Titel: | Schutzvorrichtungen für Hochspannungsanlagen. |
Autor: | C. H. |
Fundstelle: | Band 322, Jahrgang 1907, S. 40 |
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Schutzvorrichtungen für
Hochspannungsanlagen.
Schutzvorrichtungen für Hochspannungsanlagen.
Unter der Bezeichnung „Schutzvorrichtungen für Hochspannungsanlagen“ sind
in D. p. J. 1899, Band 313, Heft 8, diejenigen
Vorrichtungen behandelt worden, welche bei Bruch der Freileitung von
Hochspannungsanlagen die Strecke stromlos machen und die Drahtenden als stromlose
Körper frei herunterfallen lassen.
Den Ausführungen waren diejenigen Schutzvorrichtungen zugrunde gelegt, welche unter
dem Namen Gouldsche Sicherheitskupplungen in den
späteren Jahren immer mehr bekannt wurden und sich bewährt haben. Welchen Wert und
Bedeutung diese von den größten Unternehmungen verwendeten und in den Jahren
1899/1904 in vielen hundert Kilometer Freileitungen und wohl ziemlich 30000
Exemplaren, eingebauten Vorrichtungen gewonnen hatten, geht auch daraus hervor, daß
die zugehörigen Patente No. 54840 und 57120 trotz der steigenden hohen
Jahresgebühren (jedes Patent an Gebühren in 15 Jahren 5280 M.) während der zulässig
längsten Patentdauer von 15 Jahren aufrecht erhalten wurden. Andererseits zeigen
sich auch die Schwierigkeiten, welche die Durchführung einer und gerade für solche
Zwecke praktisch verwendbaren Vorrichtung bereitet; denn wiewohl die Patente der Gouldschen Sicherheitskupplungen bereits im Jahre 1890
angemeldet wurden, und von da an als Patent liefen, gelang es erst im Jahre 1898
ihnen eine endgültige verwendbare Gestalt zu geben.
Diese im Jahre 1898 festgelegte, auf die eben genannten Patente sich stützende
Ausführungsform der Gouldschen Sicherheitskupplungen
wurde denn auch bis jetzt und in der in D. p. J. Heft 8, Band 313 niedergelegten
Weise beibehalten. Wenn nun auch in der 1899 beschriebenen Ausführungsform der
Schutzvorrichtungen, die diesen vordem noch anhaftenden Mängel beseitigt waren, und
diese Kupplungen heute noch als den Anforderungen genügend zu bezeichnen sind, so
entspricht es doch der ganzen fortschreitenden Entwicklung unserer Technik, eine
noch einfachere und vollkommnere Vorrichtung zu ersinnen. Es war hierbei auch
anzustreben den einzuhängenden Teil (Bügel) senkrecht und wagerecht drehbar
auszuführen, den Schnittpunkt der Drähte bei nicht in gerader Linie fortgeführten
Leitungen möglichst in den Mittelpunkt des Isolators zu verlegen, das Gewicht der
Vorrichtungen wesentlich zu verringern und die ganze Vorrichtung so zu gestalten,
daß die bisherigen sehr schweren Porzellanisolatoren mit großem Kopfdurchmesser
durch die moderneren Isolatorentypen von sehr geringem Gewicht ersetzt werden
können. Letzteres ist besonders wichtig, wenn man bedenkt, daß allein die bei den
Gouldschen Sicherungen verwendeten
Hochspannungsisolatoren, also ohne Kupplung und ohne Stütze je etwa 1½ kg wiegen,
dagegen die Deltaglocke für die gleiche Betriebsspannung nur etwa den fünften Teil.
Nicht nur der Transport bis zur Strecke und der noch schwierigere auf der Strecke
wird durch das Gewicht sehr beeinflußt, sondern es tritt auch eine außerordentlich
starke Belastung der Gestänge ein, wodurch die Kosten der Erstellung weiter
wesentlich erhöht werden.
Die Beseitigung der vorgenannten Uebelstände soll mit der auf einem ganz anderen
Gedankengang aufgebauten Hesseschen Kupplung erreicht
sein, die mit Patent vom 28. Februar 1904 und in weiterer Ausführung durch mehrere
Gebrauchsmuster geschützt ist. Nach verschiedentlichen Versuchen ist diese Kupplung
nunmehr in der Vollkommenheit durchgeführt, daß sie hiermit erstmalig öffentlich der
praktischen Verwendung übergeben werden kann.
Textabbildung Bd. 322, S. 41
Fig. 1.Hessesche Sicherheitskupplung.
