Titel: | Ueber einige eisenbahnsignal-technische Neuigkeiten. |
Autor: | L. Kohlfürst |
Fundstelle: | Band 322, Jahrgang 1907, S. 88 |
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Ueber einige eisenbahnsignal-technische
Neuigkeiten.
Von L. Kohlfürst.
(Fortsetzung von S. 73 d. Bd.)
Ueber einige eisenbahnsignal-technische Neuigkeiten.
II. Ergänzungen und
Vervollkommnungen zu mechanischen Weichen- und Signalstellwerken oder zu
Siemens-Halskeschen Blockeinrichtungen.
In Nummer 19–22 der „Eisenbahntechnischen Zeitschrift“ Jahrgang XI, macht
Regierungsbaumeister a. D. Gustav Braun Vorschläge für
„Normalien“ zum Bau mechanischer Stellwerksanlagen, darauf hinweisend,
daß es mit Rücksicht auf den heutigen hohen Entwicklungsstand der innerhalb aller
geschlossener Eisenbahngebiete ohnehin grundsätzlich übereinstimmenden Einrichtungen
besagter Gattung vorteilhaft und wichtig sein dürfte, auch für deren konstruktive
Ausführung eine Einheitlichkeit anzubahnen, wie sie beispielsweise bezüglich des
Oberbaues oder der Fahrbetriebsmittel usw. besteht. Der Begriff „Normalien“
ist hier wahrscheinlich zunächst so gemeint, daß bei jeder bestimmten
Stellwerksbauart die sämtlichen Einzelheiten vermöge ihrer Form, ihren Abmessungen
und ihres Materials in jeder Anlage gleicher Gattung, möge dieselbe was immer für
eine Ausdehnung besitzen, für denselben Zweck und an gleicher Gebrauchsstelle ohne
Abänderung verwendbar sein sollen. Innerhalb dieser engeren Grenze wird die
Bestrebung gewiß auf allseitige Zustimmung rechnen können; sobald aber der Vorschlag
dahin erweitert würde, daß sich die Einheitlichkeit auf alle Einrichtungen eines
ganzen Eisenbahngebietes zu erstrecken hätte, dann ergäben sich für die Beurteilung
der Frage zwei weit auseinander gehende Gesichtspunkte und es werden sich aus
naheliegenden Gründen, die zu verfolgen hier nicht der Platz ist, im allgemeinen
ebensoviel, wenn nicht zahlreichere Gegner als Verfechter der Idee finden. Die Braunsche, also immerhin schon an sich eine nähere
fachmännische Erwägung und Ueberprüfung verdienende Anregung ist durch Vorführung
einer Stellwerksanlage belegt, deren mehr oder minder aus dem Bestehenden
abgeleiteten Einzelheiten eben im Bestreben der Vereinheitlichung Ausgestaltungen
erhalten haben, welche für Konstruktionsformen, Materialien und Herstellungsweisen
bisher gewonnene Erfahrungen verwerten oder auch ganz neue Wege einschlagen.
In letzterer Beziehung darf unter andern der in Fig.
5 dargestellte Weichenhebel als
bemerkenswertes Beispiel gelten. Auf der im Bocke I festgemachten mit
einer Rotgußhülse 3 bewehrten Achse 2 sitzt drehbar der Stellhebel 4, auf dessen Nabe, wie die Querschnitte ab und cd näher ersehen
lassen, die Stellscheibe 5, welche bei einer halben
Umdrehung einen Drahtweg von 500 mm erzeugt, lose aufgesteckt ist. Das obere Ende
der in einem fest am Stellhebel angebrachten Führungskolben 10 verschiebbaren Fallenstange
Textabbildung Bd. 322, S. 89
Fig. 5.
Textabbildung Bd. 322, S. 89
Fig. 6.
Textabbildung Bd. 322, S. 89
Fig. 7.
