Titel: | Ergebnisse neuerer Dauerversuche an Metallen. |
Autor: | E. Preuß |
Fundstelle: | Band 322, Jahrgang 1907, S. 118 |
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Ergebnisse neuerer Dauerversuche an
Metallen.
Von E. Preuß.
(Fortsetzung von S. 102 d. Bd.)
Ergebnisse neuerer Dauerversuche an Metallen.
3. Versuchsergebnisse von Rogers. Die Versuche von
Rogers erstrecken sich im wesentlichen auf den
Einfluß der Wärmebehandlung auf die Arbeitsfestigkeit. Geprüft wurden drei
Eisensorten A, B, C, von der Zusammensetzung (Tab.
4):
Tabelle 4.
Sorte
C
Mn
Si
S
P
A
0,27
1,06
0,047
0,042
0,040
B
0,14
0,60
0,112
0,040
0,031
C
0,32
0,31
0,027
0,025
0,028
Entsprechend der Verminderung der beim Zugversuch mit stetig wachsender Belastung
erhaltenen Werte für σP
und σB durch vorheriges
Ausglühen zeigten die untersuchten Materialien A und
C auch beim Dauerversuch geringere Festigkeit, wenn
ein Ausglühen vorhergegangen war; hatte Ueberhitzung stattgefunden, so sank die
Arbeitsfestigkeit wesentlich (siehe Versuch No. 4 Tab. 5). Wiedererhitzen des
überhitzten Materials hob den Wert für die Arbeitsfestigkeit wieder etwas, aber
nicht in dem erwarteten Maße. Durch Abschrecken wurde die Arbeitsfestigkeit
gesteigert.
Tab. 5 gibt die Hauptergebnisse von Rogers wieder. In
ihr bedeutet δ100 die
Bruchdehnung, gemessen auf 100 mm Länge, die beim Dauerversuch angewandte Spannung,
d.h. die Summe der Zug- und Druckspannung. Da Wöhlersche Maschinen mit sich drehendem Probestab verwendet wurden, so ist die
Zugspannung stets gleich der Druckspannung.
Rogers hat auch den Einfluß der Wiedererhitzung von
Material, das bereits längere Zeit der Dauerbeanspruchung unterworfen war,
untersucht und ebenfalls gefunden, daß das Wiedererhitzen nicht vorteilhaft ist. Als
Grund dafür gibt er an, daß sich beim Dauerversuch mehr oder weniger lange Haarrisse
ausgebildet hatten, deren Oberfläche durch das nachfolgende Erhitzen oxydiert war,
so daß eine Wiedervereinigung des Materials ausgeschlossen war. Je höher das
Material erhitzt wird, desto mehr oxydieren diese Risse und um so ungünstiger wird
die Erhitzung auf die Lebensdauer des Materials einwirken. Rogers schlägt Erhitzen, gegebenenfalls bis zur Glühwärme, vor, um die
Risse bei dauernd beanspruchtem Material gut sichtbar zu machen.
4. Die Versuche von Stanton und Bairstow, die bisher
noch nicht abgeschlossen sind, gingen hauptsächlich von folgenden Gesichtspunkten
aus: Die noch heute benutzten Angaben über die Arbeitsfestigkeit beruhen im
wesentlichen auf den bereits 3½ Jahrzehnte zurückliegenden Versuchen Wählers und wurden an Materialien festgestellt, wie sie
zur Zeit nicht mehr benutzt werden. Daher ist besonders die Prüfung von modernem Material wünschenswert und zwar in dem
Zustand, in den es im Maschinenbau verwendet wird, ohne jede vorherige
Wärmebehandlung. Von einigen Seiten wird Schweißeisen als besonders widerstandsfähig
gegen Dauerbeanspruchung empfohlen, was von anderer Seite bestritten wird. Diese
Frage ist zu klären. Der Einfluß der Geschwindigkeit der Lastwechsel auf die
Arbeitsfestigkeit ist zu bestimmen. Die bei den Hauptversuchsreihen benutzten
Lastwechselzahlen sollen den bei modernen schnellaufenden Maschinen
Tabelle 5.
