Titel: | Ergebnisse neuerer Dauerversuche an Metallen. |
Autor: | E. Preuß |
Fundstelle: | Band 322, Jahrgang 1907, S. 100 |
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Ergebnisse neuerer Dauerversuche an
Metallen.
Von E. Preuß.
Ergebnisse neuerer Dauerversuche an Metallen.
Vor etwa Jahresfrist beschrieb Herr Wazau in dieser
Zeitschrift neuere englische Dauerversuchsmaschinen.D. p. J. 1905, Bd. 320, S. 481. Diesem Aufsatz sind die Fig. 1–5 entnommen. Er
sah damals im allgemeinen von der Mitteilung von Versuchsergebnissen ab, weil noch
keine genügende Anzahl von Versuchen vorlag, um hinreichend sichere Schlüsse zu
ziehen. Im Verlauf des letzten Jahres sind nun einige Veröffentlichungen erfolgt,
deren Ergebnisse nachstehend zusammengefaßt werden sollen. Zwar sind auch diese
neuen Versuchsreihen immerhin noch ziemlich spärlich, doch dürfte die Mitteilung
ihrer Ergebnisse trotzdem willkommen sein, da unsere Kenntnis über das Verhalten von
Metallen bei Dauerbeanspruchung im wesentlichen immer noch auf den bereits 3½
Jahrzehnte zurückliegenden Versuchen Wöhlers beruht und
die neuen Versuche manche neuen Gesichtspunkte gezeitigt haben.
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Fig. 1.Schematische Darstellung der Maschine nach Reynolds.
Aus den letzten fünf Jahren liegen Mitteilungen über Dauerversuche an Metallen vor
von Smith,On a
Throw-Testing Machine for Reversals of Mean Streß, Philosophical
Transactions of the Royal Society of London, Bd. 199, S. 265. –
Engineering 3. III. 1905. Gardner,Effects caused by the Reversals of Stresses
in Steel, The Journal of the Iron and Steel Institute 1905, S.
481. Rogers,Heat
Treatment and Fatigue of Steel, The Journal of the Iron and Steel Institute
1905, S. 486. sowie von Stanton und
BairstowOn the
Resistance of Iron and Steel to Reversals of Direct Streß, Proceedings
of the Institution of Civil Engineers, Bd. 166. Teil 4. – Engineering
17. II. 1905.. Da, wie bereits erwähnt, in dieser
Zeitschrift schon ausführlich über die bei diesen Versuchen verwendeten Maschinen berichtet worden ist, so genügt hier eine
kurze Zusammenfassung des dort gesagten.
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Fig. 2.Schematische Darstellung der Stanton-Maschine.
Die von Smith, sowie von Stanton und Bairstow benutzten Maschinen sind
nach dem in Fig. 1 schematisch dargestellten, von
Reynolds angegebenen Gedanken gebaut. Der Probestab
a ist zwischen der Geradführung eines
Schubkurbelgetriebes und der Masse m eingebaut. Bei
Bewegung des Schubkurbelgetriebes erhält der Probestab infolge der Trägheit der
Masse m abwechselnd Zug- und Druckspannungen,
deren Größe von der Masse m, der Geschwindigkeit und
dem Kurbelradius abhängig ist. Die von Smith benutzte
Maschine ist stehend angeordnet.
Fig. 2 stellt schematisch die von Stanton und Bairstow
verwendete, liegend gebaute Maschine dar. Der Vollständigkeit halber sei in Fig. 3 auch noch die neue Maschine von Smith nochmals wiedergegeben, die entgegen den früheren
Maschinen den großen Vorteil besitzt, daß der Probestab keine räumliche Bewegung
ausführt.
Gardner und Rogers haben ihre Versuche mit Maschinen
angestellt, die nach Art der Wöhlerschen Maschinen
gebaut waren, bei denen der Probestab sich dreht und während der Drehung belastet
wird, so daß sich der Stab durchbiegt und jede Stelle des Stabes abwechselnd gleich
große Zug- und Druckspannungen erhält.
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Fig. 3.Maschine von Smith.
Die benutzte Lastwechselzahl ist bei den einzelnen Forschern sehr verschieden. Smith wendete 1500–2500, Stanton und Bairstow 800, Rogers 400 Lastwechsel i. d. Minute an. Gardners Abhandlung enthält keine Angaben über die
Lastwechselzahl.
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Fig. 4.Probestab von Smith, Durchmesser 6,3 mm.
1. Versuchsergebnisse von Smith. Die von Smith benutzten Probestäbe zeigt Fig. 4. Die Stäbe wurden vorgedreht und dann mit
einer Schmirgelscheibe auf den gewünschten Durchmesser von 6,3 mm nachgeschliffen.