9 wird von dem durch die Bolzen 6 und 8 bei 4 bezw. 9 angelenkten
Fallengriff 7 gebildet. Letzterer steht durch die in
ihm eingehängte Spannfeder II mit der Aufscherklinke
30 in Verbindung, welche auf dem in 4 angebrachten Drehbolzen 12 sitzt und keilförmig in den Stellscheibenrand eingreift. Das untere
Ende der Fallenstange 9 ist gabelförmig geteilt und
daselbst ein mittels zweier Zapfen gegen jede Lockerung wohlgesicherter Gleitbolzen
14 eingesetzt, der in den Schlitz 15 einer Zugstange 16
eingreift. Die an dem Bock 1 geführte Zugstange hat
auch an ihrem unteren erbreiterten Ende einen Schlitz 17; hier greift ein kantiger Gleitbolzen 18
ein, welcher in dem am Weichenstellbock und an den beiden Wangenstücken 20, 20 des Schubstangenregisters in Führungen laufenden
Verschlußschieber 19 eingezapft ist. An dem letzteren
sind die Rechenzähne bezw. Zahnaussparungen 21
vorhanden, deren Aufgabe darin besteht, das Eintreten der Verschlußelemente 23 und 24 in den
Verschlußschieber je nach der Lage des Weichenhebels zu gestatten oder zu
verwehren.
So lange der Weichenhebel die in Fig. 5 dargestellte
Grundstellung einnimmt, würde nach dem vorliegenden Beispiel bei einer Verschiebung
der Fahrstraßenschubstange 22 das Verschlußelement 23 durch den betreffenden Zahnausschnitt des
Verschlußschiebers 19 gelangen können, die beiden
Verschlußelemente 24 jedoch nicht und es ließen sich
sonach das erstere als (+) Verschlußelement, die beiden letzteren hingegen als (–)
Verschlußelemente benutzen. Soll das Umstellen des Weichenhebels erfolgen, so wird
zunächst durch Andrücken des Fallengriffes 7 die
Fallenstange 9 hochgehoben, wobei ein nasenartiger
Vorsprung 25 derselben, welcher sich in einem Schlitze
des Stellhebels 4 bewegt, aus der im Stellbockrand
ausgesparten Rast 26 ausgerückt und dafür in den
Ausschnitt 27 des an der Stellscheibe 5 angegoßenen Ringes 28
eingeschoben wird, womit die Kupplung zwischen Stellhebel und Stellscheibe vollzogen
ist. Gleichzeitig zieht Fallenstange 9 auch die Stange
16 durch Vermittlung des Gleitbolzens 14 so weit empor, daß der Gleitbolzen 18 in das senkrechte Stück des Schlitzes 17 gelangt, wie es Fig.
6 ersehen läßt. Da sich nun die Zugstange 16
bloß in senkrechter Richtung bewegen kann, muß beim letztbetrachteten Vorgang der
Verschlußschieber 19 (Fig.
6) in der durch den Pfeil gekennzeichneten Richtung ausweichen. Diese
Verschiebung genügt, um den Zahnausschnitten eine Lage zu erteilen, welche das
Ziehen der Fahrstraßenschubstange 22 verhindert, d.h.
lediglich durch die Handhabung des Fallengriffes, bevor noch der Weichenhebel bewegt
wird, hat eine Fahrstraßen- bezw. Signalsperre platzgegriffen, die solange andauert,
bis der Hebel richtig umgelegt und verklinkt worden ist. Wenn nämlich das Umstellen
der Weiche, wobei der Stellhebel nebst Stellscheibe eine Winkelbewegung von 180°
machen, erfolgt, so schleift die Nase 25 auf dem Wulst
29 des Bockes 1 bis
sie am Abschluß ihres Weges zur zweiten Rast 30 des
Bockes gelangt und hier, vorausgesetzt daß der Fallengriff losgelassen wurde,
einfällt.
