Titel: | Eisenbahnunterquerung der Leidener Strasse bei Utrecht. |
Autor: | F. Kerdijk |
Fundstelle: | Band 322, Jahrgang 1907, S. 23 |
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Eisenbahnunterquerung der Leidener Strasse bei
Utrecht.
Von F. Kerdijk, Ingenieur, Laren N.
H. (Holland).
(Schluß von S. 11 d. Bd.)
Eisenbahnunterquerung der Leidener Straße bei Utrecht.
Trogprofil des wagerechten Teils ausserhalb der Brücke.
In dem wagerechten Teil ausserhalb der Brücke hat der Trog den gleichen Kräften
Widerstand zu leisten, es fehlen jedoch die Stützpunkte zur Aufnahme des seitlichen
Wanddruckes, wogegen eine größere Breite für die Konstruktion zur Verfügung steht.
Fig. 9 gibt das diesen Umständen angepaßte
Profil mit seitwärts ausladendem Boden wieder. Der Kanal, welcher außerhalb der
Brücke unmittelbar neben dem Trog herläuft, erhält eine hölzerne Futterung, während
der Raum zwischen Kanalwand und Trog mit Sand ausgefüllt eine kräftige, federnde
Sicherung für letzteren darbietet.
Textabbildung Bd. 322, S. 23
Fig. 9.Querschnitt II.
Textabbildung Bd. 322, S. 23
Fig. 10.Kräfteschema für das Trogprofil, unmittelbar ausserhalb der
Brücke
Die beiderseitige Verbreiterung des Trogbodens dient einerseits zur Anordnung von
Rippen, welche im jeweiligen Abstand von 1 m die Seitenwand versteifen, während
andererseits der ausragende Rand mit Boden beschwert eine vorteilhafte Vergrößerung
des Eigengewichts des Troges zuließ.
Die Rippen hätten eine leichtere Konstruktion der Seitenwand erlaubt, jedoch hielt
man die gleiche Dicke wie unter der Brücke bei, zwecks bequemerer Ausführung. Bei
der Berechnung betrachtete man Boden, Seitenwände und Rippen als ein
unveränderliches Ganzes, Fig. 10 gibt das
Kräfteschema, wobei H = Resultierende aus Boden- und
Wasserdruck und R = Resultierende von allen senkrechten
Kräften links von A. Die unbekannte Reaktion A wurde wieder aus
\frac{\delta\mbox{ Arbeit}}{\delta\,A}=0 ermittelt.
Ergebnis unter der Voraussetzung der losen Auflagerung in A, B und A:
Reaktion
A
= +
1750 kg
„
B
= –
6100 kg
Max.
Moment
links von A
=
255600
cm/kg
„
„
rechts von A
=
174000
„
Mittlere Ergebnisse:
Reaktion
A
= +
1545
kg
„
B
= –
5700
„
Bei dem Max. Moment, welches der Berechnung zugrunde gelegt wurde, entstehen die
folgenden Spannungen:
Sez = 533 kg/qcm, Sbd = 19 kg/qcm.
Die Verbindung zwischen Pfahl und Längsbalken muß imstande sein, den Unterschied
zwischen Momente rechts und A links = 81600 cm/kg aufzunehmen,
was nach Zuziehung der Druckspannung in dem Pfahl durch Reaktion A eine max. Zugspannung von 790 kg/qcm in den
Eisenstangen des Pfahles ergibt (für den seltenen Fall, des Hochwassers bis 0,40 +
NW) Der Widerstand der Pfähle im Boden darf nicht
auf mehr wie 9–12000 kg veranschlagt werden; wir kommen hierauf noch zurück. Fig. 11 zeigt die Einzelheiten der Armierung des
zuletzt besprochenen Profils.
Profil des Troges in den höheren
Teilen (Fig. 12).
Textabbildung Bd. 322, S. 23
Fig. 11.Einzelheiten der Armierung von Querschnitt II.
Die allgemeine Form dieses Profils hat mit dem vorher besprochenen große
Uebereinstimmung, jedoch sind einige Abweichungen zu verzeichnen. Der hervorragende Rand
des Bodens beginnt mit einer Breite von 0,60 m, welches Maß an den Enden bis 0,30 m
zurückgeht. Die Pfahlreihen sind in Abständen von je 2,50 m aufgestellt, während die
Bodendicke von 0,21 auf 0,15 m verringert ist. Das Profil wurde für zwei Fälle
berechnet, erstens an den tiefsten Punkten bei Hochwasser auf 0,40 + NW und gänzlich leerem Trog; zweitens an den höchsten
Punkten bei Tiefwasser auf 0,40 – NW und vollbelastetem
Trog.