Textabbildung Bd. 322, S. 119
Material; Versuch No.;
Wärmebehandlung; Zugversuch mit stetig wachsender Belastung; Dauerversuch
auftretenden Spannungswechselzahlen entsprechen. Der Einfluß
scharfer Uebergänge bei Querschnittsänderungen des Probestabes ist zu untersuchen
und die Ursachen des Bruches bei Dauerbeanspruchung durch mikroskopische
Untersuchung festzustellen.
Untersucht wurden die in Tab. 6 aufgeführten Materialien.
Tabelle 6.
No.
Bezeichnung
C
Mn
Si
S
P
σPkg/qmm
σSkg/qmm
σBkg/qmm
δl = 200 mm
1
Schwed. Bessemerstahl No 3
0,645
0,260
0,062
0,010
0,028
43,5
45,7
74,8
12,9
2
„ „ „ 2
0,446
0,370
0,058
0,012
0,028
39,3
43,8
69,0
17,0
3
„ „ „ 1
0,170
0,100
0,021
0,012
0,013
33,6
37,6
44,8
22,8
4
„ Holzkohleneisen
0,039
–
–
–
0,018
20,3
22,7
30,8
33,8
5
Kolbenstangenstahl
0,446
0,470
0,063
0,044
0,067
30,8
35,2
69,0
18,1
6
Geschmiedeter Stahl
0,336
0,560
0,072
0,021
0,026
20,3
22,7
46,3
16,6
7
Flußeisen No. 2
0,331
0,680
0,086
0,056
0,066
22,5
24,8
44,5
24,6
8
„ „ 1
0,065
0,040
0,148
0,010
0,135
16,8
21,1
34,5
28,0
9
Schweißeisen No. 2
0,195
0,005
0,086
0,011
0,054
21,0
23,1
40,3
23,8
10
„ „ 1
0,029
0,070
0,127
0,024
0,219
22,5
25,9
37,5
27,0
Die Probestäbe hatten die in Fig. 7 abgebildeten
Formen. Form 1 ist die gleiche wie bei den Versuchen
von Smith. Form 2 hat
aufgeschnittenes Gewinde, Form 3 hat wenig abgerundete,
Form 4 scharfe Querschnittsübergänge. Form 5 hat rechteckigen Querschnitt, dessen Zweck weiter
unten bei Besprechung der metallographischen Untersuchungen noch erörtert werden
wird.
Bei der von Stanton verwendeten Maschine erhält der
Probestab bei jedem Spannungswechsel sowohl Zug- wie Druckbeanspruchung und zwar
standen beide meistens im Verhältnis 1,4 : 1 zu einander. Durch die Versuche von Wöhler und Bauschinger ist
nun nachgewiesen, daß die Widerstandsfähigkeit eines Stabes nicht vom absoluten Wert
der angewendeten Spannung, sondern vom Unterschied zwischen der Höchst- und
Niedrigstspannung abhängt, also wenn der Stab Zug- und Druckspannung erhält, von der
Summe der beiden letzteren. Um die Richtigkeit dieser Ergebnisse nachzuprüfen, wurde
das Verhältnis beider Spannungen bei einigen Versuchsreihen Stantons von 1,4 auf 1,09, 0,92 und 0,72 verändert. Dabei zeigte sich,
daß, wie auch das Verhältnis der Zug- zur Druckspannung war, die gleichen Wirkungen
erzielt wurden, wenn die Summe beider Spannungen gleich war. Dies Ergebnis
bestätigte also die Angaben von Wöhler und Bauschinger.
Textabbildung Bd. 322, S. 119
Fig. 7.
Die mit Versuchsstäben ohne scharfe Querschnittsübergänge (Form 1) erhaltenen
Versuchsergebnisse sind im Schaubild (Fig. 8)
enthalten. Die Kurven haben bei etwa 400000 Lastwechseln bereits nahezu ihre
Asymptote, die Arbeitsfestigkeit σA, erreicht. Daher
bezeichnete Stanton
mit
Arbeitsfestigkeit σA
diejenige Spannung, bei der das Material nach 1000000 Anspannungen noch nicht zum
Bruch gekommen war. Er meint, es sei zwecklos einen Stab mit mehr als 1000000
Anspannungen zu belasten; denn wenn er eine bestimmte Spannung 1000000 mal
ausgehalten habe, werde er diese oder eine nur unwesentlich geringere Spannung auch
unendlich oft aushalten können.
