Titel: | Münzplattensortiermaschinen. |
Autor: | Anton Munkert |
Fundstelle: | Band 322, Jahrgang 1907, S. 68 |
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Münzplattensortiermaschinen.
Von Dr. Anton Munkert.
Münzplattensortiermaschinen.
Abgesehen von der durch die Prägung geschaffenen äußeren Form hat jedes
umlauffähige Münzstück im Gewichte und Feingehalt, in Schrot und Korn, den
gesetzlich festgelegten Normen zu entsprechen.
Im Münzbetrieb beansprucht das Justieren, das ist die Erzielung des genauen Gewichtes
eines jeden einzelnen Stückes die größte Sorgfalt und bedeutenden Zeitaufwand.
In früherer Zeit war bei den primitiven Hilfsmitteln der damaligen Münztechnik die
richtige Stücklung nur innerhalb verhältnismäßig weiter Grenzen erreichbar. Zur
Sortierung der ausgeschnittenen Münzplättchen mußte jedes einzelne Stück mittels
kleiner Handwagen gewogen werden und das Justieren der schweren Platten geschah
sodann durch Abfeilen oder Abschaben mit Hilfe primitiver Werkzeuge.
Erst in den siebziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts fanden sinnreich
konstruierte selbsttätige Wägemaschinen im Münzbetrieb allgemein Eingang und die
Leistungsfähigkeit der Münzstätten erfuhr hierdurch eine bedeutende Steigerung.
Die Wurmsche Münzplättchensortierungs- oder
WagelmaschineKatalog der
österreichischen Abteilung. Weltausstellung Paris 1900, Heft 1 S.
76–78., von Mechaniker Franz
Xav. Wurm in Wien im Jahre 1834 konstruiert, ist als das Urmodell einer
derartigen maschinellen Wägevorrichtung zu betrachten. Genannte Maschine sortiert
die Münzplatten nur nach zwei Sorten, während die späteren Konstruktionen mindestens
drei Sortierungen zu liefern vermögen.
Die Konstruktion und Arbeitsweise dieser Maschine besteht in folgendem: Ein System
von zehn Münzwagen, deren Wagbalken auf der einen Seite je ein Normalgewicht tragen,
wird durch eine der ganzen Maschine entlanglaufende Antriebswelle in Tätigkeit
gesetzt, indem von zehn in eine Hülse gefüllten Münzplättchen je eines mittels eines
gemeinschaftlichen Zubringers auf die andere Wagschale geschoben wird. Nach Hebung
der Wagen und nach erfolgtem Spiele der Wagbalken wird jedes einzelne Plättchen
durch eine Feder seitwärts von der Wagschale geschnellt und fällt, je nachdem es zu
leicht oder zu schwer ist, in einen höher oder tiefer gelegenen Schlitz und von da
durch einen Trichter in das Sortiergefäß.
Die Wurmsche Sortiermaschine erwies sich für den
praktischen Gebrauch als nicht geeignet. Der Maschine hafteten insbesondere zwei
Fehler an; einerseits gewährte das rasche Wegschnellen der Münzplättchen keine
genügende Sicherheit dafür, daß die einzelnen Plättchen immer in das richtige Fach
gelangten und andererseits hatte die stoßweise Erschütterung, welcher die Maschine
ständig ausgesetzt war, eine zu schnelle Abnutzung der empfindlichen Wagen im
Gefolge.
In chronologischer Beziehung ist hier nun zunächst die Münzwage von SéguierArmengaud. Génie
industriel 1858. zu erwähnen, welche mit fünf einzelnen,
nebeneinander befindlichen Wagen eingerichtet war. Nähere Angaben über die
Verwendbarkeit dieser Maschine liegen nicht vor.
Bei dem Bestreben von Ludwig Seyß in Atzgersdorf bei
Wien, die Fehler der Wurmschen Maschine zu beheben,
entstand schließlich im Jahre 1871 eine ganz neue Maschine. Die gleichzeitige
Betätigung der zehn Wagen durch eine gemeinsame Welle, sowie die einseitige
Belastung der Wagbalken durch Normalgewichte blieben zwar beibehalten, die übrigen
Einrichtungen schuf aber Seyß auf ganz neuen
Grundlagen.
Bei der Münzplattensortiermaschine von Ludwig SeyßDinglers
Polyt. Journal 1872, Bd. 203, S. 241; 1874,
Bd. 213, S. 279. – Oesterr. Zeitschrift für
Berg- und Hüttenwesen 1871. – Amtlicher Bericht über die Wiener
Weltausstellung 1873, Bd. II, Heft 1. – Katalog der österr. Abteilung.