Textabbildung Bd. 322, S. 24
Fig. 12.Querschnitt III.
Berechnung der Längsbalken.
Den ungünstigsten Belastungszustand eines Längsbalkens zwischen zwei Pfählen hat man
an den oberen Enden des Troges bei Tiefwasser und vollbelastetem Boden zu suchen.
Bringt man für den Balken nur das Rechteck von 30 × 57 cm in Rechnung (also unter
Vernachlässigung der T-form), so ergeben sich die folgenden Höchstspannungen:
Sez = 157 kg/qcm, Sbd = 6 kg/qcm.
Aus diesen niedrigen Zahlen erhellt, daß die Längsbalken eine grosse konstruktive
Bedeutung haben, womit auch die schwere Armierung auf Schubspannung übereinstimmt,
(vergl. Fig. 13.)
Widerstand von Pfählen im Boden unter Wasser.
Nach den Versuchen von Möller in Braunschweig haftet ein
Pfahl im Boden dadurch, daß sich beim herausziehen ein Bodenkegel an denselben
anhängt, dessen abgestumpfte Spitze zusammenfällt mit der Endfläche des Pfahls und
dessen Richtlinien einen Winkel von etwa 45° mit der Senkrechten einschliessen.
Daneben ist die Reibung zwischen Pfahl und Boden zu beachten. Der kleinste dieser
Werte (Gewicht des Bodenkegels oder Reibung von Pfahl und Boden) bestimmt den
Widerstand des Pfahles gegen herausziehen, wobei, falls die Pfähle dicht beisammen
stehen, zu beachten ist, daß die Kegel einander durchdringen können.
Im vorliegenden Falle werden die Pfähle nach unten zu breiter, so daß man hier mit
Reibung von Sand auf Sand zu tun hat, welche Größe so gut wie möglich in folgender
Weise theoretisch bestimmt wurde. Ein im Boden befindlicher Pfahl empfindet den
Druck und die Reibung eines Bodenkegels, der nachstürzen würde, wenn man sich den
Pfahl aus dem Boden fortdenkt. Diese Reibung beträgt 0,20 × Gewicht des Kegels =
0,128 l3 × spez.
Gewicht von Sand unter Wasser, wobei der natürliche Neigungswinkel von Sand unter
Wasser zu μ = 27° angenommen wurde, und l die Höhe des Kegels darstellt.
Wie steht es nun mit den Sicherheitskoeffizienten der Pfähle? Die grösste
berechnete Reaktion, welche für einen Pfahl in Betracht kommt, beträgt 5700 kg bei
einem Wasserstand von 0,40 + NW, was eine grosse
Ausnahme bildet. Wasserstände von 0,20 + NW halten im
Winter lange genug an, um dem Wasser Gelegenheit zu geben den Trog vollständig unter
diesen Druck zu bringen; höhere Wasserstände dauern dafür zu kurze Zeit. Bei 0,20 +
NW kann man annehmen, daß die Reaktion von 5700 kg
verringert wird mit einem Druck von 0,20 m Wasser über ein Gebiet von
\frac{5}{8}\cdot 6\cdot 2\mbox{ qm}=7,5\cdot 200=1500\mbox{ kg},
also auf
5700 – 1500 = 4200 kg.
woraus sich eine Sicherheit von
\frac{9100}{4200}=2,2
ergibt, während diese Zahl bei 0,40 + NW
\frac{9100}{5700}=1,6
betragen würde. Diese Zahlen gelten für den wagerechten Teil
unmittelbar außerhalb der Brücke. Sollte der Mittelpfahl nachgeben, so übernehmen
die beiden Seitenpfähle, welche nun in den Boden hinein gedrückt werden, die
negative Reaktion, und erfahren dadurch selbst einen nach oben gerichteten Druck
von
\frac{1}{2}\,(2\cdot 1545-5700)=\sim\,1300\mbox{ kg},
was eine siebenfache Sicherheit bedeutet. Der Boden muß dafür
aber den Abstand von 6 m überspannen, wozu er auch imstande ist, weil sich in dem
Falle die Spannungen auf
Sez = 1050 kg und Sbd = 38 kg/qcm
stellen würden.
Die Spannungen.
Unter der Brücke.
