramischen Industrie findet er
sich jedoch noch häufig. Er ist ein viereckiger, mit feuerfesten Steinen
ausgemauerter Schacht von 2–2,2 m Breite, der unten durch einen Planrost mit
anschließendem Treppenrost abgeschlossen ist. An den Treppenrost schließt sich eine
unter einem Winkel von etwa 60° zur Wagerechten geneigte Brust an, bestehend aus
einer Eisenplatte, welche mit einer Schicht feuerfester Steine übermauert ist. Die
Kohle wird durch eine mit einem einfachen Deckel verschließbare Oeffnung aufgegeben.
Die in der Figur eingetragene Füllvorrichtung ist schon eine spätere Verbesserung.
Dieselbe besteht aus einem viereckigen Kasten mit doppeltem Verschluß, der untere
aus einer drehbaren Klappe bestehend und der obere als abnehmbarer Deckel
ausgebildet, dessen Ränder bei geschlossenem Zustand in eine mit Sand gefüllte Rinne
tauchen. Zum Lockern des Brennstoffs und Abstoßen der Schlacke von den Seitenwänden
sind in dem Gewölbe über dem Rost einige mit Stopfen verschließbare Stochlöcher
angebracht. Die Kohle rutscht an der schrägen Brust herunter und bedeckt in
gleichmäßiger Schüttung den Rost. Die Höhe der Brennstoffschicht über dem Rost
beträgt etwa 800 mm. Unter dem Rost befindet sich meistens ein Wassertrog, in
welchem die durch die Rostspalten fallende Asche abgelöscht wird. Der Gaserzeuger
wird mit Kaminzug betrieben und vermag in 24 Stunden 1800 bis 2000 kg Steinkohle zu
vergasen. Da die Wirkung des Kamins von der Höhe seiner Oberkante über der Feuerung
abhängig ist, so werden die Gaserzeuger möglichst tief gelegt und die Gase in
ansteigender Richtung dem Ofen zugeführt.
Textabbildung Bd. 322, S. 7
Fig. 1.
Das in diesem Generator erzeugte Gas ist sehr reich an Kohlenoxyd und verbrennt mit
kurzer, heißer Flamme. Die mittlere Zusammensetzung eines aus westfälischer
Steinkohle stammenden Gases ist etwa folgende: CO2
– 3, CO – 28, CH4
– 3, H – 5, N – 61 Vol. v. H. mit einem unteren
Heizwert von 1220 WE. für den cbm. Aus 1 kg Kohle mit 77 v. H. C Gehalt werden ∾ 3,7
cbm Gas erzeugt, deren Heizwert etwa 56 v. H. des Heizwertes der Kohle beträgt.
Diese niedrige Zahl erklärt sich daraus, daß ein großer Teil des Brennstoffs (bis zu
10 v. H. des Kohlenstoffgehaltes) wegen der breiten Rostspalten, die bei der
geringen Saugwirkung des Schornsteins unerläßlich sind, als Koks in die Asche geht
und etwa 5 v. H. als Teer, Ruß und Flugasche ausscheiden.
Der Koks wurde zwar vielfach aus der Asche ausgesondert und die erhaltenen
sogenannten Schröben wieder zu Heizzwecken verwendet, doch war dieses mit so viel
Unkosten verbunden, daß der Gedanke nahe lag, den Generator unter Verringerung des
freien Rostquerschnitts mit Druckwind zu betreiben, zumal auch der Inhalt der
Schmelzöfen stetig zunahm und bei der geringen Leistungsfähigkeit der Gaserzeuger
ein großes Personal zu ihrer Bedienung nötig war. Man schloß deshalb den Aschenfall
durch eine Tür oder einfach durch eine Blechplatte, deren Ränder mit Lehm
verschmiert wurden, und blies die Luft mit einem Ventilator ein. Es zeigte sich
jedoch, daß die Schütthöhe im Generator für eine höhere Windpressung zu gering war
und daß sich besonders an den scharfen Ecken leicht Kanäle bildeten, durch welche
die Luft unverbrannt hindurchging und ein Teil der Gase als Oberfeuer verbrannte.
Die Gase waren daher reich an Kohlensäure und verließen den Erzeuger mit sehr hoher
Temperatur. Ein weiterer Uebelstand zeigte sich darin, daß die Schlacke zu großen
Klumpen zusammensinterte und sich an den Wänden des Schachtes ansetzte, wodurch das
Röstern eine mühevolle und zeitraubende Arbeit wurde.
Textabbildung Bd. 322, S. 7
Fig. 2.
Textabbildung Bd. 322, S. 7
Fig. 3.
Diese für die Gaserzeugung sehr störenden Erscheinungen werden durch die in Fig. 2 und 3 gezeigte
Konstruktion eines neueren Siemens-Generators zum Teil
beseitigt. Dieser Gaserzeuger ist wohl derjenige, der für die Vergasung von
Steinkohle die weiteste Verbreitung gefunden hat. Die Rostfläche ist gegenüber
derjenigen des Zuggenerators vergrößert. Die Bildung von Kanälen in der
Brennstoffsäule wird durch Abrundung der Ecken, durch Erweiterung des Schachtes
oberhalb des Rostes und durch Erhöhung der Kohlenschicht auf etwa 1200 mm
verhindert. Die Luft wird mit einem Druck von 20–60 mm Wassersäule durch ein
Dampfstrahlgebläse unter den Rost gedrückt. Der Dampf erniedrigt die Temperatur im
Gaserzeuger und beschränkt dadurch das Zusammensintern großer Schlackenklumpen. Zum
Aufgeben der Kohle dient ein in der Mitte des Schachtes befindlicher runder
Fülltrichter, der so eingerichtet ist, daß der in den Schacht hineinreichende, dem
Verbrennen am meisten ausgesetzte, konische Teil leicht ausgewechselt werden kann.