In Fig. 1 ist die Hessesche Kupplung nach photographischer Aufnahme in etwas über halber
natürlicher Größe veranschaulicht. Der Porzellanisolator besitzt im Kopf Gewinde, in
welches der aus Messing bestehende verzinnte Haltebolzen unter Verwendung von Hanf
eingeschraubt wird. Der Gewindedurchmesser des Haltebolzens ist deshalb etwa 3 mm
geringer wie das Innengewinde im Porzellanisolator. Zwischen dem Gewindeloch für den
Haltebolzen der Schutzvorrichtung und dem unteren Gewindeloch für die
Isolatorenstütze befindet sich natürlich eine derartig starke Porzellanschicht, daß
auch bei der mehrfach höheren Prüfspannung ein Durchschlagen ausgeschlossen ist.
Der oben in den Isolator eingeschraubte Haltebolzen besitzt außer dem Gewindeschaft
eine kugelförmige Wulst, welche nach oben in einen zylindrischen Ansatz von ungefähr
dem drittel des Durchmessers der Kugel ausläuft. Dieser zylindrische Ansatz ist mit
einem Loch versehen, um mit einem Anziehstift den Haltebolzen in den Isolator
einschrauben zu können. Der Ansatz hat hauptsächlich i den Zweck, zu verhüten, daß
die hakenförmigen Bügel, die um die kugelige Wulst des Haltebolzens sich legen,
durch den Drahtdrall umschlagen und beim Bruch einer Leitung unter Umständen sich
verfangen können. Die Bügel müssen immer infolge der Lage ihres Schwerpunktes bei
einem Leitungsbruch nach unten fallen und hier können sie sich nicht verfangen, da
ihnen unten, worauf die Konstruktion auch Rücksicht nahm, jeglicher Angriffspunkt
fehlt.
Die Auflagestellen der Bügel sind der Kugelform des Haltebolzens entsprechend
ausgefräst. Hierbei ist die Auflagefläche etwa fünf Mal so groß wie der Querschnitt
des Freileitungsdrahtes. Die Freileitungsdrähte sind in dem Bügel derartig befestigt
(s. Fig. 1), daß der Bügel auf das Drahtende
aufgesteckt und dieses dann zu einer Schlaufe umgebogen und letztere wieder in den
Drahthalterteil des Bügels zurückgezogen wird. Um neben der so erzielten, auf den
Drahtzug berechneten mechanischen Festigkeit einen guten elektrischen Kontakt
zwischen Draht und Bügel zu erhalten, ist die Drahthalterverlängerung des Bügels,
bezw. das zur Aufnahme des Drahtes bestimmte Loch längs etwa 1 mm breit geschlitzt,
wodurch das Einfließenlassen von Zinn erleichtert wird. Auch ein
Uebergangswiderstand von dem einen Bügel über den Haltebolzen zum anderen Bügel
tritt, wie Versuche ergeben haben, und zwar weil die Auflagefläche mehrfach größer
ist wie der Drahtquerschnitt, nicht ein. Ferner bildeten sich bei den Wind und
Wetter ausgesetzten Kupplungen keine oxydationsschichten zwischen Bügel und
Haltebolzen. Die Erklärung liegt darin, daß nicht nur die Ausfräsung der Bügel der
Kugelform des Haltebolzens genau entspricht und die Auflageflächen deshalb gut
abgeschlossen sind, sondern daß auch durch die immer leicht schwankenden Bewegungen
und damit verbundenen Reibungen in der Kugellagerung diese sich leicht rein
erhalten. Auslösen der Bügel bei Wind und Stürmen ohne Drahtbruch ist nicht
eingetreten und deshalb auch ausgeschlossen, weil eine Auslösung nur denkbar wäre,
wenn eine ganz bedeutende Streckung der Freileitung in Richtung des Drahtzuges
eintreten würde. Bei dem großen Drahtgewicht, der Steifheit des Drahtes und der
äußerst geringen Angriffsfläche längs des Drahtzuges, ist aber eine derartige
Streckung ganz ausgeschlossen. Ein seitlich zum Drahtzug kommender Wind oder Sturm,
der die günstigste Angriffsfläche findet, verursacht nur eine seitliche Bewegung,
die zu keiner Auslösung führen kann, sondern nur zu einer leichten Drehung der Bügel
um den Haltebolzen. Eine Auslösung findet mithin nur beim Drahtbruch statt und dies
ist der Zweck der Schutzvorrichtung.
Bei eintretendem Drahtbruch lösen sich die Bügel an beiden Enden des gebrochenen
Drahtstückes aus den Isolatoren, bezw. deren Haltebolzen aus und fallen mit dem Draht stromlos zur
Erde (Fig. 2). Hierbei wurde beobachtet, daß, durch
das Losschnellen der Drahtenden, ohne Einwirken auf die weitere Leitung, diese
Drahtstücke erst eine schräge Lage einnehmen und dann ziemlich wagerecht zur Erde
niederfallen.