Weltausstellung Paris 1900, Heft 1. S. 78–82. (Fig. 1–3) sind
nachfolgende Maschinenteile zu unterscheiden, welche von der Hauptwelle aus
hauptsächlich durch Exzenter angetrieben werden.
a) Der eigentliche Wägemechanismus setzt sich aus zehn einzelnen Wagen zusammen,
bestehend aus je einem gleichschenkligen Wagbalken, der durch zwei hochkant
gestellte, parallele Stahlblechstreifen f (Fig. 3) gebildet wird. Der Wagbalken trägt einerseits
die Aufhängevorrichtung mit dem Normalgewichte g,
andererseits eine besonders konstruierte Tasche e zur
Aufnahme der zu wägenden Münzplatten. Die Tasche hat einen federnden Verschluß,
welcher durch ein bewegliches Kulissensystem ausgelöst werden kann.
b) Der Zubringer b mit Füllbecher a steht mit einer Vorkammer in Verbindung, aus der die
Münzplatte durch Oeffnen des Schiebers d in die
Wagtasche e fällt. Der Zubringer und die mit
Schieberverschluß versehene Vorkammer stellen die Nebenapparate der Maschine
vor.
c) Zur Arretierung des ganzen Wagsystems stehen drei Vorrichtungen zur Verfügung. Zum
Festhalten des Wagbalkens vor Beginn des Wagens sind Balken- und
Schalenarretierungen an dem bügelartigen Rahmen kl
angebracht, welcher sich an der die Tragsäule h der
Wage umschließenden beweglichen Hülse i befindet. Um
nach beendigter Wägung die Platte aus der Wagtasche entfernen und hernach eine neue
Platte zuführen zu können, ist eine besondere Arretierungsvorrichtung vorhanden,
welche unterhalb der
Tasche e eingreift und aus zwei Klemmbacken mit
mehreren Einkerbungen besteht.
Textabbildung Bd. 322, S. 69
Fig. 1.Münzsortiermaschine von Seyß.
d) Zur Erreichung einer stufenweisen Aussonderung der Münzplättchen befinden sich auf
den Wagbalken geeignete Reitergewichte (II-V), welche
auf staffelförmig ausgeschnittene Stahlbleche (2–5)
abgelegt werden können. Die äußersten Grenzlagen des schwingenden Wagbalkens sind
durch zwei im Balken festsitzende Stifte I und VI festgelegt.
e) Der staffelförmigen Ablage der Reitergewichte entsprechend, besteht das bewegliche
Kulissensystem aus 3 bis 6. Kanälen.
Textabbildung Bd. 322, S. 69
Fig. 2.Münzsortiermaschine von Seyß.
Der ganze Sortierungsvorgang erfolgt somit in nachfolgenden Phasen: Herunterfallen
der zu wägenden Platte aus der Vorkammer in die arretierte Tasche – Lösen der
Taschenarretierung – Festhalten der Wage durch die beiderseitigen Balken- und
Schalenarretierungen – Auslösen dieser beiden Arretierungen – Eigentliches Wägen mit
gleichzeitigem Abheben bezw. Ablegen der betreffenden den Reitergewichte –
Festhalten der Tasche durch die beiderseitige Backenarretierung – Entleeren der
Wagtasche infolge Auslösens des federnden Verschlusses durch das bewegliche
Kulissensystem. (Beim Vorgehen des Zubringers gelangt die Platte in die Vorkammer
und verbleibt in derselben solange, bis bei der Rückbewegung des Zubringers auch der
Schieber zurückgezogen wird und die Platte in die Wagschale fällt.)
Hartig erachtet die Zuverlässigkeit der Sortenbildung am
größten, wenn die dem Wagbalken zur Erlangung der Gleichgewichtslage gelassene Zeit
etwas mehr beträgt als die volle Schwingungsdauer, welche zu 8–10 Sekunden
angenommen wird, so daß jede Wage i. d. Minute 3–4 Platten zu sortieren vermag.
Die Arretierungsperiode umfaßt die Zeitdauer vom Herunterfallen der Platte bis zum
Auslösen der Arretierungen; die nunmehr folgende bis zur Entleerung der Tasche
verfließende Zeit beansprucht die eigentliche Wägungsperiode. Wenn z.B. der ganze
Wägungsprozeß in 17 Sekunden verläuft, so kommen auf die Füll- und
Arretierungsarbeiten 5 Sekunden und auf die eigentliche Wägung 12 Sekunden.
Das Heruntergleiten der Plättchen aus den Vorkammern in die Taschen hat stets eine
gewisse Erschütterung der Wagen im Gefolge; dieser Umstand macht sich zwar selbst
nach jahrelanger Benutzung der Maschine für mäßig schwere Platten nicht sehr
fühlbar, wohl aber verbietet er das Sortieren sehr schwerer Münzplatten.
Textabbildung Bd. 322, S. 69
Fig. 3.Münzsortiermaschine von Seyß.
Die sinnreiche Anordnung der staffelförmigen Ablage der Reitergewichte, welche die
sehr zweckmäßige Aussonderung der sog. schwarzen Platten in 6 Klassen mit Hilfe
einer Maschine gestattet, bildet einen schätzbaren Vorzug der Seyßschen Maschine gegenüber den anderen meist nur
dreiklassigen Münzsortiermaschinen.