Das Abdrehen einiger Stäbe wurden mit besonders grobem Spahn und das Nachschleifen
mit der Schmirgelscheibe absichtlich recht nachlässig ausgeführt. Diese Stäbe
zeigten jedoch keine schlechteren Versuchsergebnisse als die sorgfältig
bearbeiteten. Ein Teil der Probestäbe wurde in einem Gasofen bis zur Rotglut erhitzt
und bei dieser Wärme ½ Stunde geglüht. Das Abkühlen erfolgte in 10–12 Stunden. Beim
Einbau der Stäbe wurden besondere Vorsichtsmaßregeln getroffen, um Beanspruchung der
Stäbe auf Verdrehung zu vermeiden.
Untersucht wurde Flußeisen, Gußstahl, Lowmooreisen und Gußeisen.
Da nicht alle Versuchsreihen ohne Unterbrechung ausgeführt werden konnten, war es
nötig, den Einfluß der Betriebspausen auf das Ergebnis zu untersuchen. Zu diesem Zweck wurden
mehrere Versuche mit geglühtem und ungeglühtem Flußeisen wie folgt durchgeführt.
Nachdem einige Stäbe etwa mit der Hälfte der Lastwechsel, die sie nach den
Ergebnissen der Vergleichsversuche ohne Betriebspause bis zum Bruch ausgehalten
haben würden, beansprucht waren, wurden sie 3, 5, 11 und 120 Tage sich selbst
überlassen. Es zeigte sich, daß bei kurzer Betriebspause keine Beeinflussung der
Versuchsergebnisse eintrat. Bei monatelangen Pausen scheint eine leichte Erholung
des Materials, d.h. Vermehrung der zum Bruch erforderlichen Anzahl der Lastwechsel
stattzufinden, jedoch genügt die geringe Anzahl der Versuche noch nicht für ein
abschließendes Urteil.
Smith hat sich hauptsächlich damit befaßt, den Einfluß
der LastwechselzahlUnter Lastwechselzahl n
ist im folgenden stets die Anzahl der Spannungswechsel (voller Umlauf der
Maschinenwelle) in einer Minute verstanden, unter der Bruchwechselzahl z
die Summe aller bis zum Eintritt des Bruches vom Probestab ausgehaltenen
Spannungswechsel. auf die Arbeitsfestigkeit σA festzustellen. Er
gibt hierüber eine Anzahl von Tabellen, die von Wazau
in dem Schaubilde Fig. 5 durch Kurven dargestellt
sind, getrennt nach den vier verschiedenen Schwunggewichten Q. Zu beachten ist, daß innerhalb jeder dieser Kurven die Lastwechselzahl
von der rechten bis zur linken Seite des Schaubildes, d.h. von z = 106 bis z = 0 ständig zunimmt, da ja mit demselben
Schwunggewicht ständig wachsende Spannungen erzeugt wurden. Für die Bruchwechselzahl
z = 106, d.h.
also um einen Bruch nach 1000000 Spannungswechseln oder praktisch genommen,
überhaupt nicht mehr zu erzielen, mußten die Lastwechselzahlen n und Spannungen σ (Tab.
1) angewandt werden.
Tabelle 1.
Geglühtes Flußeisen
Geglühter Gußstahl
Q kg
σ kg/qcm
n
Q kg
σ kg/qcm
n
5,64
1915
1790
5,64
2200
1875
8,48
2590
1740
8,48
2350
1700
11,31
2800
1610
11,31
2820
1610
19,9
3240
1315
19,9
3150
1280
Textabbildung Bd. 322, S. 101
Fig. 5.Verlauf der Bruchwechselzahl z mit dem Spannungsbereich σ für
geglühten Gußstahl und für geglühtes Gußeisen.
Die Werte σ in dieser Tabelle geben die Summe der Zug-
und Druckspannung, denen das Material bei einem Lastwechsel ausgesetzt war, da
der Stab gemäß der Bauart der Maschine bei einer vollen Umdrehung stets Zug- und
Druckspannungen erhält. Die Zugspannung war bei diesen Versuchen etwa gleich dem
1,14 fachen der Druckspannung. Beim einmaligen Zugversuch mit diesem Material hatten
sich die Werte (Tab. 2) ergeben:
Tabelle 2.
Flußeisen
Gußstahl
Streckgrenze σS
kg/qcm
2710
6250
Bruchgrenze σB
kg/qcm
3900
9150
Bruchdehnung δB v. H.