Textabbildung Bd. 322, S. 42
Fig. 2.Stromlos herabfallendes Leitungsstück.
Damit ist der Zweck der Kupplung, durch herabfallende,
Hochspannung führende Leitungen, weder lebenden Wesen Gefahr zu bringen, noch einen
Kurz- oder Erdschluß herbeizuführen, erreicht. Durch die auf der Zentrale sofort
angezeigte Stromlosigkeit der Leitung können die entsandten Leitungsaufseher nach
schneller Ermittlung der Bruchstelle und Einfügen eines neuen Drahtstückes, nachdem
natürlich auf der Zentrale die Leitung ausgeschaltet worden war, die unterbrochene
Freileitung sofort wieder in Betrieb setzen.
Textabbildung Bd. 322, S. 42
Fig. 3.Einfache Ausstattung mit gebogenen Stützen ab Holzmasten.
Die Montage ist sowohl sehr einfach wie billig. Wenn die Isolatoren nicht gleich mit
eingeschraubtem Haltebolzen versehen sind, können sie in bekannter Weise und
unter Verwendung von Hanf ähnlich wie die Stützen der Isolatoren in den Kopf
derselben eingeschraubt werden. Hierbei ist besonders zu beachten, daß insbesondere
die Kugeln der Haltebolzen vor jeder Beschädigung bewahrt bleiben und z.B. beim
Einschrauben keine Zangen, Feilkloben usw. verwendet werden. Alsdann werden die
Leitungsdrähte in einer der Entfernung der Gestänge zuzüglich Drahtdurchhang
entsprechenden Länge zugeschnitten und an beiden Enden wie oben geschildert mit
einem Bügel versehen. Hierauf ist es nur notwendig – bei stärkeren Drähten unter
Benutzung eines Flaschenzuges – die Bügel um die Kugel des Haltebolzens zu hängen.
Es ist dabei zu beachten, daß keine Knicke und Verdrallung im Draht eintreten.
Für stärkere Freileitungsdrähte, deren Enden sich nicht zu einer Schleife leicht
umbiegen lassen, werden Bügel mit entsprechenden anderen Drahthalterenden verwendet.
Die Isolatoren sind möglichst nur mit geraden Stützen zu versehen und solche mit
gebogenen Stützen nur in besonderen Ausnahmefällen, bei Holzmasten und I einer
geringen Leitungsanzahl, zu verwenden.
Bei der Anordnung der Hochspannungsfreileitung ist darauf Bedacht zu nehmen, daß die
einzelnen Leitungen nebeneinander und nicht übereinander geführt werden. Muß hiervon
in begrenzten Fällen abgewichen werden, so ist bei nur geringer Entfernung der
Drähte übereinander für einen genügenden seitlichen Abstand Sorge zu tragen. Fig. 3 zeigt eine billige Ausführungsform bei
Unterbringung von höchstens drei Leitungen an einem Holzmast. Vorzuziehen sein
dürfte die in Fig. 4 bei sechs Leitungen und bei
Gittermasten skizzierte Anordnung, die auch bei weniger oder mehr Leitungen
Verwendung finden könnte und auch auf Holzmasten übertragbar sein würde.
Textabbildung Bd. 322, S. 42
Fig. 4.Anordnung von sechs Leitungen an Gittermasten.
Der Vollständigkeit halber sei, ohne mit der Verwendung der Kupplungen in
Zusammenhang stehend, bemerkt, daß es zulässig ist, in genügender Entfernung und
zweckmäßiger Anordnung unter den Hochspannungsleitungen, Telephonleitungen
anzubringen, wie dies auch in der Praxis schon vielfach geschehen ist. Hierbei
betrugen die Entfernungen zwischen Hochspannungsleitungen und Telephonleitungen
mindestens 1 m, sie sind aber zweckmäßiger auf 2 eventl. auf 3 m auszudehnen. Da
indessen bei Verlegung von Telephonleitungen an demselben Gestänge und beim
Parallellaufen mit den Hochspannungsleitungen, den Telephonbetrieb störende
Induktion eintritt, so empfiehlt es sich zur Vermeidung solcher Induktion die
Hochspannungsleitungen öfters zu kreuzen, wie Fig. 5
zeigt. Hierbei können nach Fig. 6 an den Gestängen
je zwei verschiedene Isolatoren in verschiedener Höhenlage hintereinander angeordnet
werden. Solche Kreuzungen sind aber nur bei etwa jedem fünfzehnten Gestänge
erforderlich und bei solchen Leitungen, die nicht mit Schutzvorrichtungen
ausgestattet sind, anwendbar. In der schematischen Darstellung (Fig. 5) sind die Isolatorenstützpunkte, bezw. Gestänge mit
Punkten, und die Kreuzungsstellen mit einem Kreuzchen bezeichnet.