In zahlreichen Münzstätten hat die Seyßsche Maschine,.
welche jetzt in der fast ursprünglichen Form von Mechaniker Karl Nicolaus Richter in Wien gebaut wird, Eingang gefunden und nach
amtlichen Angaben befanden sich im Jahre 1900 in den verschiedensten Ländern 88
Maschinen in Verwendung. –
Ebenso wie in Oesterreich war man auch in England bemüht, die langwierige Arbeit des
Auswiegens jeder einzelnen Münzplatte durch eine maschinelle Vorrichtung zu
ersetzen. Die im Jahre 1870 von W. CottonBulletin de la Société d'Encouragement 1870
p. 179. – Dinglers Polyt. Journal 1870, Bd.
197, S. 195–199. und R. Pilcher konstruierte selbsttätige Wage bildete eine Lösung der
gestellten Aufgabe; später wurde die Maschine von Napier wesentlich verbessert und fand in dieser Form große
Verbreitung.
Die Napiersche MünzsortiermaschineE. Schlösser, Münztechnik Hannover
1884. umfaßt zwei Wagsysteme mit den zugehörigen
Einfüllröhren und Arretierungsvorrichtungen. Jede Wage besteht aus einem
gleicharmigen Balken, an dessen Enden zwei steigbügelähnliche Wagschalen aufgehängt
sind, wovon die eine zur Aufnahme des Gewichtsstückes dient, während die andere
oberhalb des Balkens einen Wagtisch trägt, auf welchen die zu wägenden Münzplatten
mittels des Zubringers aus dem Zuführungskanal gelangen.
Zur Arretierung der Wage dient eine unterhalb der Wagschalen befindliche
Regulierungsstange, sowie eine unterhalb des Wagbalkens angebrachte besondere
Klemme. Durch die Regulierungsstange erhält gleichzeitig auch ein Indikator die
entsprechende Stellung; letzterer bewirkt, daß die ausgewogene Platte in den
richtigen Sammelbehälter gelangt.
Als Gegengewicht dient das gesetzlich zulässige Minimalgewicht der zu sortierenden
Münzsorten. Am unteren Ende der mit Gegengewicht belasteten Wagschale befindet sich
ein Toleranzreiter im Gewichte des gestatteten Remediums. Das Toleranzgewicht stellt
somit die gesetzliche Gewichtsabweichung unter dem Normalgewichte dar und ergänzt
das in der Schale befindliche Grenzgewicht bis zum Normalgewicht. Es sind demgemäß
alle Platten, welche das Toleranzgewicht nicht zu heben vermögen, zu leicht; alle
schwereren Platten werden je nach der Indikatorstellung als „normal“ oder
„schwer“ ausgeworfen.
Die Wage sortiert nach zwei oder drei Klassen; im ersteren Fall trennt sie diejenigen
Platten, welche schwerer als das festgesetzte Grenzgewicht sind, von jenen, welche
leichter sind; bei der Sortierung nach drei Klassen scheidet die Maschine die
Platten in solche aus, welche das gestattete obere Grenzgewicht überschreiten, dann
in jene, welche innerhalb der Toleranz liegen und schließlich in leichte.
Die dreiklassige Maschine vermag Platten zu sortieren, welche im Gewicht von einem
Fünffrankstück oder Dollar abwärts bis zu einem englischen ½ Sovereign variieren
dürfen. Die Schnelligkeit, mit welcher die Maschine arbeitet, hängt natürlich von
dem Gewichte der zu sortierenden Platten ab, so können z, B. bei Platten im Gewicht
von einer Rupie (11,66 g) i. d. Minute 26 Stück ausgewogen werden.
Die zweiklassige Maschine ist besonders für den Gebrauch in Banken eingerichtet und
kann, wenn nötig, auch mit der Hand angetrieben werden; sie vermag i. d. Minute 60
Stück zu sortieren.
Von der Napierschen Maschine, welche die Firma D. Napier & Son, Acton
Vale, London W, anfertigt, steht besonders die dreiklassige Maschine in zahlreichen
Münzstätten in Verwendung, so allein über 140 Stück in den indischen Münzen und über
70 Stück in der russischen Münze.
Im Anschlusse an die Napiersche Maschine ist nun die Münzsortiermaschine von Paul Stückrath in
Friedenau-Berlin zu erwähnen, welche der Napierschen
Maschine sehr ähnlich konstruiert ist. Dieselbe ist mit drei Wagsystemen
ausgestattet, sortiert Münzplatten, welche im Gewicht und Größe zwischen einem
Zehnmarkstück und einem Zweimarkstück liegen, in drei Klassen und liefert i. d.
Minute 60 Stück (20 Stück für die Wage).
Eine von dem Mechaniker Paul Bunge in Hamburg im Jahre
1876 neukonstruierte selbsttätige Münzwägemaschine wurde zunächst in den Münzstätten
Berlin und Hamburg eingehenden Prüfungen unterzogen, welche günstige Ergebnisse
lieferten.
(Schluß folgt.)