30
3,8
Man sieht aus dem Vergleich der beiden Tabellen, daß bei allen diesen Versuchen, bei
denen das Material zu Bruche ging, die Arbeitsfestigkeit σA beim Gußstahl stets weit unter der
Streckgrenze lag, beim Flußeisen jedoch nur bei einigen Versuchen. Es sei hier noch
besonders betont, daß diese Angaben nicht verallgemeinert werden dürfen, da sie sehr
stark von der Art des Materials, seiner Zusammensetzung und seinem Zustand, von der
Lastwechselzahl und, wovon weiter unten noch die Rede sein wird, von der Form des
Probestabes abhängig sind, da Probestäbe mit allmählichen Querschnittsübergängen
wesentlich andere Werte ergeben als Stäbe mit schroffen Uebergängen.
Fig. 5 bringt ferner deutlich zum Ausdruck, daß bei
höheren Lastwechselzahlen (1500–2500 i. d. Minute)
der Gußstahl trotz höherer Zugfestigkeit, bedingt durch den höheren
Kohlenstoffgehalt, bei Dauerbeanspruchung dem Flußeisen nur bei niederen
Lastwechselzahlen überlegen ist.
Smith setzt die Ergebnisse seiner Versuche in Vergleich
mit denen von WöhlerZeitschrift für Bauwesen 1860, S. 583; 1863, S. 233; 1866, S. 67;
1870, S. 73. und BakerTransactions of American Society of
Mechanical Engineers, Bd. 8. S. 157.. Bei der
Verschiedenartigkeit der untersuchten Materialien kann man diesem Vergleich keinen
allzu hohen Wert beimessen. Immerhin ergaben die Versuche von Wöhler und Baker
wesentlich höhere Arbeitsfestigkeiten, was mit ihrer viel geringeren Lastwechselzahl
(50–80 i. d. Minute) leicht zu erklären ist.
Der Bruch der Probestäbe erfolgte bei den Versuchen von Smith ohne wesentliche Dehnung und ohne Querschnittsverminderung. Einige
Stäbe zeigten sogar eine wahrscheinlich kurz vor dem Bruch aufgetretene Vergrößerung
des Durchmessers.
Eine Anzahl von Versuchen hat Smith durchgeführt, um zu
untersuchen, ob Stäbe, die bereits längere Zeit der Dauerbeanspruchung unterworfen
und darauf wieder ausgeglüht waren, durch dieses Ausglühen bei weiterer
Dauerbeanspruchung insgesamt eine größere Bruchwechselzahl erreichen würden. Soweit
sich bei der geringen Zahl der Versuche übersehen läßt, wirkt das Ausglühen
schädlich, indem es die Bruchwechselzahl des Stabes herabsetzte.
2. Versuchsergebnisse von Gardner. Gardner hat
verschiedene Versuchsstäbe aus Stahl im elektrischen Ofen bis auf 950° erhitzt. Die
einzelnen Reihen wurden dann allmählich bis auf 900°, 850°, 800°, 750°, 700°, 650°,
600° und 550° abgekühlt und nach Erreichen dieser Wärmegrade in Wasser von 12°
abgeschreckt, um den Stahl in dem ihm bei den genannten Wärmestufen eigentümlichen
Gefügezustand zu erhalten. Die Dauerversuche ergaben die Werte (Tab. 3):
Tabelle 3.
Abgeschreckt bei
550°
600°
650°
700°
750°
800°
850°
900°
σ
A
29,6
41,8
44,8
60,2
70,0
71,8
76,2
74,8
Trägt man sie zu einem Schaubilde auf, so erhält man nach Gardner einen aus 3 Geraden zusammengesetzten Linienzug
A, B, C, D (Fig.
6)Unseres Erachtens ist
der Sache durch die geknickte Linie Zwang angetan; durch einen
kontinuierlichen Linienzug wäre eine bessere Darstellung der Ergebnisse
gegeben. Die Redaktion.. Die Knickpunkte dieses
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Fig. 6.Abschrecktemperaturen
Linienzuges stehen nach Gardners Ansicht
wahrscheinlich mit den Umwandlungspunkten des Eisens in Zusammenhang. Je nach dem
Kohlenstoffgehalt besteht das Eisen oberhalb der eutektischen Linie aus reinem
Martensit oder Ferrit und Martensit, und zwar liegt der Beginn der Ausscheidung von
Ferrit je nach dem Kohlenstoffgehalt zwischen 900° und 700°. Die höchste Festigkeit
zwischen den Punkten C und D würde demnach dem reinen Martensit zukommen. Die Strecke zwischen B und C entspricht der
bereits begonnenen Ferritausscheidung innerhalb des Martensits. Die Festigkeit des
Materials ist geringer geworden, da Ferrit eine bedeutend geringere Festigkeit als
Martensit besitzt. Die Strecke AB bedeutet die bereits
vollendete Umwandlung des Materials zu Perlit. Die Festigkeit ist hier am
geringsten, da der Perlit aus nebeneinanderliegenden Ferrit- und Martensitlamellen
besteht.
(Fortsetzung folgt.)