Während dieser Umstellung bleibt die Lage der Fallenstange 9 hinsichtlich ihrer Längenrichtung, also auch die Zugstange 16 und der Verschlußschieber 19 ungeändert, weil beim Ausklinken der Fallenstange der Gleitbolzen in
den Drehpunkt der Stellscheibe bezw. in die verlängerte Achse der Welle 2 gelangte, während der im senkrechten Teil des
Schlitzes 17 eingeschlüpfte Gleitbolzen 18 in dieser Leerlaufstellung keinen verschiebenden
Einfluß mehr auf 19 zu nehmen vermag. Sobald aber der
Stellhebel nebst Scheibe seinen vorbesagten Weg vollendet hat und die Nase 15 in die Rast 30
einfällt, geht die Fallenstange wieder ebensoviel empor wie früher bei der
Ausklinkung, weshalb auch die Zugstange genau wie vorhin höher gehoben und weil hierdurch der
Gleitbolzen 18 in die untere Schräge des Schlitzes 17 gelangt, auch der Schieber 19 wieder im Sinne des Pfeiles X angetrieben
wird. Zugleich erhalten der Fallengriff und die Fallenstange ihre Sperrlage zurück,
wodurch die zwischen der letzteren und der Stellscheibe während des Umlegens
bestandene Kupplung gelöst wird. Der Verschlußschieber hat durch diesen Vorgang die
in Fig. 7 dargestellte Lage erhalten, bei der
nunmehr die (–) Verschlußelemente 24 in die Verzahnung
eintreten und die Weiche festlegen können.
Selbstverständlich wickeln sich beim Rückstellen des Weichenhebels in seine
Normallage genau dieselben Vorgänge ab, wie beim Stellen, nur in umgekehrter
Reihenfolge; es erhält daher beim Ausklinken der Fallenstange zunächst der
Verschlußschieber wieder die durch Fig. 6 erläuterte
Signal- und Fahrstraßensperrlage, um erst nach erfolgtem Umlegen des Hebels und nach
richtigem Einklinken der Fallenstange die in Fig. 5
dargestellte Grundstellung zurückzuerhalten, wobei die Fahrstraße und mit ihr das
Signal wieder frei wird.
Textabbildung Bd. 322, S. 90
Fig. 8.
Es unterliegt keiner Schwierigkeit – was wohl als ein besonderer Vorzug gelten darf –
bei der vorgeschilderten Anordnung die Verschlußelemente, ähnlich wie an senkrechten
Verschlußregistern, in gleichen Abmessungen und ganz gleicher Form durchzuführen,
wodurch natürlich der Uebersichtlichkeit wesentlicher Vorschub geleistet und sowohl
die Herstellung als die Benutzung und Ueberwachung sehr erleichtert wird.
Verschlußelemente solcher Art zeigt Fig. 8. Ihre
Befestigung an der Schubstange geschieht einerseits vermittels eines Stellstiftes
c, hauptsächlich aber mit der durch die Stange (22 in Fig. 5, 6 und 7) geführten
Bolzenschraube a; davon hat die letztere den bei den
Bewegungen der Schubstange allenfalls vorkommenden Druck oder Stoß aufzunehmen und
wird hierin durch den Stellstift c unterstützt, dessen
Hauptaufgabe es jedoch ist, Verdrehungen des Elementes hintanzuhalten. Um von
vorhinein die leichte und sofortige Einschaltung von (+) oder (–) Elementen an
ursprünglich unbenutzten Stellen oder auch die Umwechslung vorhandener (+) oder (–)
Elemente in (–) bezw. (+) Elemente zu ermöglichen, ist beiderseits an allen
Kreuzungsstellen der Verschlußstange mit dem Verschlußschieber in ersterer je ein
Stellstift c dauernd eingesetzt und zur Verwendung
bereit und je eine Bohrung für die Bolzenschraube a
vorhanden, so daß das Element sowohl links als rechts vom Schieber (19 in Fig. 5, 6 und 7) in gleicher
Weise angebracht werden kann. Damit aber die Befestigung des Verschlußelementes
diesseits wie jenseits des Verschlußschiebers sich ohne Umkehrung des ersteren
bewerkstelligen läßt, was geboten sein kann, so sind auch im Fußstück des Elementes
für die Unterbringung des Stiftes c in angemessener
Entfernung von der Bohrung für a zwei symmetrisch
angebrachte Bohrungen b vorgesehen, von denen
natürlich immer das eine oder andere bestimmt ist, unbenutzt zu bleiben.