Gleiches ergaben die Versuche von Smith. Bei den Wöhlerschen Versuchen mit ihren niedrigen
Lastwechselzahlen hatten die nach Art des Schaubildes Fig.
8 aufgetragenen Kurven bei 1000000 Anspannungen noch nicht ihre Asymptote
erreicht.
Textabbildung Bd. 322, S. 120
Stab gebrochen, Stab nicht
gebrochen
Fig. 8.Gesamtzahl der Umdrehungen.
Textabbildung Bd. 322, S. 120
Fig. 9.Kohlenstoffgehalt.
Fig. 9 zeigt den Einfluß des Kohlenstoffgehalts auf
die Arbeitsfestigkeit von schwedischem EisenDas
Material mit geringstem Kohlenstoffgehalt ist Holzkohleneisen, die anderen
drei Sorten sind Bessemerstahl. Der Beweis fehlt, daß Unterschiede im
Verhalten beider Eisensorten auf dem verschiedenen Gehalt an Kohlenstoff
beruhen und nicht auch in der Art der Herstellung. (Die
Redaktion.). Die drei oberen Kurven geben die Bruchgrenze,
Streckgrenze und Proportionalitätsgrenze beim Zugversuch mit stetig wachsender
Belastung an. In Vergleich damit ist der Wert ½ σA gesetzt, der in den vier unteren Kurven
dargestellt ist, d.h. es ist angenommen, daß das Material sowohl auf Zug als auch
auf Druck bis ½ σA
beansprucht wird, die Summe beider Spannungen also σA beträgt. Benutzt wurden für die Zusammenstellung
dieses Schaubildes die drei schwedischen Bessemerstahlsorten No. 1–3 und das
schwedische Holzkohleneisen, deren Analysen bereits in Tab. 6 gegeben sind. Bemerkt
sei, daß die Stahlsorten No. 2 und 3 einen in Vergleich zu den beiden anderen Sorten
hohen Mangangehalt haben, der aber keinen wesentlichen Einfluß ausgeübt zu haben
scheint. Das Schaubild zeigt, daß höherer Kohlenstoffgehalt, ebenso wie er beim
gewöhnlichen Zugversuch höhere Festigkeit, so auch bei Dauerbeanspruchung höhere
Arbeitsfestigkeit bedingt. Dies ist natürlich nur für die angewandte Lastwechselzahl
n = 800 erwiesen. Bei den Versuchen von Smith mit höheren Lastwechselzahlen zeigt Material mit
höherem Kohlenstoffgehalt keine wesentlich höhere Arbeitsfestigkeit, als Material
mit niedrigem Kohlenstoffgehalt.
Einige Versuche sind mit geglühtem Material ausgeführt. Dabei wurde bis 1000° erhitzt
und langsam an der Luft abgekühlt. In Uebereinstimmung mit den Versuchen von Rogers fand sich eine Abnahme der Arbeitsfestigkeit um
15–25 v. H. durch das Glühen.
Das Verhältnis der Proportionalitätsgrenze beim gewöhnlichen Zugversuch zur
Arbeitsfestigkeit schwankte für die einzelnen Materialien sehr. Stanton und Bairstow
kommen bei dieser Gelegenheit auf die Bauschingersche
Theorie der „natürlichen“ P-Grenze zu sprechen. Bauschinger hat darauf hingewiesenMitteilungen aus den mechanisch-technischen Laboratorien der Kgl.