Textabbildung Bd. 322, S. 24
Fig. 13.Armierung von Seitenwand und Unterstützungsbalken.
Trogboden
S
e
z
=
245
kg/qcm
S
b
d
=
12
„
Seitenwand
S
e
z
=
580
„
S
b
d
=
20
„
Ausserhalb der Brücke.
Trogboden
S
e
z
=
533
kg/qcm
S
b
d
=
19
„
Höhere Teile.
Längsbalken
S
e
z
=
157
kg/qcm
S
b
d
=
6
„
Beim Entwürfe wurden die Spannungen im Trogboden sehr niedrig gewählt, da das
Unbekanntsein der Brückenfundierung eine geringe Aenderung der geplanten
Pfahlaufstellung hätte herbeiführen können und man von dieser daher möglichst
unabhängig sein wollte. Die übrigen Spannungen betragen: Zug im Eisen 500 bis 600
kg/qcm, Druck
auf den Beton 20 kg/qcm; sie sind sicher niedrig zu nennen, besonders da die höchste Belastung
nur höchst selten erreicht wird.
Die hohen Spannungen, welche man vielfach bei Betoneisenkonstruktionen antrifft, sind
wohl oft dem Umstände zuzuschreiben, daß die konkurrierenden Firmen (mit günstigen
Ausnahmen) das Material aufs höchste beanspruchen, entweder um eine Arbeit zu
erwischen, oder um unbedingt die wirtschaftliche Ueberlegenheit der neuen Bauart im
Vergleich mit den älteren Verfahren darzutun. Ein Trog wie der oben beschriebene muß
nicht nur kräftig genug, sondern auch vor allem wasserdicht sein, auch bei etwaigen
Unfällen, wie Straßenbahnentgleisung, Achsenbruch eines schwer beladenen Wagens,
oder dergl. Bei der Ausführung einer derartigen Arbeit nach einer der alten
Bauweisen würde es gewiß keinem Ingenieur einfallen Material zu sparen, weil eine
genaue Rechnung die Ersparnis zulässig erwies. Warum findet man denn so oft das
Gegenteil bei Betoneisenkonstruktionen? Bei einer Arbeit von etwa 160000 M., wovon
45000 M. auf den Teil aus Betoneisen kommen, ein paar Tausend Mark an Eisen und
Beton sparen zu wollen, erscheint doch wirklich als eine verfehlte Sparsamkeit.
Aus den geringen Spannungen in den Längsbalken erhellt, daß diesen vor allem eine
konstruktive Bedeutung beigelegt wurde und zwar zur Erzielung eines festen
Längsverbandes. Die Längsbalken sind in je 2 m Abstand durch einen Pfahl auch gegen
seitliche Wirkungen verankert. Die Pfahlarmierung besteht aus 12 qcm Stahlstangen,
welche eine Schubkraft von 9600 kg (bei einer zulässigen Schubspannung von 800 kg/qcm) aufnehmen
können, wenn man die Betonverbindung zwischen Pfahl und Balken vernachlässigt. Wirkt
diese Schubkraft am oberen Ende des Pfahles, und denkt man sich im Boden in
Anschluss an den Pfahl einen Spannungsverlauf nach dem Hookeschen Satze, so hat der Pfahl die Neigung um einen Punkt zu drehen,
welcher etwa 1,10 m über der Pfahlunterkante liegt. Durch diese Drehung wird am
oberen Ende ein max. Druck von 3,3 kg/qcm auf den Sandboden ausgeübt, was als
durchaus zulässig erscheint, da der Sand nicht ausweichen kann.
Ausführung der Arbeit.
Nach Trockenlegung und Reinigung der Arbeitsstelle wurden die Pfähle außerhalb der
Brücke eingespritzt, nachdem sie durch stehenden Guß hergestellt und wenigstens
einen Monat erhärtet waren. Das Einspritzen der 1200 kg schweren Pfähle erfolgte
durch Anordnung eines Kranzes von vier Stahlröhren, welche oben zum Anschluss an
eine Dampfpumpe in einem gemeinsamen Kuppelstück zusammengefaßt und unten mit
seitlichen Löchern versehen waren um den Sand unter den Pfahl fortzuspülen, Nachdem
der Pfahl in dem Bock über die gewünschte Stelle angebracht und die Pumpe in
Tätigkeit gesetzt war, konnte die Versenkung in einigen Minuten bewerkstelligt
werden. Das ausgespritzte Loch war dabei nicht größer als der Pfahlfuß, während die
Seitenwände vollkommen hart blieben. Nach dem herausziehen der Spritzeinrichtung
wurde mit grobem Sand nachgefüllt. Die Pfähle unter der Brücke wurden mit Hilfe
eines Eisenzylinders von 0,90 m Durchmesser eingesetzt, wie schon oben
beschrieben.