Textabbildung Bd. 322, S. 43
Fig. 5.Kreuzung bei gleichzeitig vorhandener Telephonanlage.
Die konstruktive Ausführung der Kupplung ist dem zu verwendenden
Freileitungsquerschnitt und den Betriebsspannungen angepaßt. Ebenso wie die
Porzellanisolatoren sich für Betriebsspannungen bis zu 6000, 10000, 15000, 20000 und
25000 Volt Betriebsspannung (die Prüfspannungen sind entsprechend höher) in den
Abmessungen und
Textabbildung Bd. 322, S. 43
Fig. 6.Kreuzung bei gleichzeitig vorhandener Telaphonanlage.
in der Ausbildung unterscheiden, so werden auch die
Sicherheitskupplungen unter Berücksichtigung der verschiedenen Drahtdurchmesser (4,
5, 6 und 7 mm eventl. auch mehr) verschieden bemessen, da die Bruchfestigkeiten der
Sicherheitskupplungen der Zugbeanspruchung reichlich genügen und die Bügel
zwecks Befestigung den Drahtstärken entsprechen müssen.
Das Gewicht der Hesseschen Kupplungen ist mit etwa 0,25
kg f. d. Stück noch nicht halb so groß, wie dasjenige der Gouldschen Sicherheitskupplungen und ein Isolator zu den Hesseschen Kupplungen wiegt ohne Stütze nur etwa 0,29
kg gegenüber 1,3 kg der bei den Gouldschen
Sicherheitskupplungen verwendeten Isolatoren. Bei 6000 Volt Betriebsspannung wiegt
die vollständige Hessesche Kupplung mit Isolator ohne
Stütze etwa 0,54, dagegen die Gouldsche
Sicherheitskupplung mit Isolator etwa 2,00 kg also beinahe das Vierfache der neuen
Vorrichtung.
Die in D. p. J. Bd. 313, Heft 8 gegenüber Schutznetzen angegebene
Kostenvergleichstabelle, die schon damals für die Sicherheitskupplungen sprach, wird
heute noch wesentlich zugunsten der Sicherheitskupplungen gebessert. Während
gegenüber dem damaligen Materialstand die Ausrüstungsteile für Schutznetze sich
verteuerten, sind die der damaligen Tabelle zugrunde gelegten Preise der Gouldschen Sicherheitskupplungen trotz
Materialverteuerung durch die inzwischen verfallenen Patente bezw. in Fortfall
gekommenen Lizenzen, billiger geworden und die vorliegenden Hesseschen Kupplungen werden trotz Patent-Licenz nicht teuerer, da diese
in Material und Herstellung billiger sind. Hierdurch werden die
Gesamtherstellungskosten und Ausstattung von Hochspannungsanlagen mit
Sicherheitskupplungen je nach der Anzahl der Leitungen um ungefähr 15–30 v. H.
billiger, als die Ausstattung mit Schutznetzen.
Ist schon die Herstellung von Schutznetzen im Bau und deren Unterhaltung im Betriebe
wesentlich teurer, so sprechen technisch gegen die Schutznetze bekanntlich die
vielfachen Störungen, die sie durch Schnee- und Eisbelastungen sowie durch
hineinfliegende kurzschlußbildende Körper sowie bei Stürmen, herbeiführen.
Nachteile, denen die Sicherheitskupplungen nicht unterworfen sind.
Die Verwendung von Sicherheitskupplungen wird bei allen denjenigen
Hochspannungsleitungen notwendig, welche auf Wegen und über sonstige lebenden Wesen
zugängliche Gebiete geführt werden. Aber auch bei allen anderen
Hochspannungsfreileitungen wird die Verwendung von Sicherheitskupplungen zwecks
Vermeidung von Erdschlüssen bei Leitungsbrüchen, in Erwägung zu ziehen sein.
Die Ausführung der beschriebenen Kupplung ist der Firma Elektrotechnische Werke Darmstadt, G. m. b. H. zu Darmstadt übertragen.
Als Porzellanisolatoren sind unter zweckentsprechender Gestaltung des Kopfes (bes.
Gebrauchsmuster) die der Porzellanfabrik Hermsdorf. S.
A. patentierten Deltaglocken verwendet und können auch von dieser Firma
bezogen werden.
C.
H.