Technischen Hochschule in München, Heft 13., daß die P-Grenze für
ein und dasselbe Material keinen festliegenden Wert hat, sondern je nach dem
Zustande der Bearbeitung verschieden ist. Man erhält aber einen jedem Material
eigentümlichen und gleichbleibenden Wert für die P-Grenze, wenn man folgendermaßen
vorgeht. Das Material wird zunächst einmal auf Zug bis zur P-Grenze beansprucht,
darauf auf Druck bis zur Druck-P-Grenze und einige Male so fort, bis ein
gleichbleibender Wert für die P-Grenze erreicht ist. Stanton hat nun vermutet, daß diese „natürliche“ P-Grenze gleich
der Arbeitsfestigkeit sein könnte. Er hat an drei Materialien diesbezügliche
Versuche angestellt und mit seinen Annahmen überraschend gut übereinstimmende
Ergebnisse erhalten. Dies scheint jedoch belanglos und nur ein Zufall zu sein. Denn
sobald eine Aenderung in der Lastwechselzahl eintritt oder Probestäbe mit scharfen
Querschnittsänderungen untersucht werden, ändert sich die Arbeitsfestigkeit sehr
stark, während die natürliche P-Grenze des Materials stets gleich bleibt. Die
Arbeitsfestigkeit scheint überhaupt weniger zur Bruchfestigkeit und P-Grenze in
Beziehung zu stehen, als zur Streckgrenze. In Fig. 10 (s. später) sind nach dem
Vorgange von Robertson die Bruchfestigkeit,
Streckgrenze und Arbeitsfestigkeit für die von Stanton
und Bairstow untersuchten Materialien No. 1–10
dargestellt. Man erkennt deutlich den parallelen Verlauf der Linie für die
Arbeitsfestigkeit und für die Streckgrenze.
Zu den Versuchen über den Einfluß mehr oder weniger plötzlicher Querschnittsübergänge
auf die Arbeitsfestigkeit wurden die Stabformen 2, 3, 4 (Fig. 7) gewählt. In allen Fällen zeigte sich eine wesentliche
Verringerung der Arbeitsfestigkeit gegenüber dem Stabe ohne plötzliche
Querschnittsänderungen. Die Ergebnisse sind in Tab. 7 zusammengestellt.
Tabelle 7.
Material
Form 2
Form 3
Form 4
σ'A
\frac{\sigma'_A}{\sigma_A}
σ'A
\frac{\sigma'_A}{\sigma_A}
σ'A
\frac{\sigma'_A}{\sigma_A}
Schwed. Bessemer- stahl No. 3
34,5
0,69
34,0
0,68
24,1
0,48
Schwed. Bessemer- stahl No. 2
33,6
0,70
34,3
0,72
22,7
0,47
Schwed. Bessemer- stahl No. 1
28,3
0,67
28,8
0,68
20,4
0,48
Schwed. Holzkohlen- eisen
20,4
0,68
19,4
0,65
16,3
0,54
Kolbenstangenstahl
29,3
0,66
31,5
0,71
26,6
0,60
Flußeisen No. 2
29,0
0,71
29,2
0,72
22,3
0,55
Flußeisen No. 1
21,7
0,74
21,3
0,72
19,2
0,64
Schweißeisen No. 1
26,3
0,77
27,5
0,81
20,3
0,60
Hierin bedeutet σA die
bei der Stabform 1, σ'A
die bei der jeweiligen Stabform 2–4 erreichte Arbeitsfestigkeit. Das Verhältnis
\frac{\sigma'_A}{\sigma_A} läßt die starke Abnahme der Arbeitsfestigkeit bei plötzlicher
Querschnittsänderung sehr deutlich erkennenZu
beachten bleibt, daß der Einfluß der Stablänge nicht ausgeschaltet ist. (Die
Redaktion.).
Die Versuchsstäbe erhielten in der Regel an einem Tage etwa 400000 Lastwechsel.
Besondere Untersuchungen über den Einfluß der Betriebspausen bei längeren
Versuchsreihen ergaben, daß Betriebspausen von 15–20 Stunden keinen merklichen
Einfluß auf die Arbeitsfestigkeit ausüben.
Aus der Erörterung, die sich an den Vertrag von Stanton
über die hier mitgeteilten Versuchsergebnisse anschloß, sei die Mitteilung Unwins erwähnt, der Dauerversuche mit Flußeisen bei 150
Lastwechseln i. d. Minute und Wärmestufen von 200°–260° ausgeführt hat. Entsprechend
der bei diesen Wärmegraden erhöhten Festigkeit beim Zugversuch mit stetig wachsender
Belastung zeigte das Material auch beim Dauerversuch eine etwas erhöhte
Arbeitsfestigkeit.
(Schluß folgt.)