Textabbildung Bd. 322, S. 25
Fig. 14.Arbeitsstelle nach dem Einsetzen der Pfähle.
Um den Trogboden vollkommen im Trockenen ausführen zu können, wurden folgende
Maßregeln getroffen: Vor dem Aufstellen und Flechten der Eisenarmierung wurde die
Arbeitsstelle mit einer Schicht Stampfbeton ausgekleidet und der darunterliegende
Boden in sorgfältigster Weise drainiert. Zur Wasserhaltung dienten zwei Lokomobilen
mit Zentrifugalpumpen. Nach dem Flechten wurde der Trogboden mit einem Male
gegossen, und zwar 260 cbm Beton in etwa 42 Stunden, wozu 80 Arbeiter und vier
Betonmühlen in Tätigkeit waren. Die Zusammensetzung des Betons war folgende: 1
Portl.-Zement + 1½ scharfer Sand + 2 feiner Kiesel, mit so viel Wasser, daß eine
breiartige Masse entstand, welche das Eisen überall gut umgab. Das überschüssige
Wasser konnte durch die poröse Arbeitsflur abfließen. Nach einer ruhigen dreitägigen
Erhärtung wurde der Boden vorsichtig mit Brettern überdeckt und nun die Herstellung
der Seitenwände in Angriff genommen, die dann in gleicher Weise durchgeführt
wurde.
Pumpenanlage.
Durch Zwischenschaltung der oben beschriebenen Plateaus auf 0,40 + NW mit 10 cm Gegenneigung wird so viel wie möglich
verhindert, daß Wasser von den höher gelegenen Teilen des Fahrweges in den
eigentlichen Trog strömt. Die Plateaus führen ihr Wasser in natürlicher Weise auf
den angrenzenden Kanal ab. Zur Wasserhaltung des Troges selbst mußte dagegen eine
eigene Pumpenanlage geschaffen werden. Mittels vier an den Ecken des wagerechten
Trogteiles befindlichen Abfuhrröhren wird das Wasser nach einer Sammelgrube aus
Betonringen von 2 m Durchmesser geleitet, in dem eine vorläufige Klärung
stattfindet. Die Sammelgrube steht mit der Empfanggrube und dem Pumpenschacht in
Verbindung. Erstere enthält eine auswechselbare Siebeinrichtung und einen
Klärungsraum, so daß nur fast reines Wassers zu der Pumpe gelangt. Auf dem Boden des
Pumpenschachtes fand eine Zentrifugalpumpe mit senkrechter Achse Aufstellung, deren
Saugrohr mittels einer verschließbaren Rohrleitung mit der Empfanggrube in
Verbindung steht; die Pumpe steht also vollständig im Trocknen, kann gegebenen Falls
zwecks Ausbesserung abgekuppelt werden und füllt sich dennoch im Betriebe von
selbst. Die senkrechte Pumpenachse ist, nach oben hin verlängert und in Straßenhöhe
unmittelbar mit einem Elektromotor gekuppelt.
Da die tiefste Stelle des Fahrweges im Troge auf 1,15 – NW liegt, so wurde der höchste erlaubte Wasserstand in der Empfanggrube zu
1,50 – NW angenommen, um auch bei heftigen Regengüssen
den Wasserstand sicher beherrschen zu können. Der Betrieb erfolgt selbsttätig.
Sobald nämlich der Wasserstand in der Empfanggrube sich 1,50 – NW nähert, wird mittels eines Schwimmers der
Elektromotor in Gang gesetzt und wieder ausgeschaltet sobald der Wasserstand um das
erforderliche Maß gesunken ist.
Sollten im Falle von gewaltigen Regengüsse alle
Neigungsflächen des Fahrweges ihr Wasser nach dem Troge führen, so würde das
Sammelgebiet eine Fläche von 2000 qm einnehmen. Veranschlagt man die größte
Regenmenge auf 1 mm i. d. Minute, so muß die Pumpe 2 cbm i. d. Minute von 1,50 – NW bis etwa 0,60 + NW
hinauf führen können, wofür ein Elektromotor von 4 PS zur Verfügung steht.