Das Entweichen von Gas aus dem Fülltrichter verhindert ein doppelter Verschluß. Den
unteren Abschluß bewirkt ein Kegel, der unter Zwischenschaltung einer runden Stange
an einer I Kette aufgehängt ist. Die Kette ist über eine in der Dachkonstruktion des
Generatorhauses gelagerte Rolle geführt und trägt an ihrem anderen Ende ein Gewicht, das den
Kegel gegen den Trichter anpreßt. Als zweiter Verschluß dient eine auf dem Rand des
oberen Trichterteils aufliegende Platte, welche in der Aufhängestange des Kegels
geführt ist und in gleicher Weise wie dieser aufgehängt ist, jedoch hat die Platte
das Uebergewicht. Da dieser Fülltrichter für eine große Anzahl verschiedener
Generatoren typisch ist, so möge seine Wirkungsweise kurz erläutert werden.
Textabbildung Bd. 322, S. 8
Fig. 4.
Zunächst wird die Verschlußplatte gehoben und gegen Herabfallen durch Einhaken der
Kette in eine an der Bühne befestigte Oese gesichert. Dann wird der Trichter mit
Kohle gefüllt, die Platte wieder gesenkt und der Kegel mittels der Aufhängestange
heruntergedrückt, wobei der Trichterinhalt in den Schacht fällt. Durch das
Gegengewicht wird der Kegel wieder in seine Anfangsstellung zurückgezogen. Die
gleichmäßige Verteilung der Kohle geschieht mit Hilfe einer Schürstange durch vier
um den Fülltrichter gruppierte Stochlöcher. Die in Fig.
4 in größerem Maßstab dargestellten Stochlochverschlüsse sind als
Kugelverschlüsse ausgebildet und wurden als solche zuerst von Krupp angewandt. Sie bestehen aus einem geteilten,
beiderseits offenen Gehäuse, welches auf der Abdeckplatte befestigt wird. In dem
Gehäuse ist eine Kugel drehbar angeordnet, die zum Durchstecken der Schürstange eine
größere Oeffnung und rings um diese eine Anzahl kleinerer Löcher besitzt. In diese
Löcher wird die Spitze der Schürstange oder ein besonderer Rundeisenstab eingesteckt
und die Kugel damit in die gewünschte Lage gedreht.
Bei den neueren Siemens-Gaserzeugern werden, wie in
Fig. 2 und 3
angedeutet, gewöhnlich vier Schächte zu einem Block vereinigt, einerseits um die
Strahlungsverluste zu vermindern, andererseits um eine gleichmäßige
Gaszusammensetzung zu erzielen. Zu letzterem Zweck werden die vier Schächte der
Reihe nach in gleichen Zeitabständen beschickt, so daß die Kohle sich in jedem
Schacht in einem anderen Zustand der Entgasung befindet. Die Gasabzüge sind in den
zusammenstoßenden Ecken der Schächte angeordnet; jeder einzelne ist durch einen
Schieber absperrbar. Oberhalb der Schieber vereinigen sich die Abzüge in einem
Kasten, von dem aus das Gas durch eine schmiedeeiserne Leitung weitergeführt wird.
Die Bedienungsbühne dieser Gaserzeuger liegt bei älteren Anlagen meistens auf
Flurhöhe, bei neueren häufig soviel über Flur, daß die Kohle aus den Eisenbahnwagen
unmittelbar auf dieselbe entladen werden kann. Die Asche wird über eine schiefe
Ebene oder durch einen Aufzug hochgefördert. Das Reinigen des Rostes von Schlacken
geschieht gewöhnlich einmal in der Schicht, und zwar für die vier Schächte eines
Blocks in gleichen Zeitabständen. Während des Röstens ist der Schieber im
Gasabzugkanal geschlossen. Ein Schacht setzt in 24 Stunden 3000 bis 4000 kg
westfälischer Kohle durch. Die mittlere Zusammensetzung des Gases aus einer Kohle
mit 77 v. H. C ist ungefähr folgende in Vol. v. H.: CO2
– 5, CO – 23, CH4
– 3, H – 13, N – 56, mit einem unteren Heizwert von
1280 WE. für den cbm. Da 4–6 v. H. des Kohlenstoffgehalts der Kohle in die Asche
gehen, so entstehen aus 1 kg Kohle etwa 4,1 cbm Gas, welche, auf Außentemperatur
abgekühlt, ca. 65 v. H. des Heizwertes der Kohle enthalten. Die sowohl hier als auch
später angegebenen Zahlen setzen einen gut geleiteten Betrieb mit geschulten
Arbeitern voraus.
(Fortsetzung folgt.)