Es erübrigt schließlich auch noch das Verhalten des Weichenhebels hinsichtlich der
Voraussetzung zu verfolgen, daß die Weiche, sei es in der Grundstellung, sei es in
der umgelegten Stellung, aufgeschnitten wird. In einem solchen Fall löst sich
zufolge des im Doppeldrahtzug der Weichenstellvorrichtung auftretenden
Spannungsunterschiedes die Abscherklinke 13 von der
Stellscheibe 5, und letztere dreht sich der
Drahtspannung folgend in der einen oder anderen Richtung so weit, bis sie mit dem
Knaggen 32 oder 33 an den
am Bocke 1 angebrachten Knaggen 34 stößt; hierbei hebt sie gleich zu Beginn ihrer Bewegung durch
Vermittlung der herzförmigen Einziehung des auf der Scheibe angegossenen Kranzes 31 die Fallennase 25 aus
der Rast 26 aus und bringt jene zwischen die beiden
Scheibenkränze 31 und 28,
so daß eine weitere Aenderung in der Lage der Nase bezw. der Fallenstange 9, welch letztere beim Aufwärtsgehen den Fallengriff
7 fest an den Stellhebel drückt, nicht mehr
erfolgen kann. Natürlich übt diese Ausrückung der Fallenstange genau die nämliche
Wirkung, als sei sie mit der Hand durchgeführt worden, d.h. die durch Vermittlung
des Gleitbolzens 14 dem Hub oder Druck der Fallenstange
folgende Zugstange 16 geht so weit hoch, daß der
Gleitbolzen 18 in den mittleren Teil des Schlitzes 17 eintritt und sonach dem Verschlußschieber 19 die in Fig. 6
dargestellte Lage erteilt, bei welcher, wie schon früher in Betracht gezogen wurde,
die vollkommene Fahrstraßen- bezw. Signalsperre besteht. Jedes Aufscheren
kennzeichnet sich am Stellhebel durch Zerreißen eines Bleisiegelverschlusses 35, der bis dahin die Abscherklinke und den Stellhebel
verbunden hat und nach Herstellung des Normalstandes vom Ueberwachungsbeamten wieder
angelegt werden muß. Ferner ist am oberen Rand der Stellscheibe 5, genau hinter dem Stellhebel 4, ein Schild 36 (vergl. Fig. 5, Schnitt ab)
angebracht, das unter regelrechten Verhältnissen, von 4
gedeckt, nicht gesehen werden kann, dagegen sichtbar wird, sobald die Stellscheibe
für sich allein eine Winkelbewegung macht. Auf diese Weise wird also auch der
Stellwerkswärter auf die eingetretene Unordnung sofort und deutlich aufmerksam
gemacht. Genau dieselben Vorgänge mit dem Ergebnis der Signalsperre nach Fig. 6 und dieselben Begleiterscheinungen, welche
beim Aufschneiden der Weiche hervorgerufen werden, treten auch in dem Falle ein,
wenn ein Draht der Doppelleitung reißt.
Der obengeschilderte Weichenstellhebel erfreut sich ersichtlichermaßen des Vorzuges,
daß die Anbringung von Gelenksbolzen, wie sie beispielsweise bei
Verschlußwinkelhebeln oder den parallel schwingenden Verschlußbalken vorkommen oder
der Verwendung ähnlicher Konstruktionsteile, welche sich erfahrungsgemäß leicht
abnutzen und dann Anstände veranlassen können, vermieden worden ist. Jener Weg,
welchen der Verschlußschieber zurückzulegen hat, um den nach dem Ausrücken der
Fallenstange und während des Umlegens des Stellhebels, dann beim Aufschneiden der
Weiche oder endlich beim Reißen des Drahtzuges eintretenden Fahrstraßen- bezw.
Signalverschluß zu bewirken, läßt sich leicht so groß anordnen, daß die
Verläßlichkeit unter allen Umständen gesichert ist. Schwankungen in der Arbeit der
Fallenstange, welche sich etwa beim Ein- oder Ausrücken ergeben, finden ihren
sofortigen Ausgleich durch den Leerlauf des Gleitbolzens 18 im senkrechten Mittelstück des Schlitzes 17. Da im allgemeinen nur größere Flächen zusammenarbeiten und alle jene
Teile, welche Verwerfungen oder seitlichen Verbiegungen ausgesetzt sein könnten,
durch gute Führungen sehr günstig geschützt sind, darf wohl auch auf eine geringe
Abnutzung der Gesamtanordnung gerechnet werden.
(Fortsetzung folgt.)